Einführung

Spätestens mit der globalen  Finanzkrise wurde das Interesse an der Funktionsweise unseres Geldsystems auch in der breiten Öffentlichkeit geweckt. Für den Laien ist es kaum nachvollziehbar, wie es zu dieser Entwicklung kommen konnte. Allerdings ist auch innerhalb der ökonomischen Zunft nach Platzen der amerikanischen Immobilienblase deutlich geworden, dass man die fundamentalen Zusammenhängen einer Geldwirtschaft allzu lange vernachlässigt hatte. Was-ist-Geld.de hat sich zum Ziel gesetzt, diese grundsätzlichen Zusammenhänge möglichst einfach aufzubereiten. um einen niedrigschwelligen Einstieg auch für Laien zu ermöglichen. Hierzu stehen Ihnen sieben „Module“ zur Verfügung, die aufeinander aufgebaut sind. Am Ende jedes Moduls gibt es einige Quizzes, mit denen Sie das Gelernte überprüfen können. Bevor es losgeht, soll im Folgenden zunächst der Aufbau dieses Blogs erläutert werden.

Aufbau

„Geld“ kann je nach Blickwinkel bzw. Art der Fragestellung verschiedene Formen annehmen.  Um Missverständnisse zu vermeiden, werden wir daher zunächst wichtige Begriffe im Zusammenhang mit Geld definieren müssen, da es für das Verständnis monetärer Beziehungen essentiell ist, sehr präzise mit eben jenen Begriffen umzugehen.  Der einführende Abschnitt beginnt daher zunächst mit den verschiedenen Formen sowie den definierenden Eigenschaften von Geld. Wir werden feststellen müssen, dass es nicht die eine wahre Gelddefinition gibt, sondern verschiedene Geldformen abhängig von der zu untersuchenden Fragestellung Vor- und Nachteile bieten.

Zudem ist es hilfreich, einige Grundlagen der Buchhaltung zu verstehen, da Geld letztlich auf dem Konzept der doppelten Buchführung basiert. Das zweite Modul (Buchführung) wird daher eben jene Grundlagen vermitteln, die für das Verständnis von Geld von Nöten sind. Um diese kurze Erläuterung nicht allzu trocken zu gestalten, werden diese Grundlagen direkt am Beispiel der Geldschöpfung  privater Banken erklärt.

Der dritte Teil (Geld und Vermögen) wird schließlich auf unwiderlegbare Zusammenhänge und typische Denkfehler hinweisen, die häufig enstehen, weil Begriffe rund um das Thema Geld (Brutto- und Nettogeldvermögen, Konsum und Ersparnis etc.) unpräzise verwendet werden. Diese Denkfehler stehen einem grundlegenden Verständnis des Geldsystems häufig im Weg.

Im vierten Modul dieses Blogs werden wir anhand der gesamtwirtschaftlichen Buchhaltung erklären, warum eine Geldvermögensbildung in einem Sektor einer Volkswirtschaft nur dann möglich ist, wenn alle anderen Sektoren sich in der Summe in exakt gleicher Höhe verschulden. Aus diesem unwiderlegbaren Zusammenhang werden wir die sogenannten „Finanzierungssalden“ ableiten, die sehr anschaulich die gesamtwirtschaftlichen Zusammenhänge einer Geldwirtschaft darstellen.

In den finalen drei Abschnitten (Geldpolitik I-III) wird dann eine kurze Einführung in die Funktionsweise einer Zentralbank erfolgen. Dies ist lediglich als Einstieg in die Materie gedacht und gewiss keine umfassende Abhandlung aller geldpolitischer Instrumente und ihrer Möglichkeiten sowie Grenzen.  Es sollen lediglich die wichtigsten Funktionen und Begriffe im Zusammenhang mit moderner Geldpolitik skizziert werden, um über die größten Denkfehler und Mythen in diesem Bereich aufzuklären.

Unter Links sind schließlich Links zu interesannten und weiterführenden Blogs zum Thema Geld zu finden.

Das Wesen des Geldes

Eine Einführung in die Funktionsweise von Geld beginnt i.d.R. mit der Tauschmittelfunktion. In einer reinen Tauschwirtschaft würden Waren gegen Waren getauscht werden. So kann ich als Dozent der Volkswirtschaftslehre meinem Bäcker einen Vortrag über die Funktionsweise des Geldsystems anbieten, wenn er mir im Gegenzug dafür Brötchen für den Rest des Monats liefert. Ist der Bäcker einverstanden, so kann der Tausch von statten gehen. Geld wird hierzu offensichtlich nicht benötigt.

Geld braucht es erst dann, wenn ein Tausch nicht abgeschlossen werden kann, weil die Beteiligten sich nicht auf einen Tausch von Waren einigen können. Dies wird offensichtlich eher die Regel als die Ausnahme sein. Für einen reinen Tausch bräuchte man nämlich eine Koinzidenz der Bedürfnisse („Coincidence of Wants“): Wenn 2 Personen miteinander tauschen, müsste die eine ein Gut verlangen, welches die andere im Überfluss besitzt, während diese wiederum etwas begehrt, was der ersten Person im Überfluss zur Verfügung steht. Diese Koinzidenz müsste zudem räumlich wie auch zeitlich gelten. Stellt eine Person Waren her, die nur im Sommer gefertigt werden, und eine andere Waren, die nur im Winter gefertigt werden, dann kann allein die zeitliche Differenz dazu führen, dass beide Personen keinen Tausch von Waren vollziehen können. Händler haben sich daher schon immer gegenseitig einen Zahlungsaufschub gewährt. Wird dieser Zahlungsaufschub in Form eines Schuldscheins notiert, kann unter gewissen Umständen (die wir weiter unten diskutieren) dieser Schuldschein zu einem allgemein akzeptierten Zahlungsmittel werden. Geld ist also ein Schuldverhältnis. Früher wurden solche Schuldscheine zum Markt gebracht,  um sie dort gegenseitig aufzurechnen.

Vermutlich wird der Bäcker im vorangegangenen Beispiel gar kein Interesse daran haben, einen Vortrag von mir zu hören. Er würde wohl eher dazu bereit sein, mir Brötchen zu liefern, wenn er mir dann nur nicht mehr zuhören müsste. Daher zahle ich seine Brötchen in Geldeinheiten, mit denen der Bäcker einer dritten Person Waren abkaufen kann, usw. In diesem Beispiel ist Geld also ein allgemein akzeptierter Schuldschein, den ich dem Bäcker überreiche und den dieser an Dritte weitergeben kann. Letztlich kann man alles als Geld verwenden, solange es als allgemeines Zahlungsmittel akzeptiert wird. Unter diesen Umständen kann der Bäcker mit meinem Schuldschein nämlich andere Schuldverhältnisse auflösen, also seine Rechnungen gegenüber Dritten begleichen. Die Voraussetzungen, die für diese Funktion erfüllt sein müssen, werden wir noch kennen lernen.

Es ist unbestreitbar, dass eine zeitliche und räumliche Koinzidenz i.d.R. nicht der Fall ist und eine Marktwirtschaft ohne Geld nicht funktionieren würde. Daher liegt die Vermutung nahe, dass es eine reine Tauschwirtschaft nie gegeben hat. Nehmen wir an, es gäbe noch kein Geld, aber ich möchte trotzdem bei dem Bäcker einkaufen. Wenn der Bäcker mich kennt und mir vertraut, würde er mir vermutlich – vergleichbar mit den oben erwähnten Händlern – einen Zahlungsaufschub gewähren. Ich würde die Brötchen anschreiben können. Der Bäcker notiert also in Geldeinheiten, dass ich ihm etwas schuldig bin, das ich zu einem späteren Zeitpunkt liefere. Der Bäcker gibt mir in diesem Moment also einen Kredit.1 Auf diese Art und Weise haben Händler schon lange vor Einführung des heutigen Papier- und Buchgeldes Waren getauscht.

Zum Beispiel fungierten sogenannte Kerbhölzer bereits im 11. Jahrhundert als frühe Form der buchhalterischen Erfassung von Schuldverhältnissen. Kerbhölzer waren längliche Brettchen, auf denen man Symbole oder Kerben quer über das Stück einritzte. Das Stück wurde dann der Länge nach zerteilt und jede Partei erhielt eine Hälfte, damit niemand den eingeritzten Wert fälschen konnte. Der Schuldner erhielt i.d.R. das längere Stück, den sogenannten „Foil“, während der Gläubiger das kürzere Ende, den „Stock“ erhielt. Aus jener Zeit stammt das Sprichwort „etwas auf dem Kerbholz haben“ sowie auch der Begriff der „Stock-Exchange“. Die englische Regierung nutzte im 18. Jahrhundert sogenannte „tally sticks“, um sich Gold und Silber von ihren Bürgern zu leihen. Da man mit diesen Kerbhölzern seine Steuern bezahlen konnte, wurden die tallies fortan als allgemeines Zahlungsmittel akzeptiert und repräsentierten eine Form von Geld.

Es lässt sich also vermuten, dass Märkte und Frühformen von (Buch-)Geld gleichzeitig entstanden, da ein Markt ohne Geld nicht vorstellbar ist. Eine reine Tauschwirtschaft hat es also vermutlich nie gegeben. Es liegt zudem die Vermutung nahe, dass es schon einfache Verrechnungssyteme gabe, bevor Edelmetalle, wie Gold und Silber, als Zahlungsmittel dienten. Die folgende Abbildung zeigt wie die damaligen Kerbölzer ausgesehen haben.

Abbildung 1: Kerbhölzer (Tally Sticks)
Quelle: Schweizer Alprechtshölzer: Doppeltessel der Alp Blümatt (Turtmann VS), 1893; Kollektion des Alpinen Museums der Schweiz; Photo by Sandstein.

Formen und Eigenschaften von Geld

Allein dieses historische Beispiel zeigt bereits anschaulich, dass Geld viele Formen annehmen kann. Eine eindeutige Definition von Geld wird heute noch schwieriger, da es eine Fülle von Vermögenswerten gibt, die in Geldeinheiten notiert sind und sich kurzfristig durch einen Verkauf „zu Geld machen lassen“. Hierzu zählen z.B. sogenannte geldnahe Forderungen gegenüber einer Geschäftsbank, die zwar nicht sofort verfügbar sind, aber in relativ kurzer Zeit gegen Einlagen getauscht werden können (z.B. Termineinlagen, Kündigungsgelder, Festgelder oder Sparguthaben mit gesetzlicher Kündigungsfrist). Je nachdem, welches ökonomische Problem man analysieren möchte, kann es angemessen sein, solche Forderungen oder auch Wertpapiere als Geld oder Quasi-Geld zu bezeichnen.

Auch die deutsche Zentralbank, die sich Bundesbank nennt, verwendet 3 unterschiedliche Gelddefinitionen (M1 – M3), die sich in ihrer „Liquiditätsnähe“ unterscheiden, also darin, wie schnell man über sie verfügen kann. Dazu kommt noch die Geldbasis M0, das sogenannte Zentralbankgeld (auch als Reserven bezeichnet). Hierunter versteht man das Geld, welches nur von der Zentralbank herausgegeben werden kann und primär zur Abwicklung des Zahlungsverkehrs im System der Geschäftsbanken (sogenannter Interbankenmarkt) verwendet wird. Die Bundesbank, weist auf ihrer Homepage auf die Schwierigkeiten der Geldmengendefinition hin:2

Da die Übergänge zwischen den unterschiedlichen Einlagearten und kurzfristigen Finanzinstrumenten fließend sind, lässt sich die Geldmenge nicht eindeutig definieren. Letztlich hängt es beispielsweise von der Fragestellung einer Untersuchung ab, welche Einlagearten man zum Geld rechnet und welche nicht bzw. welche Geldmenge man in der Untersuchung verwendet. Vor diesem Hintergrund haben andere Länder ihre Geldmengen nach anderen Kriterien definiert, beispielsweise die Schweiz und die USA.

Tabelle 1 fasst die verschiedenen Geldmengenaggregate nach Definition der Bundesbank zusammen. Jede Zentralbank definiert ihre Geldmengenaggregate etwas anders, aber in den meisten Fällen sehr ähnlich. Es gilt grundsätzlich das Prinzip: Je höher die Nummer des Aggregats, desto breiter gefasst ist die Geldmenge, also desto längerfristigere Geldanlagen werden berücksichtigt. Ein weiteres Geldmengenaggregat, welches leider nur selten Verwendung findet, ist der sogenannte Divisia-Index von William Barnett (siehe z.B. Barnett und Spindt (1979)). Dieser basiert auf einer nach Nutzbarkeit gewichteten Summe verschiedener Geldformen und wird bisher nur von der Bank of England regelmäßig veröffentlicht.

Tabelle 1: Geldmengenaggregate der Bundesbank

 \renewcommand{\arraystretch}{1.7} \begin{tabular}{rp{12cm}} \hline \hline \textbf{M0}:& Geldbasis (Bargeldumlauf und Reserven)\\ \textbf{M1}:& Bargeldumlauf + Sichteinlagen in Banken \\ \textbf{M2}:& M1 + Spareinlagen mit einer Kündigungsfrist von bis zu drei Monaten und Termineinlagen mit einer Laufzeit von bis zu zwei Jahren.\\ \textbf{M3}:&M2 + weitere kurzfristige Geldanlagen (kurzfristige Bankschuldverschreibungen (mit einer Ursprungslaufzeit von bis zu zwei Jahren), von Geldmarktfonds ausgegebene Geldmarktfondsanteile sowie die sogenannten Repogesch\"afte).\\ \hline \hline \end{tabular}

Die Hierarchie des Geldes und die zwei Geldkreisläufe

Moderne Geldsysteme sind zweistufig aufgebaut. Sie bestehen aus einem Reserven- und einem Giralgeldkreislauf. Aus Sicht des Kunden einer Bank ist Giralgeld das, was man als Geld bezeichnet. Niemand würde in Frage stellen, dass das Guthaben auf einem Bankkonto Geld darstellt, weil wir es im täglichen Zahlungsverkehr verwenden und jederzeit Eins-zu-Eins in Bargeld tauschen können. Für den Banker hingegen stellen die Einlagen Verbindlichkeiten dar. Kunden können jederzeit eine Auszahlung verlangen und leihen der Bank ihr Geld, solange es auf dem Girokonto verbleibt.

Für den Zahlungsausgleich mit anderen Banken benötigt eine Bank hingegen Reserven, also Zentralbankgeld. Aus ihrer Sicht sind Reserven das „wahre“ Geld, mit dem sie ihren Zahlungsverkehr abwickeln. In der Definition der größer gefassten Geldmengenaggregate aus Tabelle 1 werden auch längerfristige Termineinlagen, kurzfristige Bankschuldverschreibungen, Geldmarktfonds und Repo-Geschäfte als Geld gezählt. Dies sind z.T. auch Kreditverträge zwischen privaten Unternehmen. Zählt man weitere private Nicht-Banken-Finanzierung hinzu, wie Investmentfonds oder die Möglichkeit über Unternehmensanleihen Geld aufzunehmen etc., lässt sich eine Pyramide des Geldes konstruieren wie sie in Abbildung 2 zu sehen ist.

Abbildung 2: Geldpyramide (Pyramide der Verbindlichkeiten)
Quelle: Eigene Erstellung.

Für jede Geldform gilt, dass sie ein Versprechen darstellt, die Geldform der jeweils nächsthöheren Ebene zu bezahlen. Kredite sind Versprechen, zu einem späteren Zeitpunkt Einlagen zu zahlen. Einlagen sind Versprechen, zu einem späteren Zeitpunkt Bargeld, also Zentralbankgeld, zu zahlen. Und Zentralbankgeld war früher das Versprechen, zu einem späteren Zeitpunkt Gold zu zahlen. Gold war die einzige international anerkannte Währung, in der man Handel abrechnen konnte und stand in der Hierarchie des Geldes noch über dem Zentralbankgeld an der Spitze der Geldpyramide.3 Im Englischen spricht man häufig von der „moneyness“, also der „Geldigkeit“, wenn man die Hierarchie des Geldes beschreibt. Zentralbankreserven haben gemäß der Pyramide den höchsten Grad der moneyness (im Inland).

Eine weitere Eigenschaft der Geldhierarchie ist, dass die unteren Ebenen die jeweils höhere Art des Geldes vervielfachen. Ein Handelskredit, also ein Zahlungsaufschub von zum Beispiel 90 Tagen, ist ein Versprechen, in 90 Tagen Einlagen zu zahlen. Er benötigt aber zum Zeitpunkt der Kreditvergabe keine Einlagen. Der Kreditnehmer wird vielleicht einen Teil der Einlagen schon jetzt besitzen und erwartet bis zum Zahlungszeitpunkt ausreichende zusätzliche Einnahmen. Oder er geht davon aus, den Kredit „überrollen“ zu können, also durch einen neuen Kredit zu ersetzen. So oder so ist die Kreditmenge gestiegen, ohne dass Einlagen benötigt wurden. Noch deutlicher wird dies am Beispiel einer Kreditkartenzahlung. Im Moment der Zahlung entstehen für eine Transaktion zwei Kreditverträge. Zum einen leiht die Kreditkartenfirma ihrem Kunden bis zum Monatsende den nötigen Betrag, um den Zahlungsvorgang abzuschließen. Zum anderen leiht der Verkäufer der Kreditkartenfirma den gleichen Betrag, da die Überweisung i.d.R. erst nach einigen Tagen erfolgt.

Die Geldpyramide ist zudem dynamisch zu verstehen. Die Kreditvergabe weitet sich i.d.R. in Boomphasen aus und schrumpft in Krisen („Bust“) wieder.4 Die Zentralbank versucht mit ihrer Zinspolitik auf diesen dynamischen Prozess Einfluss zu nehmen. Eine Zinserhöhung in Boom-Phasen macht die Neuaufnahme von Krediten unattraktiver und soll so vor einer Kreditblase und steigenden Preisen schützen, während die Zinssenkung in Krisenzeiten nicht nur die Investitionen anregen soll, sondern auch die Refinanzierung von laufenden Krediten einfacher macht. Wenn ein Unternehmen seinen Zahlungsverpflichtungen zum vereinbarten Zeitpunkt nicht nachkommen kann, weil es in der Rezession weniger Einnahmen macht als erwartet, kann es seine kurzfristigen Liquiditätsprobleme durch einen günstigen Bankkredit in die Zukunft schieben, in der Hoffnung, dass sich die Lage bis dahin wieder bessert. Durch eine Zinssteuerung versucht die Zentralbank demnach, sowohl die Flexibilität dieses Systems zu gewährleisten (Banken können Kredite nach Bedarf schöpfen), als auch disziplinierend auf Banken zu wirken (indem sie ggf. die Zinsen für Kredite der Banken bei der Zentralbank erhöhen).

Die Zentralbank ist  so etwas wie die Bank der Geschäftsbanken und besitzt gesetzlich das Monopol auf die Emission einer Währung. Da Bargeld in Form von Münzen und Scheinen heute nur noch einen sehr geringen Teil der gesamten Geldmenge ausmacht, ist das Monopol auf die Schaffung der Reserven das wesentliche Merkmal einer Zentralbank. Reserven sind das offizielle Zahlungsmittel im Geldkreislauf zwischen Zentralbank und Geschäftsbankensektor. Der Privatsektor kann niemals mit Reserven bezahlen, da diese nur im Buchungssystem zwischen Zentralbank und den Geschäftsbanken getauscht werden. Reserven können von Banken aber jederzeit bei der Zentralbank gegen Bargeld getauscht werden. Bargeld stellt demnach die einzige Form von Zentralbankgeld dar, die auch im Privatsektor verwendet werden kann. Die beiden Geldkreisläufe sind in Abbldung 3 dargestellt.5

Abbildung 3: Geldkreisläufe
Quelle: Eigene Erstellung.

Da Reserven und Bargeld nur von der Zentralbank (und nicht vom Privatsektor) geschaffen werden, spricht man auch von „Outside Money“ oder „Außengeld“. Es existiert aber ein zweiter Geldkreislauf zwischen (nicht-finanziellen) Unternehmen, Haushalten und Banken, in dem das von Banken geschaffene Giralgeld (auch als Buchgeld bezeichnet) als Zahlungsmittel fungiert. Da dieses Geld von den privaten Banken geschöpft wird, bezeichnet man es auch als „Inside Money“ oder „Binnengeld“. Banken haben in diesem System offensichtlich eine Sonderfunktion, da sie die Schnittstelle zwischen beiden Geldkreisläufen darstellen und als einziger Akteur sowohl Reserven als auch Buchgeld in ihren Bilanzen führen (auf unterschiedlichen Seiten). Wie wir in den letzten Abschnitten sehen werden, halten Banken Reserven als Guthaben bei der Zentralbank und schaffen Einlagen als Verbindlichkeit gegenüber ihren Kunden.

Aber ist es nicht ganz schön riskant, den privaten Banken die Möglichkeit zu eröffnen, eigenständig Geld zu schaffen? Sollte man nicht lieber wieder dafür sorgen, dass Geld durch Gold gedeckt wird, so dass Banken die Guthaben ihrer Kunden in Form von Gold vorrätig halten? Wie wir am Beispiel der Kerbhölzer gesehen haben, braucht es zur Schaffung eines Kredits nicht einmal eine private Bank. In Phasen des sogenannten Goldstandards, in denen die Zentralbank versicherte, Geld in einem vorher festgelegten Verhältnis gegen Gold zu tauschen, entstanden regelmäßig Liquiditätsengpässe, weil die Zunahme der Handelsaktivität nicht von einer Zunahme der Geldmenge begleitet wurde. Um letzteres zu gewährleisten hätte es zusätzliches Gold gebraucht. Häufig wurde dann der Goldstandard aufgegeben oder Händler schrieben sich gegenseitig Schuldscheine, z.B. in Form von Wechseln, um der Geldknappheit zu entkommen. Ohne Geldschöpfung im privaten Bankensektor könnten sich solche Phasen wiederholen. Dies wäre für den Handel eine sehr schädliche Entwicklung. Andererseits sollte klar sein, dass eine völlig unkontrollierte private Geldschöpfung große Probleme verursachen kann (wie die globale Finanzkrise eindrucksvoll gezeigt hat). Wir werden zu der Frage nach der Bedeutung des Geschäftsbankensektors sowie der Rolle der Zentralbank im sogenannten Interbankenmarkt in den letzten 3 Modulen dieses Blogs zurückkehren.

Funktionen und Preise von Geld

Doch was macht Geld nun tatsächlich zu Geld? Die meisten Nichtökonomen müssen sich über solche Fragen keine Gedanken machen. Für sie ist Geld die Summe aus Münzen, Scheinen und dem, was sich auf ihren Bankkonten befindet. Da Sichteinlagen für den überwiegenden Teil des allgemeinen Zahlungsverkehrs verwendet werden können, gehören sie klar zur Gelddefinition dazu. Letztlich stellen Einlagen aus Sicht eines Bankkundens zirkulationsfähige Forderungen gegenüber der Bank dar, die auch von allen anderen Wirtschaftssubjekten zur Bezahlung akzeptiert werden. Es handelt sich um einen digitalen Schuldschein des Bankensystems, der in der Privatwirtschaft zum Erwerb von Gütern und Dienstleistungen verwendet werden kann. Der Grund der Akzeptanz eines Geldes wird in den meisten Lehrbüchern der Geldtheorie auf folgende Eigenschaften bzw. Funktionen zurückgeführt:

(i) Es ist allgemeine akzeptiertes Tauschmittel, da man es bei allen Händlern zum Tausch gegen Waren und Dienstleistungen verwenden kann.

(ii) Es ist Zahlungsmittel, da man mit ihm Rechnungen begleichen, also Schuldverhältnisse auflösen, kann.

(iii) Es ist Wertaufbewahrungsmittel, weil man es vorrätig halten kann, um seine Zahlungsfähigkeit zu erhalten.

(iv) Es ist die allgemeine Recheneinheit, da man alle Güter und Dienstleistungen in Geldeinheiten bewertet und ihre Preise so miteinander vergleichen kann.

Wie sich leicht erkennen lässt, beeinflussen sich die einzelnen Funktionen des Geldes gegenseitig. Es wäre als Tausch- und Zahlungsmittel sicher nicht akzeptiert, wenn es keine Wertbeständigkeit hätte. Würde man nicht einschätzen können, welche Kaufkraft ein Euro in der Zukunft besitzt, würde man ihn wohl kaum im Tausch gegen Güter akzeptieren. Als Recheneinheit würde Geld nicht funktionieren, wenn es keine Tauschmittelfunktion hätte. Lassen sich Waren und Dienstleistungen nicht mit Hilfe von Geld erwerben, ist es offensichtlich auch unmöglich, diese in Geldeinheiten zu bewerten und zu vergleichen.

Die Funktion der Wertaufbewahrung wird von der Inflationsrate, also der Preissteigerungsrate, beeinflusst, da höhere Preise dazu führen, dass man mit der gleichen Geldmenge weniger Güter erwerben kann. Daher ist eine niedrige Inflationsrate ein wichtiges Ziel der Wirtschaftspolitik, um die Akzeptanz von Geld als Wertaufbewahrungsmittel sicher zu stellen. In Zeiten hoher Inflationsraten kann es auch andere Objekte geben, welche die Zahlungsmittelfunktion von Geld übernehmen. Häufig dienen dann Gold oder andere Edelmetalle als Wertaufbewahrungsmittel, oder Sachanlagen wie Häuser, das sogenannte Betongold. Jedoch haben auch diese Vermögenswerte keine konstante Kaufkraft, da ihr Wert, also ihr Preis relativ zu anderen Gütern, Schwankungen unterliegt. Während des Aufbaus der großen Immobilienblase im Vorfeld der globalen Finanzkrise, sind die Immobilienpreise stark angestiegen und haben so das Vermögen vieler Haushalte zunächst erhöht. Der plötzliche Zusammenbruch der Immobilienpreise nach Ausbruch der Finanzkrise hat dieses Vermögen aber wieder „vernichtet“.6 Dies hatte schwerwiegende Folgen, da sich viele Hauseigentümer Hypothekenkredite aufgenommen hatten, bei denen die Immobilie als Sicherheit hinterlegt wurde.

Seit einigen Jahren erfreuen sich digitale „Währungen“ wie Bitcoins einer immer größer werdenden Beliebtheit. Gerne behaupten Befürworter dieses Vermögenswertes, dass die politische Unabhängigkeit der digitalen Währungen der große Vorteil dieser neuen Geldform wäre. Da die Geldmenge sich nicht manipulieren lasse, seien diese „Währungen“ wertbeständiger. Schaut man sich die Entwicklung der Preise solcher digitalen Konstrukte an, erscheint dieses Argument aber sehr schnell entkräftet. Der mangelnde politische Einfluss auf digitalen Währungen ist die große Achillesferse dieser Vermögenswerte, da ihr Preis hierdurch vollständig den Schwankungen der Nachfrage nach ihnen ausgeliefert ist. Da man Bitcoins im allgemeinen Zahlungsverkehr nicht verwenden kann, muss man seine Bitcoins zuvor in Sichteinlagen umtauschen. Der Preis dieses Umtausches unterliegt so enormen Schwankungen, dass man heute nicht vorhersagen kann wie der Wert der Währung morgen aussieht. Im Vergleich hierzu sind sowohl Höhe als auch Volatilität der Konsumentenpreisinflation, an der man die Wertbeständigkeit von Einlagen festmachen kann, ausgesprochen gering. Als allgemeines Zahlungsmittel sind Bitcoins daher unbrauchbar. Und niemand kann versichern, dass die Bewertung von Bitcoins nicht genau so einbricht wie die der Immobilien in der Finanzkrise. Wir werden sehen, dass es einer Institution wie der Zentralbank bedarf, um die Geldwertstabilität zu sichern. Es sind insbesondere jene „Manipulationen“ der Geldmenge, die von den Befürwortern digitaler Währungen immer kritisiert werden, die eine Wertbeständigkeit sicherstellen.

Die gerade dargestellten Überlegungen machen klar, dass die Inflationsrate Einfluss auf den Wert von Geld nimmt. Sie stellt daher einen Preis von Geld dar. Es gibt aber noch andere Kennzahlen, die man als Preis des Geldes bezeichnen kann. Der amerikanische Wirtschaftshistoriker Perry Mehrling führt insgesamt 4 Preise von Geld ein, die sich auf den relativen Wert zum Bargeld beziehen:7

(i) Der Preis von Einlagen ist i.d.R. pari, da man Einlagen Eins-zu-Eins gegen Bargeld tauschen kann. Bargeld und Einlagen haben daher den gleichen Wert. Dies kann in Krisenzeiten durchaus außer Kraft gesetzt werden. Wenn eine schwere Finanzkrise beispielsweise dazu führt, dass alle Kunden gleichzeitig ihre Einlagen abheben wollen, kann es passieren, dass die Bank ab einen gewissen Punkt die Herausgabe von Bargeld verweigert oder zumindest einschränkt. In diesem Fall kann man seine Einlagen gar nicht mehr oder nur noch eingeschränkt in Bargeld tauschen.

(ii) Ein weiterer Preis ist der Zinssatz, weil er bestimmt, welchen Preis man für ein Darlehen zu zahlen hat. Ein Kreditnehmer verpflichtet sich, das Darlehen zzgl. des Zinses in der Zukunft zurückzuzahlen.

(iii) Der Wechselkurs bestimmt den Preis für ausländisches Geld, da er angibt, wie viel ausländische Währung man gegen eine bestimmte Summe inländischer Währung tauschen kann.

(iv) Der letzte Preis des Geldes ist die oben bereits angeführte Inflationsrate, die über die zukünftige Kaufkraft von Geld entscheidet.

Viele Ökonomen legen besonderen Wert auf die institutionelle Fundierung von Geld. Demzufolge hat Geld die oben aufgeführten Eigenschaften primär deswegen, weil die Regierung alle Bürger zwingt, die eigens eingeführte Währung als Zahlungsmittel zu akzeptieren. Dies kann der Staat tun, indem er alle Zahlungen wie Einkommens- und Mehrwertsteuer, Gebühren und Strafen, usw. nur in der von ihm festgelegten Währung akzeptiert. Georg Friedrich Knapp begründete mit der Veröffentlichung der „Staatlichen Theorie des Geldes“ in 1905 den sogenannten Chartalismus (Charter = Urkunde, also verbrieftes Geld, siehe Knapp (2018)).8

Die staatliche Souveränität bestehe ihm zufolge aus drei Monopolen: Die nationale Währung als Preis- und Recheneinheit festzulegen, die Zahlungsmittel auszugeben und die damit verbundenen Geldschöpfungsgewinne zu realisieren. Letzteres bezeichnet man auch als Seignorage. Ursprünglich entstand Seignorage dadurch, dass die Kosten der Münzherstellung unter dem Wert der Goldmünze lagen. Benötigt man zum Herstellen einer Zwei-Pfund Münze gerade einmal Gold im Wert von einem Pfund, so erzielt man pro Münze einen Gewinn von einem Pfund. Dieser Gewinn wurde dadurch realisiert, dass die Regierung das Geld nutzte, um ihre Ausgaben zu bestreiten, also Waren im Wert von 2 Pfund damit erwarb.

Da Münzen im heutigen Zahlungsverkehr so gut wie keine Rolle mehr spielen, wird Seignorage heutzutage meist mit den Zinsgewinnen der Zentralbank oder des Bankensektors gleichgesetzt. Jedoch handelt es sich bei den Gewinnen aus der Kreditvergabe um keine wirkliche Seignorage, sondern um die Bezahlung der Dienstleistungen der Zentral- und Geschäftsbanken (vglb. mit der Bezahlung eines Notars). Aus den Einnahmen des Kreditgeschäfts werden die Mitarbeiter sowie alle weiteren Kosten (Mieten etc.) gezahlt.

Geld wird nur deswegen allgemein anerkannt, weil die Regierung es als Zahlungsmittel akzeptiert. Weil jeder Bürger Steuern und Gebühren in der von der Regierung bestimmten Währung zahlen muss, hat jeder ein Interesse daran, gerade diese Währung als Zahlunsgmittel zu verwenden. Die Modern Monetary Theory (MMT) hat auf dieser Erkenntnis aufbauend eine Theorie entwickelt, die Geld als Steuergutschrift betrachtet (vergleichbar mit den Kerbhölzern in England). Staat und Zentralbank sind demnach die Schöpfer des Geldes und alle anderen lediglich die Nutzer.9

MERKE
  • Mäkte sind ohne irgendeine Form von Geld bzw. Schuldverhältnissen kaum vorstellbar. Vermutlich wird es Frühformen von Geld geben, seitdem es Märkte gibt.
  • Moderne Geldsysteme sind zweistufig aufgebaut und bestehen aus einem Reservenkreislauf zwischen Zentralbank und Geschäftsbanken, sowie einen Giralgeldkreislauf zwischen Banken und Privatsektor.
  • Geld hat diverse Eigenschaften bzw. Funktionen, die sich aus der institutionellen Fundierung von Geld ableiten lassen (eine Währung wird von der Regierung als offizielles Zahlungsmittel festgelegt).
Übungsaufgaben/Quizzes

Literatur

BARNETT, W. A. UND P. A. SPINDT (1979). “The velocity behavior and information content of Divisia monetary aggregates,” Economics Letters, 4, 51–57.
KNAPP, G. (2018). Staatliche Theorie Des Geldes, Makroskop Mediengesellschaft mbH: Wiesbaden.