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BUNDESBANK: Link zur deutschen Zentralbank (BuBa).
DEZERNAT ZUKUNFT: Geld-, Finanz-, und Wirtschaftspolitik verständlich, kohärent, und relevant erklären.
Schon Joseph Schumpeter erkannte die herausragende Rolle der Banken in einem Wirtschaftssystem, das auf Geld und Kredit basiert. Er maß den Bankiers eine Schlüsselrolle im Innovationsprozess bei, da erst ihre Kreditvergabe es dem Pionierunternehmer ermöglicht, seine Innovationsvorhaben zu realisieren:
„Damit ist unsre Frage beantwortet und der Kreis unsrer Erklärung geschlossen. Dabei stießen wir auf einen vierten Typus von Wirtschaftssubjekten – nämlich auf den Geldgeber -: die andern drei sind Grundherren, Arbeiter und Unternehmer, wobei wir die Monopolisten und die Leute, die Quasirenten beziehen, nicht besonders hervorheben. Er steht zwischen den Unternehmern und den Lieferanten von Produktionsmitteln. Er ist eine Erscheinung der Entwicklung, und zwar tritt er nur dort auf, wo der Unternehmer keine Befehlsgewalt über die Besitzer von Arbeits- und Bodenleistungen hat. Er ermöglicht es dem Unternehmer, Unternehmer zu werden, eröffnet ihm gleichsam den Zutritt zu den Produktionsmitteln der Volkswirtschaft – er gibt ihm gleichsam die Vollmacht, seine Pläne auszuführen. Diese Funktionen sind von besonderer Art. Wir nennen den, der sie ausübt, „Bankier“, da tatsächlich die Kaufkraftschaffung und der Handel mit ihr wesentlich in den Händen der Banken liegt. Der Geldgeber andrer Art, derjenige, der eignes Geld „anlegt“, ist erst eine Folgeerscheinung der Entwicklung, wie immer die Sache historisch stehen mag. – Wie der Unternehmer der König, so ist der Bankier der Ephor des Marktes.“1
Schumpeter betrachtete Banken als Institutionen, die der Entwicklung und Implementierung von Unternehmensinnovationen vorgelagert sind. Sie sind es, die den Unternehmen die erforderlichen finanziellen Mittel bereitstellen, um Investitionen zu tätigen.
In einem zweistufigen Geldsystem steht das Buchgeld der Zentralbank über dem der Geschäftsbanken. Zentralbanken fungieren als Banken für die Geschäftsbanken, indem sie diese mit Zentralbankreserven versorgen, die vor allem für den Zahlungsausgleich zwischen den Banken benötigt werden. Im Folgenden werden wir die Rolle der Zentralbanken für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung und die Stabilität des Finanzsektors näher beleuchten. Dazu beginnen wir mit einem kurzen historischen Überblick über die Entwicklung der Zentralbankpolitik.
Über die Entwicklung moderner Zentralbankpolitik
Die Theorie moderner Zentralbankpolitik geht im Wesentlichen auf die Werke von Thornton (1802), Bagehot (1898) und Wicksell (1898) zurück. Entgegen der weit verbreiteten Meinung, eine Zentralbank würde die Geldmenge regulieren, haben Zentralbanken bereits im 19. Jahrhundert den Zins und nicht die Geldmenge gesteuert. In einem modernen Geldsystem wird die Zahlungsmittelmenge im Wesentlichen von privaten Banken bestimmt. Da eine Zentralbank jederzeit bereit ist, Reserven gegen die Vorlage von Sicherheiten zu verleihen, hat sie keine Kontrolle über die Zahlungsmittelmenge, die von Geschäftsbanken geschaffen wird. Die Zentralbank nimmt mit ihren Zinsen aber Einfluss auf die Geldmengenentwicklung.
Realitätsferne Theorien
Dennoch wird die Geldmengensteuerung sogar heute noch in vielen vermeintlich modernen Einführungslehrbüchern dargestellt. Dies mag auch daran liegen, dass die Ziele und das Vorgehen der Zentralbanken lange Zeit nicht klar kommuniziert wurden. Zentralbanker waren sogar Meister darin, sich unklar auszudrücken, um für geldpolitische Fehler nicht in Haftung genommen zu werden. Ulrich Bindseil, Generaldirektor für Marktinfrastrukturen und Zahlungsverkehr der Europäischen Zentralbank (EZB), beschreibt in einem Arbeitspapier der EZB, eine gefährliche Allianz, die zu Beginn des letzten Jahrhunderts (ab ca. 1914) zwischen Akademikern bestand, die unrealistische Modelle entwickelten, und Zentralbankern, die sich diese zu eigen machten, um sich der Verantwortung für ihr Handeln zu entziehen:
„Akademiker entwickelten von der Realität losgelöste Theorien, ohne diese Realitätsferne zu bedauern oder gar zuzugeben. (…) Zentralbanker widersetzten sich den realitätsfernen Theorien der Akademiker nicht oder förderten sie sogar, weil man sie überzeugt hatte oder weil die Theorien ihrem Ziel dienten, ihre Verantwortung für die kurzfristigen Zinssätze und damit für die wirtschaftliche Entwicklung zu verschleiern.“
Aufgrund einer zu starken Verflechtung mit dem privaten Bankensektor und auf Druck der Regierungen, den Ersten Weltkrieg zu geringen Zinsen zu finanzieren, haben Zentralbanken ihren Diskontsatz trotz hoher und steigender Inflationsraten in den Jahren nach 1914 nicht angehoben. Sie schauten einem enormen Preisanstieg tatenlos zu (in den USA stiegen die Großhandelspreise teilweise um 150 %), der erst nach 1919 mit einer besonders starken Zinserhöhung abrupt gestoppt wurde. Die folgende Deflation ging mit einem enormen Einbruch des realen Bruttoinlandsprodukts und der Beschäftigung einher. Die FED (und andere Zentralbanken) wiesen die Verantwortung für diese Entwicklung aber von sich, weil sie angeblich die Geldmenge steuerten und die Zinsen von ihrer Politik nicht beeinflusst wurden.
Die „Reserve Position“ Doktrin und der Geldschöpfungsmultiplikator
Unterstützung bekamen die Zentralbanker von akademischen Publikationen. In Phillips (1921) wurde der Geldschöpfungsmultiplikator entwickelt und fortan war die „Reserve Position“-Doktrin (kurz RPD) die vorherrschende akademische Auffassung, nach der die Zentralbank die Reservenmenge steuern sollte, um so die Kreditvergabe der Geschäftsbanken zu kontrollieren.
In den 1950er und 60er Jahren entbrannte eine kontroverse Debatte zwischen Akademikern neoklassischer und monetaristischer Ausprägung auf der einen Seite und Zentralbankern sowie Postkeynesianern auf der anderen. Während Neoklassiker und Monetaristen die RPD vertraten, war die andere Gruppe der Überzeugung, dass Zentralbanken die Geldmenge nicht steuern könnten, da diese endogen entsteht. Der Versuch, die Geldmenge durch knappe Reserven einzuschränken würde lediglich dazu führen, dass wieder vermehrt auf Schecks, Wechsel oder andere Instrumente des Zahlungsverkehrs zurückgegriffen würde. Die Zentralbank könne lediglich den Zins beeinflussen, zu dem die Banken Geld verleihen.2
Die Radcliffe Kommission (unter der Leitung von Lord Radcliffe) veröffentlichte im Auftrag der britischen Regierung 1959 einen Bericht zur Wirkungsweise des Geldsystems, welcher die endogene Sichtweise der Postkeynesianer stützte. Dem Bericht zufolge hätte die Geldpolitik zudem nur einen geringen Einfluss auf die Investitionen, die eher von langfristigen Zinsen und Erwartungen über die Zukunft abhingen würden. Der Bericht wurde jedoch selbst von traditionellen Keynesianern wie Paul Samuelson kritisiert, die wie die Monetaristen davon ausgingen, dass die Zentralbank nur über eine Steuerung der Geldmenge den Zins beeinflussen würde. Paradoxerweise wurde durch die Veröffentlichung des Berichts daher die Sichtweise der Monetaristen unter den Akademikern gestärkt. Bis in die 1980er Jahre blieb die RPD in der akademischen Welt die Mehrheitsposition.
Die Volcker Ära
In der Zeit des Zentralbankchefs Paul Volcker (von 1979-82) trat das Phänomen von 1919 in umgekehrter Form auf: Die Zentralbanker hatten sich in dieser kurzen Periode offensichtlich von den Akademikern überzeugen lassen und versuchten, die Geldmenge zu steuern, indem sie die Reserven verknappten. Dies hatte eine sehr volatile Zinsentwicklung zur Folge. An einigen Tagen stiegen die Tagesgeldzinsen auf über 20 %.
Bindseil (2004b) argumentiert, dass der Zeitraum um 1919 sowie die Jahre der Volcker Ära eine absolute Ausnahme darstellen. Während des gesamten letzten Jahrhunderts habe die FED als operationales Ziel vornehmlich eine Steuerung des Interbankenzinses verfolgt. Da in der akademischen Welt die Geldmengensteuerung bis in die 1980er die dominierende Theorie war, versuchte man dies jedoch zu verschleiern. Daher war die offizielle Politik der FED in der Zeit von 1920 – 1974 nicht klar definiert und bis 1994 blieb eine Steuerung der Reserven Teil der offiziell kommunizierten geldpolitischen Strategie. Andere Zentralbanken agierten ähnlich.
Die Geldpolitik der EZB basiert offiziell ebenso auf zwei Säulen, von denen die erste eine Zinssteuerung darstellt, während die zweite einen Referenzwert für das Geldmengenwachstum in der Eurozone zumindest als mittelfristiges Ziel formuliert. Jedoch gab es aufgrund der institutionellen Ausgestaltung der EZB nie einen Zweifel daran, dass ihr operationales Ziel der Interbankenzins ist. Die zweite Säule wurde daher von Beginn an kaum beachtet und heute lediglich als ein Indikator unter vielen gesehen.
Kritik an Lehrbüchern
Obwohl keine Zentralbank der Welt im letzten Jahrhundert jemals eine strenge Reservensteuerung verfolgte (nicht einmal die FED in der Volcker-Ära), sind Teile der RPD bis heute Bestandteil der allermeisten Einführungslehrbücher zur Makroökonomik oder Geldpolitik. In den letzten Jahrzehnten ist die Transparenz und Öffentlichkeitsarbeit der Zentralbanken jedoch angestiegen, womit auch eine stärkere Verantwortung für ihr Handeln einhergeht. Ziele und Instrumente ihrer Politik werden der Öffentlichkeit ausführlich erklärt.
Die sogenannten unkonventionellen Maßnahmen seit Ausbruch der Finanzkrise in 2008 haben diesen Trend verstärkt. Zentralbanken kritisieren seitdem die Darstellung des Geldschöpfungsmultiplikator in Einführungslehrbüchern mit zum Teil ungewöhnlich scharfen Worten. Bindseil (2004a) befürchtet z.B., dass Zentralbanken in der Zukunft ein weiteres Mal von der Idee der Geldmengensteuerung überzeugt werden könnten, wenn jungen Studierenden weiterhin ein falsches Bild über die Geldpolitik vermittelt wird.
Die Theorie des Geldschöpfungsmultiplikators basiert auf der Annahme, dass Banken zunächst Einlagen oder Reserven benötigen, um einen Kredit zu vergeben. So entstand auch der Mythos, dass Banken Ersparnisse weiterverleihen würden. Sie könnten lediglich Kredite vergeben, wenn sie zuvor Geld von Kunden oder Zentralbanken erhalten hätten.
Warum die Theorie des Geldschöpfungsmultiplikators irreführend ist
Tatsächlich ist die Kausalität zwischen Buchgeld und Kreditvergabe aber umgekehrt:
„(…) anstatt die von den Banken hinterlegten Einlagen auszuleihen, werden durch die Kreditvergabe Einlagen geschaffen – das Gegenteil von dem, was normalerweise in Lehrbüchern beschrieben wird.“
Das Angebot von Zentralbankgeld richtet sich nach dem Bedarf des Bankensektors und ist nicht knapp. Geschäftsbanken können gegen Hinterlegung von Sicherheiten immer Reserven von der Zentrabank leihen. Durch den Zinssatz den die Zentralbank für ihre Kredite verlangt, beeinflusst sie aber den Kreditzins den Geschäftsbanken an ihre Kunden geben.
Aufgrund der nach wie vor irreführenden Darstellung des Geldschöpfungsprozesses in nahezu allen makroökonomischen Einführungslehrbüchern begannen die Zentralbanken selbst mit verstärkter Transparenz und Kommunikation, den Geldschöpfungsprozess korrekt darzustellen. So wundert es auch nicht, dass sowohl die englische Zentralbank als auch die Bundesbank in Berichten zum monetären Transmissionsprozess einen mechanischen Zusammenhang zwischen Giralgeldmenge und Zentralbankgeld abstreiten und die Rolle der Geschäftsbanken bei der Schaffung von Giralgeld betonen.3
Geldpolitische Theorien
Bzgl. der Aufgaben einer Zentralbank sowie der Auswirkungen ihrer Zinspolitik gibt es weiterhin sehr unterschiedliche Auffassungen. Wir werden im Folgenden die bedeutendste Theorie darstellen, die seit den 1980er Jahren die Geldpolitik der Zentralbanken weltweit beeinflusst: Die Theorie der natürlichen Arbeitslosenquote. Im Anschluss werden wir diese Theorie kritisch analysieren und alternative Sichtweisen diskutieren, die in den letzten Jahrzehnten an Bedeutung gewonnen haben. Eine ausführlichere Darstellung findet der geneigte Leser in Paetz (2025, Kap. 6-8).
Die Phillipskurve
Die Theorie der natürlichen Arbeitslosenquote stützt sich auf die Phillipskurve. Diese, nach dem britischen Ökonomen A.W. Phillips benannte Kurve, illustriert einen negativen Zusammenhang zwischen den Veränderungen von Löhnen bzw. Preisen und der Arbeitslosenquote. In Phillips (1958) wurden die Nominallohnsteigerung in Großbritannien zwischen 1861 und 1913 den Arbeitslosenquoten gegenübergestellt. Abbildung 13 reproduziert eine Grafik aus der Originalstudie.
Abbildung 13: Die Phillipskurve
Der negative Zusammenhang wird typischerweise so erklärt: Ist die Arbeitslosigkeit gering, suchen Arbeitgeber nach Arbeitskräften und sind bereit einen höheren Lohn als ihre Konkurrenten zu bieten. Zudem wissen die Arbeitnehmer, dass sie schneller eine neue Beschäftigung finden, falls sie ihren Arbeitsplatz verlieren sollten. Sie gehen daher gestärkt in die Lohnverhandlungen und können die gute Arbeitsmarktsituation als Druckmittel einsetzen. Ist die Arbeitslosigkeit hoch, ist es umgekehrt und die Arbeitgeber können mit Entlassungen drohen, da sie problemlos andere Arbeitskräfte finden werden.
Die Theorie der natürlichen Arbeitslosenquote
Wenn die Löhne bei geringerer Arbeitslosigkeit schneller steigen, wird sich vermutlich auch die Preisentwicklung beschleunigen. Um ihre Profitmarge zu halten werden die Arbeitgeber nämlich die Preise erhöhen, wenn die Lohnkosten zunehmen. Die Arbeitnehmer werden dann feststellen müssen, dass sie durch die von ihnen erkämpfte Lohnerhöhung keine Steigerung ihrer Kaufkraft erzielen konnten, weil die Preise mit den Löhnen gestiegen sind. Sie werden daher noch höhere Lohnsteigerungen fordern.
Hierdurch droht eine Lohn-Preis-Spirale, in der Löhne und Preise immer schneller steigen, die Inflationsrate also stetig zunimmt. Verhindern lässt sich diese Dynamik, indem die Arbeitslosigkeit wieder zunimmt, damit die Lohnsteigerungen wieder moderater ausfallen. Als natürliche Arbeitslosenquote bezeichnet man die Quote, bei der die Inflationsrate konstant ist. Sie wird daher auch Non-Accelerating-Inflation-Rate-of-Unemployment, kurz NAIRU, genannt.
Strukturelle Reformen vs. Konjunkturpolitik
Eine Zentralbank versucht mit Hilfe ihrer Zinssetzung die Nachfrage so zu steuern, dass diese mit der NAIRU vereinbar ist. Fällt die Arbeitslosigkeit unter ihr natürliches Niveau sollte die Zentralbank die Zinsen anheben, um die drohende Inflationssteigerung zu bekämpfen. Die höheren Zinsen machen Kredite teurer und dämpfen daher die private Investitionstätigkeit. Da aufgrund der geringeren Ausgaben die Arbeitslosigkeit wieder steigt, sinken die Lohnsteigerungen und die Inflationsrate stabilisiert sich. Bei einer fallenden Inflationsrate aufgrund einer zu hohen Arbeitslosigkeit, kann die Zentralbank die Zinsen senken, um so die Nachfrage zu erhöhen, die Arbeitslosigkeit zu senken und die Inflationsrate zu stabilisieren.
Die Geldpolitik kann so die kurzfristigen Schwankungen der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung glätten, die man als Konjunktur bezeichnet. Soll die Arbeitslosigkeit jedoch dauerhaft gesenkt werden, helfen nur strukturelle Reformen, wie eine Schwächung der Verhandlungsposition der Arbeitnehmer. Sinken beispielsweise die Sozialleistungen würden Arbeitnehmer auch bei geringerer Arbeitslosenquote moderate Lohnforderungen stellen, weil die Angst vor Arbeitslosigkeit nun größer ist. Auf der Arbeitgeberseite kann eine Intensivierung des Wettbewerbs zwischen Unternehmen die NAIRU senken. Der höhere Wettbewerb drückt die Preise und erhöht die Kaufkraft der Arbeitnehmer, die daher weniger Notwendigkeit verspüren, höhere Löhne zu fordern.
Crowding Out
Da jede staatliche Ausgabe die Nachfrage und somit die private Produktion erhöht, führt sie auch zu einer Senkung der Arbeitslosigkeit. Der Versuch, über staatliche Konjunkturmaßnahmen die Arbeitslosigkeit zu reduzieren, muss gemäß der NAIRU-Theorie aber zu dem oben beschriebenen, sich selbst verstärkenden Kreislauf aus steigenden Löhnen und Preisen führen. Der Zentralbank bleibt dann nichts anderes übrig als die Zinsen anzuheben, um die Arbeitslosigkeit wieder auf ihr natürliches Niveau zu erhöhen und so die Inflationsrate zu stabilisieren.
Die Zinsen müssten genau so stark steigen, dass die privaten Investitionen um die Höhe der zusätzlichen staatlichen Ausgaben gesenkt werden. Die gesamtwirtschaftliche Nachfrage wäre dann wieder auf das mit der natürlichen Arbeitslosenquote zu vereinbarende Niveau gefallen. Die staatlichen Ausgaben hätten dann lediglich private Ausgaben verdrängt, ohne die Arbeitslosigkeit dauerhaft zu verringern (sogenanntes „Crowding Out“).
Folgerungen der NAIRU-Theorie
Zusammenfassend lässt sich aus der NAIRU-Theorie folgern, dass eine Zentralbank immer dann die Zinsen anheben sollte, wenn die Inflationsrate steigt und die Zinsen senken sollte, wenn sie fällt. Die Arbeitslosigkeit bei konstanter Inflationsrate entspricht der NAIRU und müsste über strukturelle Reformen bekämpft werden. Zudem sollten weder Regierung noch Zentralbank versuchen, die Arbeitslosigkeit unter das natürliche Niveau zu senken, weil dies lediglich die Preisentwicklung beschleunigen würde.
Aus diesem Grund befürwortet die Mehrheit der Ökonomen eine politisch unabhängige Zentralbank, die nicht der Versuchung unterliegt, die Arbeitslosigkeit kurzfristig zu reduzieren, um ihre Gunst bei den Wählern zu erhöhen. Des Weiteren sollten die Regierungsausgaben begrenzt werden, um die Verdrängung privater Investitionen gering zu halten.
Kritik an der NAIRU-Theorie
Viele Ökonomen haben in den letzten Jahrzehnten die Annahmen der NAIRU-Theorie kritisiert. Eine strikte Trennung zwischen den kurzfristigen Schwankungen und dem langfristigen Wachstumspfad sei unzuässig, weil Pfadabhängigkeiten dazu führen, dass sich konjunkturelle Effekte verfestigen und auch die langfristige Entwicklung beeinflussen. Arbeitslose verlieren z.B. den Anschluss, weil sie nicht mehr an Fortbildungen teilnehmen. Zudem sinken die Investitionen im Abschwung, was für die Produktivitätsentwicklung nachteilig ist. Demnach sollte man Phasen mit zu geringer Nachfrage konsequenter bekämpfen als jene mit zu geringer Arbeitslosigkeit. Außerdem hat der Zusammenhang zwischen Arbeitslosigkeit und Inflation in den letzten Jahrzehnten abgenommen. Lediglich bei sehr geringen Arbeitslosenquoten scheinen Löhne und Preise schneller zu steigen (wie auch in der Original-Phillipskurve aus Abbildung 13).
Postkeynesianer sind zudem der Überzeugung, dass die Geldpolitik allein verhältnismäßig wenig Einfluss auf die privaten Investitionen hat. Insbesondere im Abschwung seien die Gewinnerwartungen so gering, dass auch ein geringerer Kreditzins keine nennenswerte Investitionssteigerung hervorbringen wird. Um einen sich selbst tragenden Aufschwung zu erzeugen, benötigt eine Volkswirtschaft immer auch eine Steigerung der staatlichen Ausgaben, um die Gewinnerwartungen des Unternehmenssektors zu erhöhen.
Eine finanzielle Investitionstheorie
Hyman Minsky kritisierte in seiner alternativen Interpretation der „General Theory“ von John Maynard Keynes (siehe Minsky (1990)) zudem, dass die Standardtheorien nicht erklären würden, wie Krisen entstehen, obwohl diese anscheinend unweigerliche Begleiterscheinungen unseres Wirtschaftssystems sind. Er entwickelte eine finanzielle Theorie der Investitionen, bei der Auf- und Abschwung aus einer gesamtwirtschaftlichen Dynamik heraus folgen. Nach dem Zusammenbruch des Finanzsystems 2007/8 bekam diese Theorie starke Aufmerksamkeit und gilt seitdem als eine der wichtigsten Finanzkrisentheorien.
Unternehmen tätigen kreditfinanzierte Investitionen, solange sie sich aus der Investition einen entsprechenden Gewinn erhoffen. Solange der gesamte Unternehmenssektor positive Gewinnerwartungen hat, sorgen die eigenen Investitionen für die nötige gesamtwirtschaftliche Nachfrage und der Aufschwung wird zu einer selbsterfüllenden Prophezeiung. Die positive Entwicklung motiviert den Privatsektor, immer riskantere Verbindlichkeitsstrukturen einzugehen und macht die Volkswirtschaft anfällig für Zinserhöhungen. Die höhere Verschuldung sowie die immer kürzeren Kreditlaufzeiten führen irgendwann jedoch zu steigenden Zinsen, wodurch viele Verbindlichkeitsstrukturen nicht mehr aufrecht erhalten werden können.
Nach dem Aufschwung folgt der Abschwung
Weil einige Unternehmen ihre Zahlungsverpflichtungen nicht mehr aus den laufenden Gewinnen bedienen können, reduzieren sie ihre Investitionsausgaben. Der Rückgang der Ausgaben, reißt jedoch immer mehr Unternehmen in die Krise, weil die gesamtwirtschaftliche Nachfrage sinkt. Die einzelwirtschftlich verständliche Reaktion erschwert auf der gesamtwirtschaftlichen Ebene daher den Entschuldungsprozess.
Da große Konzerne zudem Wertpapiere verkaufen, um aus den Verkaufserlösen, ihren Zahlungsverpflichtungen nachzukommen, fallen die Wertpapierpreise sehr plötzlich. Ähnliche Entwicklungen sind auch bei anderen Vermögenswerten wie Immobilien zu beobachten. Aufgrund fehlender Sicherheiten können viele Kredite nun nicht mehr verlängert werden. Zudem verkaufen immer mehr Anleger ihre Vermögenswerte, um sich vor möglichen Kursverlusten zu schützen. Die Verkäufe verstärken jedoch den Preisverfall. Ein Teufelskreis aus fallenden Ausgaben und sinkenden Profiten sowie fallenden Wertpapierpreisen und weiteren Panikverkäufen führt in eine sich selbst verstärkende Abwärtsspirale.
Die Rolle von Zentralbank und Regierung
Nach Auffassung Minsky’s waren Zinserhöhungen der Zentralbank häufig der Auslöser einer solchen Abwärtsspirale, da sie die Verbindlichkeitsstrukturen des Privatsektors untragbar machten. Obwohl die Geldpolitik eine Krise auslösen kann, gelingt es ihr jedoch nicht, diese zu beenden. Geringere Zinsen würden lediglich zur Umschuldung verwendet, nicht jedoch für zusätzliche Investitionen. Dennoch sollte die Zentralbank eingreifen und durch vermehrte Ankäufe von Wertpapieren die Vermögenspreise stabilisieren sowie Liquidität bereitstellen, um den oben beschriebenen Teufelskreis zu durchbrechen.
Um den Anstieg der Arbeitslosigkeit zu stoppen, sind jedoch steigende staatliche Ausgaben erforderlich, da Unternehmen erst wieder bereit sind zu investieren, wenn sie sich hinreichend entschuldet haben. Nach Minsky war die große Depression der 1930er Jahre das Ergebnis einer zu zögerlichen Reaktion von Zentralbank und Regierung. Im Gegensatz dazu waren die steigenden Inflationsraten in den 1960er Jahren das Resultat entschlossener Maßnahmen zur Krisenbewältigung, die jedoch dazu führten, dass Unternehmen ihre Preise erhöhten, um aus den gestiegenen Einnahmen ihre Kredite zurückzuzahlen.
Die Modern Monetary Theory
Die Modern Monetary Theory (MMT), die wir bereits im ersten Modul im Zusammenhang mit dem Neochartalismus kennengelernt haben, misst dem Staat eine vergleichbar bedeutende Rolle zu. Da eine Regierung in ihrer eigenen Währung niemals zahlungsunfähig werden kann, sollte sie ihre Finanzpolitik an der Wirkungsweise staatlicher Ausgaben ausrichten, anstatt sich an den traditionellen Vorstellungen einer soliden Haushaltsführung zu orientieren. Wenn die Arbeitslosigkeit zu hoch ist, sollte sie ihre Ausgaben ausweiten, solange die Inflationsrate nicht signifikant ansteigt. Eine höhere Verschuldung kann in Kauf genommen werden, wenn dies notwendig ist, um die Arbeitslosigkeit zu reduzieren. Die Rückzahlung von Schulden kann gegebenenfalls mit neuem Zentralbankgeld erfolgen.
Die MMT betrachtet zudem die Unabhängigkeit der Zentralbank sowie die gegenwärtig üblichen Begrenzungen von Staatsschulden als undemokratisch. Die erforderliche Höhe der Ausgaben sollte von einem demokratisch legitimierten Parlament festgelegt werden, das sich regelmäßig vor seinen Wählern verantworten muss, und nicht einem technokratischen Expertengremium überlassen werden. Die Zentralbank sollte die Regierung bestmöglich bei der Erfüllung ihrer Aufgaben unterstützen.
MERKE
Die Geldmenge wird von privaten Banken bedarfsorientiert geschaffen und steht nicht unter Kontrolle der Zentralbank. Letztere beeinflusst jedoch durch ihre Zinsen die Kreditnachfrage und die private Geldschöpfung.
Die Theorie des Geldschöpfungsmultiplikators ist irreführend, da Banken für die Kreditvergabe weder auf Kundeneinlagen noch auf Zentralbankgeld angewiesen sind.
Die Phillipskurve verdeutlicht den negativen Zusammenhang zwischen den Veränderungen von Löhnen oder Preisen und der Höhe der Arbeitslosenquote.
Die natürliche Arbeitslosenquote bezeichnet die Quote, zu der die Inflationsrate stabil ist. Sie wird daher auch als Non-Accelerating Inflation Rate of Unemployment (NAIRU) genannt und kann nur durch strukturelle Reformen verändert werden.
Laut der NAIRU-Theorie sollte eine Zentralbank ihre Zinspolitik so steuern, dass die Arbeitslosigkeit auf ihrem natürlichen Niveau bleibt.
Wenn sich kurzfristige Schwankungen der Produktion auch auf die langfristige Entwicklung auswirken, sind die Grundannahmen der NAIRU-Theorie nicht erfüllt. Abschwünge sollten dann konsequenter bekämpft werden als Aufschwünge.
Hyman Minsky entwickelte eine finanzielle Theorie der Investitionen, die sowohl konjunkturelle Entwicklungen als auch Finanzkrisen erklärt.
Minskys Theorie besagt, dass eine Zinserhöhung eine Krise auslösen, jedoch nicht beenden kann. Für eine erfolgreiche Krisenbewältigung ist zusätzlich eine Steigerung staatlicher Ausgaben erforderlich.
Literatur
BAGEHOT, W. (1898). Lombard Street: A Description of the Money Market, London: Henry S. King & Co.↵
BINDSEIL, U. (2004a). The Operational Target of Monetary Policy and the Rise and Fall of Reserve Position Doctrine, ECB Working Paper Series 372.↵
EHNTS, D. (2016). Geld und Kredit – eine €-päische Perspektive, Metropolis, 2nd ed.↵
KALDOR, N. (1970). “The new monetarism,” Lloyds Bank Review, 1–17.↵
KALDOR, N. (1982). The Scourge of Monetarism, Oxford: Oxford University Press.↵
LAVOIE, M. (2014). Post-Keynesian Economics – New Foundations, Edward Elgar Publishing.↵
MCLEAY, M., A. RADIA, UND R. THOMAS (2014). “Money creation in the modern economy,” Bank of England Quarterly Bulletin, 54, 14–27.↵
MINSKY, H. (1990). John Maynard Keynes. Finanzierungsprozesse, Investition und Instabilität des Kapitalismus, Metropolis.↵
MOORE, B. (1988). Horizontalists and Verticalists: The Macroeconomics of Credit Money, Cambridge University Press.↵
PAETZ. M. (2025). “Geldtheorie und Geldpolitik,” Schäffer-Poeschel.↵
PHILLIPS, A. W. (1958). “The Relationship Between Unemployment and the Rate of Price Change of Money Wage Rates in the United Kingdom, 1862-1957,” Economica, 25, 283–299.↵
PHILLIPS, C. A. (1921). „Bank credit : a study of the principles and factors underlying advances made by banks to borrowers“,Macmillan New York.↵
SCHUMPETER, J. (1913). „Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung. Eine Untersuchung über Unternehmergewinn“,
Kapital, Kredit, Zins und den Konjunkturzyklus, Duncker & Humblot 1997, 9. Auflage.↵
THORNTON, H. (1802). An Enquiry Into the Nature and Effects of the Paper Credit of Great Britain, J. Hatchard.↵
WICKSELL, K. (1898). Geldzins und Güterpreise: Eine Studie über die den Tauschwert des Geldes bestimmenden Ursachen, Jena: Fischer.↵
WERNER, R. A. (2014). “Can banks individually create money out of nothing? – The theories and the empirical evidence,” International Review of Financial Analysis, 36, 1–19.↵
Geld ist ein liquider Vermögenswert, eine Forderung, aber auch eine Verbindlichkeit, eine Steuergutschrift, aber auch ein Schuldschein der Regierung oder einer Bank. All diese Zuschreibungen sind grundsätzlich kompatibel zueinander. Wir werden im Folgenden sehen, wie schwer es ist, eine eindeutige Definition für Geld zu finden, die für alle Anwendungsbereiche passend ist. Dies liegt auch daran, dass man mit dem Begriff „Geld“ ganz unterschiedliche Dinge meinen kann, z.B. Bargeld, Zentralbankgeld, Buchgeld von Banken (Sichtguthaben bei Geschäftsbanken), Geldvermögen oder das Geldsystem als Ganzes.
Noch schwieriger ist es, den Ursprung von Geld zu klären. Daher wird Geld häufig über seine Funktionen als Tausch- bzw. Zahlungsmittel, Recheneinheit und Wertaufbewahrungsmittel definiert (siehe Abschnitt „Grundlagen“). Was auch immer diese Eigenschaften erfüllt, kann als Geld verwendet werden, getreu dem Motto: „Money is what money does“ (Walker (1878)). So lässt sich jedoch nicht erklären, warum das gesetzliche Zahlungsmittel in den USA der Dollar und im Euro-Raum der Euro ist und warum in keinem der beiden Länder Goldmünzen, Zigaretten oder Panini-Sticker als Zahlungsmittel verwendet werden.
Der Ursprung von Geld und Kredit
Kontroversen über den Ursprung des Geldes gab es bereits bei Platon und Aristoteles, mehr als 300 Jahre v. Chr. Bevor wir die zwei wichtigsten geldtheorethischen Konzepte miteinander vergleichen, werden wir zunächst die Bedeutung von Geld und Kredit in einer Marktwirtschaft aufzeigen.
Geld, Kredit und Handel
Es ist sehr wahrscheinlich, dass der Kredit zeitgleich mit dem Handel entstanden ist und bereits lange vor den ersten Münzen verwendet wurde, um Güter gegenseitig zu verrechnen. Im antiken Mesopotamien wurden Schuldverhältnisse bereits auf Tontafeln festgehalten, lange bevor sich Münzgeld als Zahlungsmittel durchsetzte. Da auf den Tafeln mit Kreide geschrieben wurde, etablierte sich der Ausdruck „bei jemandem in der Kreide stehen“, wenn man noch Schulden zu begleichen hatte.
Ein Kredit ist notwendig, wenn zwei Personen einen Gütertausch zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht endgültig abschließen können. Nehmen wir an, ein Jäger und ein Bogenmacher wollen miteinander handeln. Der Jäger kann aber kein Fleisch liefern, bevor er vom Bogenmacher Pfeil und Bogen erworben hat, um ein Tier zu schießen. Der Jäger besitzt auch keine anderen Waren oder Goldmünzen, die er zum Tausch anbieten kann, ist aber als ehrlicher Mensch bekannt. Der Bogenmacher hat daher keinen Zweifel daran, dass der Jäger ihn später mit Fleisch versorgen wird und stellt ihm Pfeile und Bogen her. Der Jäger verspricht wiederum, den Bogenmacher nach der Jagd mit Fleisch zu beliefern.
Der Jäger verschuldet sich beim Bogenmacher, weil beide andernfalls keinen Handel miteinander betreiben könnten. Die Warenlieferungen der beiden Akteure finden zu unterschiedlichen Zeitpunkten statt, weshalb der Bogenmacher zunächst nur eine Forderung gegen den Jäger erhält. Auch in einem modernen Wirtschaftssystem benötigt die Produktion in der Regel Vorleistungen. Erst im Anschluss lassen sich Güter herstellen, aus deren Verkauf man Einzahlungen erhält, mit denen sich die Vorleistungen bezahlen lassen. Ohne Kredit ist ein solches System schwer vorstellbar.
Jäger und Bogenmacher könnten das Schuldverhältnis auf einer Tontafel notieren. Der Jäger könnte dem Bogenmacher aber auch einen Schuldschein ausstellen, auf dem notiert ist, zu welchem Zeitpunkt er welche Menge Fleisch zu liefern hat. Ist der Jäger bekannt und vertrauenswürdig, könnte der Bogenmacher diesen Schuldschein ggf. verwenden, um bei anderen Händlern Waren zu kaufen. Der Kredit des Bogenmachers würde so zu einem handelbaren Zahlungsversprechen werden. Sofern der Schuldschein von anderen Händlern akzeptiert wird, entspricht er einer zirkulationsfähigen Forderung gegen den Jäger und stellt eine regionale Form von Geld dar.
Kerbhölzer und doppelte Buchführung
Solche übertragbaren Schuldverhältnisse übernahmen in der Geschichte häufiger die Funktion von Geld. Bevor in Europa das Papiergeld eingeführt wurde, kursierten z.B. Kerbhölzer als Zahlungsmittel (ab dem 11. Jahrhundert, in England bis ins 18. Jahrhundert hinein). Abbildung 1 zeigt ein solches Kerbholz aus dem Alpinen Museum der Schweiz. Die sogenannten „Tally Sticks“ ermöglichten eine einfache Art und Weise der buchhalterischen Erfassung von Schuldverhältnissen. Kerbhölzer (auch Zählhölzer genannt) waren längliche Brettchen, auf denen man Symbole oder Kerben quer über das Stück einritzte, um die Höhe der Schuld zu notieren. Das Stück wurde dann der Länge nach zerteilt und jede Partei erhielt eine Hälfte, damit niemand den eingeritzten Wert fälschen konnte. Der Schuldner erhielt i.d.R. das längere Stück, den sogenannten „Foil“, während der Gläubiger das kürzere Ende, den „Stock“ bekam.
Abbildung 1: Kerbhölzer (Tally Sticks)
Quelle: Schweizer Alprechtshölzer: Doppeltessel der Alp Blümatt (Turtmann VS), 1893; Kollektion des Alpinen Museums der Schweiz; Photo by Sandstein.
Auch wenn die Kerbhölzer völlig aus unserem Geldsystem verschwunden sind, werden einige Ausdrücke aus der Zeit der Kerbhölzer auch im heutigen Sprachgebrauch noch verwendet. Beispielsweise stammt die Redewendung „etwas auf dem Kerbholz haben“ sowie die Bezeichnung „Stock-Exchange“ aus der Zeit der Kerbhölzer. Wer einen „stock“ besitzt, hält eine Forderung. Märkte erfüllten daher auch die Funktion eines Clearing-Systems, auf dem man unterschiedliche bilaterale Schuldverhältnisse gegenseitig verrechnen konnte, indem man seine „stocks“ miteinander tauschte.4
Aus der verstärkten Verwendung der bilanziellen Verrechnung von Forderungen und Verbindlichkeiten unter Handelnden, entstanden bereits um das 12. Jahrhundert herum die ersten Frühformen von Banken. Sie führten Kundeneinlagen und gaben Quittungen für hinterlegte Goldmünzen heraus, die als erste Banknoten kursierten. Händler verwendeten zudem häufig Wechsel, welche im 13. Jahrhundert zunächst in Italien genutzt wurden. Ein Wechsel (engl. Bill of Exchange) verbrieft eine Kreditbeziehung. Auf der entsprechenden Urkunde ist vermerkt, dass der Schuldner bei Fälligkeit eine gewisse Geldsumme (Goldmünzen oder Banknoten) an den Gläubiger zu zahlen hat. Das Fälligkeitsdatum sowie der Ort der Bezahlung werden ebenfalls vermerkt. Der Gläubiger konnte den Wechsel als Zahlungsmittel verwenden, sofern andere Händler ihn akzeptierten. Der Kredit wurde hierdurch monetarisiert (zu Geld gemacht) und ein in der Zukunft erwarteter Geldzufluss konnte bereits heute für den Zahlungsverkehr verwendet werden. So wurden temporäre Liquiditätsengpässe überbrückt, also Zeiten, in denen nicht genügend Münzen oder Banknoten im Umlauf war. Banken haben solche Wechsel mit Abschlag (Wechseldiskont) in Münzgeld getauscht, um so das Zinsverbot zu umgehen, welches bis ins 16 Jahrhundert galt.
Warum akzeptieren wir die Schuldscheine der Banken?
Wechsel werden von anderen Händlern nur akzeptiert, wenn diese dem Schuldner vertrauen und sich sicher sind, dass er seine Schulden zu einem späteren Zeitpunkt zurückzahlen wird. Geschäftsleute, die häufig Handel miteinander betreiben, haben ein Interesse daran, ihre Handelsbeziehungen miteinander in einem guten Zustand zu halten. Weil alle Beteiligten wissen, dass niemand vom Kreis der Geschäftstreibenden ausgeschlossen werden möchte, vertrauen sie darauf, dass die Handelspartner ihre Schuld begleichen werden. Auf Grundlage solcher sozialen Beziehungen lässt sich allein durch buchhalterische Erfassung von Schuldbeziehungen miteinander handeln.
Offenkundig ist die Anzahl der Handelspartner, mit denen man allein auf Basis von Vertrauen Handel betreibt, aber sehr beschränkt. Zügig wird man an den Punkt geraten, an dem man den Schuldschein eines anderen Händlers nicht mehr zur Bezahlung der Schuld gegenüber einer dritten Person verwenden kann, weil diese ihn nicht akzeptieren wird. Ein nationales oder gar internationales Zahlungssystem, in dem jeder mit jedem frei handeln kann, lässt sich allein auf Vertrauen offensichtlich nicht aufbauen. Was aber ist der Grund dafür, dass heutzutage auf Papier gedruckte Euro-Scheine im gesamten Euro-Währungsgebiet akzeptiert werden bzw. digitale Einträge auf Bankkonten? Diese Frage werden wir erst im 2. Modul dieses Kurses beantworten können. Der folgende Abschnitt wird uns der Antwort aber schon ein Stückchen näher bringen.
Metallismus vs. Chartalismus
Bis heute konkurrieren in der Wissenschaft im Wesentlichen zwei Geldtheorien.5 Der Metallismus wird in seiner modernen Form auf den österreichischen Ökonomen Carl Menger (1840 – 1921) zurückgeführt und sieht Geld als eine privat geschaffene Tauschware, die den Handel erleichtern sollte. Der Chartalismus versteht Geld hingegen als eine staatlich eingeführte Marke, die ausschließlich dadurch einen Wert erhält, dass die Regierung diese zur Bezahlung von Steuern und Gebühren akzeptiert. Er fußt in seiner heutigen Form auf den Arbeiten des deutschen Ökonomen Georg Friedrich Knapp (1842 – 1926).6
Der Metallismus: Geld als Tauschware
Metallisten führen Geld in der Regel mit einer Erzählung über die Schwierigkeiten einer Tauschwirtschaft ein. Vor der Existenz von Geld habe man Handel nur betreiben können, indem man gegenseitig Güter miteinander tauschte. Der Tausch von Gütern setzt aber immer voraus, dass man genau die Güter anzubieten hat, die jemand anderes haben möchte. Diese Person muss wiederum gerade jene Güter im Überfluss besitzen, die man selber begehrt.
Diese Koinzidenz der Bedürfnisse („Coincidence of Wants“) muss sowohl räumlich wie zeitlich erfüllt sein: Damit 2 Personen miteinander Güter tauschen können, müssen sie am gleichen Ort und zur gleichen Zeit gegenseitig gerade das Gut verlangen, was ihr Gegenüber anbietet. Zudem müssen die Güter in einem geregelten Austauschverhältnis gegeneinander tauschbar sein (z.B. 10 Hühner gegen 1 Schaf). Sollte man selber nicht in der Lage sein, das anzubieten, was der Besitzer der begehrten Güter haben möchte, musste man in der Tauschwirtschaft zunächst eine dritte, vierte oder fünfte Person finden, um so durch mehrere sukzessive Tauschgeschäfte die Güter zu erhalten, die sich gegen das begehrte Gut eintauschen lassen.
Da dies sehr mühsam war, wurde Geld als allgemein akzeptiertes Zwischentauschgut eingeführt, um den Handel zu vereinfachen. Man tauschte Güter gegen dieses Zwischentauschgut, weil andere Händler es ebenfalls akzeptierten. Geld sei demnach nichts anderes als eine Ware und entstand als technische Antwort des Privatsektors auf die Probleme der Tauschwirtschaft, um die Transaktionskosten des Handels zu reduzieren. Gold und Silbermünzen setzten sich als Tauschgut durch, weil sie (i) haltbar, (ii) transportierbar, (iii) teilbar, (iv) homogen und (v) schwer zu fälschen waren. Zudem hatten sie (vi) einen intrinsischen (also einen eigenen) Wert, der wegen ihrer Knappheit auch langfristig erhalten bleibt.
Später wurden Papierscheine als Geld verwendet, die einen Anspruch auf Gold darstellten, weil es einfacher war, mit Papiernoten auf den Markt zu gehen als mit einem Sack voller Goldmünzen. Das Papiergeld hatte aber nur deswegen einen Wert, weil es durch ein Edelmetall gedeckt war, es also jederzeit bei Banken gegen dieses Edelmetall getauscht werden konnte. Und in Zeiten, in denen die Konvertierbarkeit von Geld aufgehoben wurde, vertraute die Bevölkerung darauf, dass sie bald wieder eingeführt werden würde.
Theoretische Mängel des Metallismus
Auch wenn diese Erzählung zunächst einmal logisch nachvollziehbar klingt, weist sie einige theoretische Schwachpunkte auf. Zudem wecken historische Untersuchungen Zweifel an der vom Metallismus beschriebenen Entstehung von Geld. Die Entwicklung von Papiergeld ist ja gerade darauf zurückzuführen, dass Edelmetallmünzen eben nicht besonders gut zu transportieren sind. Die ersten Münzen waren auch nicht homogen, sondern eine Mischform aus Gold und Silber (sogenanntes Elektron). Der Wertgehalt dieser Münzen war daher nur schwer festzustellen. Es kann zudem bezweifelt werden, ob der Wert von Gold und Silber bei der Einführung von Münzen im 7. Jahrhundert v. Chr. der Bevölkerung bekannt war.
Münzen aus Edelmetallen waren auch nicht einfach teilbar. Wenn man sie in mehrere Teile zerlegt hatte, mussten die einzelnen Teile gewogen werden, um den Wert der Münze zu ermitteln. Edelmetallmünzen scheinen die von Metallisten genannten positiven Eigenschaften also nur sehr eingeschränkt zu besitzen. Nicht selten wurde ein Teil der Münzen abgeschlagen, um aus diesen Teilen neue Münzen herzustellen. Um Fälschungen zu erschweren, wurden Münzen daher häufig mit einer Prägung versehen, um ihren Wert erkennbar zu machen. Diese Prägung erfolgte i.d.R. von einer staatlichen Behörde (oder einem vergleichbaren Souverän) und nicht von privaten Institutionen. Metallisten sehen hierin jedoch keinen Widerspruch zu ihrer Theorie. Eine Regierung konnte zwar die Verwendung von Münzen fördern und so den Willen des Privatsektors unterstützen, spielte aus ihrer Sicht ansonsten aber keine Rolle bei der Einführung der Tauschware.
Frühformen von Geld in Form von Muscheln, Schneckenhäusern oder Kakaobohnen (sogenanntes Naturaliengeld) existierten bereits 2000 v. Chr. In frühantiken Gesellschaften erfolgte zum Beispiel schon eine Verrechnung in Währungseinheiten mit Gütern wie Salz und Getreide als verzinslicher Naturalienkredit. Münzgeld wurde ca. 700 v. Chr. in Indien, China und um das ägäische Meer herum eingeführt, weil die Münzen im Vergleich zu verderblichen Nahrungsmitteln haltbar waren. Die Verteilung der landwirtschaftlichen Ernte einer Gemeinschaft wurde zu dieser Zeit aber noch sehr viel stärker von zentralen Institutionen, wie religiösen Oberhäuptern, organisiert. Handel fand im Wesentlichen zwischen Ländern statt und war bei der Einführung von Münzen innerhalb eines Landes i.d.R. noch wenig ausgeprägt.7
Die Vorstellung, dass Geld eine vom Privatsektor geschaffene Errungenschaft darstellt, die entwickelt wurde, um den Handel zu verstärken, passt jedoch sehr gut zu unserem heutigen Bild einer privaten Marktwirtschaft. Viele Menschen verbinden den Ursprung von Geld daher nach wie vor mit Edelmetallmünzen und sind nicht selten empört darüber, dass Geld heutzutage von keinem Sachwert mehr gesichert wird.
Obgleich das heutige Geld durch nichts mehr gedeckt ist, wirken die Vorstellungen der Metallisten in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung bis heute nach. Der neoklassische Ökonom Léon Walras (1834 – 1910) führte Geld einfach als Symbol für reale Güter ein. Als sogenanntes „numéraire-Gut“ sorgt es dafür, dass der Preismechanismus zur Markträumung führt. Da sich deshalb ein auf Geld basiertes Wirtschaftssystem nicht von einer Tauschwirtschaft unterscheidet, ist Geld vollständig neutral und es reiche aus, die realen Beziehungen einer Volkswirtschaft zu untersuchen. Die historische Herkunft des numéraire-Guts sei von keiner wesentlichen Bedeutung. Bis heute sind viele Ökonomen der Meinung, dass sich das Wirtschaftssystem (zumindest langfristig) wie eine Tauschwirtschaft analysieren lässt.
Der Chartalismus: Geld als Geschöpf der Rechtsordnung
Während für die Metallisten Geld ein bestimmtes „Ding“ ist, sind Chartalisten der Auffassung, das Geld eine gesellschaftliche Beziehung darstellt, die auf Herrschaftsverhältnissen und Normen basiert und staatlich gestützt wird.8 Geld kann daher nicht unabhängig von seinen institutionellen Verwendungsmöglichkeiten betrachtet werden. Der deutsche Nationalökonom Georg Friedrich Knapp sah die Fähigkeit, mit Geld Steuern zu zahlen, als die konstitutive Grundlage, die einen Gegenstand zu Geld macht. Da alle Bürger Steuern zahlen müssen, werden alle Bürger ein Interesse daran haben, das von der Regierung festgelegte Geld zu verwenden. Hierdurch wird die allgemeine Akzeptanz der einheimischen Währung gesichert.
Ob es sich beim Geld um einen Papierschnipsel, einen Buchungseintrag, ein Stück Holz oder ein Edelmetall handelt, spielt keine weitere Rolle. Auch bei der Verwendung von Goldmünzen als Zahlungsmittel ist es der Stempel der Regierung, der den Münzen ihre allgemeine Akzeptanz verleiht und nicht der Goldgehalt. Chartalismus wird von dem lateinischen Wort Charta abgeleitet, welches wiederum vom altgriechischen Wort chártēs abstammt, das im weitesten Sinne Marken, Karten oder Dokumente beschreibt. Geld ist schlicht „ein Geschöpf der Rechtsordnung; es ist im Laufe der Geschichte in den verschiedensten Formen aufgetreten: eine Theorie des Geldes kann daher nur rechtsgeschichtlich sein.“ (Knapp (2018, S.1)).
Die Regierung belastet ihre Bürger mit einer Steuerschuld und bestimmt selbst, was sie zur Bezahlung dieser Steuerschuld akzeptiert. Was auch immer es ist, es erhält hierdurch Wert. Während die Schuldscheine des Jägers im obigen Beispiel nur von Händlern akzeptiert werden, denen der Jäger vertraut ist, werden die Steuergutschriften der Regierung von allen Händlern angenommen, die in dem Währungsgebiet ansässig sind. Die Regierung akzeptiert Zahlungen von Einkommens- und Mehrwertsteuer, Gebühren und Strafen usw. ausschließlich in der von ihr eingeführten Währung. Durch die Festlegung einer Steuerverbindlichkeit zwingt der Staat seine Bürger dazu, diese Währung zu akzeptieren, weil eine Haftstrafe droht, wenn statliche Schulden nicht beglichen werden. Bereits bei Adam Smith lässt sich eine solche Argumentation finden: „Ein Fürst, der verfügt, dass ein bestimmter Anteil seiner Steuern in einem Papiergeld einer bestimmten Art zu zahlen ist, kann diesem Papiergeld einen bestimmten Wert verleihen“ (Smith (1776, S. 312)).
Anthropologen und Historiker sind heute mehrheitlich der Auffassung, dass eine weitreichende Akzeptanz von Geld erst durch staatliche Institutionen geschaffen wurde, auch wenn Handel zuvor bereits mit Hilfe der Verrechnung von Schuldverhältnissen betrieben wurde. Auch der britische Ökonom John Maynard Keynes verweist in seiner angesehenen Abhandlung „Vom Gelde“ auf den ersten Seiten auf das Werk von Knapp (siehe Keynes (1936, S.4)).
Vor der Einführung von staatlichem Geld existierten zwar private Banknoten, die als Zahlungsmittel verwendet wurden. Diese basierten auf dem Vertrauen, dass die Schuldscheine der Banken auch in Zukunft als allgemeine Zahlungsmittel akzeptiert würden. Zudem waren sie konvertierbar, repräsentierten also einen Anspruch auf Gold oder ein anderes Edelmetall. Geldsysteme, die ausschließlich auf privatem Geld beruhten, brachen jedoch regelmäßig zusammen. Häufig konnten Banken ihre Noten in bestimmten Phasen nicht mehr gegen Gold tauschen, weil ihnen Münzen fehlten.
Geld als Steuergutschrift
Die staatliche Souveränität besteht nach Knapp aus drei Monopolen: nämlich die nationale Währung als Preis- und Recheneinheit festzulegen, die Zahlungsmittel auszugeben und die damit verbundenen Geldschöpfungsgewinne zu realisieren. Letzteres bezeichnet man auch als Seignorage. Ursprünglich entstand Seignorage dadurch, dass die Kosten der Münzherstellung unter dem Wert einer Münze lagen. Benötigte man zum Herstellen einer Zwei-Pfund Münze gerade einmal Gold im Wert von einem Pfund, so erzielt man pro Münze einen Gewinn in Höhe eines Pfunds. Dieser Gewinn wurde dadurch realisiert, dass die Regierung das Geld nutzte, um ihre Ausgaben zu bestreiten, also Güter im Wert von 2 Pfund damit erwarb.9
Die im vergangenen Abschnitt bereits eingeführten Kerbhölzer wurden im 18. Jahrhundert in England z.B. von der Regierung verwendet, um staatliche Ausgaben zu tätigen. Die Regierungshölzer wurden gegen Leistungen des Privatsektors getauscht (Straßenbau, Militärdienst etc.) und dienten ausschließlich dazu, Steuerschulden begleichen zu können. Sie stellten funktional gesehen nichts weiter als eine Steuergutschrift dar. Insbesondere verpflichtete sich die Regierung nicht dazu, sie gegen Goldmünzen einzutauschen, weshalb sie eine frühe Form von nicht konvertierbarem Geld repräsentierten. Da auch damals schon jeder Bürger seine Steuern zahlen musste, wurden die tally sticks als Zahlungsmittel anerkannt. Es gab also lange vor Aufhebung der Goldbindung bereits Formen ungedeckten Geldes, die im Inland als Zahlungsmittel genutzt wurden.
Geld als Lenkungsinstrument
Die Regierung sichert sich durch die Erhebung von Steuern zudem die Versorgung mit Leistungen des Privatsektors. Nicht, weil der Staat Steuern benötigt, um Ausgaben zu tätigen, sondern weil der Privatsektor aufgrund seiner Steuerverbindlichkeit bereit ist, seine Leistungen gegen das staatliche Geld anzubieten. So lässt sich das Leistungsangebot des Privatsektors auch lenken, um gemeinwohlorientierte Aufgaben zu erfüllen. Paetz und Ehnts (2021) erklären dies am Beispiel einer Familie mit 2 Kindern:
„Typischerweise lieben Kinder Süßigkeiten, helfen aber ungern bei Hausarbeiten. Die Eltern können den Kindern eine Art Steuerschuld auferlegen, indem sie ihnen Süßigkeiten nur noch gegen eine monatliche Zahlung selbst geschaffener Gutscheine herausgeben. Um diese Gutscheine zu erhalten, müssen die Kinder im Haushalt helfen. Fortan werden sie dies tun, um die Gutscheine zu erhalten, die sie brauchen, um Süßigkeiten zu bekommen. Der Staat als Schöpfer der Währung (hier: die Eltern) kann sich durch die Erhebung von Steuern mit Gütern (hier: Haushaltshilfe) versorgen.
Es ist auch denkbar, dass nur eines der beiden Kinder so viel im Haushalt hilft, dass es genügend Gutscheine für beide erhält. Die Kinder können dann untereinander Leistungen miteinander tauschen, damit beide ihre Steuern an die Eltern zahlen können, z.B. könnte das ältere Kind dem jüngeren bei den Hausaufgaben helfen. Die Gutscheine der Eltern erfüllen dann im eigenen Zuhause die Funktion von Geld als allgemein akzeptiertes Zahlungsmittel zum Austausch von Leistungen. Steuern sichern die Akzeptanz der staatlichen Währung („taxes drive money“) und führen dazu, dass sie sich innerhalb eines Hoheitsgebiets durchsetzt. Die ausstehenden Staatsschulden sind so gesehen nichts weiter als Steuergutschriften der Regierung in privatem Besitz.“
Der Neo-Chartalismus und die Modern Monetary Theory
Die Neo-Chartalisten der Modern Monetary Theory (kurz MMT) haben den Chartalismus in den vergangenen Jahrzehnten in ein modernes Geldsystem übertragen, welches aus Geschäfts- und Zentralbanken besteht. Der Staat legt die abstrakte Recheneinheit fest, in der die von ihm zur Zahlung akzeptierte Währung gemessen wird (in den USA der Dollar, in Japan der Yen etc.), und die Banken übernehmen diese für die von ihnen geschaffenen (digitalen) Schuldscheine. Die Schöpfung der staatlichen Währung ist der Zentralbank übertragen und Geschäftsbanken agieren bei Steuerzahlungen als Intermediäre, welche die Sichtguthaben ihrer Kunden (Bankengeld) gegen das staatliche Geld (Sichtguthaben der Geschäftsbanken bei der Zentralbank) tauschen.10
Der MMT zufolge kann eine Regierung, die eine eigene nicht konvertierbare Währung herausgibt, nicht zahlungsunfähig werden. So wie den Eltern im obigen Beispiel die selbst geschaffenen Gutscheine nicht ausgehen können, können der Regierung die digitalen Einträge auf den Konten der Zentralbank nicht ausgehen. Der Staat ist schließlich der Monopolanbieter von staatlichen Schuldscheinen, die zur Begleichung von Steuerschulden notwendig sind.
Auch wenn die MMT zu den heterodoxen Theorien gehört und in der akademischen Welt ein Aussenseiterdasein fristet, hat sie es geschafft, dass ihre Grundzüge in Politik und Medien diskutiert werden. Es lässt sich kaum bestreiten, dass die Finanzpolitik der US-Regierung unter Präsident Biden von ihr beeinflusst wurde. Der Demokrat John Yarmouth, Vorsitzender im Haushaltsausschuss des Repräsentantenhauses, bezieht sich z.B. explizit auf MMT-Ökonomen.11
Zusammenfassung und Fazit
Tabelle 1 stellt die wichtigsten Unterschiede zwischen Metallismus und Chartalismus stichpunktartig dar. Auch wenn die Frage nach dem Ursprung des Geldes vermutlich nie abschließend beantwortet werden kann, beschreibt die nominalistische Sichtweise des Neo-Chartalismus die Grundzüge des heutigen auf Geld und Kredit basierenden Wirtschaftssystems korrekt: Solange keine Wechselkursbindung existiert, wird der Zahlungsverkehr mit nicht konvertierbarem Geld bestritten, einer sogenannten Fiat Währung. Fiat ist Lateinisch für „es werde“. Die Regierung legt das gesetzliche Zahlungsmittel fest und lässt so die Papiergeldscheine zu Geld werden, ohne zu versprechen, diese in ein Edelmetall oder etwas ähnlichem zu tauschen.
Tabelle 1: Metallismus vs. Chartalismus
Metallismus
Chartalismus
Geld ist Geschöpf des Privatsektors, um Handel zu vereinfachen
Geld ist Geschöpf des Staates / Rechts, um sich mit Gütern zu versorgen
Geld hat einen intrinsischen Wert
Geld erhält Wert aus der Fähigkeit, Steuerschulden mit Geld zu begleichen
Geld ist ein Ding (eine Tauschware)
Geld ist eine abstrakte Recheneinheit
Geld ist knapp
Recheneinheiten können nicht knapp werden
Quelle: Eigene Erstellung.
Es ist zudem unbestritten, dass ein Staat, der durch den Zugriff auf die Zentralbank sein eigenes Geld produzieren kann, jederzeit alle Zahlungen in der einheimischen Währung leisten kann. Es existieren dennoch sehr unterschiedliche Auffassungen darüber, ob eine Regierung diese Möglichkeit nutzen sollte. Die Mehrheit der Ökonomen ist dagegen, weil die Regierung möglicherweise durch zu hohe Ausgaben die Preise der Güter des Privatsektors in die Höhe treiben könnte.
In den meisten Gleichgewichtsmodellen der orthodoxen ökonomischen Theorie führen höhere Staatsausgaben langfristig immer zu einer Verdrängung privater Investitionen. Deshalb sollte die Stabilisierung der Volkswirtschaft einer unabhängigen Zentralbank übergeben werden, die in einer Krise mit Zinssenkungen private Investitionen anregen soll, der es aber untersagt ist, die Regierung mit Geld zu versorgen. Zudem existieren in nahezu allen Ländern klare Regeln bezüglich der staatlichen Verschuldung.
Unter diesen Rahmenbedingungen ist eine Regierung gezwungen, ihre Ausgaben über den Verkauf von Schuldverschreibungen oder Steuern zu finanzieren. Da das Vertrauen in die Fähigkeiten von Finanzpolitikern gering ist, sollen die Staaten vom Finanzmarkt kontrolliert werden. Wir werden im letzten Modul dieses Kurses konkurrierende Sichtweisen auf die Aufgaben einer Zentralbank kennenlernen. Im folgenden Modul werden wir uns zunächst aber mit den Grundlagen unseres heutigen Geld- und Kreditsystems beschäftigen.
MERKE
Märkte sind ohne eine Form von Kredit oder Geld schwer vorstellbar. Vermutlich existieren Frühformen von Geld seit dem Auftreten von Märkten.
In der Wissenschaft konkurrieren im Wesentlichen zwei Geldtheorien: der Metallismus und der Chartalismus.
Metallisten betrachten Geld als eine privat geschaffene Tauschware, die den Handel erleichtern soll.
Chartalisten hingegen sehen Geld als staatlich geschaffene Recheneinheit, dessen Wert dadurch entsteht, dass die Regierung es zur Begleichung von Steuerschulden akzeptiert.
Literatur
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BELL, S. (2001). “The Role of the State and the Hierarchy of Money,” Cambridge Journal of Economics, 25 (2), 149-63.↵
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KEYNES, J. M. (1936). “General Theory of Employment, Interest, and Money,” London: Macmillan Cambridge University Press.↵
KNAPP, G. (2018). “Staatliche Theorie Des Geldes,” Makroskop Mediengesellschaft mbH: Wiesbaden.↵
MENGER, C. (1998). “Geld,” Collected Works of Carl Menger. Volume IV, Percy Lund, Humphries \& Co. Ltd..↵
SEMENOVA, A. (2011). “Would You Barter with God? Why Holy Debts and Not Profane Markets Created Money,” American Journal of Economics and Sociology, 70 (2), 376-400.↵
SEMENOVA, A. (2014). “Carl Menger’s theory of money’s origins: Responding to revisionism,” The European Journal of the History of Economic Thought, 21 (1), 107-141.↵
SEMENOVA, A. UND . R. WRAY (2015). “The rise of money and class society: The contributions of John F. Henry,” Working Paper, Levy Economics Institute of Bard College.↵
SMITH, A. (1776). “An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations,” London: W. Strahan.↵
WALKER, F. A. (1878). “Money,” New York, H. Holt and Co.↵
Für die meisten Menschen besteht Geld aus Münzen, Scheinen und dem, was sich auf ihren Bankkonten befindet. Geldvermögenswerte wie Aktien oder Fondsanteile können relativ zügig in Geld umgewandelt werden und sind daher dem, was wir als Geld bezeichnen, sehr ähnlich. Um einen Überblick über ein modernes Geldsystem zu erlangen, werden wir im Folgenden verschiedene Geldvermögensarten anhand ihrer Liquiditätsnähe hierarchisch ordnen. Hierbei unterscheiden wir zwischen dem privaten Bankengeld und dem staatlichen Zentralbankgeld.
Das zweistufige Geldsystem
Der überwiegende Teil dessen, was wir heute als Geld bezeichnen, wird vom privaten Bankensektor geschaffen. Dessen Aufgaben bestehen darin, Nichtbanken mit Zahlungsmitteln zu versorgen und ein bargeldloses Zahlungssystem zur Verfügung zu stellen. Um zu verstehen, was alles als Geld bezeichnet werden kann, werden wir zunächst die Primärfunktionen von Geld benennen.
Primärfunktionen von Geld
Wir bezeichnen etwas im Wesentlichen aufgrund der folgenden drei Funktionen als Geld:
(i) Es ist Zahlungsmittel, d.h. man kann jede Rechnung mit Geld bezahlen. Jedes private oder staatliche Schuldverhältnis innerhalb eines Währungsraumes kann mit Geld aufgelöst werden. Auf den US-Dollar Noten wird dies sogar explizit aufgeführt: „This note is legal tender for all debts, public and private.“12
(ii) Es ist Recheneinheit, da man alle Güter in Geldeinheiten bewertet und ihre Preise so miteinander vergleichen kann. Der Wert von Gütern wird in Geldeinheiten gemessen, so wie das Gewicht in Kilogramm oder die Entfernung in Metern.
(iii) Es ist Wertaufbewahrungsmittel, weil man es vorrätig halten kann, um seine Zahlungsfähigkeit zu erhalten.
Die ersten beiden Funktionen haben wir bereits im vorangegangenen Modul kennengelernt. Die Metallisten stellen die Zahlungsmittelfunktion in den Vordergrund und gehen davon aus, dass sich die anderen beiden Funktionen aus ihr ableiten. Die Chartalisten sehen Geld hingegen im Wesentlichen als von der Regierung festgelegte Recheneinheit, die daraufhin auch als Zahlungs- und Wertaufbewahrungsmittel verwendet wird.
Es besteht kein Zweifel, dass Sichtguthaben bei Geschäftsbanken die obigen drei Funktionen erfüllen, auch wenn Bargeld in den meisten Ländern das einzige gesetzliche Zahlungsmittel ist. Da man die Sichtguthaben bei Banken jederzeit Eins-zu-Eins gegen dieses Zahlungsmittel tauschen kann, werden die digitalen Einträge bei Banken wie das gesetzliche Zahlungsmittel behandelt. Es können aber auch andere Forderungen Geldfunktionen übernehmen. Guthaben bei digitalen Bezahldiensten wie PayPal werden bspw. vermehrt für Zahlungen verwendet, obwohl sie weder Einlagen noch Bargeld darstellen. Gleiches gilt für Kreditkartenzahlungen, bei denen ein Verkäufer eine kurzfristige Forderung gegen ein Kreditkartenunternehmen als Zahlungsmittel akzeptiert.
Wertbeständigkeit und Inflationsrate
Wie sich leicht erkennen lässt, beeinflussen sich die einzelnen Funktionen des Geldes gegenseitig. Es wäre als Zahlungsmittel sicher nicht akzeptiert, wenn es keine Wertbeständigkeit hätte. Würde man nicht einschätzen können, welche Kaufkraft ein Euro in der Zukunft besitzt, würde man ihn wohl kaum im Tausch gegen Güter akzeptieren. Als Recheneinheit würde Geld nicht funktionieren, wenn es keine Zahlungsmittelfunktion hätte. Lassen sich Waren und Dienstleistungen nicht mit Hilfe von Geld erwerben, ist es offensichtlich auch unmöglich, diese in Geldeinheiten zu bewerten und zu vergleichen.
Die Funktion der Wertaufbewahrung wird von der Inflationsrate, also der Preissteigerungsrate, beeinflusst, da höhere Preise dazu führen, dass man mit der gleichen Geldmenge weniger Güter erwerben kann. Daher ist eine niedrige Inflationsrate ein wichtiges Ziel der Wirtschaftspolitik, um die Akzeptanz von Geld als Wertaufbewahrungsmittel sicher zu stellen. In Zeiten sehr hoher Inflationsraten übernehmen ggf. andere Objekte wie Gold oder Zigaretten die Zahlungsmittelfunktion oder gar ausländische Währungen, die nicht so stark von der inländischen Inflationsrate entwertet werden.
Sachanlagen wie Häuser können zudem als Wertaufbewahrungsmittel verwendet werden. Aber auch diese Vermögenswerte besitzen keinen konstanten Wert, da ihre Preise Schwankungen unterliegen. Während der großen Immobilienblase im Vorfeld der globalen Finanzkrise sind die Immobilienpreise stark angestiegen und haben so das Vermögen vieler Haushalte zunächst erhöht. Der plötzliche Zusammenbruch der Immobilienpreise nach Ausbruch der Finanzkrise hat dieses Vermögen aber wieder „vernichtet“.13 Dies hatte schwerwiegende Folgen, da sich viele Hauseigentümer Hypothekenkredite aufgenommen hatten, bei denen die Immobilie als Sicherheit hinterlegt wurde.
Buchgeld von Banken
Den größten Teil unserer Zahlungsmittel halten wir inzwischen in Form digitaler Einträge auf Geschäftsbankkonten, die man als Sichtguthaben, Buchgeld, Bankengeld, Giralgeld oder auch Einlagen bezeichnet. Letzterer Ausdruck stammt aus der Zeit, in der Goldschmiede eine Frühform des Bankengeschäfts betrieben. Um eine Gutschrift auf einem Konto zu erhalten, musste man zunächst Gold einzahlen, also eine Einlage tätigen. Die Goldschmiede gaben daraufhin Quittungen heraus, die man als Zahlungsmittel verwendete. Eine Quittung stellte eine Forderung gegen den Goldschmied dar, weil man sie jederzeit bei ihm gegen die Goldeinlage tauschen konnte.
Im heutigen Geldsystem stiftet der Ausdruck Einlage hingegen Verwirrung, weil die Einträge auf den Konten von Banken im Wesentlichen durch die Vergabe von Krediten entstehen (und nicht durch die Einlage von Gold). Bei der Kreditvergabe einer Bank an einen Kunden werden für beide beteiligten Akteure Forderungen und Verbindlichkeiten geschaffen:
„Für Banken stellen die so geschaffenen Kunden-Guthaben Verbindlichkeiten dar, denen Forderungen auf spätere Rückzahlungen des Kredits gegenüberstehen. Für Kreditnehmer ist es genau umgekehrt: Der Kredit ist eine Verbindlichkeit und die Einlagen sind jederzeit fällige Forderungen gegenüber der Bank. Kunden können jederzeit Auszahlungen oder Überweisungen ihrer Guthaben verlangen. Rechtlich gesehen stellt das Giralgeld der Banken einen Anspruch auf Bargeld dar, das gesetzliche Zahlungsmittel, welches nur von der Zentralbank geschaffen werden darf. Bei einer Überweisung auf ein anderes Bankkonto wird dieser Anspruch auf jemand anderen übertragen. Nichtbanken führen den Großteil ihres Zahlungsverkehrs durch, indem sie ihre Forderungen gegenüber dem Bankensektor weiterreichen. Banken verleihen ihre eigenen digitalen Schuldscheine und akzeptieren diese zur Rückzahlung ihrer Kredite. Sie verleihen, anders als häufig angenommen, keine vorhandenen Kundengelder und auch kein Zentralbankgeld.“
Zusätzlich zum Geld der Geschäftsbanken gibt es noch das Geld der Zentralbanken. Zentralbanken können greifbare Schuldscheine in Form von Bargeld schaffen (Münzen und Scheine) oder digitale Schuldscheine in Form sogenannter Reserven. Letztere stellen Guthaben der Banken bei ihrer Zentralbank dar, die gegen Bargeld getauscht werden können. Im täglichen Überweisungsverkehr müssen Banken Zahlungen untereinander mit Reserven verrechnen.
Banken bestreiten ihren Zahlungsverkehr mit Guthaben bei der Zentralbank, so wie wir es mit unseren Guthaben bei Banken tun. Hierfür besitzen alle Banken ein Konto bei ihrer Zentralbank. Die Bankleitzahl entspricht der Kontonummer ihres Reservekontos. Aber auch Regierungen besitzen ein Konto bei der Zentralbank, das dort im Namen des Finanzministeriums geführt wird. Die Guthaben der Regierung werden von Zentralbanken häufig als Einlagen der Regierung bezeichnet, sind funktionell gesehen aber nicht von den Guthaben der Banken bei ihrer Zentralbank zu unterscheiden und werden im Folgenden daher auch als Reserven bezeichnet.
Alle anderen Teilnehmer des Geldsystems können keine Zentralbankreserven besitzen, weil sie kein Konto bei der Zentralbank haben. Bargeld stellt die einzige Form von Zentralbankgeld dar, die auch im Privatsektor verwendet wird. Die zwei Geldkreisläufe sind in Abbildung 2 illustriert. Banken haben in diesem System offensichtlich eine Sonderfunktion, da sie die Schnittstelle zwischen beiden Geldkreisläufen darstellen und sowohl Reserven als auch Giralgeld auf unterschiedlichen Seiten in ihren Bilanzen führen: Reserven als Forderungen gegenüber der Zentralbank und Einlagen als Verbindlichkeiten gegenüber ihren Kunden.
Abbildung 2: Geldkreisläufe
Quelle: Eigene Erstellung in Anlehnung an Paetz (2025, Abb. 1.1).
Liquidität und Geldhierarchie
Finanzmärkte stellen eine Vielzahl von Alternativen zur Vermögenshaltung in Form von Bargeld oder Einlagen zur Verfügung. Banken bieten z.B. fest verzinste Spareinlagen an, die ein Kunde für einen gewissen Zeitraum nicht mehr abheben kann. Ebenso kann man sein Vermögen in Form von Aktien halten oder durch den Kauf von Derivaten auf bestimmte Kursentwicklungen spekulieren. Ein für den Finanzsektor besonders wichtiges handelbares Wertpapier ist die Anleihe. Anleihen sind handelbare Schuldverschreibungen des Emittenten (Herausgebers) der Anleihe. Ein Unternehmen kann z.B. eine Schuldverschreibung für 1000 Euro verkaufen und dem Käufer versprechen, über die Laufzeit der Anleihe jedes Jahr einen Zins (auch Kupon genannt) von 5% zu zahlen. Am Ende der Laufzeit erhält der Käufer dann seine 1000 Euro zurück.
Liquidität
Anleihen stellen Schuldscheine des Herausgebers dar, die Guthaben bei digitalen Bezahldiensten Verbindlichkeiten dieser Dienste und Anteile an einem Fonds Verbindlichkeiten eines Fonds. Jede dieser Verbindlichkeiten stellt logischerweise einen Vermögenswert für die Person dar, welche den Schuldschein hält. Es können also nicht nur Banken Verbindlichkeiten schaffen. Theoretisch kann jeder seine eigenen Schuldscheine emittieren. „Jeder kann Geld schaffen; das Problem ist, es akzeptiert zu bekommen.“(Minsky (1986, S.228))
Die Schuldscheine des Finanzsystems werden zwar alle in der gleichen Recheneinheit notiert, haben deswegen aber nicht die gleiche Wertigkeit. Der Schuldschein, den ich ausstelle, indem ich auf ein Stück Papier einen Nennwert notiere und darunter unterschreibe, wird von niemandem als Zahlungsmittel akzeptiert werden, weil niemand diesen Schuldschein haben möchte. Die Bereitschaft, einen Schuldschein als Vermögenswert zu halten, wird im Wesentlichen von zwei Faktoren beeinflusst: Dem versprochenen Zinssatz und der Liquidität.
Ein Vermögenswert gilt als umso liquider, je einfacher und sicherer man ihn zum Nennwert handeln kann. Eine Immobilie lässt sich nicht von heute auf morgen verkaufen. Daher wird ein jederzeit handelbares Wertpapier liquider angesehen als eine Immobilie. Außerdem kann man sich weder bei dem Wertpapier noch der Immobilie sicher sein, zu welchem Preis man den entsprechenden Vermögenswert in Zukunft verkaufen kann. Sollte man kurzfristig Zahlungsmittel benötigen, muss man Vermögenswerte evtl. zu einem niedrigeren Preis verkaufen. Man bezeichnet einen Vermögenswert daher als vollkommen liquide, wenn er jederzeit zum Nennwert gehandelt wird.
Liquidität und Zinsen
Zentralbankgeld hat dementsprechend die höchste Liquidität, weil es jederzeit zum Nennwert gehandelt wird. 100 Euro Bargeld oder Reserven entsprechen jederzeit dem nominalen Wert von 100 Euro. Aber auch das von Banken geschaffene Geld gilt als vollkommen liquide, weil es eine Forderung darstellt, die jederzeit zum Nennwert in Bargeld getauscht werden kann. Hohe Beträge müssen allerdings angekündigt werden, weil Banken i.d.R. nur begrenzte Bargeldreserven halten. Zudem kann im Falle einer Finanzkrise ein Bank-Run dazu führen, dass eine Bank die Herausgabe von Bargeld vollständig einstellt. Dennoch bezeichnet man auch Sichteinlagen als liquide Mittel, da sich die meisten Zahlungen heutzutage problemlos durch Überweisung von Bankguthaben tätigen lassen.
Andere Vermögenswerte weisen eine geringere Liquidität auf, weil ihre Preise schwanken. Eine Anleihe, die dem Besitzer zum Ende ihrer Laufzeit verspricht, den Nennwert von 1000 Euro auszuzahlen, kann zwar verkauft werden bevor sie fällig wird, jedoch ist nicht sicher, welchen Preis die Anleihe zum Verkaufszeitpunkt am Finanzmarkt erzielen wird. Um die Liquidität eines Vermögenswertes zu bewerten, kommt es entscheidend darauf an, ob ein Markt existiert, auf dem man ihn kurzfristig verkaufen kann, und wie sicher man sich sein kann, einen guten Preis zu erzielen. Sachvermögenswerte wie Immobilien haben eine geringe Liquidität, weil man zunächst einen Käufer für sie finden muss. Der Immobilienmarkt ist so gesehen kein besonders liquider Markt. Kurzfristige handelbare Schuldverschreibungen gelten hingegen als sehr liquide, weil sie bei Fälligkeit zum Nennwert getauscht werden und man sie auf den Finanzmärkten jederzeit verkaufen kann. Zudem werden sie aufgrund ihrer kurzen Laufzeit in der Regel nahe am Nennwert gehandelt.
Liquide Vermögenswerte bieten Sicherheit. Sollte eine erwartete Einzahlung ausfallen, weil ein Kunde z.B. eine Rechnung nicht bezahlt, könnten Probleme entstehen, bestehenden Zahlungsverpflichtungen nachzukommen. Liquide Vermögenswerte können dann verkauft werden, um die notwendigen Zahlungsmittel zu erlangen und eine Zahlungsunfähigkeit abzuwenden. Der Zins, den ein Schuldner bei Herausgabe eines Schuldscheins bietet, kann daher als Preis für die Aufgabe von Liquidität angesehen werden, wie bereits Keynes (1936) bemerkte. Wer ein illiquides Wertpapier emittiert, muss seinen Gläubigern einen entsprechenden Zins bieten, damit dieser bereit ist, seine liquiden Mittel herzugeben.14
Geldhierarchie
Mit Hilfe des Konzepts der Liquidität lassen sich die Schuldscheine bzw. Vermögenswerte des Finanzsystems hierarchisch anordnen. Die sogenannte Pyramide der Verbindlichkeiten ist in Abbildung 3 dargestellt. Die liquidesten Vermögenswerte stehen an oberster Stelle. Da Zentralbankgeld (Bargeld und Reserven) immer zu seinem Nennwert getauscht wird, steht es an der Spitze der Pyramide. Das Bankengeld steht direkt darunter, weil es im Normalfall ebenfalls zum Nennwert gegen Bargeld getauscht werden kann. In Krisen kann es jedoch passieren, dass ein solcher Tausch nicht mehr möglich ist. Bei einem Bank Run befürchten die Kunden, dass ihre Bank finanzielle Probleme hat und wollen deswegen die unsicheren digitalen Schuldscheine der Bank lieber gegen die sicheren Schuldscheine der Zentralbank tauschen. Sie wollen die liquidere Geldform.
Abbildung 3: Geldpyramide (Pyramide der Verbindlichkeiten)
Quelle: Eigene Erstellung in Anlehnung an Paetz (2025, Abb. 1.2).
Da Reserven und Bargeld nur von der Zentralbank (und nicht vom Privatsektor) geschaffen werden, wird es gelegentlich auch als „Outside Money“ oder „Außengeld“ bezeichnet. Das Buchgeld der Banken wird hingegen „Inside Money“ oder „Binnengeld“ genannt. Unter den Schuldscheinen der Geschäftsbanken sind die Schuldscheine privater Nichtbanken angesiedelt. Dies können handelbare Schuldverschreibungen von nicht-finanziellen Unternehmen sein, wie die oben beschriebenen Anleihen, aber auch Aktien oder Fondsanteile. Die verschiedenen Geldformen lassen sich nach Belieben weiter untergliedern. Ganz unten in der Pyramide befinden sich nicht-handelbare Schuldscheine, wie z.B. offene Rechnungen.
Währung, Geld und Kredit
Der Übergang von Geld zu Kredit in der Hierarchie der Verbindlichkeiten ist fließend. Bereits Schumpeter (1954, S. 717) bemerkte: „(…) praktisch wie analytisch ist eine Kredittheorie des Geldes möglicherweise einer monetären Theorie des Kredits vorzuziehen.“ Statt Kredit vom Geldbegriff abzuleiten, sollte man vielmehr den Geldbegriff aus dem Kredit ableiten. Je weiter man in der Pyramide nach oben blickt, desto eher sollte man von Geld sprechen. Je weiter man hinunter schreitet, desto eher handelt es sich um eine Form von Kredit. Geld lässt sich daher auch als die höchste bzw. liquideste Form des Kredits interpretieren.
Da das Zentralbankgeld an der Spitze der Geldhierarchie steht und immer zum Nennwert in der staatlich festgelegten Recheneinheit gehandelt wird, bezeichnet man es auch als Währung. Da jedes Land mit eigener Zentralbank eine eigene Währung herausgibt, gibt es in jedem dieser Länder eine Geldhierarchie mit einer anderen Währung an der Spitze. Als Gold noch das einzige international anerkannte Zahlungsmittel war, bestand eine Verbindung zwischen den Geldpyramiden verschiedener Währungsräume vor allem über die Bindung der eigenen Währung an Gold. Heute können die Bürger eines Landes i.d.R. auch Vermögenswerte im Ausland halten, so dass die Pyramiden verschiedener Länder noch enger miteinander verbunden sind. Zudem gibt es eine globale Geldhierarchie, da der Großteil internationaler Zahlungen in wenigen Währungen (vor allem Dollar, Euro oder Yen) abgerechnet wird (siehe Murau, Pape und Pforr (2023)). Wir werden in diesem Kurs im Wesentlichen eine geschlossene Volkswirtschaft analysieren, um die Zusammenhänge der verschiedenen Ebenen der Geldpyramide zu verstehen.
Eigenschaften eines hierarchischen Geldsystems
Jeder Vermögenswert in der Pyramide ist ein Versprechen, zu einem späteren Zeitpunkt eine höherwertige Geldform zu zahlen. Die unteren Ebenen der Pyramide sind zudem ein Vielfaches der höherwertigen Geldformen, weil Unternehmensanleihen z.B. von Investmentfonds gekauft werden, die wiederum Anteile emittieren, die von ihren Kunden gekauft werden. Zudem ist die Geldpyramide nicht statisch zu verstehen: Die Kreditvergabe weitet sich in Aufschwungphasen in der Regel aus und schrumpft in Krisen wieder. Weitet sie sich aus, so erhöht sich zumeist die Substituierbarkeit der unterschiedlichen Geldformen. Firmen kaufen dann z.B. Aktienanteile mit Hilfe von Anleihen oder anderen kurzfristigen Schuldverschreibungen wie Geldmarktanteile. Verengt sich die Pyramide wieder, so sinkt i.d.R. auch die Substituierbarkeit.
Beispielsweise kann ein Einbruch der wirtschaftlichen Entwicklung dazu führen, dass die Einzahlungen für viele Unternehmen geringer ausfallen als die eingegangenen Zahlungsverpflichtungen. Kreditgeber könnten in einer Krise zudem nicht mehr bereit sein, Zahlungsaufschübe zu akzeptieren und auslaufende Kredite zu erneuern. Es entsteht eine Situation, in der alle gleichzeitig liquidere Mittel wollen. Ausweitungen und Verengungen der Geldpyramide lassen sich sowohl in kurz- oder langfristigen Konjunkturzyklen regelmäßig erkennen, wie auch im Laufe eines Tages, wenn Banken ihre Innertageskredite bei der Zentralbank zurückzahlen müssen.
Geldmengenaggregate
Da relativ liquide Verbindlichkeiten von Nichtbanken auch als eine Form von Geld angesehen werden können, definieren auch Zentralbanken verschiedene Geldmengen. Je nachdem, welches ökonomische Problem man analysieren möchte, kann es angemessen sein, einen Teil der weniger liquiden Vermögenswerte zur Geldmenge hinzuzuzählen. In den größer gefassten Geldmengenaggregaten der Zentralbanken werden daher auch längerfristige Termineinlagen, kurzfristige Bankschuldverschreibungen, Geldmarktfonds oder sogenannte Repo-Geschäfte als Geld gezählt (Repos sind mit Wertpapieren besicherte Kredite). Auch die deutsche Bundesbank (2019, S. 73 f.) weist auf die Schwierigkeiten der Geldmengendefinition hin:15
„Da die Übergänge zwischen den unterschiedlichen Einlagearten und kurzfristigen Finanzinstrumenten fließend sind, lässt sich die Geldmenge nicht eindeutig definieren. Letztlich hängt es beispielsweise von der Fragestellung einer Untersuchung ab, welche Einlagearten man zum Geld rechnet und welche nicht bzw. welche Geldmenge man in der Untersuchung verwendet. Vor diesem Hintergrund haben andere Länder ihre Geldmengen nach anderen Kriterien definiert, beispielsweise die Schweiz und die USA.“
Jede Zentralbank definiert ihre Geldmengenaggregate etwas anders, aber in den meisten Fällen ähnlich. Es gilt grundsätzlich das Prinzip: Je höher die Nummer des Aggregats, desto breiter gefasst ist die Geldmenge, also desto längerfristigere Geldanlagen werden berücksichtigt.16 Die Bundesbank verwendet 4 unterschiedliche Gelddefinitionen (M0, M1, M2 und M3), die sich in ihrer Liquidität unterscheiden. Die Zentralbankgeldmenge M0 wird auch als Geldbasis bezeichnet. Tabelle 2 fasst die verschiedenen Geldmengenaggregate nach Definition der Bundesbank zusammen. Hierbei ist zu beachten, dass M1 zwar eine Teilmenge von M2 und M2 eine Teilmenge von M3 ist, M0 jedoch keine Teilmenge der anderen Aggregate darstellt, da diese keine Reserven enthalten.
Tabelle 2: Geldmengenaggregate der Bundesbank
M0
Geldbasis (Bargeldumlauf und Zentralbankguthaben von Banken)
M1
Bargeldumlauf + Sichteinlagen in Banken
M2
M1 + Spareinlagen mit einer Kündigungsfrist von bis zu drei Monaten und Termineinlagen mit einer Laufzeit von bis zu zwei Jahren
M3
M2 + weitere kurzfristige Geldanlagen (kurzfristige Bankschuldverschreibungen (mit einer Ursprungslaufzeit von bis zu zwei Jahren), von Geldmarktfonds ausgegebene Geldmarktfondsanteile sowie die sogenannten Repogeschäfte)
MERKE
Geld erfüllt drei primäre Funktionen: Es fungiert als Zahlungsmittel, Recheneinheit und Wertaufbewahrungsmittel.
Moderne Geldsysteme sind zweistufig aufgebaut und setzen sich aus staatlichem Zentralbankgeld und privatem Bankengeld zusammen.
Bankguthaben sind Schuldscheine des Bankensektors, die einen Anspruch auf Bargeld darstellen und bei Zahlungen übertragen werden.
Entgegen der weit verbreiteten Auffassung verleihen Banken keine Ersparnisse ihrer Kunden, sondern schaffen bei jeder Kreditvergabe an Nichtbanken neue Einlagen.
Es existieren zwei Geldkreisläufe: einer zwischen der Zentralbank (bzw. der Regierung) und den Geschäftsbanken, und ein weiterer zwischen den Geschäftsbanken und privaten Nichtbanken.
Der Grad der Liquidität eines Vermögenswerts beschreibt, wie sicher dieser zum Nennwert verkauft werden kann. Ein Vermögenswert gilt als vollkommen liquide, wenn er stets zum Nennwert gehandelt wird (z.B. Bargeld).
Da Wertpapiere möglicherweise unter- oder über dem Nennwert gehandelt werden, sind sie weniger liquide als Bargeld oder Einlagen. Um Anleger davon zu überzeugen, ihre Zahlungsmittel gegen Wertpapiere zu tauschen, erhalten sie daher einen risikoabhängigen Zins, der den Preis für die Aufgabe von Liquidität repräsentiert.
Vermögenswerte können hierarchisch nach ihrem Grad der Liquidität geordnet werden.
Literatur
BARNETT, W. A. UND P. A. SPINDT (1979). “The velocity behavior and information content of Divisia monetary aggregates,” Economics Letters, 4, 51–57.↵
KEYNES, J. M. (1936). “General Theory of Employment, Interest, and Money,” London: Macmillan Cambridge University Press.↵
MINSKY, H. (1986). “Stabilizing An Unstable Economy,” New Haven: Yale University Press.↵
MURAU, S., PAPA, F. UND T. PFORR (2023). “International Monetary Hierarchy through Emergency US-Dollar Liquidity: A Key Currency Approach,” Competition & Change, 27, S. 495–515.↵
PAETZ. M. (2025). “Geldtheorie und Geldpolitik,” Schäffer-Poeschel.↵
SCHUMPETER, J. (1954). “History of Economic Analysis,” Routledge.↵
Das Projekt „Was-ist-Geld.de“ wurde von mir, Dr. Michael Paetz, Dozent am Fachbereich Volkswirtschaftslehre der Universität Hamburg, in Zusammenarbeit mit der Hamburg Open Online University (HOOU) ins Leben gerufen. Mein Ziel ist es, die finanziellen Zusammenhänge eines kreditbasierten Geldsystems einer breiten Öffentlichkeit verständlich zu machen. Denn nur durch ein fundiertes Verständnis des Konzepts „Geld“ ist es möglich, die Probleme und Chancen dieses Systems zu erkennen und zu bewerten.
In erster Linie geht es mir darum, die grundlegenden Merkmale des heutigen Geldsystems zu beschreiben, insbesondere den doppelten Charakter von Geld als Vermögenswert und Verbindlichkeit. Am Ende dieses Kurses werde ich jedoch auch kritisch auf theoretische Ansätze der Geldpolitik eingehen. Sollten Sie Interesse haben, tiefer in die Materie einzutauchen, empfehle ich Ihnen mein Lehrbuch „Geldtheorie und Geldpolitik“ (Link zur Verlagsseite). Außerdem finden Sie auf meinem YouTube-Kanal (https://www.youtube.com/@was-ist-geld) die Aufzeichnungen zur Vorlesung „Geldtheorie und -politik“, die ich im Jahr 2022 an der Universität Hamburg gehalten habe.
Über mich
Ich bin promovierter Volkswirt und als Lehrkraft für besondere Aufgaben im Fachbereich Volkswirtschaftslehre an der Universität Hamburg tätig. Nach dem Studium der Wirtschaftsmathematik habe ich über die neoklassisch inspirierten Modelle des Neukeynesianismus promoviert, interessiere mich seitdem aber primär für postkeynesianische Ansätze. Daher bin ich mit orthodoxen wie heterodoxen Theorien gleichermaßen vertraut. Im Juli 2024 erhielt ich den Hamburger Lehrpreis für die Wirtschafts- und Sozialwissenschaften (u.a. für meine Vorlesung zur Geldtheorie und -politik). Neben der Lehre publiziere ich in akademischen wie populärwissenschaftlichen Zeitschriften und schreibe gelegentlich für den postkeynesianischen Blog „Makroskop“.
UHH, RRZ/MCC, Mentz
Aufbau
Ich habe mich bemüht diese Seite so zu gestalten, dass sie auch Laien einen leicht zugänglichen Einstieg in das Thema bietet. Hierzu stehen Ihnen fünf „Module“ zur Verfügung, die aufeinander aufgebaut sind. Bevor wir starten, möchte ich zunächst den Aufbau dieses „Erklär-Blogs“ erläutern.
Das erste Modul, „Einführung“, beschäftigt sich mit dem Ursprung des Geldes sowie den beiden in der Wissenschaft konkurrierenden geldtheoretischen Konzepte: dem Metallismus und dem Chartalismus. Im Metallismus wird Geld als ein „Ding“ betrachtet, wie etwa eine Goldmünze. Auch heute glauben viele Menschen fälschlicherweise, dass Geld an einen Sachwert gebunden ist, obwohl die Goldbindung bereits vor langer Zeit aufgegeben wurde. Chartalisten hingegen sehen Geld als ein rechtliches Konstrukt ohne intrinsischen Wert, das zur Verrechnung gegenseitiger Leistungen dient.
Das zweite Modul, „Grundlagen des Geld- und Kreditsystems„, führt in die fundamentalen Konzepte dieses Themenbereichs ein. Wir unterscheiden zum ersten Mal zwischen Zentralbankgeld und Geschäftsbankengeld und lernen zentrale Konzepte wie die Geldschöpfung durch Buchungssätze kennen. Darüber hinaus analysieren wir die Bedeutung von Liquidität im Kontext der Hierarchie der verschiedenen Geldformen. Dabei werden wir feststellen, dass es keine universelle Gelddefinition gibt, sondern dass verschiedene Definitionen je nach Fragestellung Vor- und Nachteile mit sich bringen.
Das dritte Modul, „Grundlagen der Vermögensrechnung“, beleuchtet verschiedene Formen der Vermögensbildung. Um Missverständnisse zu vermeiden, definieren wir die unterschiedlichen Arten der Vermögensbildung präzise, da dies für das Verständnis monetärer Beziehungen entscheidend ist. Dazu gehört auch das Verstehen von Buchhaltungsgrundlagen, denn die Prinzipien der doppelten Buchführung bilden letztlich die Basis des Geldsystems. Um die Erklärungen anschaulich und lebendig zu gestalten, werden diese Buchhaltungsgrundlagen anhand intuitiver Beispiele vermittelt.
Im vierten Modul dieses Blogs erklären wir anhand der gesamtwirtschaftlichen Buchhaltung, warum die Bildung von Geldvermögen in einem Sektor einer Volkswirtschaft nur möglich ist, wenn sich alle anderen Sektoren in gleicher Höhe verschulden. Aus dieser fundamentalen Tatsache leiten wir die Zusammenhänge der sektoralen „Finanzierungssalden“ einer Volkswirtschaft ab, die den gesamtwirtschaftlichen Kreislauf unseres Geldsystems anschaulich darstellen.
Im abschließenden Abschnitt („Geldpolitik“) setzen wir uns kritisch mit verschiedenen theoretischen Ansätzen der Geldpolitik auseinander. Dieser Abschnitt dient als Einführung in die Materie und ist keine umfassende Abhandlung aller geldpolitischen Instrumente und ihrer Möglichkeiten sowie Grenzen. Vielmehr werden die wesentlichen Funktionen und Begriffe moderner Geldpolitik skizziert, um die größten Denkfehler und Mythen in diesem Bereich zu klären und Ihnen verschiedene Positionen verständlich zu machen.
Schließlich finden Sie unter „Links“ Verweise zu weiteren interessanten und vertiefenden Blogs zum Thema Geld und Wirtschaft.
Danksagung
Ich möchte mich bei der HOOU und den studentischen Hilfskräften, Hendrik Hinnrichs, Diego Diez, Christian Gerl und Johannes Heinen bedanken, die mich in der Umsetzung dieses Projektes unterstützt haben. Des Weiteren danke ich meinem guten Freund Johannes Semm für seine bezaubernde Stimme im obigen Trailervideo. Wie üblich sind alle Fehler, die auch nach mehrmaligem Gegenlesen nicht beseitigt wurden, ausschließlich mir anzulasten.
Dr. Michael Paetz, im März 2025.
INHALT
Grundlegende Funktionsweise eines auf Kredit basierten Geldsystems
Der Autor hat das Urheberrecht auf die Inhalte dieser Seite unter der angegebenen Lizenz. Inhalte und Grafiken, die nicht vom Autor stammen, sind entsprechend gekennzeichnet. Bei Fragen und/oder Anmerkungen wenden Sie sich bitte über diese Email direkt an den Autor: michael.paetz@uni-hamburg.de.
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