Manche Menschen sparen auf einem Bankkonto, andere legen Geld in Aktien oder Immobilien an. Vermögensbildung kann sehr verschiedene Formen annehmen, die alle als „Ersparnis“ bezeichnet werden. Da dies häufig zu vermeidbaren Missverständnissen führt, werden wir in diesem Modul einige Begriffe unterscheiden, die dabei helfen, verschiedene Formen der Vermögensbildung zu differenzieren. Wie wir in den vorangegangenen Modulen bereits gesehen haben, können bilanzielle Darstellungen sehr hilfreich sein, wenn es darum geht, monetäre Phänomene zu analysieren. Daher behandeln wir zunächst Grundlagen der doppelten Buchführung, bevor wir verschiedene Formen von „Ersparnis“ untersuchen.
Grundlagen der doppelten Buchführung
Der italienische Mathematiker Luca Pacioli gilt als Erfinder der doppelten Buchführung und hat bereits 1494 in seinem Buch „Summa de arithmetica, geometria, proportioni et proportionalità“ die Grundlagen für eine bilanzielle Erfassung ökonomischer Größen gelegt. Bilanzen bieten eine übersichtliche und schematische Darstellung, die dabei hilft, eine inkonsistente Argumentation zu vermeiden.
Die folgende Einführung in die doppelte Buchführung beschränkt sich auf die Kernkonzepte, die zum Verständnis der Beziehungen zwischen Zentral- und Geschäftsbanken beitragen. Sie soll und wird nicht den Kriterien einer betriebswirtschaftlichen Steuerprüfung genügen. Wir beginnen mit der Unterscheidung zwischen Bestands- und Stromgrößen, die für das Verständnis von Bilanzen wesentlich ist.
Bestands-und Stromgrößen
„I have found out what economics is; it is the science of confusing stocks with flows.“
– Michal Kalecki, ca. 1936, zitiert nach Godley und Lavoie (2007, S. 1).
Ökonomen unterscheiden zwischen Größen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt gemessen werden, wie z.B. das Vermögen, und solchen, die über einen Zeitraum (also pro Zeiteinheit) erfasst werden, wie z.B. die Ersparnis. Erstere nennt man Bestandsgrößen, letztere Strom- oder Flussgrößen. Um die Entwicklung einer Bestandsgröße zu beschreiben benötigt man die Stromgröße, welche die Veränderung des Bestands beschreibt: Die Bestandsgröße Vermögen am Ende dieses Jahres entspricht der Bestandsgröße Vermögen am Ende des letzten Jahres zuzüglich der Stromgröße Ersparnis während des laufenden Jahres. Da die Stromgröße Ersparnis häufig mit der Bestandsgröße Vermögen verwechselt wird, verwendet das statistische Bundesamt seit 1995 in der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung den Ausdruck „Sparen“ statt Ersparnis.
Ein weiteres wichtiges Beispiel für den Zusammenhang von Bestands- und Stromgrößen ist die Beziehung zwischen Kapitalstock und Investitionen. Der Kapitalstock entspricht dem Bruttoanlagevermögen und repräsentiert in der Produktion eingesetzte Anlagegüter, wie Maschinen oder Fabriken. Er stellt eine Bestandsgröße dar, die zu einem Zeitpunkt (z.B. am Ende des Jahres) gemessen wird, während die Investition eine Stromgröße ist, die über einen Zeitraum erfasst wird (z.B. während eines Jahres). Stellen wir uns den Kapitalstock vereinfacht als einen Bestand von Maschinen vor, dann entspricht der Wert der Maschinen am Ende eines Jahres gerade dem Wert am Ende des vergangenen Jahres zuzüglich der Investitionen in neue Maschinen.
Typische Bestandsgrößen sind Vermögen oder Schuldenstand. Typische Stromgrößen sind Einkommen, Ersparnis oder Neuverschuldung. Tabelle 2 gibt einige Beispiele für Bestands- und Stromgrößen.
Tabelle 2: Bestands- und Stromgrößen
T-Konten und Bilanzen
Essentielle Basis für die doppelte Buchführung sind T-Konten. Grundsätzlich lassen sich mit Hilfe von T-Konten sowohl Bestände als auch Zu- und Abgänge, also Stromgrößen, einer Art erfassen. Der Ausdruck Bilanz ist aus dem Lateinischen abgeleitet und bedeutet so viel wie Waage oder Gleichgewicht („ bi“ für doppelt und „ lanx“ für Schale). Eine Bilanz ist ein T-Konto, das die Bestände aller Vermögenswerte (+) und Schulden (-) bzw. Forderungen (+) und Verbindlichkeiten (-) als Aktiva (+) und Passiva (-) eines Individuums oder einer Gruppe strukturiert zusammenfasst:
Für gewöhnlich wird in keiner Bilanz die Summe der Vermögenswerte exakt der Verschuldung entsprechen. Es gibt einen Restposten, den man als das Nettovermögen bzw. das Reinvermögen bezeichnet (die Differenz zwischen Forderungen/Vermögen und Verbindlichkeiten/Verschuldung). Die Berücksichtigung des Nettovermögens in der Bilanz sorgt dafür, dass Aktiv- und Passivseite gleich groß sind und die Bilanz immer ausgeglichen ist. Das Nettovermögen kann auf beiden Seiten der Bilanz aufgeführt werden. Da Bilanzpositionen nicht negativ sein können, wird es als Ausgleichsposten auf der rechten Seite geführt, sofern die Vermögenswerte die Verschuldung übersteigen. Sollte die Verschuldung hingegen das Vermögen übersteigen, wird es auf der linken Seite der Bilanz geführt werden. Die Bilanz einer Privatperson könnte z.B. so aussehen:
Unterkonten
Eine Bilanz listet die Vermögenswerte (Immobilien, Aktien, Bankeinlagen, Bargeld, etc.) und Verbindlichkeiten (z.B. Hypothekenkredite und Konsumentenkredite) systematisch auf. Jeder einzelne Eintrag kann wiederum in einem (Unter-)T-Konto detaillierter aufgegliedert werden. Zudem können die Veränderungen der Bestandsgrößen in Transaktionskonten aufgeführt werden, die i.d.R. in Aktiv- und Passivkonten unterteilt werden. Sie erfassen den Anfangsbestand (AB) einer Position, ihre Zu- und Abgänge sowie ihren Endbestand (EB), wie in Abbildung 4 dargestellt.
Abbildung 4: Bilanzierungsbeispiel mit Unterkonten
In den Aktivkonten werden die Anfangsbestände der Vermögenswerte auf der Soll-Seite (links) verbucht, in den Passivkonten werden die Anfangsbestände der Verbindlichkeiten auf der Haben-Seite (rechts) verbucht. Zugänge sind entsprechend im Aktivkonto auf der Soll- und im Passivkonto auf der Habenseite zu finden. Umgekehrt verhält es sich mit den Abgängen in einem Unterkonto. Die Salden der Aktiv- und Passivkonten ergeben dann den Endbestand und somit die Einträge der Unterkonten in der Bilanz. Für unsere Zwecke wird es meistens ausreichen, die Bilanzen ohne Aktiv- und Passivkonten zu betrachten und Veränderungen mit „ +“ oder „ -“ darzustellen.
Aktiv- und Passivtausch
Die Buchungen in einer Bilanz werden häufig mit Hilfe eines Buchungssatzes verkürzt wiedergegeben. Nehmen wir an, unsere Beispielperson kauft mit ihren Bankeinlagen für 5 Euro zusätzliche Aktien. Dann wäre der entsprechende Buchungssatz „ (Per) Aktien an Bankeinlagen 5 Euro. Zunächst wird das Unterkonto genannt, in dem auf der linken Seite (der Soll-Seite) gebucht wird, dann das Unterkonto, bei dem auf der rechten (der Haben-Seite) gebucht wird. Da im Deutschen auch von links nach rechts gelesen wird, kann man sich dies relativ einfach merken. Anders ausgedrückt wird zunächst das Konto genannt, für das die finanziellen Mittel aufgewendet werden (Mittelverwendung), und dann das Konto, von dem die Mittel genommen werden (Mittelherkunft). Verbunden werden die beiden Konten mit dem Wort „ an“. Man bucht also immer „ (Per) Soll an Haben“. Die Veränderung der Konten unserer Beispielperson ist im oberen Abschnitt von Abbildung 5 dargestellt.
Abbildung 5: Aktiv- und Passivtausch
In diesem Beispiel hat der zusätzliche Kauf der Aktien lediglich zu einer Veränderung auf der Aktivseite der Bilanz geführt. Es waren daher auch nur die Aktivkonten von dem Vorgang berührt. Man spricht in diesem Fall auch von einem Aktivtausch. Eine Buchung, die lediglich die Passivseite betrifft, nennt man dementsprechend einen Passivtausch. Unsere Beispielperson könnte sich zum Beispiel 100 Euro von ihrem Nachbarn leihen, um einen Teil der Hypothek zurückzuzahlen. In diesem Fall wäre der Buchungssatz „ Hypotheken an Kredite 100 Euro (also wieder: Soll an Haben) und es würde das neue Unterkonto „Kredite“ auf der Passivseite der Bilanz aufgeführt werden, wie im unteren Teil in Abbildung 5 dargestellt. Der Saldo auf dem Passivkonto „ Hypotheken“ beträgt jetzt nur noch 400 Euro. Das Nettovermögen der Privatperson hat sich aber nicht verändert, weil nun ein zusätzlicher Kreditvertrag mit dem Nachbarn besteht. Lediglich die Zusammensetzung der Verbindlichkeiten ist nun eine andere.
Bilanzverlängerung und -verkürzung
Neben Aktiv- und Passivtausch gibt es noch die sogenannte Bilanzverlängerung bzw. -verkürzung. Hiermit werden Transaktionen bezeichnet, welche die Aktiv- und Passivseite um denselben Betrag erhöhen bzw. vermindern. Würde sich unsere Beispielperson dazu entscheiden, einen weiteren Kredit in Höhe von 100 Euro aufzunehmen, um damit zusätzliche Aktien zu kaufen, so wäre der entsprechende Buchungssatz „Aktien an Kredite 100 Euro“. Auf der Passivseite würden sich die Verbindlichkeiten (Kredit) und auf der Aktivseite das Konto „Aktien“ um den gleichen Betrag von 100 Euro erhöhen.1 Dieser Vorgang ist in der oberen Hälfte von Abbildung 6 gezeigt. Die Bilanz wäre entsprechend um 100 Euro verlängert worden. Die untere Hälfte zeigt eine Bilanzverkürzung. Unsere Beispielperson verwendet 5 Euro ihrer Einlagen, um in einem Café ein Eis zu kaufen. Da es sich bei dem Eis um ein Konsumgut handelt, das sofort verspeist wird, und nicht um ein längerfristiges Gut wie eine Immobilie, ist die Gegenbuchung eine Reduktion des Nettovermögens. Im Ergebnis wurde die Bilanz um 5 Euro verkürzt.
Abbildung 6: Bilanzverlängerung und Verkürzung
In den obigen Beispielen hat lediglich der Eiskauf zu einer Veränderung des Nettovermögens geführt. Weder der Kauf von Aktien aus dem eigenen Einlagenbestand noch der Kauf mit Hilfe eines neuen Kredits hat die Differenz zwischen Forderungen und Verbindlichkeiten verändert. Nur der Erwerb eines Konsumgutes, welches sofort verbraucht wird, ändert das Nettovermögen, weil der Ausgabe kein neuer Vermögenswert gegenübersteht. Die Bilanz ist aber in jedem Fall ausgeglichen, unabhängig davon, ob es sich um einen Aktiv- oder Passivtausch bzw. eine Bilanzverlängerung oder -verkürzung handelt. Aktiv- und Passivseite sind immer gleich groß.
Formen der Vermögensbildung
Die Stromgröße Ersparnis (oder auch Sparen) entspricht dem Teil des Einkommens, der nicht zum Konsum verwendet wird. Sie wird daher von vielen Menschen als Konsumzurückhaltung interpretiert oder gar mit der Bestandsgröße Vermögen verwechselt. Ersparnis ist aber Vermögensbildung, also die Veränderung des Vermögens. Sie kann zudem verschiedene Formen annehmen und muss nicht zwangsläufig mit einer Reduktion der Konsumausgaben einhergehen (möglich wäre z.B. auch eine Erhöhung des Einkommens). Im Folgenden werden verschiedene Formen der Vermögensbildung präzisiert, um Missverständnisse zu eliminieren, die dem Verständnis der späteren Module im Wege stehen würden.
Netto-, Geld- und Sachvermögen
Die bilanzielle Darstellung in Abbildung 8 veranschaulicht verschiedene Vermögensbegriffe, die wir regelmäßig verwenden werden.2 Zum Zahlungsmittelbestand zählt man das Bargeld, welches wir in Form von Scheinen und Münzen in unseren Brieftaschen, unter dem Kopfkissen etc. aufbewahren, sowie das Giralgeld, also der Bestand von Einlagen auf unseren Bankkonten. Nimmt man die sonstigen Geldforderungen hinzu, wie Wertpapiere, Termingelder etc., ergibt sich das Bruttogeldvermögen. Ziehen wir vom Bruttogeldvermögen die Geldschulden ab, verbleibt das Nettogeldvermögen. Häufig wird auch vereinfacht vom Geldvermögen gesprochen, wenn das Nettogeldvermögen gemeint ist.
Das Reinvermögen bzw. Nettovermögen erhält man dann, indem man zum Nettogeldvermögen noch das Sachvermögen hinzuzählt, welches aus allen denkbaren Sachwerten, also langlebigen Gütern besteht. Dies können Kühlschränke, Autos, Immobilien, die heimische Stereoanlage, der Laptop, das Handy usw. sein. Im volkswirtschaftlichen Rechnungswesen entspricht das Sachvermögen dem Anlagevermögen sowie Grund und Boden. Zum Anlagevermögen zählen nur Güter, die längerfristig in der Produktion eingesetzt werden (Bauten, Maschinen, Software etc.).
Abbildung 8: Rein-, Geld- und Sachvermögen

Die bisher genannten Definitionen beziehen sich auf die Bestände in einer Bilanz. Mit ihrer Hilfe lassen sich aber auch Veränderungen präzise benennen. Veränderungen des Zahlungsmittelbestandes bezeichnet man als Einzahlung bzw. Auszahlung, Veränderungen des (Netto-)Geldvermögens als Einnahme bzw. Ausgabe und Veränderungen des Nettovermögens als Ertrag bzw. Aufwand. Die letztgenannten Begriffe werden bei Privatpersonen auch als Einkommen bzw. Konsum bezeichnet.
Einnahmen und Ausgaben vs. Einkommen und Konsum
Einnahmen sollten nicht mit Einkommen verwechselt werden. So kann sich das Geldvermögen eines Unternehmens auch erhöhen, wenn z.B. eine Maschine verkauft wird. Hierdurch würde sich das Sachvermögen reduzieren, aber das Geldvermögen ansteigen (Aktivtausch). Das Nettovermögen hätte sich in diesem Fall aber nicht verändert. Der Vorgang führt zu einer Einzahlung, die auch eine Einnahme darstellt, aber keinen Ertrag. Bekommt man hingegen zum Monatsersten sein Gehalt überwiesen, so erhöht sich der der Zahlungsmittelbestand, das Geldvermögen und auch das Nettovermögen. Die Überweisung stellt in diesem Fall Einkommen, Einnahme und Ertrag dar.
Eine Ausgabe sollte auch nicht mit Konsum verwechselt werden. Konsum beschreibt den Verbrauch von Gütern. So wäre der Konsum einer guten Flasche Rotwein eine Verringerung des Sachvermögens, weil der Bestand des Weinkellers verringert wurde. Gleichzeitig findet eine Reduktion des Nettovermögens statt, nicht aber eine Reduktion des Geldvermögens, sofern sich die Flasche bereits im Besitz des Trinkers befand. Der Verbrauch stellt einen Konsum (= Aufwand) dar, aber keine Ausgabe wie auch keine Auszahlung. In der Vermögensrechnung des statistischen Bundesamtes wäre die Flasche Rotwein allerdings bereits beim Kauf des Endverbrauchers als Konsumgut gewertet worden und bestenfalls dem Gebrauchsvermögen, nicht aber dem Sachvermögen zugeordnet worden.
Ein- und Auszahlungen
Wird der Kauf einer Aktie z.B. mit Bankeinlagen gezahlt, so stellt der Kauf eine Auszahlung, aber keine Ausgabe und keinen Aufwand dar. Der Zahlungsmittelbestand verringert sich, ohne dass sich Geld- oder Nettovermögen ändern. Der Barkauf einer Maschine wäre hingegen eine Ausgabe sowie eine Auszahlung, aber kein Aufwand. Der Zahlungsmittelbestand und das Geldvermögen sinken, ohne dass sich das Nettovermögen ändert.
Der Verkauf eines Anlagegutes gegen Bargeld stellt eine Einzahlung sowie eine Einnahme dar, weil sich der Zahlungsmittelbestand wie auch das Geldvermögen erhöht, aber keinen Ertrag, weil sich das Nettovermögen nicht ändert. Die Bezahlung eines Kinobesuchs mit Bargeld wäre eine Auszahlung, eine Ausgabe und ein Aufwand (Konsum). Führt der Verkauf einer Aktie zu einer Erhöhung der Bankeinlagen, stellt der Vorgang eine Einzahlung, aber keine Einnahme und keinen Ertrag dar, weil die sonstigen Geldforderungen um den gleichen Betrag gesunken, wie die Zahlungsmittel gestiegen sind. Der Zusammenhang zwischen den Strom- und Bestandsgrößen im Rahmen der Vermögensrechnung ist in Tabelle 3 zusammengefasst.
Tabelle 3: Zusammenhang von Bestands- und Stromgrößen
Bestandsgröße | Stromgröße |
Zahlungsmittel | Einzahlung (+) / Auszahlung (-) |
Geldvermögen | Einnahme (+) / Ausgabe (-) |
Reinvermögen | Ertrag (+) / Aufwand (-) |
Quelle: Paetz (2025, Kap. 1.2.1).
Gesamtwirtschaftliche Vermögensbildung
Häufig werden gesamtwirtschaftliche Zusammenhänge zunächst unter Vernachlässigung von Außenhandelsbeziehungen untersucht (in einer sogenannten geschlossenen Volkswirtschaft). Erst im Nachhinein wird die Analyse dann um die Außenhandelsbeziehungen erweitert. Da innerhalb eines abgeschlossenen Systems die Ausgaben einer Person immer den Einnahmen einer anderen entsprechen, kann eine solche Volkswirtschaft kein Nettogeldvermögen bilden.
Ausgaben sind Einnahmen
Eine Person oder Gruppe kann nur dann mehr einnehmen als ausgeben, also einen Einnahmenüberschuss erzielen, wenn alle anderen in der Summe in exakt gleicher Höhe einen Ausgabenüberschuss verzeichnen, also mehr ausgeben als einnehmen. Betrachten wir eine Beispielökonomie, die aus nur 2 Personen besteht. Person A stellt Nahrungsmittel her und Person B Kleidungsstücke. Nehmen wir an, beide kaufen sich gegenseitig Waren im Wert von 1000 Euro ab. Dann entsprechen die Ausgaben der einen Person gerade den Einnahmen der anderen und beide haben einen ausgeglichenen Budgetsaldo (Einnahmen = Ausgaben). Nehmen wir nun an, Person A möchte Vermögen bilden, indem sie weniger ausgibt als sie einnimmt. Gehen wir davon aus, sie kauft nur noch Waren im Wert von 800 Euro von Person B ab, weil sie 200 Euro sparen möchte. Mit der Ersparnis von Person A sinken nun aber auch die Einnahmen von Person B. Um weiterhin Waren im Wert von 1000 Euro von Person A abzukaufen, müsste sich Person B verschulden. Person A könnte ihr die 200 Euro leihen, die sie nicht ausgegeben hat.
Die Ersparnis (der Vermögensaufbau) von A ist aber nur dann möglich, wenn sich B in der laufenden Periode verschuldet. Angenommen, Person B wäre nicht bereit, sich zu verschulden. Wenn sie ihre Ausgaben reduziert, um sie den gesunkenen Einnahmen anzupassen, kann auch Person A kein Vermögen bilden. Gibt Person B nämlich nur 800 Euro aus, dann sinken wiederum die Einnahmen von Person A und entsprechen wieder ihren Ausgaben. Der Einnahmenüberschuss von A verschwindet, weil B keinen Ausgabenüberschuss zulässt. Unter diesen Umständen ist Person A also gezwungen, ihren Sparplan zu ändern, will sie ihren Ausgabeplan aufrecht erhalten.
Die Nettoweltverschuldung beträgt null
Ein Ausgabenüberschuss kann auch aus einem angesparten Vermögen getätigt werden. In diesem Fall würde das Vermögen der entsprechenden Person in der laufenden Periode sinken. Der Einnahmenüberschuss ist dennoch nur möglich, weil es auch einen Ausgabenüberschuss gibt. Zudem kann das angesparte Vermögen nur aus Einnahmenüberschüssen der Vergangenheit entstanden sein. Einem Geldvermögen muss zwangsläufig eine ebenso hohe Verschuldung gegenüberstehen. Man kann also nur dann Geldvermögen bilden, solange alle anderen Wirtschaftssubjekte in exakt gleicher Höhe Geldvermögen abbauen. Der eigenen Forderung muss eine ebenso hohe Verbindlichkeit gegenüberstehen.
Lege ich meinen Einnahmenüberschuss z.B. in einen Fonds an, steht meiner Vermögensbildung ein Schuldverhältnis des Fonds gegenüber. Beim Kauf einer Unternehmensanleihe steht meiner Forderung eine Verbindlichkeit des entsprechenden Unternehmens gegenüber, usw. In unserem Beispiel steht der potentiellen Vermögensbildung von Person A eine potentielle Verschuldung der Person B gegenüber (sofern B überhaupt bereit ist, sich zu verschulden und A Ersparnisse bilden zu lassen). Da Schulden und Vermögen sich global immer zu null addieren müssen, ist die Nettoverschuldung global natürlich null.3 Die Welt als Ganzes hat ja keinen außerirdischen Sparer, bei dem sie sich verschulden könnte, bzw. keinen außerirdischen Schuldner, der ihr eine Ersparnis ermöglicht.
Gesamtwirtschaftliche Vermögensbildung ist Sachvermögensbildung
Wie das vorangegangene Beispiel gezeigt hat, bleibt nach Verrechnung aller Forderungen und Verbindlichkeiten für die gesamtwirtschaftliche Vermögensbildung lediglich die Sachvermögensbildung übrig, die volkswirtschaftlich auch als Investition bezeichnet wird. Demnach muss die gesamtwirtschaftliche Ersparnis (Vermögensbildung) den Investitionen entsprechen.
Viele schließen aus dieser Identität vorschnell, dass Ersparnisse, im Sinne von vorhandenem Geldvermögen, Investitionen finanzieren würden. Wie wir wissen verleihen Banken aber keine vorhandenen Spareinlagen, sondern neu geschaffene. Da diese Identität jederzeit gilt, kann man gesamtwirtschaftlich auch keine Ersparnisse anhäufen, um sie zu einem späteren Zeitpunkt zu investieren, weil die Ersparnis der Vergangenheit ja bereits der Investition der Vergangenheit entsprach. Einzelwirtschaftlich lässt sich Geld ansparen, um es zu einem späteren Zeitpunkt auszugeben. Gesamtwirtschaftlich ist diese Sichtweise aber irreführend, weil die gesamtwirtschaftliche Ersparnis gar keine Geldvermögensbildung ist.
- Eine Bilanz ist stets ausgeglichen. Auf der Aktivseite werden die Vermögenswerte (Forderungen) erfasst, während auf der Passivseite die Verbindlichkeiten verbucht werden. Die Differenz ergibt bei Privatpersonen das Nettovermögen und bei Unternehmen das Eigenkapital.
- Die Aktiv- und Passivseite können auch als Verwendung und Herkunft der Positionen betrachtet werden.
- Ein Aktivtausch betrifft ausschließlich Positionen auf der Aktivseite, während ein Passivtausch nur die Passivseite berührt.
- Eine Bilanzverlängerung oder -verkürzung beeinflusst sowohl die Aktiv- als auch die Passivseite gleichermaßen, wodurch sich die Bilanzsumme erhöht oder verringert.
- Vermögenswerte lassen sich in Rein- (bzw. Netto-), Geld- und Sachvermögen unterteilen.
- Das Reinvermögen setzt sich aus der Summe von Geld- und Sachvermögen zusammen.
- In einer geschlossenen Volkswirtschaft erfolgt die Vermögensbildung immer in Form von Sachvermögensbildung, da die Geldvermögensbildung im Aggregat nicht möglich ist.
Literatur
Fußnoten
- Streng genommen handelt es sich hier um zwei zusammengefasste Buchungen: Einlagen an Kredite sowie Aktien an Einlagen.
- Der überwiegende Teil des vorliegenden Abschnittes ist Werken von Wolfgang Stützel entnommen. Stützel (1925-1987) war von 1966-1968 Mitglied des Sachverständigenrates und kritisierte zu dieser Zeit die Hochzinspolitik der Bundesbank. Zudem war er FDP Mitglied und galt als überzeugter Verfechter marktwirtschaftlicher Grundsätze, der sich dennoch keiner ideologischen Schule zuordnen lies. Mit seinen Büchern zur Saldenmechanik (siehe Stützel (1978) und Stützel (1979) leistete er einen kritischen Beitrag zur volkswirtschaftlichen Theoriebildung, insbesondere der Geldtheorie. In den letzten Jahrzehnten ist die Saldenmechanik in Deutschland wieder beliebter geworden und kommt unter anderen in Lindner (2012), Schmidt (2011) und Schmidt (2012) zur Anwendung. Diese drei erwähnten Artikel bieten auch eine gute Einführung in das von Stützel entwickelte Konzept. Die von C.G. Brandstetter betriebene Seite saldenmechanik.info stellt zudem hilfreiche Informationen und Materialien, auch zur Geldschöpfung, zur Verfügung.
- Zentral für diese Aussage ist, dass man wirklich alle Wirtschaftssubjekte berücksichtigt, also auch alle Geschäftsbanken sowie alle Zentralbanken.