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Im letzten Abschnitt dieses Blogs wollen wir uns mit den Besonderheiten des europäischen Geldsystems beschäftigen. Vorweg soll erklärt werden, welchen Einfluss die staatliche Ausgabe von Anleihen auf die Geldpolitik hat, wie also das Zusammenspiel zwischen Geld- und Fiskalpoltik aussieht. Auch dieser Abschnitt ist in weiten Teilen dem Buch von Dirk Ehnts (2016) angelehnt.
Das Zusammenspiel von Geld- und Fiskalpolitik
In der Regel hat die Regierung ein Reservenkonto bei der Zentralbank, auf dem staatliche Einnahmen und Ausgaben geführt werden. In Deutschland ist dies das Konto der Bundesrepublik des Bundesministeriums für Finanzen (BMF), welches von der Bundesbank zur Verfügung gestellt wird, aber den Weisungen des BMF unterliegt. Ein Differenzbetrag auf diesem Konto muss durch die Neuaufnahme von Schulden ausgeglichen werden. Dies wird in Deutschland von der Finanzagentur GmbH organisiert. Diese ist eine vom BMF gegründete Firma, die sich um Kreditaufnahme und Schuldenmanagement kümmert.
Der Erstverkauf von Staatsanleihen der Regierung geschieht am sogenannten Primärmarkt. In der Euro-Zone ist es der Zentralbank untersagt, am Primärmarkt Staatsanleihen zu kaufen, da man befürchtet, dass eine monetäre Staatsfinanzierung zu einer steigenden Inflation führt. Aufgrund der unendlichen Kapazität der Zentralbank, Reserven zu schöpfen, könnte die Regierung dazu verleitet werden, ihre Ausgaben zu stark zu erhöhen. Eine zu hohe Nachfrage könnte dann zu steigenden Preisen führen, wenn der Unternehmenssektor an seine Kapazitätsgrenzen gerät. Diese Haltung ist jedoch umstritten. Wir werden die Frage, ob eine monetäre Staatsfinanzierung inflationär wirkt, bzw. unter welchen Umständen dies der Fall ist, in diesem Blog nicht abschließend beantworten können und beschränken uns auf die bilanz-technischen Auswirkungen selbiger.
Die Erstkäufer von Anleihen bestehen derzeit aus Banken aus der EU, den USA, Großbritannien und Japan. Wird eine Staatsanleihe neu emittiert und vom Bankensektor gekauft, so überweisen die Banken Reserven in Höhe des Kaufpreises auf das Zentralbankkonto des Finanzministeriums. Will das Finanzministerium mit dem Geld zum Beispiel die Rechnung für den Bau einer Brücke begleichen, werden die Reserven der Bank des Brückenbauers übertragen, die ihm die Summe in Form von Einlagen gutschreibt.
Betrachten wir 4 Akteure (diese können auch als Sektoren interpretiert werden): Die Zentralbank, die Regierung, eine Geschäftsbank und einen Haushalt. In der Ausgangssituation sind alle Bilanzen leer. Die Bank leiht sich nun Reserven von der Zentralbank im Wert von 100 €:
Die Regierung emittiert nun Anleihen im Wert von 100 €, die von der Bank gekauft werden:
Die Bilanz der Regierung ist ähnlich zu verstehen wie ein Bankkonto. Reserven sind demnach Forderungen gegenüber der Zentralbank, die auf dem Zentralbankkonto der Regierung gutgeschrieben werden. Die Staatsanleihen hingegen sind Verbindlichkeiten gegenüber der Geschäftsbank. Der Verkauf der Anleihe an die Geschäftsbank hat dem Bankensektor zunächst einmal Reserven entzogen, die nun auf dem Konto der Regierung gebunden sind.
Führen wir das Beispiel fort, indem die Regierung mit den erhaltenen Reserven eine Dienstleistung des Haushalts abkauft, welcher ein Konto bei der Geschäftsbank besitzt. Nach dieser Transaktion weisen die Bilanzen der 4 Akteure folgende Einträge aus:
Die Reserven wurden nun wieder auf dem Zentralbankkonto der Geschäftsbank gutgeschrieben und auf dem Konto der Regierung vermindert. Die Regierung ist nun netto in Höhe der Anleihen verschuldet. Dieser Verschuldung steht ein ebenso hohes Nettovermögen im Haushaltssektor gegenüber. Wie wir bereits anhand der Finanzierungssalden der einzelnen Sektoren gelernt haben, kann der Privatsektor nur Einnahmeüberschüsse verzeichnen, wenn alle anderen Sektoren in der Summe ebenso hohe Defizite verzeichnen. Da wir in unserem Beispiel vom Ausland abstrahiert haben, kann ein Überschuss im Privatsektor nur durch ein Defizit im Staatssektor ermöglicht werden.
Wenn nun noch die Geschäftsbank ihren Kredit bei der Zentralbank begleicht, sehen die Bilanzen am Ende unseres Beispiels wie folgt aus:
Nun sind die Reserven, die sich die Bank zum Kauf der Anleihe bei der Zentralbank geliehen hat, wieder vernichtet worden. Die Emission von Staatsanleihen hat also Einlagen geschaffen, ohne dass sich die Höhe der Reserven im Geschäftsbankensektor verändert hat. Stattdessen hält die Geschäftsbank nun eine Forderung gegenüber der Regierung in Form der Anleihe.
Monetäre Staatsfinanzierung
Als monetäre Staatsfinanzierung bezeichnet man den direkten Ankauf der Zentralbank von Anleihen am Primärmarkt. Ein solcher direkter Ankauf von Staatsanleihen ist der EZB untersagt. Allerdings darf sie auf dem Sekundärmarkt, also von den Geschäftsbanken, Anleihen kaufen. Buchungstechnisch können wir uns diesen Vorgang durch eine weitere Fortführung unseres Beispiels verdeutlichen:
Durch den Anleiheaufkauf ist zusätzliche Liquidität im Bankensektor entstanden. Zudem wird der Aufkauf die Preise für Staatsanleihen nach oben treiben und somit die effektive Verzinsung reduzieren. Dadurch können in Zukunft auch Neuemissionen zu günstigeren Zinsen am Markt platziert werden.
Doch nun zur direkten Staatsfinanzierung, also dem Ankauf von Staatsanleihen durch die Zentralbank am Primärmarkt. Dies ist in den meisten Ländern der Zentralbank untersagt, aber zum Beispiel in Kanada erlaubt (in den USA war es der Federal Reserve Bank bis 1935 ebenfalls erlaubt). Nehmen wir an, die Regierung weist die Zentralbank an, ihr Staatsanleihen im Wert von 100 € abzukaufen:
Im nächsten Schritt kauft die Regierung wieder eine Dienstleistung des Haushalts ab. Hierzu überweist die Regierung die Reserven im Wert von 100 € auf das Bankkonto des Haushaltes. Die Bank wiederum schreibt dem Haushalt Einlagen im Wert von 100 € gut:
Wir sehen an diesem Beispiel, dass es langfristig keinen Unterschied macht, ob die Zentralbank die Anleihen am Primär- oder am Sekundärmarkt kauft. Bei Kauf über den Sekundärmarkt müssen die Banken in Vorleistung treten und sich temporär bei der Zentralbank verschulden. Da Staatsanleihen i.d.R. höhere Zinserträge bringen, als man Zinsen für Reserven bei der Zentralbank zahlen muss, ist das für den Bankensektor durchaus ein lukratives Geschäft. Wenn sich die Regierung direkt bei der Zentralbank verschuldet, bleibt ihr die Zinszahlung an den Bankensektor dagegen erspart. Und auch die Zinszahlung an die Zentralbank ist nur ein temporärer Verlust, da sie die Gewinne der Zentralbank erhöht und somit die Gewinnausschüttung der Zentralbank an die Regierung.
Des Weiteren sehen wir, dass die Emission von Staatsanleihen zusätzliche Reserven im Interbankenmarkt geschaffen hat. Die monetäre Staatsfinanzierung führt durch den Anstieg der Reserven also zu einem sinkenden Zins im Interbankenmarkt. Bei monetärer Staatsfinanzierung ist Fiskalpolitik so gesehen auch Geldpolitik. Sollte der Zins nun vom gewünschten Niveau der Zentralbank abweichen, müsste die Zentralbank dem Privatsektor Reserven wieder entziehen, z.B. durch den Verkauf der gerade erworbenen Staatsanleihen. So würden die Anleihen wieder im privaten Bankensektor landen und die Bilanzen sähen exakt so aus wie bei einem direkten Verkauf der Staatsanleihen an den privaten Bankensektor.
Auch Steuern haben einen Einfluss auf die Reservemenge im Bankensektor. Nehmen wir an, die Regierung erhebt Steuern in Höhe von 20 % auf das Einkommen des Haushaltssektors. Der Haushalt würde dann seine Bank anweisen, die Steuerschuld von 20 € auf das Regierungskonto zu überweisen. Die Reserven werden dann wieder auf dem Reservekonto der Regierung gutgeschrieben. Die Bilanzen ändern sich dementsprechend:
Durch die Besteuerung wurden den privaten Banken Reserven entzogen und es ist sowohl die Staatsverschuldung als auch das Nettovermögen der Haushalte gesunken. Die Regierung könnte nun die so dazugewonnenen Reserven verwenden, um einen Teil seiner Anleiheschulden zu begleichen. Für Regierung und Zentralbank wäre dies eine Bilanzverkürzung. Die Staatsanleihen in den Bilanzen würden sinken und die Reserven würden vernichtet werden.
Können Regierung und/oder Zentralbank Pleite gehen?
Die hohen Verschuldungsquoten in nahezu allen Industrienationen seit der Finanzkrise führen zwangsläufig zu der Frage nach den Grenzen der Verschuldung. Wenn eine Regierung von Krediten des Privatsektors abhängig ist, weil es der Zentralbank untersagt ist, der Regierung Staatsanleihen abzukaufen, so ist es möglich, dass eine Regierung keine Interessenten findet, die ihr Geld leihen. Es passiert regelmäßig, dass Regierungen das gewünschte Anleihevolumen nicht verkaufen können. Zudem ist es möglich, dass ein Risikoaufschlag, also ein höherer Zins, verlangt wird, weil ein Risiko besteht, dass die Regierung die Anleihe bei Fälligkeit nicht ausbezahlen kann. Dies kann für eine Regierung sehr kostspielig werden und sogar dazu führen, dass sie in eine Schuldenspirale gerät und immer mehr neue Schulden zur Begleichung der Altschulden aufnehmen muss. Eine solche Regierung ist Pleite, wenn sie am Anleihemarkt kein Geld mehr bekommt. In solch einem Fall werden zunächst die Gehälter der Staatsangestellten nicht mehr ausgezahlt. Häufig ist dies mit politischer Instabilität verbunden, da nun weder Polizei noch Militär bezahlt werden. Eine Regierung wird dann die Zahlungsunfähigkeit erklären und den Nennwert der Staatsanleihen reduzieren oder ganz streichen. Der Neuanfang wird dadurch erschwert, dass ihr nun niemand mehr Geld leihen wird.
Ebenso ist es möglich, dass sich Staaten in ausländischer Währung verschulden. Dies passiert häufig, wenn ein Land durch den Export nicht genügend Deviseneinnahmen erzielt als es benötigt, um seine Importe zu zahlen. Selbst wenn die Zentralbank bereit wäre, eigene Staatsanleihen zu kaufen, könnte man in der einheimischen Währung die ausländischen Schulden damit nicht bezahlen. Die argentinische Regierung hat nach einer Krise in 2005 daher Anleihen, die auf US-Dollar notiert waren, im Nennwert um 75 % reduziert, weil sie nicht genügend Dollar besaß, um ihre Schulden zu begleichen. Ein Land, dass von Importen abhängig ist, aber im Gegenzug keine Exportgüter anzubieten hat, an denen das Ausland Interesse hat, ist aus monetärer Sicht daher nicht souverän. Die Ursache ist jedoch eine realwirtschaftliche, nämlich die fehlenden Exportgüter.
Übernimmt die Zentralbank die Rolle des sogenannten Kreditgebers der letzten Instanz (lender of last resort), ist sie mindestens im Notfall bereit, Anleihen aufzukaufen, um eine drohende Staatspleite abzuwenden. Ist die Zentralbank der Regierung unterstellt, wie es zum Beispiel in Kanada der Fall ist, weist die Regierung die Zentralbank an, ihr Reserven in ausreichender Höhe gegen Staatsanleihen zu tauschen, sofern eine Neuverschuldung notwendig ist. Ist eine Verschuldung in ausländischer Währung nicht gegeben, ist in einem solchen Arrangement eine Staatspleite nicht möglich.
Da eine Zentralbank jederzeit per Knopfdruck Reserven schaffen kann, kann sie grundsätzlich nicht Pleite gehen. Wenn sie viele Wertpapiere gekauft hat, deren Kurse sinken, kann es sein, dass sie Verluste realisiert und irgendwann sogar ein negatives Eigenkapital ausweist, was sie in ihrer Funktion zunächst einmal aber nicht weiter einschränkt. Da keine Gewinne mehr erwirtschaftet werden, würden die Gewinnauszahlungen der Zentralbank an die Regierung entfallen, aber es müssten keine Verluste ausgeglichen werden. Theoretisch kann eine Zentralbank daher mit negativem Eigenkapital weiterhin Reserven schöpfen und Kredite an Banken vergeben.
Selbstvertändlich kann eine Regierung bei Zugriff auf das Zentralbankgeld zu viele Güter im Privatsektor kaufen und somit inflationäre Tendenzen hervorrufen. Jedoch ist es unmöglich, dass die Regierung zahlungsunfähig wird, weil sie ihre Zahlungsmittel jederzeit in unbegrenzter Menge selber herstellen kann.
Das System europäischer Zentralbanken
Die bisherigen Ausführungen sind immer implizit davon ausgegangen, dass wir eine souveräne Währung für ein Land betrachten. Im Euro-Raum ist dies etwas komplizierter, da das System der europäischen Zentralbanken aus einer Zentralbank, der EZB in Frankfurt, und 19 nationalen Landeszentralbanken besteht. Die derzeitigen Mitglieder der Währungsunion sind Belgien, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, Niederlande, Österreich, Portugal, Slowakei, Slowenien, Spanien und Zypern. Neben den Mitgliedern der Euro-Zone gibt es noch eine Reihe von Staaten, die den Euro als offizielle Währung verwenden (z.B. Monaco und Vatikanstadt) und Länder, die ihre Währung an den Euro gebunden haben (z.B: Bulgarien). Zudem existiert noch immer der sogenannte Wechselkursmechanismus (WKM) II, der als Übergangskonzept fungierte, bevor der Euro als offizielle Währung eingeführt wurde. Im WKM II dürfen die nationalen Währungen nur zu einer gewissen Bandbreite zum Euro schwanken (derzeit 2,25 %). Es befindet sich nur noch Dänemark im WKM II, jedoch profitieren auch Länder, die an die dänische Krone gebunden sind. Aus Platzgründen werden wir in dieser Einführung nur beiläufig über die verschiedenen Wechselkursarrangements sprechen und uns primär auf die derzeitige Ausgestaltung des Euros konzentrieren.
Der Euro wurde als Buchgeld am 1. Januar 1999 eingeführt (als Bargeld am 1. Januar 2002). Abbildung 14 zeigt die jährliche Verzinsung 10-jähriger Staatsanleihen der Euro-Mitglieder und illustriert, wie die Einführung des Euros die Zinsniveaus bereits im Vorfeld zur Annäherung gebracht hat. Dies liegt daran, dass Anleger gewisse Risiken nicht mehr eingepreist haben, die vorher eine bedeutende Rolle gespielt haben. Hierzu gehört vor allem das Abwertungsrisiko. Länder wie Italien, Griechenland oder Spanien haben sowohl unter dem Bretton-Woods Regime wie auch in den Euro-Vorläufer-Systemen regelmäßig ihre Währung abgewertet, wenn in diesen Ländern durch zu hohe Lohnsteigerungen die Preise zu stark angestiegen sind. Um wieder wettbewerbsfähig zu werden, hat man die eigene Währung günstiger gemacht. Für Anleger bedeutete dies, dass sie weniger für ihre Anleihe zurückbekamen, weil sie in einer nun schwächeren Währung notiert war. Da die Anleger das wussten, wählten sie lieber eine deutsche Anleihe, da die deutsche Währung im Vorfeld regelmäßig aufgewertet wurde. Die anderen Regierungen mussten einen Risikoaufschlag auf den deutschen Zins zahlen, wenn sie Geld aufnehmen wollten.
Abbildung 14: Zinsannäherung im Vorfeld der Euro-Einführung
Nach Einführung des Euro gingen die Anleger davon aus, dass Staatsanleihen im Euro-Raum risikolose Wertpapiere seien. Die Staatspleite eines Euro-Mitgliedes hielt man für ausgeschlossen, auch wenn die Nichtbeistands-Klausel in den EU-Verträgen besagt, dass kein Euro-Mitglied für die Verschuldung eines anderen Landes aufkommen muss. Diese auf Druck Deutschlands eingeführte Klausel war in den Anfangsjahren des Euros offensichtlich nicht glaubwürdig. Man ist davon ausgegangen, dass man einem Land, dass in Zahlungsschwierigkeiten gerät, helfen wird, um eine Währungskrise zu verhindern. Daher näherten sich alle Zinssätze im Euro-Raum dem Benchmark-Niveau deutscher Staatsanleihen an.
Die wichtigsten geldpolitischen Entscheidungen, wie zum Beispiel die Festlegung der Zinsen, der Mindestreserve, der Zuteilungsmenge etc. werden seit der Euro-Einführung vom EZB-Rat entschieden. Diesem gehören, neben den 6 Direktoriumsmitgliedern, die Präsidenten der nationalen Zentralbanken der 19 Mitgliedstaaten des Euroraums an. Die Direktoriumsmitglieder werden vom Europäischen Rat mit qualifizierter Mehrheit ausgewählt und ernannt. Der EZB- Rat tagt i.d.R. zwei mal im Monat. Die nationalen Zentralbanken setzen die geldpolitischen Vorgaben der EZB um und informieren diese mit umfangreichen Analysen und Statistiken. Zudem sind die nationalen Zentralbanken i.d.R. für die Aufsicht nationaler Kreditinstitute zuständig. Für eine detaillierte Aufstellung der Aufgaben nationaler Zentralbanken sowie der EZB ist eine Vorlesung mit Schwerpunkt Geldtheorie zu empfehlen. Institutionelle Gegebenheiten lassen sich aber auch auf der Website der Bundesbank und/oder der EZB nachlesen.
Die nun folgenden Abschnitte sollen die Kernfunktionsweise des Europäischen Systems der Zentralbanken (ESZB) darstellen und einige geldpolitische Phänomene erklären, die seit der Gründung dieses immer noch relativ jungen Systems zu beobachten sind.
Das TARGET2-System
TARGET2 (Trans-European Automated Real-time Gross Settlement Express Transfer System) ist das System zur Abrechnung des Zahlungsverkehrs innerhalb des Euro-Raumes.1 An den bisherigen Darstellungen waren bei einer Überweisung lediglich die beiden Geschäftsbanken und eine Zentralbank beteiligt. Durch die Überweisung verändern sich die Einträge auf den Reservekonten der Banken bei der Zentralbank. Im Eurosystem hat jede Geschäftsbank ihr Reservenkonto jedoch bei der nationalen Zentralbank.
Die Bedeutung der Target2-Salden ist ausgesprochen umstritten, die Buchung der Vorgänge an sich mit Hilfe der doppelten Buchführung dagegen relativ einfach. Gehen wir wieder von einem Beispiel aus. Nehmen wir an, ein italienischer Kunde kauft ein deutsches Konsumgut für 100 €. Wir betrachten zunächst einmal die Ausgangslage in den Bilanzen des deutschen Unternehmens, des italienischen Kunden, der Geschäfts- und nationalen Zentralbanken sowie der EZB:
Es handelt sich wieder um eine Beispielbilanz. Jede andere denkbare Ausgangssituation würde zu den gleichen Veränderungen führen wie die, die wir im folgenden analysieren werden. Wir nehmen nun an, dass der italienische Käufer seine Geschäftsbank beauftragt, eine Überweisung auf das Konto des deutschen Unternehmens zu tätigen. Die Einlagen des deutschen Unternehmens müssen nun entsprechend steigen und die des italienischen Haushaltes sinken. Die Gegenbuchung in den Bilanzen muss natürlich eine entsprechende Veränderung der Reserveguthaben bei den nationalen Zentralbanken sein. Hierdurch entstehen Fehlbeträge in den Bilanzen der nationalen Zentralbanken. Diese werden über das TARGET2-System in der Bilanz der EZB vermerkt:
Die Bundesbank besitzt nun eine TARGET-Forderung gegenüber der EZB und die Banca d’Italia eine Target-Verbindlichkeit. Target-Forderungen und Verbindlichkeiten bei der EZB werden mit dem Zins der Hauptrefinanzierungsfazilität verzinst. Die TARGET-Salden der Mitgliedsländer sind in den Jahren nach der Finanzkrise stark angestiegen, weil der Interbankenmarkt zusammenbrach. Seitdem sind sie Bestandteil eines wirtschaftspolitischen Disputs, bei dem es darum geht, ob Länder mit positiven TARGET-Saldo (wie die deutsche Bundesbank) von den Ländern mit TARGET-Defiziten ausbezahlt werden sollten. Allerdings handelt es sich bei den TARGET-Salden nicht um Kredite im engeren Sinne. TARGET-Forderungen können niemals fällig gestellt werden und im Prinzip auf ewig in der Bilanz der EZB geführt werden. Ein herkömmlicher Kredit hingegen muss zu einem vorher vereinbarten Zeitpunkt auch zurückgezahlt werden.
TARGET-Forderungen werden häufig als Guthaben bei der EZB bezeichnet. Es handelt sich hierbei aber nicht um ein Guthaben, das man verwenden kann, um im Ausland einzukaufen. Hierfür sind letztlich nur die Guthaben auf den Konten der privaten Akteure (Käufer und Verkäufer) relevant. Wie wir sehen, hat der italienische Kunde auch das nötige Geld gehabt, um die Waren aus Deutschland zu bezahlen.
Die TARGET-Salden entstehen also nur, weil die Reservekonten der europäischen Geschäftsbanken nicht bei der EZB, sondern bei den nationalen Zentralbanken geführt werden. Viele Ökonomen sehen in den TARGET-Salden daher lediglich einen Buchungsvorgang, der ohne weitere Bedeutung ist. Würde man innerhalb eines Landes eine solche Überweisung tätigen, so würde sich dies lediglich auf den entsprechenden Reservekonten der einen nationalen Zentralbank widerspiegeln: Einlagen und Reserven der Verkäuferbank werden erhöht, während die der Käuferbank reduziert werden. Die Buchungen, die jetzt in den Bilanzen der nationalen Zentralbanken sowie der EZB vollzogen werden, sind der Ersatz für die Umbuchungen in den Reservekonten, die bei einer inländischen Überweisung vorgenommen worden wären. Dadurch, dass der Transfer aber über die Ländergrenzen hinweg stattfand, hat die Bundesbank nun zusätzliche Reserven geschöpft, während die Banca d’Italia Reserven vernichtet hat. Würde man die Reservekonten direkt bei der EZB führen, würde es gar keine Salden bei nationalen Zentralbanken geben, um die man sich streiten könnte. Genau so ist es innerhalb der Länder ja auch: Niemand würde eine Überweisung eines Hamburger Kunden auf das Konto eines bayrischen Unternehmens als einen Kredit der bayrischen Landesbank an die Hamburger Landesbank sehen. Bei einer inländischen Überweisung zwischen zwei Kunden, die zwar in unterschiedlichen Bundesländern ihr Konto führen, jedoch bei der gleichen Bank, würden gar keine Umbuchungen auf Reservekonten vorgenommen werden müssen.
Das TARGET2-System soll den reibungslosen Zahlungsverkehr innerhalb der Währungsunion ermöglichen. Die TARGET-Salden entstehen wegen des freien Kapitalverkehrs innerhalb der Euro-Zone, der es ermöglicht, problemlos Geld zwischen den Ländern zu überweisen. Würde die EZB eine solche Umbuchung nicht durchführen, würde der Zahlungsverkehr innerhalb der Euro-Zone zusammenbrechen und Überweisungen könnten nicht durchgeführt werden. Wie das Beispiel zeigt, muss der internationale Handel auch nicht „finanziert“ werden, wie häufig behauptet wird, weil der Kunde das nötige Geld auf seinem Bankkonto besitzt.
Wenn Land A in der Euro-Zone mehr Überweisungen an Land B tätigt als umgekehrt, entsteht ein entsprechender Saldo. Dieser kann aber nur reduziert werden, wenn nun Land B mehr Überweisungen an Land A tätigt. TARGET2-Salden reflektieren daher auch die Unterschiede in den Leistungsbilanzen der EURO-Mitgliedsländer. Länder, die dauerhaft Überschüsse erzielen, werden dauerhaft mehr Überweisungen aus dem Ausland bekommen als umgekehrt. Die „Forderung“ gegenüber der EZB, die hierdurch entsteht, kann nur wieder ausgeglichen werden, indem man diesen Prozeß umkehrt und mehr Überweisungen an das Ausland tätigt als umgekehrt.
Vergleichbar mit der Kreditvergabe zwischen Geschäftsbanken innerhalb eines Landes, können sich auch innerhalb der Euro-Zone Geschäftsbanken Kredite geben oder sich gegenseitig Reserven leihen und so das TARGET2-System umgehen. Die deutsche Geschäftsbank hätte nach der obigen Transaktion 100 € mehr Reserven in der Bilanz. Diese stellen Überschussreserven dar und werden nur mit der Einlagefazilität verzinst. Die italienische Geschäftsbank hat nun weniger Reserven auf ihrem Zentralbankkonto und ist evtl. an zusätzlichen Reserven interessiert. Würde sie sich die Reserven bei der EZB leihen, müsste sie über Nacht den Spitzenrefinanzierungszins dafür zahlen. Einigen sich die beiden Banken auf einen Kredit, dessen Zins zwischen Einlage- und Spitzenfazilität liegt, könnte ein Zahlungsaufschub für beide Banken einen Vorteil darstellen. Die Bilanzen würden sich entsprechend ändern:
Solange sich die Geschäftsbanken im Euro-System untereinander vertrauen und/oder die Überweisungen zwischen den Teilnehmerländern des Euros symmetrisch ausfallen, sollten die TARGET2-Salden klein sein. Da auch für die gesamte Euro-Zone gilt, dass sich positive und negative Salden immer zu Null addieren müssen, entstehen die TARGET-Salden nur dann, wenn das Vertrauen zwischen Banken unterschiedlicher Länder so gering ist, dass man sich gegenseitig keinen Kredit mehr gewährt.
Dies war zum Beispiel nach der Finanzkrise der Fall: Da viele Geschäftsbanken befürchteten, einen Kredit im Interbankenmarkt nicht mehr zurück zu bekommen, schreckte man davor zurück, Reservezahlungen aufzuschieben, indem man sich gegenseitig Kredit gewährte. Dadurch waren Reserven in den Krisenländern, die i.d.R. auch Leistungsbilanzdefizite aufweisen, knapp. Länder, die dauerhaft mehr importieren als exportieren, müssen ständig mehr Überweisungen an das Ausland tätigen, als sie vom Ausland bekommen. Solange man sich im Interbankenmarkt die nötigen Reserven leihen konnte, war dies kein Problem.
Mit Zusammenbruch des Vertrauens verschwand diese Option und die Banken der Defizitländer mussten sich die Reserven (gegen Vorlage ausreichender Sicherheiten) bei der nationalen Zentralbank besorgen und die Überweisung über das TARGET2-System buchen. Hierdurch entstanden TARGET2-Einträge bei der EZB. Bei einer Auflösung des Euro-Raumes oder dem Austritt einiger derzeitiger Mitglieder könnten die hinterlegten Sicherheiten verwendet werden, um die TARGET-Forderungen zu begleichen. Da unklar ist, welchen Wert diese Sicherheiten dann noch haben werden (bzw. in welcher Währung sie notiert sind), können Abschreibungsverluste entstehen. Dies ist aber das übliche Risiko, das Länder mit hohen Exportüberschüssen tragen müssen. Da sie permanent Einnahmeüberschüsse aus dem Ausland erhalten, akkumulieren sie Forderungen in ausländischer Währung, die Bewertungs- und Wechselkursschwankungen unterliegen.
Da der Käufer den Verkäufer bezahlt hat, entsteht für die an der Transaktion beteiligten Privatpersonen jedoch kein Nachteil. Dies wird besonders deutlich, wenn man sich vorstellt, man hätte die Zahlung in bar über einen Geldkurier getätigt. Die italienische Geschäftsbank hätte dann ihre Reserven bei der nationalen Zentralbank zum Teil in Bargeld tauschen müssen, damit der Kurier dieses nach Deutschland bringen kann. Dort würde es vom deutschen Verkäufer auf sein Konto eingezahlt werden, wodurch sich bei der deutschen Geschäftsbank die Menge an Zentralbankgeld entsprechend erhöht hätte.
Um genügend Liquidität bereit zu stellen, hat die EZB seit der Finanzkrise auf einen Mengentender mit Vollzuteilung umgestellt. In 2011/12 hat sie zudem mit längerfristigen Krediten über 3-5 Jahre dem privaten Bankensektor mehr Reserven zur Verfügung gestellt, um den Zusammenbruch des Interbankenmarktes zu kompensieren und den Zusammenbruch des gesamten Finanzsystems der Euro-Zone zu verhindern. Wenn nicht genügend Reserven im System sind und sich die Banken untereinander keine Kredite mehr geben, würde dies dazu führen, dass Überweisungen nicht mehr getätigt werden können, das Zahlungssystem also zum Erliegen kommt.
Abbildung 15: TARGET2-Salden im Euro-Raum (in Mio. Euro)
Abbildung 15 zeigt die Entwicklung der monatlichen TARGET2-Salden ausgewählter Länder seit 2001. Bis zur Finanzkrise haben die TARGET-Salden im Euro-Raum keine allzu bedeutende Rolle gespielt, da sich die Banken untereinander Kredite gewährt haben. Seit 2007 herrscht aber große Ungewissheit darüber, ob die Geschäftsbank eines anderen Landes noch kreditwürdig ist. Da man sich also keine Kredite im Interbankenmarkt gewährt, wird ein großer Teil des internationalen Zahlungsverkehrs inzwischen über die TARGET2-Salden abgewickelt. Länder, die mehr Überweisungen aus dem Ausland erhalten als umgekehrt, haben einen positiven TARGET2-Saldo. Daher haben Zentralbanken aus Ländern mit einem innereuropäischen Leistungsbilanzüberschuss, wie Deutschland oder Österreich, tendenziell ein Guthaben bei der EZB, während die Defizitländer tendenziell Verbindlichkeiten aufweisen. TARGET2-Salden reflektieren vermutlich zu einem großen Teil den Anteil der Leistungsbilanzüberschüsse, der nicht mehr über die Kredite im Privatsektor abgedeckt wird, sondern über das TARGET2-System der EZB.
Dass die geldpolitische Aktion der EZB in 2011/12 gerade in Deutschland hoch umstritten war, zeigt alleine schon die Bezeichnung der deutschen Medien. Die sogenannte „Dicke Berta“ ist ein deutsches Geschütz aus dem ersten Weltkrieg, welches Namensgeber für die längerfristige Kreditvergabe wurde. Viele deutsche Ökonomen und Kommentatoren fürchteten einen enormen Anstieg der Inflationsrate, weil die „Geldschwemme“ die Wirtschaft früher oder später überhitzen würde. Als nach Ablauf der 3-5 Jahre die Kredite der Banken wieder zurückgezahlt wurden und die Reserven wieder vernichtet waren, wurde deutlich weniger berichtet. Skandale und negative Aussichten lassen sich offensichtlich besser verkaufen als die Berichterstattung über eine gelungene Rettung des europäischen Finanzsystems (von dem gerade exportstarke Nationen wie Deutschland profitieren).
Zudem können die TARGET2 Salden auch in Teilen die Folge einer Kapitalflucht aus den Peripherieländern nach Deutschland sein. Wenn ein spanischer Kunde sein Geld von einer spanischen Bank auf sein Konto bei einer deutschen Bank überweist oder ein deutsches Wertpapier kauft, entsteht ebenfalls ein Saldo im TARGET2-System. Seit März 2015 hat die EZB die Landeszentralbanken zudem aufgefordert, im großen Umfang einheimische Staatsanleihen aufzukaufen. Da viele Investoren, die europäische Staatsanleihen halten, ihr Konto in Deutschland führen, kommt es so zu vermehrten Überweisungen auf deutsche Geschäftsbanken.
Auch wenn die Bedeutung der TARGET-Salden unter Ökonomen umstritten ist, so sind sich die meisten zumindest darin einig, dass sie Zeichen eines instabilen Finanzsystems in der EU sind, weil sie zum Ausdruck bringen, dass sich die Banken untereinander nicht mehr vertrauen.
MERKE
Steuern und Staatsanleihen entziehen dem privaten Bankensektor Reserven.
Eine Finanzierung staatlicher Ausgaben über die Zentralbank führt zu sinkenden Zinsen im Interbankenmarkt.
Direkte und indirekte monetäre Staatsfinanzierung sind aus buchungs-technischer Sicht identisch.
Übungsaufgaben/Quizzes
Literatur
EHNTS, D. (2016). Geld und Kredit – eine €-päische Perspektive, Metropolis, 2nd ed.↵
Nachdem wir die grundsätzlichen Zusammenhänge zwischen Geschäfts- und Zentralbanken verstanden haben, wird es in diesem zweiten Abschnitt zur Geldpolitik zunächst um die Instrumente einer Zentralbank gehen, die sie verwendet, um den angepeilten Zinssatz im Interbankenmarkt auch durchzusetzen. Da sich dieser Zinssatz auch auf den Zins auswirkt, den die Banken für Kredite an den Privatsektor verlangen, beeinflusst die Zentralbank so den Preis für Kredite. Sie tut dies um die Inflationsrate zu stabilisieren. Steigt diese in einem Aufschwung zu stark an, soll eine Zinserhöhung die Kreditaufnahme verteuern und somit die Investitionen reduzieren. Dies soll die Wirtschaft abkühlen und so den Preisanstieg dämpfen. Fällt die Inflation hingegen unter das gewünschte Zielniveau, soll eine Zinssenkung die Investitionen anregen, um so die Wirtschaft aus der Krise zu führen.
Moderne Zentralbanken ähneln sich in der praktischen Ausgestaltung ihrer Geldpolitik. Im Folgenden werden daher exemplarisch die geldpolitischen Instrumente der Europäischen Zentralbank (EZB) skizziert, welche ein Inflationsziel von knapp unter, aber nahe bei 2 % verfolgt. Andere Zentralbanken besitzen aber ähnliche Instrumente, weshalb die Analyse durchaus übertragen werden kann.1 Viele der hier verwendeten Beispiele sind abermals dem Lehrbuch von Dirk Ehnts (2016) entnommen.
Die wichtigsten geldpolitischen Instrumente der EZB, die ihr erlauben, Einfluss auf die Zinsen im Geschäftsbankensektor zu nehmen, sind in Tabelle 5 zusammengefasst. Die bereits erwähnte Mindestreserve sowie die sogenannte Eigenkapitalquote der Banken sind Vorgaben, die nur sehr selten verändert werden und daher nicht zum Alltagsgeschäft der Zentralbanken gehören. Daher sind sie in der Tabelle nicht aufgeführt.
Mindestreserven gelten landläufig als wichtiges regulierendes Instrument der Zentralbanken, weil man damit die Geldschöpfung im privaten Bankensektor begrenzen könne. Dies basiert aber auf der falschen Vorstellung über den Geldschöpfungsprozess, die man aus der Theorie des Bankenmultiplikators ableitet. Dieser Theorie folgend benötigt eine Geschäftsbank zunächst einmal Reserven der Zentralbank, um hiermit zusätzliche Kredite zu schöpfen. In der Realität ist die Kausalität aber ganz anders: Banken vergeben zunächst Kredite, schaffen so Einlagen und kümmern sich erst danach um die Beschaffung der notwendigen Reserven. Dies geschieht über den Interbankenmarkt oder über die Zentralbank, die ihr jederzeit die notwendigen Reserven zur Verfügung stellt, solange Sicherheiten ausreichender Bonität vorhanden sind. Da Banken sogar die erste Tranche eines Kredites als Sicherheit hinterlegen können, stellt die Mindestreservehaltung offensichtlich kein Mittel zur Begrenzung der Geldschöpfung dar. Viele Länder haben die Mindestreserve daher bereits abgeschafft. Bevor wir die Möglichkeiten und Grenzen verschiedener geldpolitischer Maßnahmen analysieren, werden die folgenden Abschnitte zunächst die unterschiedlichen Instrumente grob skizzieren.
Geldpolitische Instrumente I: Offenmarktpolitik
Die sogenannten Offenmarktgeschäfte stellen die wichtigsten Instrumente aus Sicht der Zentralbank dar, die Banken mit Reserven zu versorgen. Bei den Offenmarktgeschäften geht die Initiative der Maßnahme von der Zentralbank aus, die so die Geschäftsbanken entweder mit Zentralbankgeld versorgt oder ihnen Zentralbankgeld entziehen möchte:
Hauptrefinanzierungsgeschäfte (HRG; englisch: Main Refinancing Operation, MRO): wöchentliches Offenmarktgeschäft mit einwöchiger Laufzeit. Banken leihen sich Zentralbankgeld gegen Hinterlegung von Sicherheiten zum Hauptrefinanzierungszinssatz, auch Leitzins, (englisch main refinancing rate) der EZB. Gilt als wichtigstes Instrument (daher auch Haupttender genannt).
Längerfristige Refinanzierungsgeschäfte (LRG; englisch: longer-term refinancing operation, LTRO), auch längerfristige Offenmarktgeschäfte: Die so genannten Basistender werden einmal monatlich mit dreimonatiger Laufzeit durchgeführt. LTROs können aber auch unregelmäßig angewendet werden, wie zum Beispiel 2011/12, als mit der sogenannten „dicken Bertha“ im großen Volumen Liquidität zum Hauptrefinanzierungszinssatz mit einer Laufzeit von mehreren Jahren geschaffen wurde. Grund dafür war eine Vertrauenskrise im Interbankenmarkt, wodurch sich die Banken untereinander kein Geld mehr geliehen haben. Die lange Laufzeit der LTROs soll den Fristenunterschied zwischen den Laufzeiten von Verbindlichkeiten und Forderungen der Banken verringern. In der Regel haben Banken langfristige Forderungen (Kredite an den Privatsektor), denen sehr kurzfristige Verbindlichkeiten (z.B. in Form von Sichteinlagen) gegenüberstehen. Reserven stellen aus Sicht der Banken kurzfristige Forderungen (Guthaben) dar, die jederzeit für den Zahlungsverkehr zur Verfügung stehen.
Feinsteuerungsoperationen: Unregelmäßige, nicht standardisierte Operationen, die dazu dienen, kurzfristige und unerwartete Schwankungen der Bankenliquidität zu vermeiden (z.B. kurzfristige Kreditvergabe, Ankauf von Termineinlagen oder zeitlich befristeter Ankauf von Devisen (Devisenswap)).
Strukturelle Operationen: Unregelmäßige, nicht standardisierte Operationen, die den langfristigen Bedarf nach Zentralbankgeld sichern sollen, um die Wirksamkeit der geldpolitischen Maßnahmen zu sichern. Dies kann zum Beispiel durch Verkauf von Schuldverschreibungen gegen Zentralbankgeld erreicht werden, da so die Menge an Zentralbankgeld im Bankensektor dauerhaft gesenkt wird und die Geschäftsbanken wieder mehr Bedarf haben, sich bei der Zentralbank Reserven zu leihen.
Zeitlich befristete Kredite der Zentralbank werden in der Eurozone als repurchase agreement (repo) vergeben. In diesem Fall wird das Eigentumsrecht für die Sicherheit für die Laufzeit des Kredites der Zentralbank übertragen und die Bank verpflichtet sich, sie zu einem vorher festgelegten Preis zurückzukaufen. Der Preis setzt sich aus dem Wert der Sicherheit und dem entsprechenden Zins zusammen. Bei einer strukturellen Operation können Wertpapiere auch endgültig („outright“) gekauft werden. Die wichtigsten Offenmarktgeschäfte sind eindeutig die Hauptrefinanzierungs- sowie die längerfristigen Refinanzierungsgeschäfte.
Offenmarktgeschäfte werden i.d.R. als Versteigerungsverfahren durchgeführt und nur selten als bilaterales Geschäft. Haupt- und Basistender sind standardisiert und werden daher auch Standardtender genannt (Abwicklung innerhalb weniger Tage). Feinsteuerungsoperationen werden dagegen Schnelltender genannt, da die Geschäftsabwicklung innerhalb von 90 Minuten erfolgt.2 Seit der Finanzkrise wendet die EZB ein Verfahren mit vollständiger Zuteilung an, um den Liquiditätsproblemen seit der Euro-Krise entgegenzuwirken. Derzeit wird in der Eurozone also auch über die Offenmarktgeschäfte jede Höhe von Reserven bereit gestellt, solange genügend Sicherheiten von ausreichender Bonität vorhanden sind.
Eine Fazilität (lateinisch facilitas = ‚Leichtigkeit‘) ist im engeren Sinne eine Kreditmöglichkeit. Die EZB räumt den Geschäftsbanken die Möglichkeit ein, sich bis zum nächsten Geschäftstag entweder Reserven zu leihen (Spitzenrefinanzierungsfazilität, englisch marginal lending facility) oder zu verleihen (Einlagefazilität, englisch deposit facility). Der Spitzenrefinanzierungszinssatz ist höher und der Einlagzinssatz niedriger als der Hauptrefinanzierungszinssatz. Wie wir in Kürze sehen werden, bilden diese Zinsen einen Korridor für den Interbankenzins. Fazilitäten gehören zu den Instrumenten, bei denen die Initiative vom privaten Bankensektor ausgeht. Banken können bis zu einer halben Stunde nach Schließung des Interbankenmarktes Reserven von der Zentralbank gegen Hinterlegung von Sicherheiten bekommen oder überschüssige Reserven bei der Zentralbank parken. Überschüsse auf dem Reservenkonto werden dann zum Einlagesatz verzinst.
Wieso ist es aber überhaupt möglich, dass die Banken Reserven von der Zentralbank benötigen, wo sich empfangene und getätigte Überweisungen doch immer zu Null addieren müssen? Die im Markt befindlichen Reserven wurden zum Teil über Kredite der Zentralbank geschaffen. Laufen diese aus, brauchen Banken Reserven, um ihre Schuld bei der Zentralbank zurückzuzahlen. Sind nicht genügend Reserven im Markt, um auslaufende Kredite zu begleichen, werden einige Banken darauf bestehen, ihren Saldo in Reserven gezahlt zu bekommen und keinen Zahlungsaufschub per Kredit gewähren, da sie sich andernfalls neue Reserven bei der Zentralbank leihen müssen, um ihre alte Schuld zu begleichen. Sind nicht genügend Reserven im Markt, werden einige Banken gezwungen sein, sich einen neuen Kredit bei der Zentralbank zu nehmen, um entweder ihren Saldo im Interbankenmarkt auszugleichen oder aber ihre alten Schulden bei der Zentralbank zu begleichen.
Schauen wir uns den Vorgang des Zahlungsausgleichs im Interbankenmarkt noch einmal genauer an. Schöpft eine Bank Giralgeld über einen Kredit, so entstehen Einlagen in gleicher Höhe. Werden diese Einlagen nun abgehoben oder überwiesen, so erleidet die Bank einen entsprechenden Abfluss von Reserven. Gehen wir von 2 Banken mit folgenden Bilanzen aus (wie diese entstanden sein mögen ist für dieses Beispiel von keiner Bedeutung):
Nun tätigen Kunden von Bank 1 Überweisungen auf Konten der Kunden von Bank 2 und umgekehrt. Am Ende des Geschäftstages entsteht ein Saldo in Höhe von 50 Euro den Bank 1 an Bank 2 überweisen muss. Für den Zahlungsausgleich zwischen den beiden Banken benötigt Bank 1 nun Reserven auf ihrem Konto bei der Zentralbank, damit diese auf dem Zentralbankkonto von Bank 2 gutgeschrieben werden können. Bank 1 könnte sich hierzu über Nacht zum Spitzenrefinanzierungszinssatz Reserven bei der Zentralbank leihen. Nehmen wir an, der Spitzenrefinanzierungszinssatz beträgt 1 %. Die Bilanzen der Banken ändern sich entsprechend:
Durch den Zahlungsausgleich werden die Reserven von Bank 1 um 50 € vermindert und die von Bank 2 um 50 € erhöht. Die Bilanzen sehen nach diesem Vorgang wie folgt aus:
Nehmen wir an, Bank 2 benötigt die zusätzlichen Reserven nicht, um Überweisungen an andere Banken zu tätigen. Die Überschussreserven werden dann lediglich mit der Einlagefazilität auf dem Reservenkonto der Zentralbank verzinst. Diese wird deutlich unter dem Spitzenrefinanzierungszinssatz liegen. Wir gehen davon aus, dass der Zins der Einlagefazilität 0,2 % beträgt.
Dadurch, dass sich die Überweisungen zwischen den beiden Beispielbanken nicht zu Null addieren, hat Bank 2 nun also einen Reserveüberschuss, der auf ihrem Reservenkonto gelagert und mit 0,2 % verzinst wird. Durch die Zinsdifferenz zwischen Spitzenrefinanzierungs- und Einlagezins entsteht eine Option, von der beide Banken profitieren könnten. Bank 1 könnte sich nämlich zu einem Zinssatz, der zwischen 0,2 % und 1 % liegt, die Reserven von Bank 2 leihen. In diesem Fall würden sich beide Banken besser stellen, da Bank 1 nun weniger als den Spitzenrefinanzierungszinssatz zahlt und Bank 2 mehr als den Einlagezins erhält. Nehmen wir an, die Banken einigen sich auf einen Zinssatz von 0,5 % (das ist der sogenannte Interbankenzins, daher mit IB gekennzeichnet). Gewähren die Banken sich einen Kredit sehen die Bilanzen wie folgt aus:
Da sich die Salden zwischen den Banken immer zu Null addieren müssen, wäre es also theoretisch möglich, dass Banken den Zahlungsverkehr vollständig ohne zusätzlichen Reservenbedarf unter sich regeln. Tatsächlich ist der Zahlungsausgleich über gegenseitige Kreditvergabe nach Gründung der EZB anteilsmäßig angestiegen. In der Regel findet eine solche Kreditvergabe innerhalb eines gewissen Rahmens zwischen solventen Banken automatisch statt. Als Sicherheiten für die Kredite werden meistens Wertpapiere hinterlegt. Erst wenn dieser Kreditrahmen ausgeschöpft ist, wird eine längerfristige Lösung angestrebt.
Sollten die Überweisungen zwischen den Geschäftsbanken sehr asymmetrisch verteilt sein, werden die Salden, die man ausgleichen muss, sehr groß werden. Der Reservebedarf hängt daher von der Varianz der Überweisungen zwischen den Banken ab. Ist dieser im Vergleich zum Bestand im Interbankenmarkt hoch, wird die Kreditvergabe zwischen den Banken stark ansteigen müssen, wenn keine Bank zusätzliche Reserven von der Zentralbank leihen will. Da bei steigender Kreditvergabe auch das Risiko steigt, dass diese nicht zurückgezahlt werden können, und das Vertrauen gegenüber den Banken sinkt, die sich viele Reserven borgen, werden sich die Geschäftsbanken dieses Risiko über einen höheren Zinssatz bezahlen lassen. Weil Reserven knapp sind, steigt der Preis für Kredite im Interbankenmarkt.
Da Banken sich zudem jederzeit Reserven gegen Vorlage von genügenden Sicherheiten ausreichender Bonität zum Spitzenrefinanzierungszinssatz bei der Zentralbank leihen können, bildet dieser die Obergrenze für den Zinssatz im Interbankenmarkt. Keine Bank würde sich Reserven im Interbankenmarkt leihen, wenn sie diese bei der Zentralbank günstiger bekommen würde. Aus den selben Gründen bildet der Einlagezinssatz die Untergrenze für Kredite auf dem Interbankenmarkt, weil keine Bank einen Reserveüberschuss zu einem geringeren Zins verleihen würde als ihr die EZB bietet.
Die Zinssätze für Spitzenrefinanzierungs- und Einlagefazilität bilden daher einen Korridor für den Zins im Interbankenmarkt. Abbildung 13 verdeutlicht dies und zeigt die Entwicklung der drei Zinssätze sowie den Tagesgeldzinssatz im Interbankenmarkt. Letzerer wird durch den sogenannten Euro Overnight Index Average (EONIA) dargestellt. Dieser Zinssatz ist ein berechneter Durchschnittssatz, der auf Basis tatsächlicher Kredite im Übernachtgeschäft von 30 Banken ermittelt wird.3 Wie wir sehen, liegt der Hauptrefinanzierungssatz der EZB zwischen Spitzenrefinanzierungs- und Einlagezinssatz. Der Tagesgeldzins (auf dem Interbankenmarkt) liegt ebenfalls zwischen diesen beiden Sätzen und schwankt um den Hauptrefinanzierungszinssatz. Da die EZB in ihren wöchentlichen Hauptrefinanzierungsgeschäften den Banken Geld zum Hauptrefinanzierungszinssatz leiht, ist es nicht verwunderlich, dass der Interbankenzins sich in der Nähe dieses Zinssatzes bewegt.
Abbildung 13: Zinssätze am Interbankenmarkt
Sollten Reserven im Interbankenmarkt knapp sein, werden Banken die Zinsen für Übernachtkredite verteuern. Weil die Zentralbank aber eine Zinssteuerung verfolgt und der Tagesgeldzinssatz nun von ihrer Zielrate abweicht, wird die EZB zusätzliche Reserven in den privaten Bankensektor bringen wollen, damit der Zinssatz wieder auf das gewünschte Niveau sinkt. Die Zentralbank könnte dies zum Beispiel erreichen, indem sie die Zuteilung der Reserven in ihren Tenderverfahren entsprechend erhöht. Da sich Banken mit negativem Saldo nun wieder Reserven zum günstigeren Zins bei der EZB leihen können, wird die Reservemenge im Interbankenmarkt ansteigen, die Anzahl der Kredite zwischen den Banken auf dem Interbankenmarkt zurück gehen und die Banken werden ihre Zinsen für Übernachtkredite wieder senken.
Wir sehen, dass die EZB nach Ausbruch der Finanzkrise in 2008 begonnen hat, alle drei Zinssätze zu senken, um Kredite günstiger zu machen und so die Investitionen anzuregen. Aber wieso fällt der Interbankenzins zu dieser Zeit auf die untere Grenze des Einlagenzinssatzes? Banken bekamen Angst, dass ihre Geschäftspartner aufgrund der Finanzkrise die Übernachtkredite nicht mehr zurückzahlen würden und haben ihre Überschussreserven lieber auf dem Konto der Zentralbank zum Einlagezins geparkt. Damit Banken nicht in Liquiditätsprobleme kommen, hat die EZB dann in sehr großen Mengen Reserven in den Interbankenmarkt gebracht, um eine Liquiditätskrise zu verhindern und die Stabilität des Bankensystems zu sichern. Seit der Finanzkrise werden Mengentender mit voller Zuteilung verwendet. Das bedeutet, dass Banken sich wöchentlich unbegrenzt Reserven zum Hauptrefinanzierungszinssatz leihen können. Dies haben Banken seit der Finanzkrise vielfach genutzt. Um den Interbankenmarkt zu umgehen, leiht man sich die Reserven von der Zentralbank, die man dann als Vorrat auf den Reservekonten hält. Die Zentralbank hat so zeitweise den Interbankenmarkt ersetzt und der Reserveüberschuss hat den Tagesgeldzinssatz an die Untergrenze gedrückt. Dies ist besonders deutlich, nachdem in 2011/12 die Zentralbank mit längerfristigen Refinanzierungsgeschäften im großen Volumen die Liquidität im Bankensektor erhöht hat. Da Reserven nun im Überfluss vorhanden sind, sinkt der Preis für Reserven auf den Einlagezins.
Seit dem 11. Juni 2014 ist die Einlagefazilität negativ und der Hauptrefinanzierungssatz beträgt seit dem 16. März 2016 Null Prozent. Banken können sich also unbegrenzt mit Liquidität versorgen, ohne dafür einen Zins zahlen zu müssen, sie zahlen aber eine Art Strafe, wenn sie überschüssige Reserven horten. Mit dieser Maßnahme versucht die EZB zuallererst, den Zinssatz langfristiger Wertpapiere zu drücken, um langfristige Investitionen attraktiver zu machen. Die Argumentation, Banken würden hierdurch mehr Kredite vergeben, weil sie andernfalls einen Strafzins auf Reserven zahlen müssen, ist hingegen fragwürdig. Zur Kreditvergabe braucht es ja auch einen willigen und kreditwürdigen Kreditnehmer. Die höheren Kosten der Banken könnten auch zu steigenden Zinsen führen, die sogar einen negativen Effekt auf die Kreditnachfrage hätten.
Wettbewerb im Bankensektor, Kreditgewährung im Gleichschritt und die Nachfrage nach Ersparnissen
Eine offensichtliche Frage, die sich nach dem vorangegangenen Abschnitt stellt, ist die Frage nach der Beschränkung der Kreditschöpfung im privaten Bankensektor. Banken können jederzeit über Nacht unbegrenzt Reserven bekommen und die Zentralbank interveniert, sobald der Zins von ihrem Zielwert abweicht. Wenn selbst die Mindestreserve offensichtlich keinen besonders disziplinierenden Einfluss auf die Kreditvergabe hat, könnte man geneigt sein zu glauben, dass Banken immerfort Kredite im Überfluss schaffen werden. Zunächst einmal sei daran erinnert, dass eine Bank nur in dem Umfang Reserven von der Zentralbank leihen kann, wie sie Sicherheiten ausreichender Bonität vorweisen kann. Banken, die einen großen Teil schlechter Kredite in ihren Bilanzen haben, können sich eben nicht mehr problemlos bei der Zentralbank mit Reserven versorgen. Zudem muss auch eine Nachfrage nach Krediten vorhanden sein, um sie zu schöpfen.
Schauen wir uns noch einmal ein Beispiel an. Eine Bank schöpft einen Kredit von 100 €, der von einem Unternehmen zur Begleichung einer Rechnung auf das Konto einer anderen Bank überwiesen wird. Die Bank hat sich bereits über die Offenmarktoperationen der Zentralbank mit Reserven zum aktuell gültigen Zinssatz von 1 % versorgt. Welchen Zins sollte die Geschäftsbank für den Kredit wählen? Bei der Kreditvergabe entstehen in gleicher Höhe zu verzinsende Einlagen. Zudem muss die Bank für die Reserven, die zur Überweisung der geschöpften Einlagen notwendig wären, 1 % als Zins zahlen. Sie wird daher einen höheren Zins verlangen, um keine Verluste zu machen, wenn der Kunde seine Einlagen verwendet. Die Differenz zwischen dem Kreditzins der Geschäftsbank und dem Zins für Kredite der Zentralbank (bzw. auf die Einlagen der Kunden) beeinflusst die Gewinnspanne der Bank. Da Banken in Konkurrenz zueinander stehen, kann die Bank aber auch keine allzu hohen Zinsen nehmen, weil der Kunde ansonsten den Kredit ggf. bei einer anderen Bank nimmt und ihr der Gewinn vollständig abhanden kommt. Nehmen wir an, die Bank verlangt einen Aufschlag von 2 %, um ihre Kosten zu decken und einen hinreichenden Gewinn zu erzielen, der das Einkommen der Mitarbeiter und Anteilseigner darstellt. Der Kreditzins beträgt dann 3 %.4
Was wird nun passieren, wenn die Zentralbank ihren Leitzins anhebt, sagen wir auf 5 %? Wenn die Kredite bei der Zentralbank auslaufen, müssen die Geschäftsbanken selbige erneuern oder sich Liquidität im Interbankenmarkt leihen, solange sich die Positionen auf der Aktivseite ihrer Bilanz nicht ändern. Die Zentralbank steuert aber den Interbankenzins und wird mit ihren geldpolitischen Instrumenten dem Bankensektor gerade soviel Reserven entzogen haben, dass dieser nun ebenfalls 5 % entspricht. Die Bank wird für den Kredit jetzt mehr als 5 % nehmen müssen, um weiterhin einen Gewinn zu erwirtschaften. Legen wir wieder die 2 % Gewinnaufschlag zu Grunde, so beträgt der Kreditzins nun 7 %. Vermutlich wird dies dazu führen, dass die Nachfrage nach Krediten zurückgeht. Wenn die Banken aber keine Interessenten für Kredite mehr finden, können sie auch keine zusätzlichen Kredite schöpfen. Durch die Zinssteuerung beeinflusst die Zentralbank also die Kreditnachfrage und somit auch das Kreditangebot.
Ein weiterer disziplinierender Faktor ist die Tatsache, dass mit zunehmender Kreditvergabe das Risiko eines Kreditausfalls steigt. Eine Bank weiß, dass grundsätzlich ein Teil ihrer Kredite nicht zurückbezahlt wird, und berücksichtigt dies in ihrem Gewinnaufschlag. Wenn dieser Anteil bei höherer Kreditmenge steigt, muss auch der Gewinnaufschlag steigen, wenn die Bank ihren Gewinn halten möchte. Ein solcher Anstieg wird sich ebenfalls negativ auf die Kreditnachfrage auswirken. Daher wird die Bank ihre Kreditvergabe nicht unbedacht ausweiten.
Die Konkurrenz im Bankensektor hat einen weiteren disziplinierenden Effekt. Sollte eine einzelne Bank nämlich deutlich mehr Kredite vergeben als andere, so braucht diese Bank in der Regel auch mehr Reserven. Die Kredite werden vermutlich verwendet, um Rechnungen von Geschäftspartnern mit Konten bei anderen Banken zu begleichen. Wenn eine Bank mehr Kredite schöpft als andere, ist zu erwarten, dass sie mehr Überweisungen zu anderen Banken tätigt als sie von anderen Banken erhält. Da diese Bank sich nun mehr Reserven leihen muss, sind ihre Zinskosten höher als die der Konkurrenten. Die Bank müsste dies bei ihrer Kreditvergabe berücksichtigen und einen höheren Gewinnaufschlag verlangen als andere. Dies wird sogar noch verstärkt, wenn die höhere Kreditvergabe für sich genommen schon zu einem Risikoaufschlag führt. Der Wettbewerbsnachteil gegenüber den Konkurrenten, der hierdurch entsteht, ist selbstverständlich nicht im Interesse der Bank. Bei Refinanzierung über den Interbankenmarkt würden zudem die Kosten der anderen Banken sinken, da sie über Kredite an diese Bank zusätzliche Zinseinnahmen erzielen.
Es entsteht durch den Wettbewerb also ein gewisser Anreiz, Kredite im ähnlichen Umfang zu schöpfen. Man nennt dies auch eine Kreditschöpfung im Gleichschritt. Aus Tabelle 4 konnten wir entnehmen, dass es keinen vorher festgelegten Zusammenhang zwischen Reserven und Einlagenmenge gibt. Der Bedarf nach Reserven richtet sich vielmehr danach, wie unterschiedlich die Zu- und Abflüsse der Einlagen sind, also an den auszugleichenden Salden. Sollten alle Banken gleichzeitig gleich viel Kredit schöpfen und die Kunden der Banken in exakt gleicher Höhe Überweisungen auf Konten anderer Banken tätigen wie von Kunden anderer Banken Überweisungen eingehen, so entstehen keine Salden und somit auch kein Bedarf nach zusätzlichen Reserven. Lediglich eine ggf. vorgegebene Mindestreserve würde einen zusätzlichen Bedarf erzeugen. Da Mindestreservesätze sich aber im unteren Prozentbereich bewegen (oder bereits ganz abgeschafft wurden), ist dieser gering.
Ein völliger Gleichschritt ist natürlich höchst unwahrscheinlich. Wenn während einer Spekulationsblase aber alle Banken dazu neigen, ihre Kreditvergabe auszuweiten, weil die Ansichten überoptimistisch sind, können die auszugleichenden Salden und damit der zusätzliche Reservebedarf trotz immenser Kreditausweitung sehr gering sein. Eine Zinserhöhung der Zentralbank hat in diesem Fall nur eine schwache Auswirkung, weil nur wenige Reserven benötigt werden und die Mindestreserve von vielen Zentralbanken ja sogar noch zum Hauptrefinanzierungszinssatz verzinst wird.5
Die bisherigen Ausführungen haben alle gezeigt, dass Ersparnisse aus dem Privatsektor bei der Kreditschöpfung überhaupt keine Rolle spielen. Warum wollen Banken dann überhaupt Ersparnisse, wenn diese nicht weiterverliehen werden können?6 Banken versuchen zum Teil mit Lockangeboten wie Gutscheinen oder Bargeld Kunden von anderen Banken abzuwerben. Wozu der Aufwand, wenn man Ersparnisse gar nicht benötigt?
Der Grund ist ganz einfach: Werden Konten einer Bank aufgelöst und bei einer anderen Bank eröffnet, müssen die Einlagen überwiesen werden. Dies kann eine Bank in Schwierigkeiten bringen, wenn sie nicht genügend Reserven hat, um ggf. einen Saldo auszugleichen. Zudem würden bei der Überweisung die Reserven auf dem Zentralbankkonto der Empfängerbank erhöht werden. Anstatt zusätzliche Reserven bei der Zentralbank zum Hauptrefinanzierungszinssatz zu leihen, bekommt man so zusätzliche Reserven zum geringeren Zins für Kundeneinlagen. Eine Bank, die Kundeneinlagen von anderen Banken abwirbt, erlangt also einen Vorteil gegenüber den anderen Banken. Da Banken in Konkurrenz zueinander stehen, werden alle Banken versuchen, einen möglichst großen Vorteil gegenüber den anderen zu erlangen.
MERKE
Die Versorgung des privaten Bankensystems mit Reserven erfolgt über Offenmarktgeschäfte (Initiative geht von der Zentralbank aus) oder ständige Fazilitäten (Initiative geht von der Geschäftsbank aus).
Geschäftsbanken können sich (gegen die Vorlage einer Sicherheit ausreichender Bonität) jederzeit Reserven über Nacht bei der Zentralbank leihen.
Die Mindestreserve spielt eine untergeordnete Rolle und liegt in vielen Ländern derzeit bei Null Prozent.
Der Hauptrefinanzierungszinssatz (Leitzins) ist der Zinssatz für die wöchentlichen Offenmarktgeschäfte der Zentralbank.
Die Zinssätze der Zentralbank für Spitzenrefinanzierungs- und Einlagefazilität bilden einen Korridor für den Zinssatz im Interbankenmarkt.
Übungsaufgaben/Quizzes
Literatur
DE GRAUWE, P. (2012). Economics of Monetary Union, Oxford University Press.↵
EHNTS, D. (2016). Geld und Kredit – eine €-päische Perspektive, Metropolis, 2nd ed.↵
Ein modernes zwei-stufiges Geldsystem besteht aus Geschäftsbanken, die Buchgeld schöpfen können, und einer Zentralbank, die Reserven schöpfen kann. Nicht-Ökonomen unterliegen häufig der falschen Vorstellung, ein solches System hätte man zunächst gedanklich entwickelt und dann umgesetzt. In Wirklichkeit ist es aber so, dass sich dieses System zunächst entwickelt hat, bevor man begonnen hat, selbiges zu analysieren und zu verstehen. Nach den schlechten Erfahrungen mit einem rein privaten Geldsystem, in dem jede Geschäftsbank ihre eigenen Banknoten ausgibt, von denen niemand im Vorfeld sagen kann, in welchem Tauschverhältnis man die Noten einer Bank mit denen einer anderen tauschen sollte, entstanden im 18. Jahrhundert die ersten Zentralbanken. Zentralbanken sind so was wie die Banken der Geschäftsbanken, da sie diese mit Zentralbankreserven versorgen. Diese Reserven werden von Geschäftsbanken vor allem deswegen benötigt, um den Zahlungsausgleich zwischen unterschiedlichen Geschäftsbanken zu bewerkstelligen. Wie der Zusammenhang zwischen Zentral- und Geschäftsbanken im Detail aussieht, wird Bestandteil dieses Abschnitts sein. Eine ausführlichere Abhandlung, die sich für Einsteiger eignet, findet sich zudem in dem Buch von Dirk Ehnts (2016).
Über die Entwicklung moderner Zentralbankpolitik
Die Theorie moderner Zentralbankpolitik geht auf die Werke von Thornton (1802), Bagehot (1898) und Wicksell (1898) zurück. Ulrich Bindseil, Generaldirektor für Marktgeschäfte der Europäischen Zentralbank (EZB), beschreibt in Bindseil (2014) die Entwicklung der Geldpolitik seit dem 19. Jahrhundert. Entgegen der weit verbreiteten Meinung, eine Zentralbank würde die Geldmenge bestimmen, haben bereits vor 1914 Zentralbanken den Zins und nicht die Geldmenge gesteuert. Da Geschäftsbanken Giralgeld bei einer Kreditvergabe aus dem Nichts schöpfen und die Menge an Einlagen durch die Nachfrage nach Krediten bestimmt wird, kann die Zentralbank eine vollständige Kontrolle der Geldmenge in einem modernen Geldsystem auch gar nicht durchsetzen.
In der Zeit nach 1914 wurde die Geldpolitik der meisten Zentralbanken dennoch offiziell als Geldmengensteuerung bezeichnet und von der sogenannten „Reserve Position Doctrine“ geprägt. Diese ging im Sinne der Monetaristen, einer ökonomischen Denkschule, davon aus, dass Inflation immer als ein monetäres Phänomen zu begreifen sei. Um die Inflation zu kontrollieren, bedürfe es daher einer Steuerung des Zentralbankgeldes (der sogenannte Reserven). Würde man aber tatsächlich die Geldmenge steuern, würde dies zu stark schwankenden Zinssätzen führen, wie wir im Abschnitt zum Interbankenmarkt noch lernen werden. Dies wäre für das Investitionsklima einer Volkswirtschaft fatal, weil Unternehmen unter diesen Umständen nicht einmal in der Lage wären, einzuschätzen, wie hoch die Kosten für eine Kreditaufnahme in der nahen Zukunft seien werden. Aus diesen Gründen haben Zentralbanken ihre Vorgaben für die Entwicklung der Geldmenge i.d.R. auch verfehlt. Heutzutage hat sich die Zinssteuerung auch offiziell durchgesetzt: Eine Zentralbank glättet den Zins im sogenannten Interbankenmarkt und stellt jederzeit genügend Reserven zur Verfügung, um diesen Zinssatz durchzusetzen.1
Auch der sogenannte Geldschöpfungsmultiplikator, der einen konstanten Zusammenhang zwischen Reserven der Zentralbank und Giralgeld der Geschäftsbanken unterstellt und viele Jahrzehnte lang die Standarddarstellung der Geldschöpfung in nahezu jedem makroökonomischen Lehrbuch repräsentierte, entspricht keiner realistischen Darstellung. Der Geldschöpfungsmultiplikator geht letztlich davon aus, dass Banken zunächst Einlagen oder Reserven benötigen, um einen Kredit zu vergeben. So entstand der Mythos, dass Banken Ersparnisse verleihen würden, ein Ding der Unmöglichkeit, weil die Einlagen ihrer Kunden für eine Bank ja eine Verbindlichkeit darstellen. Banken würden eine Mindestreserve der Einlagen ihrer Kunden halten und den Rest weiter verleihen und so die Giralgeldmenge vervielfachen. Merkwürdigerweise gibt es in vielen Ländern inzwischen gar keine Mindestreserve mehr, so dass nach dieser Theorie die Giralgeldmenge unendlich steigen müsste.
Moderne Zentralbanken steuern den Interbankenzins. Das Angebot der Reserven wird so angepasst, dass der Zinssatz auf dem Interbankenmarkt der Zielvorstellung entspricht. Aufgrund der nach wie vor irreführenden Darstellung des Geldschöpfungsprozesses in nahezu allen makroökonomischen Einführungslehrbüchern, begannen die Zentralbanken selbst mit verstärkter Transparenz und Kommunikation, den Geldschöpfungsprozess korrekt darzustellen. So wundert es auch nicht, dass sowohl die englische Zentralbank, die Bank of England (BoE), als auch die Bundesbank in Berichten zum monetären Transmissionsprozess einen mechanischen Zusammenhang zwischen Giralgeldmenge und Zentralbankgeld abstreiten und die Rolle der Geschäftsbanken bei der Schaffung von Giralgeld betonen: Den Monatsbericht der Bundesbank von April 2017 zu diesem Thema findet man hier, das BoE-Papier hier.2
„(…)rather than banks lending out deposits that are placed with them, the act of lending creates deposits – the reverse of the sequence typically described in textbooks.“
„Anstatt die von den Banken hinterlegten Einlagen auszuleihen, werden durch die Kreditvergabe Einlagen geschaffen – das Gegenteil von dem, was normalerweise in Lehrbüchern beschrieben wird.“McLeay et al. (2014, S.2).
Kredite, Einlagen, Reserven und Bargeld: Ein einführendes Beispiel
Woran es liegt, dass der Geldschöpfungsmultiplikator nicht konstant ist und die Zentralbank die Geldbasis nicht kontrollieren kann, soll im Folgenden erklärt werden. Beginnen werden wir mit der Bedeutung von Reserven. Banken benötigen Reserven aus drei Gründen:
Kunden könnten ihr Geld abheben wollen, um Bargeld zu halten. Daher haben Banken i.d.R. eine gewisse Summe Bargeld in ihrer Filiale. Da Reserven jederzeit bei der Zentralbank in Bargeld umgetauscht werden können, lohnt es sich, zusätzlich einen gewissen Bestand Reserven zu halten, um plötzliche unerwartet hohe Bargeldwünsche der Kunden bedienen zu können.
Banken sind verpflichtet, eine Mindestreserve in Abhängigkeit ihrer Einlagen in Form von Zentralbankgeld zu halten. Dies soll verhindern, dass bei hohen Bargeldabflüssen ein Geldinstitut sofort in Liquiditätsengpässe gerät.
Banken benötigen Reserven für den Zahlungsausgleich mit anderen Geschäftsbanken. Bei der Überweisung von einer Bank zu einer anderen müssen im Prinzip auch Reserven in Höhe der Überweisung „mitgeliefert“ werden. Durch die Vielzahl von Überweisungen zwischen Banken wird zu Geschäftsschluss aber immer nur ein kleiner Teil der gesamten Überweisungssumme wirklich benötigt. Das System zwischen Zentralbanken und Geschäftsbanken gleicht einem „Clearing-House“, welches den Zahlungsverkehr zwischen den vielen verschiedenen Geschäftsbanken vereinfacht (mehr hierzu im nächsten Abschnitt).
Von diesen drei Gründen ist der erste quantitativ so unbedeutend, dass wir im Folgenden nur beiläufig auf ihn eingehen werden. In der Fundierung des Bankenmultiplikators spielt die Mindestreserve eine derart wichtige Rolle, dass man geneigt ist, zu glauben, dies sei das wichtigste Instrument der Zentralbank, um die Geschäftsbanken von einer übermäßigen Kreditvergabe abzuhalten. Schließlich kann eine Bank nur Kredite vergeben, sofern die Zentralbank ihr Reserven in ausreichender Höhe zur Verfügung stellt. Wie erklärt man sich dann aber, dass in einigen Ländern (Schweden, UK, Neuseeland) die Mindestreserve derzeit Null Prozent beträgt? Müssten Banken gemäß der Theorie des Geldmultiplikators dann nicht eine unendliche Kreditmenge schöpfen? Tatsächlich stellt die gesetzlich vorgeschriebene Eigenkapitalquote eine wirksamere Begrenzung der Kreditvergabe dar, auch wenn sie ebenfalls nicht als Allheilmittel angesehen werden kann. Die Mindestreserve hingegen ist von untergeordneter Bedeutung, da Banken sich jederzeit über Nacht Reserven von der Zentralbank leihen können, sofern sie über genügende Sicherheiten in Form von z.B. Wertpapieren verfügen. Der bedeutendste Grund dafür, dass Banken Reserven brauchen, ist der Zahlungsausgleich zwischen Banken im Interbankenmarkt.
Bevor wir auf die Details der geldpolitischen Operationen der Zentralbank zu sprechen kommen, soll zunächst veranschaulicht werden, wie Kredit, Einlagen, Reserven und Bargeld entstehen. Wir verzichten aus didaktischen Gründen auf die Berücksichtigung von Mindestreserven, Zinsen und allem anderen, was einem leichten Einstieg im Wege steht. Zudem verzichten wir auf eine Währungseinheit wie € oder $ in den Bilanzdarstellungen, um diese kompakt zu halten. Nehmen wir an, eine Bank will einen Kredit an ein Unternehmen vergeben. Hierzu schreibt die Bank dem Unternehmer die Kreditsumme von 100 € als Einlagen auf seinem Unternehmerkonto gut. Die Einlagen werden durch die Eingabe der Kreditsumme in die Bilanzen der Geschäftsbank aus dem Nichts geschaffen. Die Bilanzen von Bank und Unternehmen sehen dann wie folgt aus:
Eine seriös geführte Bank wird im Vorfeld natürlich die Kreditwürdigkeit des Unternehmens geprüft haben. Banken sind profitorientierte Unternehmen und erleiden Verluste, wenn Kredite nicht zurückgezahlt werden. Sie haben daher kein Interesse, Kredite im Überfluss zu schöpfen. Sollte das Unternehmen den Kredit verwenden, um eine Rechnung bei einer anderen Bank zu begleichen oder das Geld in Bar abheben, benötigt die Geschäftsbank Reserven, um diese Transaktionen durchzuführen. Nehmen wir an, das Unternehmen möchte die Hälfte der Sichteinlagen in Bar abheben. Sollte die Geschäftsbank nicht genügend Bargeld vorrätig haben, muss sie nun Reserven bei der Zentralbank in Bargeld umtauschen. In unserem Beispiel hat die Geschäftsbank aber zunächst gar keine Reserven, die sie in Bargeld umtauschen könnte. Sie muss also zunächst einen Kredit bei der Zentralbank aufnehmen. Nehmen wir an, die Bank leiht sich Reserven im Wert von 100 €, um einen Vorrat anzulegen:
Um einen Kredit zu bekommen, muss die Geschäftsbank eine Sicherheit hinterlegen. Dies könnte in unserem Beispiel der Kredit an das Unternehmen sein, ein Wertpapier oder eine vergleichbare Forderung. Vergleichbar mit der Giralgeldschöpfung im Geschäftsbanksektor schafft die Zentralbank durch eine doppelte Buchung in ihren Bilanzen die notwendigen Reserven aus dem Nichts. Reserven sind daher eine rein virtuelle Größe. Die Banken halten zur Erfassung ihrer Reservenguthaben ein virtuelles Konto bei der Zentralbank. Die Reserven stellen quasi die Einlagen der Banken auf diesem Konto dar. Die Zentralbank ist somit die Bank der Geschäftbanken. Die Zentralbank vergibt einen Kredit, der aus ihrer Sicht eine Forderung gegen die Bank darstellt. Die Reserven, die sie der Bank dafür gutschreibt, stellen aus Sicht der Zentralbank Verbindlichkeiten dar. Die Bank kann die Reserven nämlich zur Begleichung ihres Kredites verwenden (oder in Bargeld ausbezahlen lassen). Aus Sicht der Bank ist es genau umgekehrt: Der Kredit ist eine Verbindlichkeit gegenüber der Zentralbank und die Reserven sind Guthaben in Form einer Forderung gegenüber der Zentralbank. Die Forderung besteht wiederum darin, dass die Bank die Reserven bei der Zentralbank zur Begleichung ihres Kredites verwenden (oder jederzeit in Bargeld umtauschen) kann.
Nehmen wir nun an, die Bank möchte einen Teil der Reserven in Bargeld tauschen. Hierzu wird ein spezialisiertes Transportunternehmen beauftragt, Bargeld von einer Zentralbankfiliale in die Geschäftsbank zu liefern. Gleichzeitig werden die Reservegutschriften auf dem Zentralbankkonto der Geschäftsbank um diesen Betrag vermindert.3 Da das Bargeld jederzeit auch wieder in Reserven umgetauscht werden kann, stellt es weiterhin aus Sicht der Bank eine Forderung und aus Sicht der Zentralbank eine Verbindlichkeit dar. Die Gesamtsumme auf der Passivseite der Zentralbank, die das gesamte Zentralbankgeld repräsentiert, setzt sich nun also aus den Reserven der Bank und dem vorhandenen Bargeld zusammen:
Wenn in unserem Beispiel das Unternehmen seine Einlagen abhebt, werden die Einlagen in Bargeld umgetauscht. Aus Sicht des Unternehmens ist dies ein reiner Aktivtausch, weil sich lediglich die Zusammensetzung der Aktiva ändert. In der Bilanz der Bank kommt es durch die Abhebung zu einer Bilanzverkürzung, da sich sowohl die Forderungen als auch die Verbindlichkeiten verringern. Dies ist in den folgenden Bilanzen dargestellt:
Nun hält das Unternehmen eine Forderung gegenüber der Zentralbank in Form von Bargeld. In Zeiten des Goldstandards bedeutete dies, dass man das Geld jederzeit zu einem festgelegten Kurs in Goldmünzen tauschen konnte. Da Geld inzwischen aber durch nichts mehr gedeckt ist, besteht die Forderung nur noch aus dem Versprechen, einen Geldschein im Wert von 100 € gegen einen Geldschein im Wert von 100 € zu tauschen. Da es sich beim Bargeld aber um das gesetzlich akzeptierte Zahlungsmittel handelt, kann man mit ihm Rechnungen für Waren und Dienstleistungen im entsprechendem Wert begleichen. Es handelt sich um einen Schuldschein der Zentralbank, den man im täglichen Zahlungsverkehr im Austausch gegen Waren und Dienstleistungen herumreichen kann.4
Sollte das Unternehmen das Bargeld wieder einzahlen, um einen Teil seines Kredites zu tilgen, werden zunächst seine Einlagen bei der Bank um 50 € steigen und bei der Rückzahlung vernichtet werden:
So wie im Geschäftsbanksektor bei Rückzahlung des Kredites das Giralgeld (die Einlagen) wieder verschwindet, so verschwinden auch die Reserven bei Rückzahlung des Zentralbankkredites:
Auch wenn es sich um ein sehr einfaches Beispiel handelt, so kann man bereits einige Eigenschaften kreditbasierter Geldsysteme klar erkennen: Kredite schaffen Einlagen und Kreditrückzahlung vernichtet Einlagen. Zudem ist eine Ersparnis für die Vergabe eines Kredites nicht notwendig. Die Einlagen werden bei der Kreditvergabe durch die doppelte Buchführung automatisch erzeugt. Auch bei Einführung einer Mindestreserve bräuchte die Bank im Vorfeld keine Ersparnisse privater Haushalte, sondern müsste sich ggf. im Nachhinein fehlende Reserven bei der Zentralbank borgen. Bei Vorlage ausreichender Sicherheiten wird eine Zentralbank diese immer zur Verfügung stellen, da andernfalls ein reibungsloser Zahlungsverkehr zwischen Banken nicht mehr gewährleistet wäre. Ob eine Sicherheit gut genug ist, hängt vom Rating der Ratingagenturen ab. Die Mindestanforderungen an das Rating sind während der Finanzkrise deutlich gesenkt worden, da andernfalls der gesamte Bankensektor nicht genügend Sicherheiten ausgewiesen hätte, um sich mit Liquidität zu versorgen.5 Da Banken Reserven für den Zahlungsausgleich mit anderen Banken benötigen, musste die EZB handeln, wenn sie nicht einen Zusammenbruch des gesamten Zahlungsverkehrs riskieren wollte. Diese Entscheidung ist dennoch bis heute umstritten, da einige Ökonomen befürchten, die EZB könnte hohe Verluste erleiden, wenn Banken ihre Kredite nicht zurückzahlen können und die Sicherheiten im Wert verlieren. Andere wiederum sind der Auffassung, dass dies in dieser besonderen Situation unvermeidbar gewesen wäre. Zudem könne eine Zentralbank auch mit einem negativen Saldo in der Bilanz fortbestehen. Schließlich sind Reserven rein virtuell und die Zentralbank ist nicht verpflichtet, den Saldo jemals auszugleichen.
Um keinen falschen Eindruck zu erwecken, soll an dieser Stelle deutlich darauf hingewiesen werden, dass Banken, die keine ausreichenden Sicherheiten mit genügend hoher Bonität vorweisen können, in Liquiditätsengpässe kommen können, da sie keine Reserven mehr bei der Zentralbank bekommen. Eine Zentralbank muss letztlich abwägen, ob eine Senkung der Mindestanforderungen notwendig erscheint, weil der gesamte Bankensektor ansonsten in Gefahr gerät. Sie wird dies aber nicht in Erwägung ziehen bei Liquiditätsproblemen einzelner Banken oder regionaler Bankenkrisen, die nicht das Finanzsystem als Ganzes gefährden. Daher sollte man nicht davon ausgehen, dass eine Bank in einem modernen Geldsystem niemals Pleite gehen könnte, weil ihr immer mit Reserven ausgeholfen wird. Sinkt die Eigenkapitalquote unter die gesetzlich vorgegebene Prozentzahl, weil ein großer Teil der Kredite nicht zurückbezahlt wird und deswegen die Aktivseite der Bankbilanz schrumpft, so muss die Finanzaufsicht die Zahlungsunfähigkeit feststellen. Dies war zum Beispiel am 31. Oktober 2009 bei der isländischen Kaupthing Bank der Fall.
Einführung in den Interbankenmarkt: Das „Clearing System“
Wenn ein Kunde einer Bank einem Kunden einer anderen Bank Geld überweist, dann verliert die eine Bank Einlagen, welche die andere bekommt. Zum Ausgleich der Bilanzen müssen entweder Reserven überwiesen werden oder die Banken gewähren sich gegenseitig einen Kredit. Für Überweisungen von Reserven im Interbankenmarkt besitzt jede Geschäftsbank ein Reservenkonto bei der Zentralbank (die Bankleitzahl ist die Kontonummer der Geschäftsbank bei der Zentralbank). So gesehen sind Reserven Guthaben der Geschäftsbanken auf ihren Konten bei der Zentralbank. Sie sind nichts weiter als Buchungssätze im System zwischen Zentralbank und Geschäftsbankensektor. Die überweisende Bank verzeichnet einen „Abfluss von Reserven“, was nichts weiter bedeutet, als dass die Gutschriften auf ihrem Zentralbankkonto vermindert werden. Die andere Bank verzeichnet einen „Zufluss von Reserven“, was wiederum nichts weiter bedeutet, als dass ihre Gutschriften bei der Zentralbank um den entsprechenden Betrag erhöht werden. Abfluss und Zufluss können den falschen Eindruck erwecken, dass ein physischer Austausch stattfinden würde. In Wirklichkeit werden in den Bilanzen lediglich ein paar Nummern geändert. Wir wollen uns dies an folgendem Beispiel verdeutlichen.
Gehen wir vereinfachend davon aus, dass 2 Kunden ihre Konten bei unterschiedlichen Banken führen, und dort Einlagen in Höhe von 100 bzw. 50 aufweisen. Des Weiteren haben die Banken in exakt gleicher Höhe Reserven auf ihrem Zentralbankkonto, die sie sich zuvor bei der Zentralbank geliehen haben. In der Ausgangssituation könnten die Konten von Kunde 1 und Kunde 2 bei ihren entsprechenden Banken sowie das Zentralbankkonto wie folgt aussehen:6
Nun weist Kunde 1 seine Bank an, eine Überweisung von 50 auf das Konto von Kunde 2 bei Bank 2 zu tätigen. Es werden die Einlagen von Kunde 1 bei Bank 1 reduziert und die von Kunde 2 bei Bank 2 entsprechend erhöht. Damit die Bilanzen wieder ausgeglichen sind, werden auch die Reservenguthaben auf den Zentralbankkonten der Geschäftsbanken entsprechend geändert:
Bank 1 hat in den Bilanzen immer noch einen Kredit der Zentralbank von 100 € stehen, hat aber nur noch 50 € auf ihrem Reservenkonto. Bei Bank 2 ist es umgekehrt. Während eines Geschäftstages werden zwischen unterschiedlichen Banken eine Vielzahl von Überweisungen in beide Richtungen getätigt. Würde man dies bilateral ausgleichen wollen, müsste man eine ebenso große Vielzahl von Umbuchungen auf den Reservekonten der Geschäftsbanken vornehmen. Um dies zu vereinfachen, werden in den Zentralbankkonten lediglich die Salden der Überweisungen umgebucht.
In Tabelle 4 ist dies anhand von 4 Banken dargestellt. Der Eintrag in der i-ten Zeile und j ten Spalte der Tabelle zeigt die Höhe der Überweisung von der Bank aus Zeile i an die Bank aus Spalte j. Bank 2 tätigt zum Beispiel Überweisungen in Höhe von 40 an Bank 3 und erhält Überweisungen in Höhe von 50 von Bank 3. Im Saldo verliert Bank 2 an diesem Geschäftstag Einlagen in Höhe von 15 (letzte Spalte). Die Gutschriften auf dem Reservekonto der Zentralbank werden dementsprechend um 15 vermindert. Für jede Bank ergibt sich so ein Saldo, der dann über das Reservenkonto bei der Zentralbank abgerechnet wird. Bei einem positiven Saldo erhält die Bank den Betrag in Form von zusätzlichen Reserven gutgeschrieben, bei einem negativen Saldo wird der entsprechende Betrag abgezogen. Ohne ein solches Abwicklungskonto müssten alle Banken ihre bilateralen Salden untereinander durch Überweisung von Reserven ausgleichen. Insgesamt wurden in dem Beispiel Überweisungen im Wert von 320 € getätigt, aber nur Reserven im Wert von 30 € umgebucht.
Tabelle 4: Berechnung des Clearing Saldos zwischen 4 Geschäftsbanken
Wir können der Tabelle entnehmen, dass sich die Summe der Salden immer zu Null addieren muss: Der Nettoabfluss einer Bank entspricht in der Summe immer dem Nettozufluss aller anderen Banken. Dies bedeutet nicht, dass diese Überweisungen immer problemlos durchgeführt werden können. Hat Bank 2 beispielsweise keine Reserven in Höhe von 15 auf ihrem Reservenkonto bei der Zentralbank, so muss sie sich die notwendigen Reserven borgen.
Sollte eine Bank nicht genügend Reserven besitzen, um bei Geschäftsschluss einen negativen Saldo auszugleichen, kann sie sich neue Reserven über Nacht von der Zentralbank oder auf dem Interbankenmarkt von einer der Banken mit positiven Saldo leihen. Solche Kredite werden mit einer Laufzeit von wenigen Tagen bis wenigen Monaten vergeben. Aber könnte eine Geschäftsbank nicht einfach einen Kredit schöpfen, um ihre Schuld gegenüber der Zentralbank zu tilgen? Nein. Hier kommt die Trennung zwischen Inside und Outside Money, also Reserven und Giralgeld, zum Tragen. Die Zentralbank akzeptiert zur Bezahlung der Reserveschuld nur das von ihr selbst geschaffene Zentralbankgeld. Geschäftsbanken können aber nur Buchgeld schöpfen und keine Reserven.
Nehmen wir zum Beispiel an, Bank 2 hat gar keine Reserveguthaben mehr. Es gibt nun 2 Möglichkeiten, dieses Problem zu lösen:
Die Bank leiht sich zusätzliche Reserven von der Zentralbank. Hierzu wird von der Zentralbank ein Kredit vergeben und ein Zins verlangt.
Bank 2 könnte von einer Bank mit positiven Saldo (z.B. Bank 4) einen Kredit in Höhe von 15 aufnehmen. Die Zahlung der Reserven im Zusammenhang mit den Überweisungen von Bank 2 an Bank 4 würde dann in Höhe von 15 aufgeschoben werden. Statt zusätzlicher Reserven über einen Kredit bei der ZB entsteht ein Kredit gegenüber Bank 4. Der Saldo von Bank 2 wäre dann ausgeglichen. Sie leiht sich in diesem Fall die fehlenden Reserven von Bank 4 statt von der Zentralbank.
Bei der zweiten Möglichkeit würde Bank 4 natürlich ebenfalls einen Zins verlangen. Dies ist der sogenannte Interbankenzins, zu dem sich Banken untereinander Kredite geben. Im Normalfall wird dies ganz automatisch gemacht. Bevor es zu Umbuchungen auf den Zentralbankkonten kommt, wird zunächst ein Kredit gewährt, damit die Überweisung durchgeführt werden kann. Da zwischen den Geschäftsbanken tagtäglich sehr viele Überweisungen getätigt werden, wird i.d.R. ein Kreditrahmen festgelegt, innerhalb dessen ausstehende Kredite mit dem Interbankenzins verzinst werden.
In dem hier gewählten Beispiel führt die Kreditgewährung zwischen den Banken dazu, dass eine Umbuchung der Reserven nicht mehr stattfindet. Die Reserveguthaben von Bank 2 werden also nicht verändert. Die Kreditvergabe führt implizit dazu, dass eine Bank der anderen Reserven gegen einen Zins leiht. Langfristig werden die Banken sich auf dem Interbankenmarkt Liquidität von anderen Banken oder Fonds etc. besorgen und ggf. längerfristige Kreditbeziehungen eingehen.
Durch Festlegung des Zinses, zu dem man bei der Zentralbank Reserven leihen kann, nimmt die Zentralbank Einfluss auf den Interbankenzins. Keine Bank würde zum Beispiel einen Kredit von einer anderen Bank aufnehmen, wenn sie sich zu einem günstigeren Zins bei der Zentralbank verschulden kann. Umgekehrt würde sich niemand Reserven bei der Zentralbank leihen, wenn der Zins hierfür über dem Zins für Kredite im Interbankenmarkt liegt. Wie die Zentralbank dies im Detail bewerkstelligt und welche Instrumente sie benutzt, um den Zins im Interbankenmarkt zu steuern, wird der nun folgende Abschnitt tiefer behandeln.
MERKE
Wenn sich der Privatsektor bei einer Bank verschuldet, entsteht Giralgeld. Es wird vernichtet, wenn der Privatsektor einen Bankkredit zurückzahlt.
Auf dem Interbankenmarkt können sich Geschäftsbanken (und institutionelle Anleger) kurzfristig gegenseitig Reserven leihen.
Durch das „Clearing“ auf dem Interbankenmarkt müssen lediglich die mulitlateralen Salden ausgeglichen werden und nicht jeder bilaterale Saldo.
Banken können sich auch gegenseitig Kredit gewähren, um die Überweisung von Reserven zu umgehen.
Übungsaufgaben/Quizzes
Literatur
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KALDOR, N. (1982). The Scourge of Monetarism, Oxford: Oxford University Press.↵
LAVOIE, M. (2014). Post-Keynesian Economics – New Foundations, Edward Elgar Publishing.↵
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MOORE, B. (1988). Horizontalists and Verticalists: The Macroeconomics of Credit Money, Cambridge University Press.↵
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WERNER, R. A. (2014). “Can banks individually create money out of nothing? – The theories and the empirical evidence,” International Review of Financial Analysis, 36, 1–19.↵
Im Zusammenhang mit Geld werden Begriffe häufig unpräzise verwendet. Daher mag es vorkommen, dass man zwei völlig unterschiedliche Vorgänge mit dem gleichen Namen versieht. Da dies in Diskussionen offensichtlich zu Missverständnissen führen muss, wird der folgende Abschnitt einige Begrifflichkeiten klären, um dies zu verhindern. Vorweg soll jedoch einmal klar gestellt werden, warum jedem Geldvermögen immer eine exakt gleich hohe Verschuldung gegenüberstehen muss.
Ausgaben sind Einnahmen
Betrachten wir das folgende Aussagenpaar:
„Sparen ist gut. Verschuldung ist schlecht.“
Vermutlich klingt dies für Sie sowohl vertraulich wie auch vernünftig. Aus einzelwirtschaftlicher Haushaltssicht lässt sich auch schwerlich bestreiten, dass eine Verschuldung das Risiko trägt, diese zu einem späteren Zeitpunkt nicht zurückzahlen zu können. Ersparnis im Sinne einer Vermögensbildung bietet hingegen den Schutz vor unvorhergesehenen Ereignissen, die zu unerwarteten Ausgaben führen, wie die Reparatur eines Autos oder einer Waschmaschine. Bei einer gesamtwirtschaftlichen Sichtweise wird jedoch klar, dass beide Ereignisse (Sparen wie Verschuldung) nur gemeinsam auftreten können. Da die Einnahmen des einen immer den Ausgaben des anderen entsprechen, kann es keine Sparer geben, wenn es keine Schuldner gibt.1 Wer Geld spart, gibt weniger aus als er einnimmt. Zwangsläufig müssen nun alle anderen Personen in der Summe mehr ausgeben als sie einnehmen. Selbst dann, wenn man Geld zu Hause unter dem Kopfkissen hortet, gilt, dass der Einnahmeüberschuss nur möglich ist, wenn alle anderen in exakt gleicher Höhe einen Ausgabeüberschuss verzeichnen, in der laufenden Periode also mehr ausgeben als einnehmen. Das Geld, das man unter dem Kopfkissen spart, wurde schließlich dem Kreislauf entzogen und muss irgendwo zu einem Rückgang der Einnahmen führen.
Um Missverständnisse im Keim zu ersticken, verdeutlichen wir uns diesen Zusammenhang anhand eines Beispiels. Betrachten wir eine Beispielökonomie, die aus nur 2 Personen besteht. Person A stellt Nahrungsmittel her und Person B Kleidungsstücke. Nehmen wir an, beide kaufen sich gegenseitig Waren im Wert von 1000 Euro ab. Dann entsprechen die Ausgaben der einen Person gerade den Einnahmen der anderen und beide haben einen ausgeglichenen Budgetsaldo (Einnahmen = Ausgaben). Nehmen wir nun an, Person A möchte Vermögen bilden, indem sie weniger ausgibt als sie einnimmt. Gehen wir davon aus, sie kauft nur noch Waren im Wert von 800 Euro von Person B ab, weil sie 200 Euro sparen möchte. Mit der Ersparnis von Person A sinken nun aber auch die Einnahmen von Person B. Um weiterhin Waren im Wert von 1000 Euro von Person A abzukaufen, müsste sich Person B verschulden. Person A könnte ihr die 200 Euro leihen, die sie nicht ausgegeben hat.
Die Ersparnis (der Vermögensaufbau) von A ist aber nur dann möglich, wenn sich B in der laufenden Periode verschuldet. Angenommen, Person B wäre nicht bereit, sich zu verschulden. Wenn sie ihre Ausgaben reduziert, um sie den gesunkenen Einnahmen anzupassen, kann auch Person A kein Vermögen bilden. Gibt Person B nämlich nur 800 Euro aus, dann sinken wiederum die Einnahmen von Person A und entsprechen wieder ihren Ausgaben. Der Einnahmeüberschuss von A verschwindet, weil B keinen Ausgabeüberschuss zulässt. Unter diesem Umständen ist Person A also gezwungen, ihren Sparplan zu ändern, will sie ihren Ausgabeplan aufrecht erhalten.
Ein Ausgabeüberschuss kann freilich auch aus einem angesparten Vermögen getätigt werden. In diesem Fall würde das Vermögen der entsprechenden Person in der laufenden Periode sinken. Der Einnahmeüberschuss ist dennoch nur möglich, weil es auch einen Ausgabeüberschuss gibt. Zudem kann das angesparte Vermögen nur aus Einnahmeüberschüssen der Vergangenheit entstanden sein. Einem Geldvermögen muss zwangsläufig eine ebenso hohe Verschuldung gegenüberstehen. Man kann also nur dann Ersparnis bilden, im Sinne der Akkumulation von Geldvermögen, solange alle anderen Wirtschaftssubjekte sich in exakt gleicher Höhe verschulden. Der eigenen Forderung muss eine ebenso hohe Verbindlichkeit gegenüberstehen. Lege ich meinen Einnahmeüberschuss z.B. in einen Fonds an, steht meiner Vermögensbildung ein Schuldverhältnis des Fonds gegenüber. Beim Kauf einer Unternehmensanleihe steht meiner Forderung eine Verbindlichkeit des entsprechenden Unternehmens gegenüber, usw. In unserem Beispiel steht der potentiellen Vermögensbildung von Person A eine potentielle Verschuldung der Person B gegenüber (sofern B überhaupt bereit ist, sich zu verschulden und A Ersparnisse bilden zu lassen).
Wenn Sie in ihrem Freundeskreis Eindruck damit schinden möchten, was sie jetzt bereits über Geld gelernt haben, dann bitten Sie diesen doch darum, die Nettoweltverschuldung zu schätzen. Wenn man sich dann mit immer höheren Summen gegenseitig überboten hat, wird man über die korrekte Antwort verblüfft sein. Da Schulden und Vermögen sich global immer zu Null addieren müssen, ist die Nettoverschuldung global natürlich null.2 Die Welt als Ganzes hat ja keinen außerirdischen Sparer, bei dem sie sich verschulden könnte, bzw. keinen außerirdischen Schuldner, der ihr eine Ersparnis ermöglicht.
Reinvermögen, Geldvermögen und Sachvermögen
Das im vorangegangenen Abschnitt behandelte Beispiel eines monetären Kreislaufs hat eines bereits gezeigt: Bei der Schöpfung von Geld wird immer eine Forderung wie auch eine Verbindlichkeit erzeugt. Jedem Geldvermögen steht daher eine Geldverschuldung gleicher Höhe gegenüber. Anders ist es beim Sachvermögen, wie Immobilien, Autos, Fernseher, Möbel etc.. Das gesamte Vermögen setzt sich also aus Geld- und Sachvermögen zusammen und wird häufig als Reinvermögen oder wie im vorangegangenen Abschnitt als Nettovermögen bezeichnet.3
Abbildung 8 zeigt den Zusammenhang zwischen Rein-, Geld- und Sachvermögen. Zum Zahlungsmittelbestand zählt man das Bargeld, welches wir in Form von Scheinen und Münzen in unseren Brieftaschen, unter dem Kopfkissen etc. aufbewahren, sowie das Giralgeld, also der Bestand von Einlagen auf unseren Bankkonten. Nimmt man die sonstigen Geldforderungen hinzu, dies wären die im vorangegangenen Abschnitt erwähnten geldnahen Forderungen und das Quasi-Geld wie eben auch Wertpapiere, usw., ergibt sich das Bruttogeldvermögen. Ziehen wir vom Bruttogeldvermögen die Geldschulden ab, verbleibt das Nettogeldvermögen. Häufig wird auch vereinfacht vom Geldvermögen gesprochen, wenn das Nettogeldvermögen gemeint ist. Das Reinvermögen bzw. Nettovermögen erhält man dann, indem man zum Nettogeldvermögen noch das Sachvermögen hinzuzählt, welches aus allen denkbaren Sachwerten, also langlebigen Gütern besteht. Dies können Kühlschränke, Autos, Immobilien, die heimische Stereoanlage, der Laptop, das Handy usw. sein. Finanzielle Vermögenswerte wie auch das Sachvermögen unterliegen, wie der vorangegangene Abschnitt gezeigt hat, Bewertungsschwankungen, die sich auf das Nettovermögen auswirken.
Abbildung 8: Rein-, Geld- und Sachvermögen
Die bisher genannten Definitionen beziehen sich auf die Bestände in einer Bilanz. Mit ihrer Hilfe lassen sich aber auch Transaktionen präzise benennen. Jede Transaktion, die zu einer Erhöhung des Geldvermögens führt nennt man eine Einnahme, jede Transaktion, die das Geldvermögen verringert eine Ausgabe. Einnahmen sollten nicht mit Einkommen verwechselt werden. So kann man das Geldvermögen auch erhöhen, indem man z.B. seine Stereoanlage verkauft. Hierdurch würde man das Sachvermögen reduzieren und gleichzeitig in exakt gleicher Höhe das Geldvermögen steigern (Aktivtausch). Das Reinvermögen hätte sich in diesem Fall aber nicht verändert. Bekommt man hingegen zum Monatsersten sein Einkommen überwiesen, so erhöht sich der Giralgeldbestand und somit der Zahlungsmittelbestand, das Geldvermögen und auch das Reinvermögen. Sollte man bis zum Monatsende sein Einkommen nicht vollständig ausgeben, so ist das Reinvermögen im Vergleich zum Vormonat gestiegen. Eine Ausgabe sollte man zudem nicht mit Konsum verwechseln. Konsum beschreibt den Verbrauch von Gütern. So wäre der Konsum einer guten Flasche Rotwein eine Verringerung des Sachvermögens, weil der Bestand des Weinkellers verringert wurde. Gleichzeitig findet eine Reduktion des Reinvermögens statt, nicht aber die Reduktion des Geldvermögens, sofern sich die Flasche bereits im Besitz des Trinkers befand.
Einnahmen und Ausgaben muss man zudem von Einzahlungen und Auszahlungen unterscheiden. Eine Einzahlung (Auszahlung) erhöht (vermindert) den Zahlungsmittelbestand. Wird der Kauf einer Aktie z.B. aus dem Bestand von Giralgeld gezahlt, so stellt der Kauf eine Auszahlung, aber keine Ausgabe dar. Es hat sich der Zahlungsmittelbestand verringert, ohne dass sich das Geld- oder das Reinvermögen verändert hat. Während Ein- und Ausgaben also zu einer Veränderung des Geldvermögens führen, bewirken Ein- und Auszahlungen eine Veränderung des Zahlungsmitelbestandes. Des Weiteren sind die genannten Transaktionen zu unterscheiden von den Begriffen Ertrag und Aufwand. Ein Ertrag (Aufwand) erhöht (vermindert) das Nettovermögen, zu dem neben dem Geld- auch das Sachvermögen gehört. Das Reinvermögen eines Unternehmens stellt das Eigenkapital dar. Im Privatsektor würde man statt Ertrag und Aufwand eher von Einkommen und Konsum sprechen. Jede Transaktion, die das Reinvermögen erhöht nennt man privat Einkommen und eine Reduktion des Reinvermögens ist Konsum. Der Zusammenhang zwischen den Strom- und Bestandsgrößen ist in Tabelle 3 aufgeführt.
Tabelle 3: Zusammenhang von Bestands- und Stromgrößen
Der Verkauf eines Fernsehers gegen Bargeld würde bspw. eine Einzahlung sowie eine Einnahme darstellen, weil sich der Zahlungsmittelbestand wie auch das Geldvermögen erhöht, aber keinen Ertrag, weil sich das Reinvermögen nicht ändert. Die Überweisung des Monatsgehalts erhöht den Zahlungsmittelbestand wie auch Geld- und Reinvermögen, wäre also eine Einzahlung, eine Einnahme und ein Ertrag. Die Bezahlung eines Kinobesuchs mit Bargeld wäre eine Auszahlung, eine Ausgabe und ein Aufwand. Führt der Verkauf einer Aktie zu einer Erhöhung der Bankeinlagen, stellt der Vorgang eine Einzahlung, aber keine Einnahme und keinen Ertrag dar, weil die sonstigen Geldforderungen um den gleichen Betrag gesunken ist wie die Zahlungsmittel im Wert gestiegen sind. Im allgemeinen Sprachgebrauch werden Einnahme, Einzahlung und Ertrag (Einkommen) häufig gleich gesetzt. Es ist offensichtlich von enormer Bedeutung, die in diesem Abschnitt eingeführten Begriffe präzise zu verwenden, um Missverständnisse zu vermeiden.
Aber wie entsteht überhaupt Sachvermögen? Nehmen wir an, eine Privatperson nimmt einen Kredit in Höhe von 500.000 € auf. Die Bilanzen von Kreditnehmer und Bank (in Tsd. €) sehen wie folgt aus:
Nun beauftragt sie ein Bauunternehmen damit, ihr ein Haus im Wert von 500.000 € zu bauen. Hierzu überweist die Person dem Unternehmen das Geld:
Die Privatperson besitzt nun eine Forderung (in Form eines Vertrages) gegenüber dem Bauunternehmen, welche die Lieferung einer Immobilie im Wert von 500.000 € beinhaltet. Das Unternehmen wird nun Material und Arbeitskraft aus dem Privatsektor abkaufen, um den Auftrag zu erfüllen. Da das Unternehmen einen Gewinn erwirtschaften möchte, gehen wir davon aus, dass die Ausgaben des Unternehmens sich lediglich auf 450.000 € belaufen:4
Zu guter Letzt erfüllt der Bauunternehmer die vertragliche Vereinbarung und überschreibt die Immobilie im Wert von 500.000 € der Privatperson:
Bisher ist die Person nicht vermögender geworden, denn dem Wert des Hauses steht eine Verbindlichkeit gleicher Höhe in Form des Kredites gegenüber. Dennoch ist in der gesamten Beispiel-Ökonomie ein Nettovermögen in Wert von 500.000 € entstanden, weil ein Sachwert dieser Höhe geschaffen wurde. Dieses Nettovermögen befindet sich derzeit in den Händen des Unternehmens sowie in den Händen des restlichen Privatsektors, nämlich der Arbeitnehmer und Zulieferer, die an dem Bauprojekt mitverdient haben. Aggregiert man alle Einzelbilanzen zu einer gesamtwirtschaftlichen und konsolidiert dabei Geldforderungen und -verbindlichkeiten, bleibt lediglich das Sachvermögen als Identität des Nettovermögens übrig. Nur durch die Schaffung des Sachwertes war es möglich, das Reinvermögen zu erhöhen. Daher sind Investitionen in Sachvermögen auch so bedeutsam für eine Volkswirtschaft. Sie stellen das tatsächliche vorhandene Vermögen in Form von Straßen, Gebäuden, Autos, Schiffen etc. dar.
Wie kann die Privatperson nun aber den Kredit tilgen? Wie wir gesehen haben ist im Privatsektor Einkommen entstanden, welches zusätzlicher Kaufkraft entspricht. Geben die Haushalte ihr Einkommen aus, wird dies auch dem Hauskäufer zu Gute kommen, da auch seine Arbeitsleistung gefragt sein wird, sofern alles gut verläuft und keine Wirtschaftskrise zur Hortung von Geldvermögen führt. Das Einkommen, welches er mit dem Verkauf seiner Arbeitskraft erzielt, wird wiederum ausgegeben und Einkommen bei anderen Personen erzeugen. So zirkuliert das geschaffene Geld im Wirtschaftskreislauf und der Hauskäufer kann aus seinem zukünftigen Einkommen jeden Monat einen Teil seines Kredites zurückzahlen, bis dieser völlig getilgt ist und das Geld bei Rückzahlung wieder vernichtet wird:
Dieser Zusammenhang zwischen Ersparnis, Geld- und Sachvermögensbildung wird auch den Kern des folgenden Abschnitts bilden.
Gesamtwirtschaftliche Vermögensbildung ist Sachvermögensbildung
Wie das vorangegangene Beispiel gezeigt hat, bleibt nach Konsolidierung aller Einzelbilanzen lediglich die Sachvermögensbildung als gesamtwirtschaftliche Vermögensbildung übrig. Eine Volkswirtschaft ohne Außenhandel kann offensichtlich kein Geldvermögen anhäufen, da jeder Geldvermögensbildung gleichzeitig eine neue Verschuldung gegenübersteht. Sachvermögensbildung bezeichnet man volkswirtschaftlich auch als Investition. Demnach muss auf gesamtwirtschaftlicher Ebene die Ersparnis (Vermögensbildung) gerade den Investitionen entsprechen. Viele schließen hieraus vorschnell, dass Ersparnisse Investitionen finanzieren und deswegen identisch sein müssten. Dies ist aber zu kurz gedacht, wie wir im Folgenden sehen werden.
Die Vorstellung, dass Ersparnisse Investitionen finanzieren, liegt vielfach nämlich daran, dass Ersparnis im volkswirtschaftlichem Sinne nicht dem entspricht, wofür man diesen Ausdruck im allgemeinen Sprachgebrauch verwendet. Vielleicht wäre es sinnvoll, den Begriff der Ersparnis aus dem volkswirtschaftlichen Vokabular zu streichen und statt dessen den präziseren Begriff der Vermögensbildung zu verwenden, den man sogar noch stärker präzisieren kann, indem man zwischen Geld- und Sachvermögensbildung unterscheidet. Dass volkswirtschaftlich Ersparnis und Investition identisch sein müssen, kann man, wie gesehen, relativ einfach mit den im vorangegangenen Abschnitt eingeführten Begriffen nachweisen.
Vergleichbar mit dem Begriff „Konsum“ wird auch der Begriff „Ersparnis“ häufig für sehr unterschiedliche Vorgänge verwendet:
Reinvermögensbildung: Die Differenz zwischen Ertrag (Einkommen) und Aufwand (Konsum) der selben Periode.
Geldvermögensbildung: Die Differenz zwischen Einnahmen und Ausgaben der selben Periode. Das Geldvermögen des Einzelnen kann im Gegensatz zum Reinvermögen auch durch
den Verkauf von Sachvermögensgütern gesteigert werden.
Konsumeinschränkung: Verringerung der Konsumausgaben im Vergleich zur Vorperiode.
Diese drei Bedeutungen werden oft gleichgesetzt, können sich, wie wir gesehen haben, aber unterscheiden. Bei steigendem Einkommen, wäre es für einen Haushalt zum Beispiel möglich, sein Rein- und sein Geldvermögen zu erhöhen ohne seinen Konsum einschränken zu müssen, etc. Um ein weiteres Mal zu zeigen, wie wichtig ein richtiger Umgang mit diesen Begriffen sein kann, werden wir ein weiteres Mal zur Vereinfachung von einer geschlossenen Volkswirtschaft ohne staatlichen Sektor ausgehen, um die folgende Argumentation zunächst im Grundsatz zu verstehen. Das bedeutet, dass sich Personen und Unternehmen im Privatsektor gegenseitig Geld leihen können, es aber keine Möglichkeit gibt, dem Staat oder dem Ausland Geld zu leihen (bzw. sich zu borgen). Wir werden im folgenden Abschnitt diese Annahmen dann fallen lassen und die Argumente verallgemeinern.
Für eine Einzelperson gilt, dass sie ihr Geldvermögen erhöht, wenn ihre Einnahmen die Ausgaben übersteigen. Dies ist aber nicht möglich, wenn sich kein anderer verschuldet. Da jeder Forderung eine Verbindlichkeit gegenüberstehen muss, gilt, dass eine Geldvermögensbildung einer Person nur in der Höhe möglich ist, wie alle anderen Personen in der Summe ihr Geldvermögen verringern, sich also verschulden. Für die Gesamtheit gilt, dass sie ihr Geldvermögen nicht verändern kann. Dies ist bei Sachvermögensbildung, also Investitionen (Maschinen, Gebäude, etc.) wie wir gesehen haben anders. Gesamtwirtschaftliche Ersparnis muss daher immer eine Sachvermögensbildung, also eine Investition sein. Eine einzelne Person kann sparen, indem sie Geldvermögen oder Sachvermögen bildet. Da für die Gesamtheit aber gilt, dass eine Veränderung des Geldvermögens nicht möglich ist, muss die aggregierte Ersparnis logischerweise der Sachvermögensbildung, also der Investitionen, entsprechen, weil die Nettogeldvermögensbildung im Aggregat immer Null sein muss.
Dies ist aber lediglich eine Identität, die keine Kausalität erklärt. Gleichzeitig zeigt die zwangsläufige Identität, dass man als Volkswirtschaft keine Ersparnis bilden kann, wenn diese nicht zeitgleich eine Investition ist. Da diese Identität zwingend logisch immer gelten muss, kann man gesamtwirtschaftlich auch keine Ersparnisse anhäufen, um sie zu einem späteren Zeitpunkt zu investieren, weil die Ersparnis der Vergangenheit ja bereits in der Vergangenheit investiert wurden. Gesamtwirtschaftlich ist ein Ansparen also nicht möglich. Die einzelwirtschaftliche Sichtweise, dass man für den Erwerb eines Gutes anspart, ist aus gesamtwirtschaftlicher Sichtweise demnach irreführend. Ein Unternehmer kann jederzeit von einer Bank einen Kredit bekommen, wenn er ein sinnvolles Investitionsvorhaben vorlegen kann. Das Geldvermögen hat sich auch hierdurch nicht geändert, weil mit dem Kredit wieder Forderungen und Verbindlichkeiten gleicher Höhe geschaffen wurden. Eine Ersparnis ist dafür nicht notwendig, da die Bank das Geld für den Kredit aus dem Nichts schöpft. Es ist also die Investition, die zur Sachvermögensbildung führt, und so eine Ersparnis erst ermöglicht, nicht umgekehrt.
Ein Anstieg der Investitionen muss zudem noch nicht einmal notwendigerweise mit einem Anstieg der Kredite einhergehen. Angenommen ein Unternehmer entscheidet sich bei zunächst ausgeglichenem Budget dazu, seine Investitionen zu erhöhen. Daraufhin übersteigen seine Ausgaben die Einnahmen und er benötigt einen Kredit (einzelwirtschaftlich). Dies muss aber nicht zwangsläufig zu einer zusätzlichen Kreditaufnahme des gesamten Unternehmenssektors führen (der Gesamtheit der Unternehmer). Wenn der Unternehmer beispielsweise zusätzliche Arbeitskräfte bezahlt, steigen die Einlagen im Haushaltssektor. Sollte dieser aber keine Ausweitung der Vermögensbildung wollen, so wird er das Geld wieder ausgeben. Dies wäre ein ebenso großer monetärer Ablauf aus dem Haushaltssektor wie es ein Zulauf für den Unternehmenssektor wäre. Die Unternehmen, die jetzt einen höheren Gewinn erzielen, können ihre geplanten Investitionen nun mit einem geringeren Kredit tätigen und die Gesamtheit der Kredite bleibt gleich, weil der Unternehmenssektor als Ganzes sich nur in der Höhe verschulden kann wie der Haushaltssektor Vermögen bildet. Dies zeigt noch einmal, dass gesamtwirtschaftliche Phänomene ganz anderen Gesetzmäßigkeiten folgen als die einzelwirtschaftlichen. Die Investition ist Sachvermögensbildung und stellt somit im Aggregat eine volkswirtschaftliche Ersparnis dar. Es hat aber niemand willentlich seinen Konsum reduziert und die Menge der Kredite ist ebenfalls nicht gestiegen.
Anwendung auf aktuelle Probleme
Die Unterscheidung zwischen Geld- und Sachvermögen spielt auch in Debatten über die Lösung aktueller gesellschaftlicher Probleme eine bedeutende Rolle. Viele Länder sind seit einigen Jahren
aufgrund einer veränderten demographischen Zusammensetzung ihrer Bevölkerung willens, die umlagefinanzierten Rentensysteme gegen kapitalgedeckte Systeme zu ersetzen. Der volkswirtschaftliche
Grund für die Überlegenheit der letzteren ist angeblich die Kapitalbildung (die Bildung von Sachvermögen, welches zur Produktion verwendet wird), welche zu einem späteren Zeitpunkt die Menge der produzierten Güter erhöht. Diese Sachvermögensbildung würde in der Tat den späteren Wohlstand der Volkswirtschaft erhöhen. Die zusätzlich produzierten Güter könnte man den Rentnern und Renterinnen zu Gute kommen lassen. Allerdings ist die zusätzliche private Ersparnis zunächst nur eine Geldvermögensbildung, die nicht zwangsläufig eine Investition nach sich ziehen muss. Ersparnis ist zunächst einmal lediglich Nicht-Konsum und könnte Unternehmen auch dazu veranlassen, weniger zu investieren, wodurch der spätere Kapitalstock sogar geringer ausfallen könnte als unter einem umlagefinanzierten System. In Deutschland sind seit Anfang der 2000er die Investitionen tatsächlich auf einem historischen Tief und die Produktivität steigt seit dem kaum. Dies ist eine besorgniserregende Entwicklung, weil Produktivitätssteigerungen volkswirtschaftlich der einzige Weg sind, um bei einer geringeren Anzahl von Arbeitnehmern die Produktion zu steigern oder zumindest konstant zu halten. Wie wir gesehen haben entspricht das Nettovermögen einer Volkswirtschaft gerade seinem Sachvermögen. Wenn das Ziel eine Verbesserung der Lebensbedingungen zukünftiger Generationen ist, sollte man also Investitionen fördern und nicht Ersparnis.
Die hohe Verschuldung einiger Länder seit der Finanzkrise ist im Übrigen kein Generationenkonflikt, in dem Sinne, dass die heute Lebenden, den morgen erst Geborenen eine Last hinterlassen. Die kommenden Generationen erben ja ebenso die Schulden wie die Vermögen der vorangegangenen. Aus Sicht der gesamten Volkswirtschaft handelt es sich bei Staatsverschuldung um eine reine Bilanzverlängerung, ohne dass das Nettovermögen sich ändern würde. Die Ausgabe einer Staatsanleihe steigert die Verschuldung des Staates nämlich in exakt gleicher Höhe wie die Vermögensbildung im Privatsektor. Innerhalb der kommenden Generation gibt es natürlich solche Personen, die von der Vermögensbildung ihrer Eltern profitieren und solche, die dies nicht tun. Dies ist aber bestenfalls ein Verteilungskonflikt innerhalb der kommenden Generation und nicht zwischen den Generationen.5
Staatsschulden werden ohnehin nicht zurückgezahlt, sondern „überrollt“: Wenn ein Kreditvertrag ausläuft, nimmt der Staat einfach einen neuen auf. Da eine Regierung wegen der Quasi-Nichtinsolvenzfähigkeit ein besonders beliebter Schuldner unendlicher Lebensdauer ist, kann sie dieses Spiel prinzipiell ewig weiter treiben. Sollte sie kein Geld bekommen, kann zudem notfalls auch die Zentralbank einspringen, als sogenannter Kreditgeber der letzten Instanz. Dies gilt auch bei Berücksichtigung der Zinszahlungen, die ja bedient werden müssen. Denn auch diese erzeugen bei genauer Betrachtung keinen Konflikt zwischen den heute Lebenden und den morgen erst Geborenen. Nehmen wir an, dass der Staat mit seinen Steuereinnahmen die Zinsen begleicht. Dann befinden sich die Empfänger der Zinszahlungen ebenfalls in der gleichen Generation wie die Steuerzahler. Das Geld muss zu exakt der Zeit gezahlt werden, in der die Zinsen anfallen. Auch die Zinsen stellen also bestenfalls ein Verteilungs- und kein Generationenproblem dar, weil sich Schuldner und Gläubiger immer unter den derzeit Lebenden befinden. Forderungen und Verbindlichkeiten existieren immer zum gleichen Zeitpunkt. Man müsste mit Hilfe einer Zeitmaschine Geldüberweisungen aus der Zukunft erfinden, damit so etwas wie ein Generationen übergreifender Konflikt aufgrund von Schuldverhältnissen entstehen könnte. Eine Schuldrückzahlung muss immer zwingend logisch innerhalb der derzeit Lebenden stattfinden, da Tote keine Schulden zurückzahlen können.
MERKE
Vermögensaufbau in Geldeinheiten (der Aufbau von Geldvermögen) ist nur möglich bei gleichzeitiger Verschuldung anderer Personen oder Unternehmen. Ohne Verbindlichkeiten kann es auch keine Forderungen geben.
„Ersparnis“ ist ein Begriff, der für ganz unterschiedliche Vorgänge verwendet wird. Trennschärfer ist es zwischen Rein-, Geld- und Sachvermögensbildung sowie Konsumeinschränkung zu unterscheiden.
Für eine geschlossene Volkswirtschaft ohne Staat muss die Vermögensbildung des Privatsektors immer Sachvermögensbildung sein, weil eine Geldvermögensbildung im Aggregat nicht möglich ist.
Für eine geschlossene Volkswirtschaft inkl. Staat ist eine Geldvermögensbildung im Privatsektor in exakt der Höhe möglich, in welcher der Staat sein Geldvermögen reduziert (eine Netto-Neuverschuldung zulässt).
Verschuldung erzeugt keinen Generationenkonflikt, da Schuldner und Gläubiger immer zur gleichen Zeit leben.
Übungsaufgaben/Quizzes
Literatur
GRASS, R. UND W. STÜTZEL (1983). Volkswirtschaftslehre: eine Einführung auch für Fachfremde, Vahlen.↵
LINDNER, F. (2012). “Saving does not finance Investment: Accounting as an indispensableguide to economic theory,” IMK Working Paper 100-2012, IMK at the Hans Boeckler Foundation, Macroeconomic Policy Institute.↵
SCHMIDT, J. (2011). Die Bedeutung der Saldenmechanik für die makroökonomische Theoriebildung, Marburg : Metropolis-Verl., 111–147.↵
SCHMIDT, J. (2012). Die Bedeutung der Saldenmechanik für die makroökonomische Theoriebildung, Marburg : Metropolis-Verl., 111–147.↵
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STÜTZEL, W. (1979). Sparen – Fluch oder Segen? Anmerkungen zu einem alten Problem aus Sicht der Saldenmechanik, Marburg : Metropolis-Verl., 61–85.↵
Die Betrachtung sektoraler Finanzierungssalden macht sich den Zusammenhang von Einnahme- und Ausgabeüberschuss zu Nutze. Die Analyse dieser Salden wurde u.a. von der Cambridge Economic Policy Group von Wynne Godley und Francis Cripps prominent gemacht (auch New Cambridge School oder Cambridge Keynesian School) und erfreut sich insbesondere seit der Finanzkrise auch bei Analysten immer größerer Beliebtheit.1
Godley realisierte 1974, dass man mit Hilfe der gesamtwirtschaftlichen Bilanzierungsidentität Prognosen für den Außenhandel machen kann ohne relative Preise und/oder Einkommen im In- und Ausland zu nutzen. Die sektoralen Identitäten bedingen, dass das staatliche Budgetdefizit und die Leistungsbilanz in der Summe gerade der Nettoersparnis des Privatsektors (Haushalte und Unternehmen) entsprechen muss. Kennt man das Budgetdefizit und die Nettoersparnis folgt hieraus die Position der Leistungsbilanz.
Die Leistungsbilanz fasst alle Leistungstransaktionen zwischen dem In- und dem Ausland zusammen und besteht vor allem aus der Handels- und Dienstleistungsbilanz. Wir werden im Folgenden die Leistungsbilanz mit der Handels- und Dienstleistungsbilanz gleich setzen. Da die restlichen Posten i.d.R. eine sehr untergeordnete Rolle spielen, halten wir diese Vereinfachung in einem Einführungsblog zum Thema Geld für angemessen.
Sektorale Betrachtung
Die Analyse sektoraler Bilanzen erwies sich als nützliches Tool: Bereits 1999 warnten Godley und Wray (1999), dass eine unhaltbare private Verschuldung auf eine große Blase hindeutet, die wie wir heute wissen noch mehr als weitere 10 Jahre vom Finanzsektor finanziert wurde. Im folgenden werden die Grundlagen sektoraler Salden dargelegt, um die gesamtwirtschaftlichen Zusammenhänge zwischen Vermögen und Verschuldung darzustellen. Der wichtigste Grundsatz der Bilanzierung ist weiterhin die doppelte Buchführung, also die „arithmetisch-triviale“ Tatsache, dass jeder Ausgabe eine Einnahme, jedem Finanzvermögen eine Finanzverbindlichkeit, usw. gegenübersteht. 2 Ausgangspunkt ist die sogenannte Fundamentalidentität der Makroökonomik, welche das Bruttoinlandsprodukt () in seine Nachfragekomponenten zerlegt. Dies sind Konsum, Investitionen, Staatsausgaben sowie Ex- und Importe:
mit : Konsum, : Investitionen, : Staatsausgaben, : Exporte, : Importe.
Die private Ersparnis ist der Teil des Einkommens nach Steuern (), der nicht konsumiert wird, , folgt
Wenn wir mit dem Begriff Finanzierungssaldo die Differenz zwischen Einnahmen und Ausgaben eines Sektors bezeichnen, also die Veränderung des Nettogeldvermögens, so besagt die letzte Gleichung, dass die Summe der Finanzierungssalden des Privatsektors, des staatlichen Sektors und des Auslands in der Summe immer Null ergeben müssen. Es ist logisch zwingend, dass jeder Geldvermögensbildung auch eine Erhöhung der Geldverschuldung gegenüberstehen muss. Dies zeigt, dass ein positiver Saldo des einen Sektors nur möglich ist, wenn in der Summe die beiden anderen Sektoren einen gerade ebenso hohen negativen Saldo aufweisen. Weil die Schuld des einen das Vermögen eines anderen darstellt, kann ein Sektor sich nur dann verschulden (bzw. Geldvermögen bilden), wenn ein anderer gleichzeitig Geldvermögen bildet (bzw. sich verschuldet). Der private Sektor kann netto also nur dann Geldvermögensbildung betreiben, wenn sich der Staat oder das Ausland netto verschulden.3
Das Ausland „verschuldet“ sich, wenn die Importgüter wertmäßig geringer sind als die Exportgüter, also aus inländischer Sicht ein Einnahmeüberschuss bzw. aus ausländischer Sicht ein Ausgabeüberschuss vorliegt. Private Haushalte wollen i.d.R. Sparen, um Vorsorge zu betreiben, und Unternehmen könnten sich verschulden, um Investitionen zu tätigen. Will der Privatsektor aber als Ganzes seine Ersparnis erhöhen, so geht das eben nur, wenn entweder der staatliche Sektor und/oder das Ausland ihre Verschuldung ausweiten, also das Nettoauslandsvermögen steigt. Bei ausgeglichenem Außenhandel gilt und aus der obigen Gleichung folgt, dass die staatliche Neuverschuldung immer der Nettogeldvermögensbildung des Privatsektors entspricht:
Wenn im Privatsektor die Ersparnis (im Sinne einer Reinvermögensbildung) höher ist als die Investitionen, also die Sachvermögensbildung, akkumuliert der Privatsektor Geldvermögen.4 Ein Einnahmeüberschuss des Privatsektors ist aber nur möglich bei gleichzeitigem Ausgabeüberschuss, also einer Neuverschuldung, des staatlichen Sektors. Ein Abbau der Staatsverschuldung entspricht daher notwendigerweise einem Abbau des Nettoprivatvermögens. Innerhalb des Privatsektors gibt es natürlich weiterhin Sparer und Schuldner, aber die Nettogeldvermögensbildung des gesamten Sektors muss zwangsläufig der Nettogeldverschuldung der anderen Sektoren entsprechen.
Die deutschen Finanzierungssalden (gemessen in Prozent des Bruttoinlandsproduktes) sind für die Jahre 1960-2017 in Abbildung 9 dargestellt.5 Die orangenen Balken zeigen die sogenannte Außenhandelsbilanz, also aus Sicht des Auslandes ihren Ausgabeüberschuss (die Differenz zwischen Importen und Exporten).6 Aus der Grafik lassen sich einige Regelmäßigkeiten erkennen, die für den gesamten betrachteten Zeitraum gelten. So erwirtschaftet der Privatsektor (private Haushalte und Unternehmen) seit den späten 1970ern für nahezu den gesamten folgenden Zeitraum bis heute einen Überschuss. Das einzige Jahr mit einem Defizit ist 2001. Die private Verschuldung in diesem Jahr war die Folge der Aktienmarktblase des New Economy Booms. Nach dem Platzen der Blase folgte eine Phase bisher einmalig hoher Einnahmeüberschüsse im Privatsektor, die bis heute andauert. Diese private Ersparnis ist nur möglich durch die enorme Verschuldung des Auslandes, also den Exportüberschüssen (aus deutscher Sicht). Da sich die Salden der einzelnen Sektoren immer zu Null addieren müssen, ist auch der Rückgang der staatlichen Defizite (bis hin zu den Überschüssen der letzten Jahre) nur möglich bei andauernder Verschuldung des Auslandes (solange der Privatsektor weiterhin solch große Überschüsse realisiert). Hierdurch kann die deutsche Volkswirtschaft nämlich als Ganzes Einnahmeüberschüsse realisieren.
Abbildung 9: Finanzierungsalden in Deutschland von 1950-2017
Die Finanzierungssalden einer Volkswirtschaft lassen sich beliebig kleinteiliger betrachten. So kann man, sofern man die notwendigen Daten dazu findet, den Privatsektor z.B. in Unternehmen und private Haushalte unterteilen:
Abbildung 10 zeigt wie sich die stärker disaggregierten Finanzierungssalden in Deutschland im Zeitablauf verändert haben. Die Salden sind jetzt nicht mehr als kumulierte Balken dargestellt, sondern als Zeitreihen, was die Analyse der Entwicklung einzelner Sektoren einfacher macht. Es lässt sich erkennen, dass die Ersparnis privater Haushalte in Deutschland (als Anteil am BIP) in der gesamten Zeitspanne relativ konstant im Durchschnitt bei 5 – 6 % lag. In den goldenen Zeiten des Kapitalismus (Stichwort: Deutsches Wirtschaftswunder) war die Verschuldung des Staates sowie des Auslandes nahezu Null, , und die Unternehmen haben sich netto in etwa in der Höhe verschuldet, in der die privaten Haushalte netto Geldvermögen gebildet haben:
Dies begann spätestens Mitte der 1980er Jahre sich zu ändern. Seitdem verschuldet sich der Unternehmenssektor immer weniger und das Ausland oder der Staat übernehmen die Position des Nettoschuldners.
Abbildung 10: Stärker disaggregierte Finanzierungssalden in Deutschland
Anmerkung: Oberhalb der Nulllinie: Einnahmeüberschuss; unterhalb der Nulllinie: Ausgabeüberschuss. Quelle: Statistisches Bundesamt, Makroskop, Ameco Datenbank, eigene Berechnung (CC-0).
Wenn Sie die Pfeile nach links und rechts drücken, können Sie die Finanzierungssalden für die einzelnen Jahrzehnte durchgehen:
Von 1950 bis 1959 waren die Unternehmen im Durchschnitt um etwas mehr als 6 % verschuldet. Die Außenhandelsüberschüsse lagen bei etwas 2 % und Staat und private Haushalte konnten so einen Einnahmeüberschuss erzielen. In 1953 kam es zum Schuldenerlass aufgrund des Londoner Abkommens, was einem Transfer vom Ausland zum Staatssektor gleichkommt.7
Von 1960 bis 1969 waren die Budgetsalden von Staat und Ausland relativ ausgeglichen. Die Verschuldung des Unternehmenssektors ermöglichte die Vermögensbildung im Privatsektor: Die Investitionen erzeugten Einkommen, aus dem der Privatsektor Ersparnisse (im Sinne von Geldvermögen) bilden konnte. Die Verschuldung des Unternehmenssektors, die zu enormen Investitionen führte, kann man wohl als eine wesentliche Ursache des Wirtschaftswunders der Nachkriegszeit bezeichnen.
In den Jahren von 1970 bis 1979 begann diese Voraussetzung dann zu verschwinden. Nach der ersten Ölpreiskrise in 1973 geriet die Weltwirtschaft in eine tiefe Rezession und die Unternehmen reduzierten ihre Nettoverschuldung. Der Staat glich in dieser Phase die Geldvermögensbildung der privaten Haushalte über eine Neuverschuldung aus.
Von 1980 bis 1989 verschlechterte sich dieses Bild noch weiter und die Unternehmen wurden für einige Jahre sogar zu Nettosparern. Durch die Außenhandelsüberschüsse dieser Zeit übernahm das Ausland zu einem größeren Teil die Schuldnerrolle.
Die Zeit von 1990 bis 1999 war von der Wiedervereinigung geprägt. Staat und Unternehmen verschuldeten sich und investierten in die neuen Bundesländer. In 1995 wurde die Treuhandanstalt aufgelöst und es kam zu einem Privatisierungsverlust von 200 Mrd. DM, was einen Transfer vom Staats- zum Unternehmenssektor bedeutet.8
In den Jahren von 2000 bis 2009 wurden die deutschen Unternehmen dann endgültig zu Nettosparern. Dies könnte damit zusammenhängen, dass nach Platzen der New-Economy Blase in 2001 die Bilanzen vieler deutscher Unternehmen in die Schieflage geraten waren. Viele Vermögenswerte verloren gleichzeitig an Wert und bei sofortiger Wertkorrektur wären einige Unternehmen vermutlich insolvent gewesen. Daher haben diese Unternehmen angefangen, Überschüsse zu bilden und Kredite zurückzuzahlen, um der Überschuldung zu entkommen.9 Der Staat begann zudem seine Neuverschuldung zu reduzieren, was nur möglich war, weil die immer größer werdenden Exportüberschüsse das Ausland zu einem immer größeren Schuldner machten.
In der Zeit nach 2010 änderte sich an dem Verhalten des deutschen Unternehmenssektors wenig. Da die Exportüberschüsse jedoch weiter anwuchsen, war es in den letzten Jahren sogar möglich, dass alle inländischen Sektoren netto Geldvermögen bilden konnten (zu Lasten des Auslandes).
Unternehmen als Nettosparer sind ein Phänomen, dass man seit den 1980ern in vielen Industrienationen regelmäßig antrifft und häufig den Staat zu dem letzten verfügbaren Schuldner macht. Dies verdeutlicht Abbildung 11. Spätestens seit der Finanzkrise in 2007/08 sind global in nahezu allen Industrienationen die Unternehmen zu Nettosparern geworden. Der taiwanesische Ökonom und Finanzmarktanalyst Richard Koo sieht den Grund für diese Entwicklung in einer globalen Bilanzrezession, welche die Unternehmen dazu zwingt, Einnahmeüberschüsse zu bilden, um die eigene Verschuldung abzubauen (siehe Koo (2011) und Koo (2014)). Koo erhielt viel Aufmerksamkeit für seine Bilanzrezessionsthese, die er zunächst zur Erklärung der langen Rezessionsphase in Japan entwickelte.
Abbildung 11: Finanzierungssaldo der Unternehmenssektoren international
Andere Ökonomen sehen seit den 1980ern einen allgemeinen Trend zu einer größeren Bedeutung des Finanzsektors, den sie als „Finanzialisierung“ bezeichnen.10 Grob vereinfacht könnte man sagen, dass der Shareholdervalue-Kapitalismus, der in den 1980er Jahren in den USA und Großbritannien seinen Ursprung hatte, Unternehmen dazu anhält, sich primär an der Bewertung am Aktienmarkt zu orientieren. Dies hat dazu beigetragen, dass der kurzfristige Cash-Flow einer Firma wichtiger wurde als langfristige Investitionen. Man spricht daher auch von „Profiten ohne Investitionen“, einem Phänomen, dass vor den 1980ern kaum aufgetreten ist. Zudem beginnen auch Firmen außerhalb der eigentlichen Finanzindustrie, ein Geschäft mit der Vergabe von Krediten zu machen. Ein beliebtes Beispiel, welches die zunehmende Bedeutung finanzieller Transaktionen auf den Punkt bringt, ist die Tatsache,
„dass sowohl General Motors als auch Ford im 2. Quartal 2004 höhere Einnahmen durch Konsumenten- und Hypothekenkredite sowie Leasinggebühren erzielt haben als durch den Verkauf von Autos.“, van Treeck et al. (2007, S. 34)
Die realwirtschaftliche Produktion verliert durch den Finanzsektor zunehmend an Bedeutung und es wird immer mehr Geldvermögen gebildet, aber zu wenig Sachvermögen (zu geringe Investitionen). Dies würde auch einen Teil der sehr schwachen Produktivitätsentwicklung in nahezu allen Industrienationen seit den 1980ern erklären.
Internationale Zusammenhänge
Am Ende dieses Abschnitts werden wir noch einmal den Fokus auf die internationalen Zusammenhänge legen. Betrachten wir im Folgenden eine Welt aus zwei Ländern A und B. Land A weist einen Exportüberschuss auf . Der Ausgabeüberschuss des Auslandes ermöglicht den beiden anderen Sektoren dieses Landes in der Summe einen Einnahmeüberschuss zu erzielen. Gehen wir davon aus, dass in Land A der Privatsektor einen Einnahmeüberschuss verzeichnet, weil die privaten Haushalte Vorsorge betreiben wollen und auch die Unternehmen inzwischen zu Nettosparern geworden sind. Solange die Exportüberschüsse größer sind als die Einnahmeüberschüsse des Privatsektors, kann auch der Staat Überschüsse erzielen.
Für Land B impliziert der Exportüberschuss von Land A zwangsläufig ein Außenhandelsdefizit, also dass die Importe größer sein müssen als die Exporte. Land B nimmt den Teil der Produktion auf, der von den Einheimischen des Landes A weder konsumiert noch investiert wird. Da dies aber eine Geldvermögensbildung darstellt, muss in Land B der Privatsektor und der Staat in der Summe einen Ausgabeüberschuss realisieren, sich also verschulden. Sollte auch in Land B der Privatsektor netto sparen wollen, so ist dies nur dann möglich, wenn der Staatssektor sich verschuldet und sowohl die Vermögensbildung des eigenen Privatsektors wie auch die von Land A ausgleicht. Dies ist in den folgenden Gleichungen dargestellt:
Die sektoralen Salden stellen Ex-Post Identitäten dar und können keine Kausalität erklären. Ob der Wunsch von Land A nach höherer staatlicher Ersparnis auch realisiert wird, hängt eben auch von dem Verhalten der anderen Sektoren und des Auslandes ab. Sollte das Ausland Maßnahmen ergreifen, die zu einem Rückgang der Überschüsse führen, dann müsste sich zeitgleich entweder im Privatsektor oder im staatlichen Sektor die Vermögensbildung verringern. Dies kann auch unwillentlich passieren. Falls der Rückgang der Exportüberschüsse zu Jobverlusten in der Exportindustrie führt, könnten ganz automatisch die Steuereinnahmen sinken und die Staatsausgaben steigen, so dass der Staat sich unbeabsichtigt verschuldet, weil die Wirtschaft in eine Krise gerät. Es wäre auch denkbar, dass der Privatsektor sich verschuldet, weil viele Menschen arbeitslos werden und ihren Einkommensverlust durch eine verringerte Sparneigung oder durch Kredite ausgleichen. Letzteres wäre eine problematische Entwicklung, da eine Verschuldung der privaten Haushalte auf längere Sicht häufig zur Zahlungsunfähigkeit führt. Der Immobilienboom in den USA und Spanien wurde zum Beispiel von einer massiven privaten Verschuldung begleitet, welche die Hauspreise in die Höhe trieb.
Der internationale Zusammenhang wird noch deutlicher, wenn man die beiden vorangegangenen Gleichungen kombiniert. In einer Zwei-Länder-Welt wäre nämlich und , so dass gilt. Es folgt zwingend logisch:
bzw.
Der staatliche Einnahmeüberschuss in Land A, , erhöht demnach die staatliche Verschuldung in Land B, , solange sich die Nettogeldvermögensbildung im in- und ausländischen Privatsektor nicht ändert.
Auch wenn dies lediglich eine Ex-Post Identität darstellt, die keine kausalen Zusammenhänge erklärt, lässt sich mit Hilfe der Analyse sektoraler Salden die Konsistenz wirtschaftspolitischer Vorschläge prüfen. Die oben dargestellte Situation ist vergleichbar mit der derzeitigen Situation im Euro-Raum. In Deutschland (Land A) sind die Salden des Staates (Stichwort Schwarze Null) und des Privatsektors positiv. Damit Staat und Privatsektor sparen können, muss sich das Ausland verschulden. Land B stellt dann einen der südeuropäischen Nachbarn dar, die wegen des Außenhandelsdefizits Land A eine Geldvermögensbildung ermöglichen. Da diese Länder einen hohen staatlichen Schuldenstand aufweisen, sollen diese Länder auf Druck der Europäischen Union, des IWF und der EZB staatliche Überschüsse generieren, um die Staatsschulden zu reduzieren. Ceteris Paribus müsste sich dann der Privatsektor verschulden, was zu einem Problem wird, falls dies über die privaten Haushalte geschieht, die ggf. mit Konsumentenkrediten ihr Einkommen stabilisieren. Eine solche Verschuldung würde man nur so lange aufrecht erhalten können wie der Finanzsektor noch an eine Zahlungsfähigkeit des Privatsektors glaubt und auslaufende Kredite erneuert. Geht diese Glaubwürdigkeit verloren, weil die Kreditnehmer bereits eine sehr hohe Summe von Krediten aufgenommen haben, droht ihnen die Privatinsolvenz. Zudem kann es dann zu Prozessen kommen, die wir im Abschnitt zur Buchführung behandelt haben. Fehlt es flächendeckend an liquiden Zahlungsmitteln, um Schulden zu bedienen, werden sehr viele Vermögensbesitzer ihre Wertpapiere, Anleihen, Häuser, etc. gleichzeitig verkaufen und die Krise verstärken.
Ob es zu einer Zunahme der Privatverschuldung kommt oder der Staatssektor trotz Sparanstrengung keine Überschüsse erzielt, weil die Steuereinnahmen einbrechen oder ob eine Mischung aus beidem eintritt, lässt sich aus den Gleichungen selbstverständlich nicht ableiten. Denkbar wäre auch eine Erhöhung der Exporte, um die Nettoersparnisse aus Land A zu verringern. Dafür müsste man in Deutschland wiederum zulassen, dass die Exportüberschüsse sinken oder sogar Maßnahmen ergreifen, um einen Abbau der Überschüsse zu beschleunigen, damit die südeuropäischen Länder es einfacher haben, staatliche Überschüsse zu generieren.11
Möchte man, dass das Leistungsbilanzdefizit der Südländer sinkt, dann muss man eben auch zulassen, dass der Überschuss Deutschlands abnimmt. Oder man geht davon aus, dass Europa als ganzes längerfristig einen Überschuss erzielt. Dies ist aber unwahrscheinlich, weil dies vermutlich zu einer Aufwertung des Euros führen würde. Zudem würden die Anpassungsprobleme so in das europäische Ausland verlagert werden. Die aktuelle Debatte um die Strafzölle Donald Trumps sind eine Reaktion auf diese Strategie, die zu erwarten war (auch wenn Herr Trump die hier dargestellten Zusammenhänge vermutlich nicht im Detail versteht).
Der Zusammenhang zwischen den drei Sektoren einer Volkswirtschaft lässt sich auch grafisch ausnutzen. Betrachten wir zunächst wieder eine geschlossene Volkswirtschaft (bzw. eine mit ausgeglichener Leistungsbilanz). Dann muss der Überschuss im Privatsektor dem Defizit im Staatssektor entsprechen. Dies ist in der ersten Grafik von Abbildung 12 gezeigt. Auf der horizontalen Achse wird der Saldo des Privatsektors abgetragen, auf der vertikalen der Saldo des Staatshaushaltes. Alle Punkte auf der Winkelhalbierenden sind realisierbar, da dem Überschuss eines Sektors ein Defizit des anderen Sektors in exakt gleicher Höhe gegenübersteht.
Nehmen wir das Ausland als dritten Sektor hinzu kann man die Winkelhalbierende verschieben, um mögliche Realisationen bei einem außenwirtschaftlichen Ungleichgewicht zu betrachten. Die zweite Grafik analysiert einen Überschuss im Außenhandel von 5 %. Wenn der Außenhandel im Überschuss ist, verschuldet sich das Ausland. Daher können die beiden anderen Sektoren in der Summe 5 % mehr einnehmen als sie ausgeben. Es wäre also möglich, dass der Privatsektor einen Überschuss von 5% realisiert, während der Staatshaushalt weiterhin ausgeglichen ist. Ebenso wäre es denkbar, dass der Staat 5 % Überschüsse erzielt und der Privatsektor einen ausgeglichenen Saldo ausweist. Die letzte Grafik behandelt ein entsprechendes Außenhandelsdefizit, was es unmöglich macht, Überschüsse in beiden anderen Sektoren zu bilden. Mindestens einer der beiden Sektoren muss zum Nettoschuldner werden und Ausgabeüberschüsse erzielen, welche die Gegenposition zu den Ersparnissen aus dem Ausland bilden. Schafft es die Regierung in einer solchen Situation Überschüsse zu erzielen, um den Bestand der Verschuldung abzubauen, muss sich der Privatsektor netto verschulden, sofern das Außenhandelsdefizit bestehen bleibt.
Was viele bei einer allzu leichtfertigen Forderung nach Haushaltsdisziplin und Sparprogrammen nicht sehen, ist, dass der Staatsverschuldung immer ein Privatvermögen gegenübersteht. Es sind ja private Haushalte, welche die Anleihen des Staates kaufen und so die Möglichkeit bekommen, außer-sektorales Vermögen aufzubauen. Bei ausgeglichener Leistungsbilanz muss die Neuverschuldung des Staates immer dem Zuwachs des privaten Nettogeldvermögens entsprechen. Durch Akkumulation kann der Privatsektor ein Nettovermögen aufbauen, welches Eins-zu-Eins dem Schuldenstand des Staates entspricht. Folglich ist eine Reduktion der staatlichen Neuverschuldung immer gleichbedeutend mit einer Reduktion des Nettogeldvermögenszuwachses des Privatsektors. Wenn der Staat dauerhaft Überschüsse erzielt, um seine Schulden langfristig komplett zurückzuzahlen, muss der Privatsektor in der selben Zeit permanent sein Vermögen reduzieren bis das Nettogeldvermögen auf Null gesunken ist.
Nur im Falle von Leistungsbilanzüberschüssen kann der inländische Privatsektor auch im Ausland Finanzvermögen aufbauen. Da das Ausland in diesem Fall mehr ausgibt als es einnimmt, müssen Privatpersonen, Staat und/oder Unternehmen im Ausland ihr Nettogeldvermögen reduzieren. Die Inländer halten dann ausländische Anleihen, Wertpapiere o.ä.. Häufig handelt es sich hierbei auch um Forderungen des inländischen Bankensektors gegenüber dem ausländischen. Für das Ausland bedeutet dies aber, dass zusätzlich zu der eigenen Vermögensbildung auch die Ersparnis des anderen Landes auszugleichen ist. Dies führt häufig dazu, dass sich der Staat verschulden muss, wenn Außenhandelsdefizite vorliegen.
MERKE
Eine geschlossene Volkswirtschaft (ohne Außenhandel) kann als Ganzes kein Geldvermögen bilden, da sich Forderungen und Verbindlichkeiten immer ausgleichen müssen. Vermögensbildung („Ersparnis“) kann auf gesamtwirtschaftlicher Ebene daher nur Sachvermögensbildung, also Investition sein.
Eine offene Volkswirtschaft (inkl. Außenhandel) kann nur in der Höhe Geldvermögen bilden, in der sich das Ausland verschuldet (Ausgabeüberschüsse bildet). Der Teil der Vermögensbildung („Ersparnis“), der über die Sachvermögensbildung hinausgeht, stellt somit Forderungen gegenüber dem Ausland dar.
Private Haushalte können im Aggregat nur in dem Umfang Geldvermögen bilden, indem sich der Staat und/oder das Ausland verschulden.
Übungsaufgaben/Quizzes
Literatur
BUNDESBANK (2006). “Zur jüngeren Entwicklung der Kredite deutscher Banken an inländische Unternehmen und Privatpersonen,” Deutsche Bank Monatsbericht, Juli, 15–31.↵
GODLEY, W. UND M. LAVOIE (2007). Monetary Economics – An Integrated Approach to Credit, Money, Income, Production and Wealth, Palgrave MacMillan.↵
GODLEY, W. UND L. R. WRAY (1999). “Can Goldilocks Survive?” Economics Policy Note Archive 99-4, Levy Economics Institute.↵
HEIRES, M. UND A. NÖLKE (2011). “Finanzkrise und Finanzialisierung,” in Die Internationale Politische Ökonomie der Weltfinanzkrise, Springer VS, 37–52.↵
KOO, R. C. (2011). “The world in balance sheet recession: causes, cure, and politics,” real-world economics review, 19–37.↵
KOO, R. C. (2014). The Escape from Balance Sheet Recession and the QE Trap: A Hazardous Road for the World Economy, John Wiley & Sons.↵
VAN TREECK, T., E. HEIN, UND P. DÜNHAUPT (2007). “Finanzsystem und wirtschaftliche Entwicklung: neuere Tendenzen in den USA und in Deutschland aus makroökonomischer Perspektive,” IMK Studies 05/2007, Institut für Makroökonomie.↵
Der italienische Mathematiker Luca Pacioli gilt als Erfinder der doppelten Buchführung und hat bereits 1494 in seinem Buch „Summa de arithmetica, geometria, proportioni et proportionalità“ die Grundlagen für eine bilanzielle Erfassung ökonomischer Größen gelegt. Auch wenn der Umgang mit Bilanzen von den meisten Menschen (zu Recht) als Qual empfunden wird, helfen gewisse Grundkenntnisse über den Umgang mit Bilanzen, eine inkonsistente Argumentation zu vermeiden. Zudem bieten Bilanzierungsansätze eine übersichtliche und schematische Darstellung, die insbesondere das Verständnis der Geldschöpfung im Bankensektor erheblich erleichtert. Daher soll der vorliegende Abschnitt eben solche Grundkenntnisse vermitteln. Wir beschränken uns hierbei auf den Teil, der zum Verständnis makroökonomischer Transaktionen hilfreich ist und werden nicht auf betriebswirtschaftlich bedeutsame Posten von Unternehmensbilanzen eingehen, sofern wir dies nicht für nötig erachten. Das Kapitel beginnt jedoch mit der Unterscheidung zwischen Bestands- und Stromgrößen, die sowohl für die Makroökonomik wie für das Verständnis von Bilanzen wesentlich ist.
Bestands-und Stromgrößen
I have found out what economics is; it is the science of confusing stocks with flows.
In der Volkswirtschaftslehre unterscheidet man zwischen Größen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt gemessen werden, wie z.B. das Vermögen, und solchen die über einen Zeitraum (also pro Zeiteinheit) gemessen werden, wie z.B. die Ersparnis. Erstere nennt man Bestandsgrößen, Letztere Strom- oder Flussgrößen. Der Zusammenhang zwischen beiden Größen lässt sich am Einfachsten an einem Beispiel erklären. Die Bestandsgröße Vermögen am Ende dieses Jahres entspricht der Bestandsgröße Vermögen am Ende des letzten Jahres zuzüglich der Stromgröße Ersparnis während des laufenden Jahres. Anders formuliert: Die Bestandsgröße ist das heutige Vermögen und die Stromgröße ist das, was innerhalb des nächsten Jahres an Ersparnissen zu dem Vermögen hinzu kommt.
Oft wird auch der Zusammenhang zwischen dem Bestand an Maschinen, der sogenannte Kapitalstock, und dem Zuwachs der Maschinen, i.d.R. als Investition bezeichnet, als Beispiel verwendet. Der Kapitalstock ist eine Bestandsgröße, die zu einem Zeitpunkt (z.B. Ende des Jahres) gemessen wird, und die Investitionen sind eine Stromgröße, die über einen Zeitraum gemessen werden, z.B. im Laufe eines Jahres. Der Maschinenbestand am Ende eines Jahres entspricht dann dem Maschinenbestand Ende des letzten Jahres zuzüglich der neu gekauften Maschinen innerhalb dieses Jahres. Typische Bestandsgrößen sind Vermögen oder Schuldenstand; typische Stromgrößen sind Einkommen, Ersparnis oder Neuverschuldung. Tabelle 2 gibt einige Beispiele für Bestands- und Stromgrößen.
Tabelle 2: Bestands- und Stromgrößen
T-Konten und Bilanzen
Den Grundbaustein für die doppelte Buchführung bilden die T-Konten. Mit deren Hilfe lassen sich Bestands- und Stromgrößen detailliert erfassen. Der Ausdruck Bilanz ist aus dem Lateinischen abgeleitet und bedeutet so viel wie Waage oder Gleichgewicht. Eine Bilanz ist dementsprechend ein T-Konto, das immer ausgeglichen sein muss. Die Bilanz umfasst die Bestände aller Guthaben (+) und Schulden (-) bzw. Forderungen (+) und Verbindlichkeiten (-) bzw. Aktiva (+) und Passiva (-) eines Individuums oder einer Institution.
In der Regel stellen Privatpersonen keine Bilanz über ihre eigenen Forderungen und Verbindlichkeiten auf. In manchen Fällen, wie z.B. bei einer Kreditaufnahme oder bei einer Schuldenberatung wird es jedoch nötig, sich über das eigene Vermögen im Klaren zu sein. Da niemand genau so viele Forderungen wie Verbindlichkeiten aufweist, wird immer ein Restposten übrig bleiben. Dieser Restposten wird als Nettovermögen bzw. Reinvermögen bezeichnet. Wenn die Forderungen höher sind als die Verbindlichkeiten ist das Nettovermögen positiv, falls es umgekehrt ist, ist das Nettovermögen negativ. In einem Unternehmen wird das Nettovermögen als Eigenkapital bezeichnet. Bei Nicht-Ausschüttung erzielter Gewinne, würde sich dieses vergrößern. Das Unternehmen würde also eine Ersparnis (Stromgröße) bilden und damit das Vermögen (Bestandsgröße) erhöhen. Die Bilanz einer Privatperson könnte z.B. so aussehen:
Besitzgegenstände wie Immobilien, Aktien, Bankeinlagen und Bargeld werden in einer Bilanz auf der linken Seite, der sogenannten Aktivseite, aufgelistet. Die Verbindlichkeiten, also das, was eine Person an Schulden hat, werden auf der rechten Seite, der Passivseite, eingetragen. Jeder einzelne Posten kann wiederum in einem (Unter-)T-Konto detaillierter erfasst sein. Diese Unterkonten werden i.d.R. in Aktiv- und Passivkonten unterteilt und erfassen den Anfangsbestand einer Größe sowie deren Zu- und Abgänge. Die Bilanz einer Beispielperson ist in der Abbildung unten gegeben.
Abbildung 4: Bilanzierungsbeispiel mit Unterkonten
In den Aktivkonten werden die Anfangsbestände (AB) der Vermögen auf der Soll-Seite verbucht, in den Passivkonten werden die Anfangsbestände der Verbindlichkeiten auf der Haben-Seite verbucht. Zugänge sind entsprechend im Aktivkonto auf der Soll- und im Passivkonto auf der Habenseite zu finden. Umgekehrt verhält es sich mit den Abgängen in einem Unterkonto. Der Saldo des jeweiligen Unterkontos (die Differenz zwischen Soll- und Habenseite) ergibt dann den Endbestand (EB) des entsprechenden Kontos und somit den Eintrag im Posten der Gesamtbilanz. Für unsere Zwecke wird es häufig ausreichen, die Bilanzen ohne Aktiv- und Passivkonten zu betrachten, wir werden also meist auf Unterkonten verzichten.
Häufig werden Buchungen verkürzt durch Buchungssätze dargestellt. Nehmen wir an, unsere Beispielperson erwirbt mit ihren Bankeinlagen Aktien im Wert von 5 Euro. Der Buchungssatz wäre dann „Aktien an Bankeinlagen 5 €“ Zunächst wird das Unterkonto genannt, in dem auf der linken Seite (der Soll-Seite) gebucht wird, dann das Unterkonto, bei dem auf der rechten (der Haben-Seite) gebucht wird („Soll an Haben“). Da im Deutschen auch von links nach rechts gelesen wird, kann man sich dies relativ einfach merken. Anders ausgedrückt wird zunächst das Konto genannt, für das die finanziellen Mittel aufgewendet werden (Mittelverwendung), und dann das Konto, von dem die Mittel genommen werden (Mittelherkunft). Die Veränderung der Konten unserer Beispielperson ist im oberen Abschnitt der folgenden Abbildung 5 dargestellt.
Abbildung 5: Aktiv- und Passivtausch
In unserem kleinen Beispiel hat der zusätzliche Kauf der Aktien lediglich zu einer Veränderung innerhalb der Aktivseite der Bilanz geführt. Es wurden daher auch nur die Aktivkonten von dem Vorgang berührt. Man spricht daher auch von einem Aktivtausch. Eine Buchung die lediglich die Passivseite betrifft, nennt man dementsprechend einen Passivtausch. Unsere Beispielperson könnte sich zum Beispiel 100 € von ihrem Nachbarn leihen, um einen Teil der Hypothekenschuld zurückzuzahlen. In diesem Fall wäre der Buchungssatz „Hypotheken an Kredite 100€“ und es würde ein neues Unterkonto auf der Passivseite der Bilanz auftauchen wie im unteren Teil in Abbildung 5 dargestellt. Der Saldo auf dem Passivkonto „Hypotheken“ beträgt jetzt nur noch 400 €. Das Nettovermögen der Privatperson hat sich aber nicht verändert, weil nun ein zusätzlicher Kreditvertrag mit dem Nachbarn besteht.
Neben Aktiv- und Passivtausch gibt es noch die sogenannte Bilanzverlängerung bzw. -verkürzung. Diese Buchungstypen erhöhen bzw. vermindern Aktiv- und Passivseite um den selben Betrag. Würde sich unsere Beispielperson dazu entscheiden, einen weiteren Kredit in Höhe von 100 € aufzunehmen, um damit zusätzliche Aktien zu kaufen, so wäre der entsprechende Buchungssatz „Aktien an Kredite 100 €“. Auf der Passivseite würden sich die Verbindlichkeiten (der Kredit) und auf der Aktivseite das Konto „Aktien“ um den gleiche Betrag von 100 € erhöhen. Dieser Vorgang ist in der oberen Hälfte von Abbildung 6 gezeigt. Die Bilanz wäre entsprechend um 100 € verlängert worden. Die untere Hälfte zeigt eine Bilanzverkürzung. Unsere Beispielperson verwendet 5 € ihrer Einlagen, um in einem Eiscafé eine Rechnung zu begleichen. Da es sich bei dem Eis um ein Konsumgut handelt, das sofort verspeist wird, und nicht um ein längerfristiges Gut wie eine Immobilie, ist die Gegenbuchung eine Reduktion des Nettovermögens. Im Ergebnis wurde die Bilanz um 5 € verkürzt.
Abbildung 6: Bilanzverlängerung und Verkürzung
Wer sich bisher nicht mit Bilanzen und Vermögen beschäftigt hat, mag an dieser Stelle überrascht sein. Lediglich die Begleichung der Rechnung im Eiscafé hat zu einer Veränderung des Nettovermögens geführt. Weder der Kauf von Aktien aus dem eigenen Einlagenbestand noch der Kauf mit Hilfe eines neuen Kredits hat das Verhältnis von Forderungen zu Verbindlichkeiten verändert. Nur der Erwerb eines Konsumgutes, welches sofort verbraucht, also wieder vernichtet wurde, hat das Nettovermögen verändert, weil den Ausgaben kein neuer Vermögenswert gegenübersteht. Diese Zusammenhänge werden wir im kommenden Abschnitt zu „Geld und Vermögen“ vertiefen. Zunächst sollen mit Hilfe der bilanziellen Darstellung aber ein intuitiver Zugang zu einem monetären Kreislauf vermittelt und schwankende Immobilienpreise analysiert werden.
Beispiel 1: Ein monetärer Kreislauf
Die gerade erworbenen Fähigkeiten geben uns die Möglichkeit, einen Wirtschaftskreislauf in Form einer Bilanzdarstellung zu betrachten. Im Folgenden wird ein monetärer Kreislauf anhand eines vereinfachten Beispiels dargestellt, welches ohne Zentralbank, Regierung und Zinsen auskommt. Dies vermittelt einen ersten Einblick in die Geldschöpfung der Geschäftsbanken.1 Ein ähnliches Beispiel findet sich z.B. in dem Buch von Dirk Ehnts (2016).
Die Akteure des folgenden Beispiels sind ein Unternehmen, das Arbeitskräfte nachfragt, ein Haushaltssektor, der Arbeitskräfte anbietet, und eine Bank, die finanzielle Mittel zur Verfügung stellt. Gehen wir zunächst davon aus, dass ein Unternehmer einen Kredit in Höhe von 100 € aufnimmt. Der Vorgang der Kreditschöpfung verläuft derart, dass die Geschäftsbank dem Unternehmer Einlagen in Höhe von 100 € auf seinem Konto gutschreibt. Die Einlagen sind aus Sicht des Unternehmers ein Aktivposten (Guthaben), der Kredit ein Passivposten (Verbindlichkeit). Für die Geschäftsbank verhält es sich umgekehrt. Der Kredit ist eine Forderung gegenüber dem Unternehmer und die Einlagen sind Verbindlichkeiten (das Unternehmen kann die Bank jederzeit dazu auffordern, die Einlagen in Bargeld zu tauschen). Der gesamte Vorgang der Kreditvergabe ist im obersten Teil der Abbildung 7 dargestellt.
Abbildung 7: Ein monetärer Kreislauf
1. Schritt
Die Bank schöpft einen Kredit und schreibt diesen auf dem Konto des Unternehmens gut.
2. Schritt
Das Unternehmen fragt Arbeit aus dem Haushaltssektor nach und bezahlt diese mit dem Kredit.
3. Schritt
Der Haushaltssektor kauft den Unternehmen ihre Produktion ab und konsumiert diese.
4. Schritt
Das Unternehmen zahlt den Kredit zurück. Der geschaffene Kredit verschwindet wieder.
Im nächsten Schritt fragt das Unternehmen nun Arbeit aus dem Haushaltssektor nach, die es mit dem aufgenommenen Geld bezahlt. Die Einlagen wandern dann vom Unternehmens- in den Haushaltssektor, was zu einem positiven Nettovermögen von 100 € führt. Die Haushalte produzieren im Gegenzug für den Unternehmer. Durch die Bezahlung haben die Haushalte Einlagen in ausreichender Höhe erhalten, um dem Unternehmenssektor die Produktion abzukaufen, was sie im dritten Schritt unseres Beispiels auch tun. Hierdurch gelangen die Einlagen wieder auf das Unternehmenskonto und können im letzten Schritt zur Rückzahlung des Kredites verwendet werden. Durch die Rückzahlung ist das Geld genau so wieder vernichtet worden wie es vorher geschaffen wurde. Allerdings ist während des gesamten Prozesses eine Produktion im Wert von 100 € entstanden, die von den Haushalten konsumiert wurde.
In diesem Beispiel haben wir zur Vereinfachung auf einen Unternehmergewinn verzichtet. Man könnte den Unternehmer als Privatperson auch dem Haushaltssektor zuschreiben, so dass in den 100 € Verdienst sowohl der Lohn der Arbeitnehmer als auch der Unternehmerlohn enthalten ist. Trotz der Einfachheit lassen sich aus dem Beispiel einige Erkenntnisse ableiten: Zunächst einmal ist es offenkundig völlig normal, dass man sich verschuldet. Der Kredit stellt einen Vorschuss auf zukünftige Gewinne dar und wird bei Bedarf von der Privatbank geschaffen.2 Hierzu ist, wie wir später sehen werden, eine Mindestreserve von Zentralbankgeld notwendig, die sich die Geschäftsbank bei Bedarf von der Zentralbank leihen muss. Der Kreditschöpfung geht selbstverständlich eine Bonitätsprüfung voraus. Es wird also nur dann ein Kredit geschöpft, wenn ein kreditwürdiger Kreditnehmer vorhanden ist. Zudem lässt sich aus dem Beispiel erkennen, dass Geld nicht nur regelmäßig geschaffen, sondern auch regelmäßig vernichtet wird (immer dann, wenn ein Kredit zurückgezahlt wird). Zu guter Letzt zeigt dieses Beispiel, dass die Haushalte nur dadurch in der Lage sind, dem Unternehmen seine Produktion abzukaufen, weil sie über ihren Verdienst an der Wertschöpfung beteiligt werden.
Beispiel 2: Vermögenspreisblasen
Mit Hilfe des Bilanzierungsansatzes lassen sich auch die Auswirkungen von Vermögenspreisblasen darstellen. Nehmen wir an, dass der Wert der Immobilien unserer Beispielperson um 300 € steigt, weil Spekulationen den Preis in die Höhe treiben. Dies würde zur Folge haben, dass sich ihr Nettovermögen um 300 € auf 410 € erhöht:
Die Person könnte nun vermutlich einen zusätzlichen Hypothekenkredit aufnehmen, weil die Sicherheit in Form des Hauses im Wert gestiegen ist. Nehmen wir an, der Hypothekenkredit wird ebenfalls um 300 € erhöht:
Die zusätzlichen Einlagen könnte unsere Beispielperson nun abheben und dazu verwenden, Konsumgüter zu kaufen. Da sich das Nettovermögen aufgrund der Immobilienwertsteigerung fast vervierfacht hat, sieht sie positiv in die Zukunft und rechnet eventuell sogar mit weiteren Wertsteigerungen. Aufgrund dessen gibt sie die dazugewonnenen Einlagen für Konsumgüter aus, also für Güter, die verbraucht werden. Zum Beispiel für gutes Essen, teure Opernbesuche oder einen Wochenendtrip nach Disneyland. Nehmen wir an, auf die eine oder andere Weise entstehen so Ausgaben in Höhe von 200 €. Hierdurch reduziert sich der Bestand an Einlagen, so dass die Bilanz folgendermaßen aussieht:
Das Nettovermögen der Person ist immer noch größer als vor der Immobilienpreissteigerung. Die höhere Kreditsumme muss langfristig aus dem laufenden Einkommen gezahlt werden, welches den Einlagenbestand erhöht. Im Notfall könnte man aber auch das Haus verkaufen und sich etwas günstigeres suchen oder Aktien veräußern, um an Bargeld zu kommen.
Problematisch wird die Situation aber, wenn die Immobilien wieder auf ihren Ursprungswert von 500 € fallen, z.B. nach Platzen einer Immobilienblase. Nun hat der Haushalt ein Nettovermögen von -90 € und es droht die Privatinsolvenz:
Reichen die laufenden Einnahmen (i.d.R. Lohneinkommen) nicht aus, um die Raten der Hypothek zu bezahlen, muss die Person Immobilien oder Aktien veräußern, um liquide Mittel für die Tilgung zu erhalten. Da in einer Krise i.d.R. die Arbeitslosigkeit ansteigt, ist es kein unwahrscheinliches Szenario, dass einige verschuldete Haushalte nur noch ein geringeres Einkommen erzielen können. In einer Finanzkrise verkaufen zudem sehr viele Personen, Banken, Investoren und Unternehmen ihre Vermögenswerte, um ihre Liquidität zu erhöhen. Wenn nun aber sehr viele gleichzeitig ihre Vermögenswerte veräußern wollen und nur wenige bereit sind, diese zu kaufen, dann führen diese Notverkäufe zu einem immer schnelleren Fall der Vermögenspreise und verstärken so das Ausgangsproblem, da sich nun die Bilanzen einer immer größer werdenden Menge von Wirtschaftssubjekten verschlechtern.
Was aber hätte man anders machen können? Unsere Beispielperson hätte nach Anstieg des Hauspreises die Hypothekensumme nicht erhöhen sollen. Solange aber eine Mehrheit der Wirtschaftssubjekte positiv gestimmt ist und durch immer umfangreichere kreditfinanzierte Häuserkäufe die Preise weiter in die Höhe treibt, wird niemand einen Grund dazu haben, sich Sorgen über den Fall von Häuserpreisen zu machen. Erst wenn schlechte Neuigkeiten (z.B. über die Bonität von Schuldnern) immer mehr Menschen zum Verkauf treiben, fallen die Preise plötzlich und immer schneller. Dieses Herdenverhalten ist charakteristisch für Finanzmärkte und lag der Finanzkrise in den 1930er Jahren ebenso zugrunde wie der aktuellen.
MERKE
Eine Bilanz ist immer ausgeglichen. Auf der Aktivseite werden die Vermögenswerte (Forderungen) verbucht und auf der Passivseite die Verbindlichkeiten. Die Restgröße stellt bei Privatpersonen das Nettovermögen dar (bei Unternehmen das Eigenkapital).
Man kann Aktiv- und Passivseite auch als Verwendung und Herkunft von Positionen bezeichnen.
Ein Aktivtausch betrifft nur Positionen auf der Aktivseite, ein Passivtausch nur solche, die sich auf der Passivseite befinden.
Eine Bilanzverlängerung (-verkürzung) betrifft Aktiv- und Passivseite gleichermaßen. Die Bilanzsumme erhöht (verringert) sich.
Übungsaufgaben/Quizzes
Literatur
GODLEY, W. UND M. LAVOIE (2007). Monetary Economics – An Integrated Approach to Credit, Money, Income, Production and Wealth, Palgrave MacMillan.↵
EHNTS, D. (2016). Geld und Kredit – eine €-päische Perspektive, Metropolis, 2nd ed.↵
Spätestens mit der globalen Finanzkrise wurde das Interesse an der Funktionsweise unseres Geldsystems auch in der breiten Öffentlichkeit geweckt. Für den Laien ist es kaum nachvollziehbar, wie es zu dieser Entwicklung kommen konnte. Allerdings ist auch innerhalb der ökonomischen Zunft nach Platzen der amerikanischen Immobilienblase deutlich geworden, dass man die fundamentalen Zusammenhängen einer Geldwirtschaft allzu lange vernachlässigt hatte. Was-ist-Geld.de hat sich zum Ziel gesetzt, diese grundsätzlichen Zusammenhänge möglichst einfach aufzubereiten. um einen niedrigschwelligen Einstieg auch für Laien zu ermöglichen. Hierzu stehen Ihnen sieben „Module“ zur Verfügung, die aufeinander aufgebaut sind. Am Ende jedes Moduls gibt es einige Quizzes, mit denen Sie das Gelernte überprüfen können. Bevor es losgeht, soll im Folgenden zunächst der Aufbau dieses Blogs erläutert werden.
Aufbau
„Geld“ kann je nach Blickwinkel bzw. Art der Fragestellung verschiedene Formen annehmen. Um Missverständnisse zu vermeiden, werden wir daher zunächst wichtige Begriffe im Zusammenhang mit Geld definieren müssen, da es für das Verständnis monetärer Beziehungen essentiell ist, sehr präzise mit eben jenen Begriffen umzugehen. Der einführende Abschnitt beginnt daher zunächst mit den verschiedenen Formen sowie den definierenden Eigenschaften von Geld. Wir werden feststellen müssen, dass es nicht die eine wahre Gelddefinition gibt, sondern verschiedene Geldformen abhängig von der zu untersuchenden Fragestellung Vor- und Nachteile bieten.
Zudem ist es hilfreich, einige Grundlagen der Buchhaltung zu verstehen, da Geld letztlich auf dem Konzept der doppelten Buchführung basiert. Das zweite Modul (Buchführung) wird daher eben jene Grundlagen vermitteln, die für das Verständnis von Geld von Nöten sind. Um diese kurze Erläuterung nicht allzu trocken zu gestalten, werden diese Grundlagen direkt am Beispiel der Geldschöpfung privater Banken erklärt.
Der dritte Teil (Geld und Vermögen) wird schließlich auf unwiderlegbare Zusammenhänge und typische Denkfehler hinweisen, die häufig enstehen, weil Begriffe rund um das Thema Geld (Brutto- und Nettogeldvermögen, Konsum und Ersparnis etc.) unpräzise verwendet werden. Diese Denkfehler stehen einem grundlegenden Verständnis des Geldsystems häufig im Weg.
Im vierten Modul dieses Blogs werden wir anhand der gesamtwirtschaftlichen Buchhaltung erklären, warum eine Geldvermögensbildung in einem Sektor einer Volkswirtschaft nur dann möglich ist, wenn alle anderen Sektoren sich in der Summe in exakt gleicher Höhe verschulden. Aus diesem unwiderlegbaren Zusammenhang werden wir die sogenannten „Finanzierungssalden“ ableiten, die sehr anschaulich die gesamtwirtschaftlichen Zusammenhänge einer Geldwirtschaft darstellen.
In den finalen drei Abschnitten (Geldpolitik I-III) wird dann eine kurze Einführung in die Funktionsweise einer Zentralbank erfolgen. Dies ist lediglich als Einstieg in die Materie gedacht und gewiss keine umfassende Abhandlung aller geldpolitischer Instrumente und ihrer Möglichkeiten sowie Grenzen. Es sollen lediglich die wichtigsten Funktionen und Begriffe im Zusammenhang mit moderner Geldpolitik skizziert werden, um über die größten Denkfehler und Mythen in diesem Bereich aufzuklären.
Unter Links sind schließlich Links zu interesannten und weiterführenden Blogs zum Thema Geld zu finden.
Das Wesen des Geldes
Eine Einführung in die Funktionsweise von Geld beginnt i.d.R. mit derTauschmittelfunktion. In einer reinen Tauschwirtschaft würden Waren gegen Waren getauscht werden. So kann ich als Dozent der Volkswirtschaftslehre meinem Bäcker einen Vortrag über die Funktionsweise des Geldsystems anbieten, wenn er mir im Gegenzug dafür Brötchen für den Rest des Monats liefert. Ist der Bäcker einverstanden, so kann der Tausch von statten gehen. Geld wird hierzu offensichtlich nicht benötigt.
Geld braucht es erst dann, wenn ein Tausch nicht abgeschlossen werden kann, weil die Beteiligten sich nicht auf einen Tausch von Waren einigen können. Dies wird offensichtlich eher die Regel als die Ausnahme sein. Für einen reinen Tausch bräuchte man nämlich eine Koinzidenz der Bedürfnisse („Coincidence of Wants“): Wenn 2 Personen miteinander tauschen, müsste die eine ein Gut verlangen, welches die andere im Überfluss besitzt, während diese wiederum etwas begehrt, was der ersten Person im Überfluss zur Verfügung steht. Diese Koinzidenz müsste zudem räumlich wie auch zeitlich gelten. Stellt eine Person Waren her, die nur im Sommer gefertigt werden, und eine andere Waren, die nur im Winter gefertigt werden, dann kann allein die zeitliche Differenz dazu führen, dass beide Personen keinen Tausch von Waren vollziehen können. Händler haben sich daher schon immer gegenseitig einen Zahlungsaufschub gewährt. Wird dieser Zahlungsaufschub in Form eines Schuldscheins notiert, kann unter gewissen Umständen (die wir weiter unten diskutieren) dieser Schuldschein zu einem allgemein akzeptierten Zahlungsmittel werden. Geld ist also ein Schuldverhältnis. Früher wurden solche Schuldscheine zum Markt gebracht, um sie dort gegenseitig aufzurechnen.
Vermutlich wird der Bäcker im vorangegangenen Beispiel gar kein Interesse daran haben, einen Vortrag von mir zu hören. Er würde wohl eher dazu bereit sein, mir Brötchen zu liefern, wenn er mir dann nur nicht mehr zuhören müsste. Daher zahle ich seine Brötchen in Geldeinheiten, mit denen der Bäcker einer dritten Person Waren abkaufen kann, usw. In diesem Beispiel ist Geld also ein allgemein akzeptierter Schuldschein, den ich dem Bäcker überreiche und den dieser an Dritte weitergeben kann. Letztlich kann man alles als Geld verwenden, solange es als allgemeines Zahlungsmittel akzeptiert wird. Unter diesen Umständen kann der Bäcker mit meinem Schuldschein nämlich andere Schuldverhältnisse auflösen, also seine Rechnungen gegenüber Dritten begleichen. Die Voraussetzungen, die für diese Funktion erfüllt sein müssen, werden wir noch kennen lernen.
Es ist unbestreitbar, dass eine zeitliche und räumliche Koinzidenz i.d.R. nicht der Fall ist und eine Marktwirtschaft ohne Geld nicht funktionieren würde. Daher liegt die Vermutung nahe, dass es eine reine Tauschwirtschaft nie gegeben hat. Nehmen wir an, es gäbe noch kein Geld, aber ich möchte trotzdem bei dem Bäcker einkaufen. Wenn der Bäcker mich kennt und mir vertraut, würde er mir vermutlich – vergleichbar mit den oben erwähnten Händlern – einen Zahlungsaufschub gewähren. Ich würde die Brötchen anschreiben können. Der Bäcker notiert also in Geldeinheiten, dass ich ihm etwas schuldig bin, das ich zu einem späteren Zeitpunkt liefere. Der Bäcker gibt mir in diesem Moment also einen Kredit.1 Auf diese Art und Weise haben Händler schon lange vor Einführung des heutigen Papier- und Buchgeldes Waren getauscht.
Zum Beispiel fungierten sogenannte Kerbhölzer bereits im 11. Jahrhundert als frühe Form der buchhalterischen Erfassung von Schuldverhältnissen. Kerbhölzer waren längliche Brettchen, auf denen man Symbole oder Kerben quer über das Stück einritzte. Das Stück wurde dann der Länge nach zerteilt und jede Partei erhielt eine Hälfte, damit niemand den eingeritzten Wert fälschen konnte. Der Schuldner erhielt i.d.R. das längere Stück, den sogenannten „Foil“, während der Gläubiger das kürzere Ende, den „Stock“ erhielt. Aus jener Zeit stammt das Sprichwort „etwas auf dem Kerbholz haben“ sowie auch der Begriff der „Stock-Exchange“. Die englische Regierung nutzte im 18. Jahrhundert sogenannte „tally sticks“, um sich Gold und Silber von ihren Bürgern zu leihen. Da man mit diesen Kerbhölzern seine Steuern bezahlen konnte, wurden die tallies fortan als allgemeines Zahlungsmittel akzeptiert und repräsentierten eine Form von Geld.
Es lässt sich also vermuten, dass Märkte und Frühformen von (Buch-)Geld gleichzeitig entstanden, da ein Markt ohne Geld nicht vorstellbar ist. Eine reine Tauschwirtschaft hat es also vermutlich nie gegeben. Es liegt zudem die Vermutung nahe, dass es schon einfache Verrechnungssyteme gabe, bevor Edelmetalle, wie Gold und Silber, als Zahlungsmittel dienten. Die folgende Abbildung zeigt wie die damaligen Kerbölzer ausgesehen haben.
Abbildung 1: Kerbhölzer (Tally Sticks)
Formen und Eigenschaften von Geld
Allein dieses historische Beispiel zeigt bereits anschaulich, dass Geld viele Formen annehmen kann. Eine eindeutige Definition von Geld wird heute noch schwieriger, da es eine Fülle von Vermögenswerten gibt, die in Geldeinheiten notiert sind und sich kurzfristig durch einen Verkauf „zu Geld machen lassen“. Hierzu zählen z.B. sogenannte geldnahe Forderungen gegenüber einer Geschäftsbank, die zwar nicht sofort verfügbar sind, aber in relativ kurzer Zeit gegen Einlagen getauscht werden können (z.B. Termineinlagen, Kündigungsgelder, Festgelder oder Sparguthaben mit gesetzlicher Kündigungsfrist). Je nachdem, welches ökonomische Problem man analysieren möchte, kann es angemessen sein, solche Forderungen oder auch Wertpapiere als Geld oder Quasi-Geld zu bezeichnen.
Auch die deutsche Zentralbank, die sich Bundesbank nennt, verwendet 3 unterschiedliche Gelddefinitionen (M1 – M3), die sich in ihrer „Liquiditätsnähe“ unterscheiden, also darin, wie schnell man über sie verfügen kann. Dazu kommt noch die Geldbasis M0, das sogenannte Zentralbankgeld (auch als Reserven bezeichnet). Hierunter versteht man das Geld, welches nur von der Zentralbank herausgegeben werden kann und primär zur Abwicklung des Zahlungsverkehrs im System der Geschäftsbanken (sogenannter Interbankenmarkt) verwendet wird. Die Bundesbank, weist auf ihrer Homepage auf die Schwierigkeiten der Geldmengendefinition hin:2
Da die Übergänge zwischen den unterschiedlichen Einlagearten und kurzfristigen Finanzinstrumenten fließend sind, lässt sich die Geldmenge nicht eindeutig definieren. Letztlich hängt es beispielsweise von der Fragestellung einer Untersuchung ab, welche Einlagearten man zum Geld rechnet und welche nicht bzw. welche Geldmenge man in der Untersuchung verwendet. Vor diesem Hintergrund haben andere Länder ihre Geldmengen nach anderen Kriterien definiert, beispielsweise die Schweiz und die USA.
Tabelle 1 fasst die verschiedenen Geldmengenaggregate nach Definition der Bundesbank zusammen. Jede Zentralbank definiert ihre Geldmengenaggregate etwas anders, aber in den meisten Fällen sehr ähnlich. Es gilt grundsätzlich das Prinzip: Je höher die Nummer des Aggregats, desto breiter gefasst ist die Geldmenge, also desto längerfristigere Geldanlagen werden berücksichtigt. Ein weiteres Geldmengenaggregat, welches leider nur selten Verwendung findet, ist der sogenannte Divisia-Index von William Barnett (siehe z.B.Barnett und Spindt (1979)). Dieser basiert auf einer nach Nutzbarkeit gewichteten Summe verschiedener Geldformen und wird bisher nur von der Bank of England regelmäßig veröffentlicht.
Tabelle 1: Geldmengenaggregate der Bundesbank
Die Hierarchie des Geldes und die zwei Geldkreisläufe
Moderne Geldsysteme sind zweistufig aufgebaut. Sie bestehen aus einem Reserven- und einem Giralgeldkreislauf. Aus Sicht des Kunden einer Bank ist Giralgeld das, was man als Geld bezeichnet. Niemand würde in Frage stellen, dass das Guthaben auf einem Bankkonto Geld darstellt, weil wir es im täglichen Zahlungsverkehr verwenden und jederzeit Eins-zu-Eins in Bargeld tauschen können. Für den Banker hingegen stellen die Einlagen Verbindlichkeiten dar. Kunden können jederzeit eine Auszahlung verlangen und leihen der Bank ihr Geld, solange es auf dem Girokonto verbleibt.
Für den Zahlungsausgleich mit anderen Banken benötigt eine Bank hingegen Reserven, also Zentralbankgeld. Aus ihrer Sicht sind Reserven das „wahre“ Geld, mit dem sie ihren Zahlungsverkehr abwickeln. In der Definition der größer gefassten Geldmengenaggregate aus Tabelle 1 werden auch längerfristige Termineinlagen, kurzfristige Bankschuldverschreibungen, Geldmarktfonds und Repo-Geschäfte als Geld gezählt. Dies sind z.T. auch Kreditverträge zwischen privaten Unternehmen. Zählt man weitere private Nicht-Banken-Finanzierung hinzu, wie Investmentfonds oder die Möglichkeit über Unternehmensanleihen Geld aufzunehmen etc., lässt sich eine Pyramide des Geldes konstruieren wie sie in Abbildung 2 zu sehen ist.
Abbildung 2: Geldpyramide (Pyramide der Verbindlichkeiten)
Für jede Geldform gilt, dass sie ein Versprechen darstellt, die Geldform der jeweils nächsthöheren Ebene zu bezahlen. Kredite sind Versprechen, zu einem späteren Zeitpunkt Einlagen zu zahlen. Einlagen sind Versprechen, zu einem späteren Zeitpunkt Bargeld, also Zentralbankgeld, zu zahlen. Und Zentralbankgeld war früher das Versprechen, zu einem späteren Zeitpunkt Gold zu zahlen. Gold war die einzige international anerkannte Währung, in der man Handel abrechnen konnte und stand in der Hierarchie des Geldes noch über dem Zentralbankgeld an der Spitze der Geldpyramide.3 Im Englischen spricht man häufig von der „moneyness“, also der „Geldigkeit“, wenn man die Hierarchie des Geldes beschreibt. Zentralbankreserven haben gemäß der Pyramide den höchsten Grad der moneyness (im Inland).
Eine weitere Eigenschaft der Geldhierarchie ist, dass die unteren Ebenen die jeweils höhere Art des Geldes vervielfachen. Ein Handelskredit, also ein Zahlungsaufschub von zum Beispiel 90 Tagen, ist ein Versprechen, in 90 Tagen Einlagen zu zahlen. Er benötigt aber zum Zeitpunkt der Kreditvergabe keine Einlagen. Der Kreditnehmer wird vielleicht einen Teil der Einlagen schon jetzt besitzen und erwartet bis zum Zahlungszeitpunkt ausreichende zusätzliche Einnahmen. Oder er geht davon aus, den Kredit „überrollen“ zu können, also durch einen neuen Kredit zu ersetzen. So oder so ist die Kreditmenge gestiegen, ohne dass Einlagen benötigt wurden. Noch deutlicher wird dies am Beispiel einer Kreditkartenzahlung. Im Moment der Zahlung entstehen für eine Transaktion zwei Kreditverträge. Zum einen leiht die Kreditkartenfirma ihrem Kunden bis zum Monatsende den nötigen Betrag, um den Zahlungsvorgang abzuschließen. Zum anderen leiht der Verkäufer der Kreditkartenfirma den gleichen Betrag, da die Überweisung i.d.R. erst nach einigen Tagen erfolgt.
Die Geldpyramide ist zudem dynamisch zu verstehen. Die Kreditvergabe weitet sich i.d.R. in Boomphasen aus und schrumpft in Krisen („Bust“) wieder.4 Die Zentralbank versucht mit ihrer Zinspolitik auf diesen dynamischen Prozess Einfluss zu nehmen. Eine Zinserhöhung in Boom-Phasen macht die Neuaufnahme von Krediten unattraktiver und soll so vor einer Kreditblase und steigenden Preisen schützen, während die Zinssenkung in Krisenzeiten nicht nur die Investitionen anregen soll, sondern auch die Refinanzierung von laufenden Krediten einfacher macht. Wenn ein Unternehmen seinen Zahlungsverpflichtungen zum vereinbarten Zeitpunkt nicht nachkommen kann, weil es in der Rezession weniger Einnahmen macht als erwartet, kann es seine kurzfristigen Liquiditätsprobleme durch einen günstigen Bankkredit in die Zukunft schieben, in der Hoffnung, dass sich die Lage bis dahin wieder bessert. Durch eine Zinssteuerung versucht die Zentralbank demnach, sowohl die Flexibilität dieses Systems zu gewährleisten (Banken können Kredite nach Bedarf schöpfen), als auch disziplinierend auf Banken zu wirken (indem sie ggf. die Zinsen für Kredite der Banken bei der Zentralbank erhöhen).
Die Zentralbank ist so etwas wie die Bank der Geschäftsbanken und besitzt gesetzlich das Monopol auf die Emission einer Währung. Da Bargeld in Form von Münzen und Scheinen heute nur noch einen sehr geringen Teil der gesamten Geldmenge ausmacht, ist das Monopol auf die Schaffung der Reserven das wesentliche Merkmal einer Zentralbank. Reserven sind das offizielle Zahlungsmittel im Geldkreislauf zwischen Zentralbank und Geschäftsbankensektor. Der Privatsektor kann niemals mit Reserven bezahlen, da diese nur im Buchungssystem zwischen Zentralbank und den Geschäftsbanken getauscht werden. Reserven können von Banken aber jederzeit bei der Zentralbank gegen Bargeld getauscht werden. Bargeld stellt demnach die einzige Form von Zentralbankgeld dar, die auch im Privatsektor verwendet werden kann. Die beiden Geldkreisläufe sind in Abbldung 3 dargestellt.5
Abbildung 3: Geldkreisläufe
Da Reserven und Bargeld nur von der Zentralbank (und nicht vom Privatsektor) geschaffen werden, spricht man auch von „Outside Money“ oder „Außengeld“. Es existiert aber ein zweiter Geldkreislauf zwischen (nicht-finanziellen) Unternehmen, Haushalten und Banken, in dem das von Banken geschaffene Giralgeld (auch als Buchgeld bezeichnet) als Zahlungsmittel fungiert. Da dieses Geld von den privaten Banken geschöpft wird, bezeichnet man es auch als „Inside Money“ oder „Binnengeld“. Banken haben in diesem System offensichtlich eine Sonderfunktion, da sie die Schnittstelle zwischen beiden Geldkreisläufen darstellen und als einziger Akteur sowohl Reserven als auch Buchgeld in ihren Bilanzen führen (auf unterschiedlichen Seiten). Wie wir in den letzten Abschnitten sehen werden, halten Banken Reserven als Guthaben bei der Zentralbank und schaffen Einlagen als Verbindlichkeit gegenüber ihren Kunden.
Aber ist es nicht ganz schön riskant, den privaten Banken die Möglichkeit zu eröffnen, eigenständig Geld zu schaffen? Sollte man nicht lieber wieder dafür sorgen, dass Geld durch Gold gedeckt wird, so dass Banken die Guthaben ihrer Kunden in Form von Gold vorrätig halten? Wie wir am Beispiel der Kerbhölzer gesehen haben, braucht es zur Schaffung eines Kredits nicht einmal eine private Bank. In Phasen des sogenannten Goldstandards, in denen die Zentralbank versicherte, Geld in einem vorher festgelegten Verhältnis gegen Gold zu tauschen, entstanden regelmäßig Liquiditätsengpässe, weil die Zunahme der Handelsaktivität nicht von einer Zunahme der Geldmenge begleitet wurde. Um letzteres zu gewährleisten hätte es zusätzliches Gold gebraucht. Häufig wurde dann der Goldstandard aufgegeben oder Händler schrieben sich gegenseitig Schuldscheine, z.B. in Form von Wechseln, um der Geldknappheit zu entkommen. Ohne Geldschöpfung im privaten Bankensektor könnten sich solche Phasen wiederholen. Dies wäre für den Handel eine sehr schädliche Entwicklung. Andererseits sollte klar sein, dass eine völlig unkontrollierte private Geldschöpfung große Probleme verursachen kann (wie die globale Finanzkrise eindrucksvoll gezeigt hat). Wir werden zu der Frage nach der Bedeutung des Geschäftsbankensektors sowie der Rolle der Zentralbank im sogenannten Interbankenmarkt in den letzten 3 Modulen dieses Blogs zurückkehren.
Funktionen und Preise von Geld
Doch was macht Geld nun tatsächlich zu Geld? Die meisten Nichtökonomen müssen sich über solche Fragen keine Gedanken machen. Für sie ist Geld die Summe aus Münzen, Scheinen und dem, was sich auf ihren Bankkonten befindet. Da Sichteinlagen für den überwiegenden Teil des allgemeinen Zahlungsverkehrs verwendet werden können, gehören sie klar zur Gelddefinition dazu. Letztlich stellen Einlagen aus Sicht eines Bankkundens zirkulationsfähige Forderungen gegenüber der Bank dar, die auch von allen anderen Wirtschaftssubjekten zur Bezahlung akzeptiert werden. Es handelt sich um einen digitalen Schuldschein des Bankensystems, der in der Privatwirtschaft zum Erwerb von Gütern und Dienstleistungen verwendet werden kann. Der Grund der Akzeptanz eines Geldes wird in den meisten Lehrbüchern der Geldtheorie auf folgende Eigenschaften bzw. Funktionen zurückgeführt:
(i) Es ist allgemeine akzeptiertes Tauschmittel, da man es bei allen Händlern zum Tausch gegen Waren und Dienstleistungen verwenden kann.
(ii) Es ist Zahlungsmittel, da man mit ihm Rechnungen begleichen, also Schuldverhältnisse auflösen, kann.
(iii) Es ist Wertaufbewahrungsmittel, weil man es vorrätig halten kann, um seine Zahlungsfähigkeit zu erhalten.
(iv) Es ist die allgemeine Recheneinheit, da man alle Güter und Dienstleistungen in Geldeinheiten bewertet und ihre Preise so miteinander vergleichen kann.
Wie sich leicht erkennen lässt, beeinflussen sich die einzelnen Funktionen des Geldes gegenseitig. Es wäre als Tausch- und Zahlungsmittel sicher nicht akzeptiert, wenn es keine Wertbeständigkeit hätte. Würde man nicht einschätzen können, welche Kaufkraft ein Euro in der Zukunft besitzt, würde man ihn wohl kaum im Tausch gegen Güter akzeptieren. Als Recheneinheit würde Geld nicht funktionieren, wenn es keine Tauschmittelfunktion hätte. Lassen sich Waren und Dienstleistungen nicht mit Hilfe von Geld erwerben, ist es offensichtlich auch unmöglich, diese in Geldeinheiten zu bewerten und zu vergleichen.
Die Funktion der Wertaufbewahrung wird von der Inflationsrate, also der Preissteigerungsrate, beeinflusst, da höhere Preise dazu führen, dass man mit der gleichen Geldmenge weniger Güter erwerben kann. Daher ist eine niedrige Inflationsrate ein wichtiges Ziel der Wirtschaftspolitik, um die Akzeptanz von Geld als Wertaufbewahrungsmittel sicher zu stellen. In Zeiten hoher Inflationsraten kann es auch andere Objekte geben, welche die Zahlungsmittelfunktion von Geld übernehmen. Häufig dienen dann Gold oder andere Edelmetalle als Wertaufbewahrungsmittel, oder Sachanlagen wie Häuser, das sogenannte Betongold. Jedoch haben auch diese Vermögenswerte keine konstante Kaufkraft, da ihr Wert, also ihr Preis relativ zu anderen Gütern, Schwankungen unterliegt. Während des Aufbaus der großen Immobilienblase im Vorfeld der globalen Finanzkrise, sind die Immobilienpreise stark angestiegen und haben so das Vermögen vieler Haushalte zunächst erhöht. Der plötzliche Zusammenbruch der Immobilienpreise nach Ausbruch der Finanzkrise hat dieses Vermögen aber wieder „vernichtet“.6 Dies hatte schwerwiegende Folgen, da sich viele Hauseigentümer Hypothekenkredite aufgenommen hatten, bei denen die Immobilie als Sicherheit hinterlegt wurde.
Seit einigen Jahren erfreuen sich digitale „Währungen“ wie Bitcoins einer immer größer werdenden Beliebtheit. Gerne behaupten Befürworter dieses Vermögenswertes, dass die politische Unabhängigkeit der digitalen Währungen der große Vorteil dieser neuen Geldform wäre. Da die Geldmenge sich nicht manipulieren lasse, seien diese „Währungen“ wertbeständiger. Schaut man sich die Entwicklung der Preise solcher digitalen Konstrukte an, erscheint dieses Argument aber sehr schnell entkräftet. Der mangelnde politische Einfluss auf digitalen Währungen ist die große Achillesferse dieser Vermögenswerte, da ihr Preis hierdurch vollständig den Schwankungen der Nachfrage nach ihnen ausgeliefert ist. Da man Bitcoins im allgemeinen Zahlungsverkehr nicht verwenden kann, muss man seine Bitcoins zuvor in Sichteinlagen umtauschen. Der Preis dieses Umtausches unterliegt so enormen Schwankungen, dass man heute nicht vorhersagen kann wie der Wert der Währung morgen aussieht. Im Vergleich hierzu sind sowohl Höhe als auch Volatilität der Konsumentenpreisinflation, an der man die Wertbeständigkeit von Einlagen festmachen kann, ausgesprochen gering. Als allgemeines Zahlungsmittel sind Bitcoins daher unbrauchbar. Und niemand kann versichern, dass die Bewertung von Bitcoins nicht genau so einbricht wie die der Immobilien in der Finanzkrise. Wir werden sehen, dass es einer Institution wie der Zentralbank bedarf, um die Geldwertstabilität zu sichern. Es sind insbesondere jene „Manipulationen“ der Geldmenge, die von den Befürwortern digitaler Währungen immer kritisiert werden, die eine Wertbeständigkeit sicherstellen.
Die gerade dargestellten Überlegungen machen klar, dass die Inflationsrate Einfluss auf den Wert von Geld nimmt. Sie stellt daher einen Preis von Geld dar. Es gibt aber noch andere Kennzahlen, die man als Preis des Geldes bezeichnen kann. Der amerikanische Wirtschaftshistoriker Perry Mehrling führt insgesamt 4 Preise von Geld ein, die sich auf den relativen Wert zum Bargeld beziehen:7
(i) Der Preis von Einlagen ist i.d.R. pari, da man Einlagen Eins-zu-Eins gegen Bargeld tauschen kann. Bargeld und Einlagen haben daher den gleichen Wert. Dies kann in Krisenzeiten durchaus außer Kraft gesetzt werden. Wenn eine schwere Finanzkrise beispielsweise dazu führt, dass alle Kunden gleichzeitig ihre Einlagen abheben wollen, kann es passieren, dass die Bank ab einen gewissen Punkt die Herausgabe von Bargeld verweigert oder zumindest einschränkt. In diesem Fall kann man seine Einlagen gar nicht mehr oder nur noch eingeschränkt in Bargeld tauschen.
(ii) Ein weiterer Preis ist der Zinssatz, weil er bestimmt, welchen Preis man für ein Darlehen zu zahlen hat. Ein Kreditnehmer verpflichtet sich, das Darlehen zzgl. des Zinses in der Zukunft zurückzuzahlen.
(iii) Der Wechselkurs bestimmt den Preis für ausländisches Geld, da er angibt, wie viel ausländische Währung man gegen eine bestimmte Summe inländischer Währung tauschen kann.
(iv) Der letzte Preis des Geldes ist die oben bereits angeführte Inflationsrate, die über die zukünftige Kaufkraft von Geld entscheidet.
Viele Ökonomen legen besonderen Wert auf die institutionelle Fundierung von Geld. Demzufolge hat Geld die oben aufgeführten Eigenschaften primär deswegen, weil die Regierung alle Bürger zwingt, die eigens eingeführte Währung als Zahlungsmittel zu akzeptieren. Dies kann der Staat tun, indem er alle Zahlungen wie Einkommens- und Mehrwertsteuer, Gebühren und Strafen, usw. nur in der von ihm festgelegten Währung akzeptiert. Georg Friedrich Knapp begründete mit der Veröffentlichung der „Staatlichen Theorie des Geldes“ in 1905 den sogenannten Chartalismus (Charter = Urkunde, also verbrieftes Geld, siehe Knapp (2018)).8
Die staatliche Souveränität bestehe ihm zufolge aus drei Monopolen: Die nationale Währung als Preis- und Recheneinheit festzulegen, die Zahlungsmittel auszugeben und die damit verbundenen Geldschöpfungsgewinne zu realisieren. Letzteres bezeichnet man auch als Seignorage. Ursprünglich entstand Seignorage dadurch, dass die Kosten der Münzherstellung unter dem Wert der Goldmünze lagen. Benötigt man zum Herstellen einer Zwei-Pfund Münze gerade einmal Gold im Wert von einem Pfund, so erzielt man pro Münze einen Gewinn von einem Pfund. Dieser Gewinn wurde dadurch realisiert, dass die Regierung das Geld nutzte, um ihre Ausgaben zu bestreiten, also Waren im Wert von 2 Pfund damit erwarb.
Da Münzen im heutigen Zahlungsverkehr so gut wie keine Rolle mehr spielen, wird Seignorage heutzutage meist mit den Zinsgewinnen der Zentralbank oder des Bankensektors gleichgesetzt. Jedoch handelt es sich bei den Gewinnen aus der Kreditvergabe um keine wirkliche Seignorage, sondern um die Bezahlung der Dienstleistungen der Zentral- und Geschäftsbanken (vglb. mit der Bezahlung eines Notars). Aus den Einnahmen des Kreditgeschäfts werden die Mitarbeiter sowie alle weiteren Kosten (Mieten etc.) gezahlt.
Geld wird nur deswegen allgemein anerkannt, weil die Regierung es als Zahlungsmittel akzeptiert. Weil jeder Bürger Steuern und Gebühren in der von der Regierung bestimmten Währung zahlen muss, hat jeder ein Interesse daran, gerade diese Währung als Zahlunsgmittel zu verwenden. Die Modern Monetary Theory (MMT) hat auf dieser Erkenntnis aufbauend eine Theorie entwickelt, die Geld als Steuergutschrift betrachtet (vergleichbar mit den Kerbhölzern in England). Staat und Zentralbank sind demnach die Schöpfer des Geldes und alle anderen lediglich die Nutzer.9
MERKE
Mäkte sind ohne irgendeine Form von Geld bzw. Schuldverhältnissen kaum vorstellbar. Vermutlich wird es Frühformen von Geld geben, seitdem es Märkte gibt.
Moderne Geldsysteme sind zweistufig aufgebaut und bestehen aus einem Reservenkreislauf zwischen Zentralbank und Geschäftsbanken, sowie einen Giralgeldkreislauf zwischen Banken und Privatsektor.
Geld hat diverse Eigenschaften bzw. Funktionen, die sich aus der institutionellen Fundierung von Geld ableiten lassen (eine Währung wird von der Regierung als offizielles Zahlungsmittel festgelegt).
Übungsaufgaben/Quizzes
Literatur
BARNETT, W. A. UND P. A. SPINDT (1979). “The velocity behavior and information content of Divisia monetary aggregates,” Economics Letters, 4, 51–57.↵
KNAPP, G. (2018). Staatliche Theorie Des Geldes, Makroskop Mediengesellschaft mbH: Wiesbaden.↵
Sie fragen sich schon länger, warum es so viele Schulden auf der Welt gibt? Und wer diese Schulden wann und wie zurückzahlen wird? Sie fragen sich regelmäßig, wie unser Geldsystem funktioniert, wie Blasen an Finanzmärkten entstehen und ob dieses System nicht grundsätzlich fehlerhaft konzipiert ist? Kurz gesagt: Sie wollen verstehen, wie eine Geldwirtschaft aufgebaut ist? Dann sind Sie hier richtig!
Was-ist-Geld.de ist ein Projekt der Hamburg Open Online University (HOOU) in Kooperation mit Dr. Michael Paetz (Dozent am Fachbereich VWL der Universität Hamburg). Wir haben uns zum Ziel gesetzt, die grundsätzlichen und unbestreitbaren Zusammenhänge einer Geldwirtschaft einer breiten Öffentlichkeit zu vermitteln. Denn nur dann, wenn man das Konzept „Geld“ verstanden hat, kann man die Probleme wie auch die Möglichkeiten, die dieses System mit sich bringt, nachvollziehen und beurteilen.
Wir beschränken uns dabei zunächst auf grundlegende Zusammenhänge, werden in den hinteren Abschnitten aber auch auf die wichtigsten geldpolitischen Maßnahmen einer Zentralbank eingehen. Vor allem geht es aber um ein grundsätzliches Verständnis von Forderungen und Verbindlichkeiten bzw. Guthaben und Schulden. Denn jeder Verschuldung muss zwangsläufig ein Vermögen gegenüberstehen. Warum dem so ist und wie solche Schuldner-Gläubigerverhältnisse entstehen, das wollen wir hier erklären.
Danksagung
Ich möchte mich bei der HOOU und den studentischen Hilfskräften, Hendrik Hinnrichs, Diego Diez, Christian Gerl und Johannes Heinen bedanken, die mich in der Umsetzung dieses Projektes unterstützt haben. Des Weiteren danke ich meinem guten Freund Johannes Semm für seine bezaubernde Stimme im obigen Trailervideo. Wie üblich sind alle Fehler, die auch nach mehrmaligem Gegenlesen nicht beseitigt wurden, ausschließlich mir anzulasten.
Dr. Michael Paetz, im Dezember 2018.
INHALT/ZIELE
Grundlegendes Verständnis der Funktionsweise einer Geldwirtschaft vermitteln.
Grundlagen buchhalterischen Denkens vermitteln, um monetäre Phänomene besser zu verstehen.
Denken in monetären „Kreisläufen“ vermitteln.
Sensibilisierung für die Schwierigkeiten bei der Interpretation von Begriffen wie „Ersparnis“ und „Konsum“.
Der Autor hat das Urheberrecht auf die Inhalte dieser Seite unter der angegebenen Lizenz. Inhalte und Grafiken, die nicht vom Autor stammen, sind entsprechend gekennzeichnet. Bei Fragen und/oder Anmerkungen wenden Sie sich bitte über diese Email direkt an den Autor: michael.paetz@uni-hamburg.de.
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