Grundlagen der Vermögensrechnung

Manche Menschen sparen auf einem Bankkonto, andere legen Geld in Aktien oder Immobilien an. Vermögensbildung kann sehr verschiedene Formen annehmen, die alle als „Ersparnis“ bezeichnet werden. Da dies häufig zu vermeidbaren Missverständnissen führt, werden wir in diesem Modul einige Begriffe unterscheiden, die dabei helfen, verschiedene Formen der Vermögensbildung zu differenzieren. Wie wir in den vorangegangenen Modulen bereits gesehen haben, können bilanzielle Darstellungen sehr hilfreich sein, wenn es darum geht, monetäre Phänomene zu analysieren. Daher behandeln wir zunächst Grundlagen der doppelten Buchführung, bevor wir verschiedene Formen von „Ersparnis“ untersuchen.

Grundlagen der doppelten Buchführung

Der italienische Mathematiker Luca Pacioli gilt als Erfinder der doppelten Buchführung und hat bereits 1494 in seinem Buch „Summa de arithmetica, geometria, proportioni et proportionalità“ die Grundlagen für eine bilanzielle Erfassung ökonomischer Größen gelegt. Bilanzen bieten eine übersichtliche und schematische Darstellung, die dabei hilft, eine inkonsistente Argumentation zu vermeiden.

Die folgende Einführung in die doppelte Buchführung beschränkt sich auf die Kernkonzepte, die zum Verständnis der Beziehungen zwischen Zentral- und Geschäftsbanken beitragen. Sie soll und wird nicht den Kriterien einer betriebswirtschaftlichen Steuerprüfung genügen. Wir beginnen mit der Unterscheidung zwischen Bestands- und Stromgrößen, die für das Verständnis von Bilanzen wesentlich ist.

Bestands-und Stromgrößen

„I have found out what economics is; it is the science of confusing stocks with flows.“

– Michal Kalecki, ca. 1936, zitiert nach Godley und Lavoie (2007, S. 1).

Ökonomen unterscheiden zwischen Größen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt gemessen werden, wie z.B. das Vermögen, und solchen, die über einen Zeitraum (also pro Zeiteinheit) erfasst werden, wie z.B. die Ersparnis. Erstere nennt man Bestandsgrößen, letztere Strom- oder Flussgrößen. Um die Entwicklung einer Bestandsgröße zu beschreiben benötigt man die Stromgröße, welche die Veränderung des Bestands beschreibt: Die Bestandsgröße Vermögen am Ende dieses Jahres entspricht der Bestandsgröße Vermögen am Ende des letzten Jahres zuzüglich der Stromgröße Ersparnis während des laufenden Jahres. Da die Stromgröße Ersparnis häufig mit der Bestandsgröße Vermögen verwechselt wird, verwendet das statistische Bundesamt seit 1995 in der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung den Ausdruck „Sparen“ statt Ersparnis.

Ein weiteres wichtiges Beispiel für den Zusammenhang von Bestands- und Stromgrößen ist die Beziehung zwischen Kapitalstock und Investitionen. Der Kapitalstock entspricht dem Bruttoanlagevermögen und repräsentiert in der Produktion eingesetzte Anlagegüter, wie Maschinen oder Fabriken. Er stellt eine Bestandsgröße dar, die zu einem Zeitpunkt (z.B. am Ende des Jahres) gemessen wird, während die Investition eine Stromgröße ist, die über einen Zeitraum erfasst wird (z.B. während eines Jahres). Stellen wir uns den Kapitalstock vereinfacht als einen Bestand von Maschinen vor, dann entspricht der Wert der Maschinen am Ende eines Jahres gerade dem Wert am Ende des vergangenen Jahres zuzüglich der Investitionen in neue Maschinen.

Typische Bestandsgrößen sind Vermögen oder Schuldenstand. Typische Stromgrößen sind Einkommen, Ersparnis oder Neuverschuldung. Tabelle 2 gibt einige Beispiele für Bestands- und Stromgrößen.

Tabelle 2: Bestands- und Stromgrößen

 \begin{tabular}{C{8cm}C{8cm}} \textbf{Bestandsgrößen [Maßeinheit]}& \textbf{Stromgrößen [Maßeinheit]}\\ \toprule \midrule Kapitalstock [GE] & Investitionen [GE/Jahr]\\ Bevölkerung [Personen]&Sterbefälle [Personen/Jahr]\\ Schuldenstand [GE] & Nominales Bruttoinlandsprodukt [GE/Jahr]\\ Vermögen [GE] & Ersparnis [GE/Jahr]\\ Arbeitslose [Personen] & Technische Abschreibungen [GE/Jahr]\\ \bottomrule \end{tabular}

T-Konten und Bilanzen

Essentielle Basis für die doppelte Buchführung sind T-Konten. Grundsätzlich lassen sich mit Hilfe von T-Konten sowohl Bestände als auch Zu- und Abgänge, also Stromgrößen, einer Art erfassen. Der Ausdruck Bilanz ist aus dem Lateinischen abgeleitet und bedeutet so viel wie Waage oder Gleichgewicht („ bi“ für doppelt und „ lanx“ für Schale). Eine Bilanz ist ein T-Konto, das die Bestände aller Vermögenswerte (+) und Schulden (-) bzw. Forderungen (+) und Verbindlichkeiten (-) als Aktiva (+) und Passiva (-) eines Individuums oder einer Gruppe strukturiert zusammenfasst:

 \setlength{\tabcolsep}{1mm} \begin{center} \begin{tabular}{p{3cm}R{1cm}|p{4cm}R{1cm}} \multicolumn{4}{c}{\textbf{A}\hfill\textbf{Individuum/Institution}\hfill\textbf{P}}\\ \hline Vermögen& (+) & Verschuldung&(-) \end{tabular} \end{center} \end{document}

Für gewöhnlich wird in keiner Bilanz die Summe der Vermögenswerte exakt der Verschuldung entsprechen. Es gibt einen Restposten, den man als das Nettovermögen bzw. das Reinvermögen bezeichnet (die Differenz zwischen Forderungen/Vermögen und Verbindlichkeiten/Verschuldung). Die Berücksichtigung des Nettovermögens in der Bilanz sorgt dafür, dass Aktiv- und Passivseite gleich groß sind und die Bilanz immer ausgeglichen ist. Das Nettovermögen kann auf beiden Seiten der Bilanz aufgeführt werden. Da Bilanzpositionen nicht negativ sein können, wird es als Ausgleichsposten auf der rechten Seite geführt, sofern die Vermögenswerte die Verschuldung übersteigen. Sollte die Verschuldung hingegen das Vermögen übersteigen, wird es auf der linken Seite der Bilanz geführt werden. Die Bilanz einer Privatperson könnte z.B. so aussehen:

 \begin{tabular}{p{2.5cm}R{1.5cm}|p{2.5cm}R{1.5cm}} \multicolumn{4}{c}{\textbf{A}\hfill\textbf{Privatperson}\hfill\textbf{P}}\\ \hline Forderungen & 20 \euro & Verbindlichkeiten & 10 \euro \\ & & Nettovermögen & 10 \euro \end{tabular}

Unterkonten

Eine Bilanz listet die Vermögenswerte (Immobilien, Aktien, Bankeinlagen, Bargeld, etc.) und Verbindlichkeiten (z.B. Hypothekenkredite und Konsumentenkredite) systematisch auf. Jeder einzelne Eintrag kann wiederum in einem (Unter-)T-Konto detaillierter aufgegliedert werden. Zudem können die Veränderungen der Bestandsgrößen in Transaktionskonten aufgeführt werden, die i.d.R. in Aktiv- und Passivkonten unterteilt werden. Sie erfassen den Anfangsbestand (AB) einer Position, ihre Zu- und Abgänge sowie ihren Endbestand (EB), wie in Abbildung 4 dargestellt.

Abbildung 4: Bilanzierungsbeispiel mit Unterkonten

 \begin{tabular}{p{2.5cm}R{1.5cm}|p{2.5cm}R{1.5cm}} \multicolumn{4}{c}{\textbf{A}\hfill\textbf{Privatperson}\hfill\textbf{P}}\\ \hline Immobilien & 500 \euro& Hypotheken & 500 \euro\\ Aktien & 100 \euro & Nettovermögen & 110 \euro\\ Bankeinlagen & 10 \euro & & \end{tabular}

 \begin{tabular}{cc} $\swarrow$ & $\searrow$\\ \underline{\textbf{\texttt{Aktivkonten}}} & \underline{\textbf{\texttt{Passivkonten}}}\\ ~&~\\ \begin{tabular}[t]{p{2cm}R{1.1cm}|p{1.9cm}R{1.2cm}} \multicolumn{4}{c}{\textbf{Soll}\hfill\textbf{Immobilien}\hfill\textbf{Haben}}\\ \hline AB & 500 \euro&Abgang & 0 \euro\\ Zugang & 0 \euro& \textbf{EB} & \textbf{ 500 \euro} \end{tabular} & %{~~} \begin{tabular}[t]{p{2cm}R{1.1cm}|p{2cm}R{1.1cm}} \multicolumn{4}{c}{\textbf{Soll}\hfill\textbf{Hypotheken}\hfill\textbf{Haben}}\\ \hline Abgang & 0 \euro& AB & 500 \euro\\ \textbf{EB} & 500 \euro& Zugang & 0 \euro \end{tabular}\\ \begin{tabular}[t]{p{2cm}R{1.1cm}|p{2cm}R{1.1cm}} \multicolumn{4}{c}{\textbf{Soll}\hfill\textbf{Aktien}\hfill\textbf{Haben}}\\ \hline AB & 100 \euro& Abgang & 0 \euro \\ Zugang & 0 \euro&\textbf{EB} & \textbf{100 \euro} \end{tabular} & %{~~} \begin{tabular}[t]{p{2cm}R{1.1cm}|p{2cm}R{1.1cm}} \multicolumn{4}{c}{\textbf{Soll}\hfill\textbf{Nettovermögen}\hfill\textbf{Haben}}\\ \hline Abgang & 0 & AB & 110 \euro\\ \textbf{EB} & 110 \euro & Zugang & 0 \euro \end{tabular} \\ \begin{tabular}[t]{p{2cm}R{1.1cm}|p{2cm}R{1.1cm}} \multicolumn{4}{c}{\textbf{Soll}\hfill\textbf{Bankeinlagen}\hfill\textbf{Haben}}\\ \hline AB & 10 \euro& Abgang & 0 \euro \\ Zugang & 0 \euro& \textbf{EB} & \textbf{10 \euro} \end{tabular} & \end{tabular}

In den Aktivkonten werden die Anfangsbestände der Vermögenswerte auf der Soll-Seite (links) verbucht, in den Passivkonten werden die Anfangsbestände der Verbindlichkeiten auf der Haben-Seite (rechts) verbucht. Zugänge sind entsprechend im Aktivkonto auf der Soll- und im Passivkonto auf der Habenseite zu finden. Umgekehrt verhält es sich mit den Abgängen in einem Unterkonto. Die Salden der Aktiv- und Passivkonten ergeben dann den Endbestand und somit die Einträge der Unterkonten in der Bilanz. Für unsere Zwecke wird es meistens ausreichen, die Bilanzen ohne Aktiv- und Passivkonten zu betrachten und Veränderungen mit „ +“ oder „ -“ darzustellen.

Aktiv- und Passivtausch

Die Buchungen in einer Bilanz werden häufig mit Hilfe eines Buchungssatzes verkürzt wiedergegeben. Nehmen wir an, unsere Beispielperson kauft mit ihren Bankeinlagen für 5 Euro zusätzliche Aktien. Dann wäre der entsprechende Buchungssatz „ (Per) Aktien an Bankeinlagen 5 Euro. Zunächst wird das Unterkonto genannt, in dem auf der linken Seite (der Soll-Seite) gebucht wird, dann das Unterkonto, bei dem auf der rechten (der Haben-Seite) gebucht wird. Da im Deutschen auch von links nach rechts gelesen wird, kann man sich dies relativ einfach merken. Anders ausgedrückt wird zunächst das Konto genannt, für das die finanziellen Mittel aufgewendet werden (Mittelverwendung), und dann das Konto, von dem die Mittel genommen werden (Mittelherkunft). Verbunden werden die beiden Konten mit dem Wort „ an“. Man bucht also immer „ (Per) Soll an Haben“. Die Veränderung der Konten unserer Beispielperson ist im oberen Abschnitt von Abbildung 5 dargestellt.

Abbildung 5: Aktiv- und Passivtausch

 \underline{\textbf{Aktivtausch: Aktien an Bankeinlagen 5 \euro}}\\ ~\\ \begin{tabular}{p{2.5cm}R{1.5cm}|p{2.5cm}R{1.5cm}} \multicolumn{4}{c}{\textbf{A}\hfill\textbf{Privatperson}\hfill\textbf{P}}\\ \hline Immobilien & 500 \euro& Hypotheken & 500 \euro\\ Aktien & 105 \euro & Nettovermögen & 110 \euro\\ Bankeinlagen & 5 \euro & & \end{tabular}

 \begin{tabular}{cc} $\swarrow$ & $\searrow$\\ \underline{\textbf{\texttt{Aktivkonten}}} & \underline{\textbf{\texttt{Passivkonten}}}\\ ~&~\\ \begin{tabular}[t]{p{2cm}R{1.1cm}|p{2cm}R{1.1cm}} \multicolumn{4}{c}{\textbf{Soll}\hfill\textbf{Aktien}\hfill\textbf{Haben}}\\ \hline AB & 100 \euro& Abgang & 0 \euro \\ Zugang & 5 \euro&\textbf{EB} & \textbf{105 \euro} \end{tabular} &\begin{tabular}[t]{p{2cm}R{1.1cm}|p{2cm}R{1.1cm}} \multicolumn{4}{c}{\textbf{Soll}\hfill\textbf{Haben}}\\ \hline ~ & ~& ~ & ~ \end{tabular}\\ \begin{tabular}[t]{p{2cm}R{1.1cm}|p{2cm}R{1.1cm}} \multicolumn{4}{c}{\textbf{Soll}\hfill\textbf{Bankeinlagen}\hfill\textbf{Haben}}\\ \hline AB & 10 \euro& Abgang & 5 \euro \\ Zugang & 0 \euro& \textbf{EB} & \textbf{5 \euro} \end{tabular} &~ \end{tabular}

 \underline{\textbf{Passivtausch: Hypotheken an Kredite 100 \euro}}\\ ~\\ \begin{tabular}{p{2.5cm}R{1.5cm}|p{2.5cm}R{1.5cm}} \multicolumn{4}{c}{\textbf{A}\hfill\textbf{Privatperson}\hfill\textbf{P}}\\ \hline Immobilien & 500 \euro& Hypotheken & 400 \euro\\ Aktien & 105 \euro & Kredite & 100 \euro\\ Bankeinlagen & 5 \euro & Nettovermögen & 110 \euro \end{tabular}

 \begin{tabular}{cc} $\swarrow$ & $\searrow$\\ \underline{\textbf{\texttt{Aktivkonten}}} & \underline{\textbf{\texttt{Passivkonten}}}\\ ~&~\\ \begin{tabular}[t]{p{2cm}R{1.1cm}|p{2cm}R{1.1cm}} \multicolumn{4}{c}{\textbf{Soll}\hfill\textbf{Haben}}\\ \hline ~ & ~& ~ & ~ \end{tabular} & \begin{tabular}[t]{p{2cm}R{1.1cm}|p{2cm}R{1.1cm}} \multicolumn{4}{c}{\textbf{Soll}\hfill\textbf{Hypotheken}\hfill\textbf{Haben}}\\ \hline Abgang &100 \euro & AB & 500 \euro\\ \textbf{EB} &\textbf{400 \euro}&Zugang &0 \euro\\ \end{tabular}\\ & \begin{tabular}[t]{p{2cm}R{1.1cm}|p{2cm}R{1.1cm}} \multicolumn{4}{c}{\textbf{Soll}\hfill\textbf{Kredite}\hfill\textbf{Haben}}\\ \hline Abgang & 0 \euro& AB & 0 \\ \textbf{EB} & \textbf{100 \euro}& Zugang & 100 \euro\\ \end{tabular} \end{tabular}

In diesem Beispiel hat der zusätzliche Kauf der Aktien lediglich zu einer Veränderung auf der Aktivseite der Bilanz geführt. Es waren daher auch nur die Aktivkonten von dem Vorgang berührt. Man spricht in diesem Fall auch von einem Aktivtausch. Eine Buchung, die lediglich die Passivseite betrifft, nennt man dementsprechend einen Passivtausch. Unsere Beispielperson könnte sich zum Beispiel 100 Euro von ihrem Nachbarn leihen, um einen Teil der Hypothek zurückzuzahlen. In diesem Fall wäre der Buchungssatz „ Hypotheken an Kredite 100 Euro (also wieder: Soll an Haben) und es würde das neue Unterkonto „Kredite“ auf der Passivseite der Bilanz aufgeführt werden, wie im unteren Teil in Abbildung 5 dargestellt. Der Saldo auf dem Passivkonto „ Hypotheken“ beträgt jetzt nur noch 400 Euro. Das Nettovermögen der Privatperson hat sich aber nicht verändert, weil nun ein zusätzlicher Kreditvertrag mit dem Nachbarn besteht. Lediglich die Zusammensetzung der Verbindlichkeiten ist nun eine andere.

Bilanzverlängerung und -verkürzung

Neben Aktiv- und Passivtausch gibt es noch die sogenannte Bilanzverlängerung bzw. -verkürzung. Hiermit werden Transaktionen bezeichnet, welche die Aktiv- und Passivseite um denselben Betrag erhöhen bzw. vermindern. Würde sich unsere Beispielperson dazu entscheiden, einen weiteren Kredit in Höhe von 100 Euro aufzunehmen, um damit zusätzliche Aktien zu kaufen, so wäre der entsprechende Buchungssatz „Aktien an Kredite 100 Euro“. Auf der Passivseite würden sich die Verbindlichkeiten (Kredit) und auf der Aktivseite das Konto „Aktien“ um den gleichen Betrag von 100 Euro erhöhen.1 Dieser Vorgang ist in der oberen Hälfte von Abbildung 6 gezeigt. Die Bilanz wäre entsprechend um 100 Euro verlängert worden. Die untere Hälfte zeigt eine Bilanzverkürzung. Unsere Beispielperson verwendet 5 Euro ihrer Einlagen, um in einem Café ein Eis zu kaufen. Da es sich bei dem Eis um ein Konsumgut handelt, das sofort verspeist wird, und nicht um ein längerfristiges Gut wie eine Immobilie, ist die Gegenbuchung eine Reduktion des Nettovermögens. Im Ergebnis wurde die Bilanz um 5 Euro verkürzt.

Abbildung 6: Bilanzverlängerung und Verkürzung

 \underline{\textbf{Bilanzverlängerung: Aktien an Kredite 100 \euro}}\\ ~\\ \begin{tabular}{p{2.5cm}R{1.5cm}|p{2.5cm}R{1.5cm}} \multicolumn{4}{c}{\textbf{A}\hfill\textbf{Privatperson}\hfill\textbf{P}}\\ \hline Immobilien & 500 \euro& Hypotheken & 400 \euro\\ Aktien & 205 \euro & Kredite & 200 \euro\\ Bankeinlagen & 5 \euro & Nettovermögen & 110 \euro \end{tabular}

 \begin{tabular}{cc} $\swarrow$ & $\searrow$\\ \underline{\textbf{\texttt{Aktivkonten}}} & \underline{\textbf{\texttt{Passivkonten}}}\\ ~&~\\ \begin{tabular}[t]{p{2cm}R{1.1cm}|p{2cm}R{1.1cm}} \multicolumn{4}{c}{\textbf{Soll}\hfill\textbf{Aktien}\hfill\textbf{Haben}}\\ \hline AB &105 \euro & Abgang & 0 \euro\\ Zugang & 100 \euro& \textbf{EB} &\textbf{205 \euro} \end{tabular} & \begin{tabular}[t]{p{2cm}R{1.1cm}|p{2cm}R{1.1cm}} \multicolumn{4}{c}{\textbf{Soll}\hfill\textbf{Kredite}\hfill\textbf{Haben}}\\ \hline Abgang & 0 \euro& AB & 100 \\ \textbf{EB} & \textbf{200 \euro}& Zugang & 100 \euro \end{tabular} \end{tabular}

 \underline{\textbf{Bilanzverkürzung: Nettovermögen an Bankeinlagen 5 \euro}}\\ ~\\ \begin{tabular}{p{2.5cm}R{1.5cm}|p{2.5cm}R{1.5cm}} \multicolumn{4}{c}{\textbf{A}\hfill\textbf{Privatperson}\hfill\textbf{P}}\\ \hline Immobilien & 500 \euro& Hypotheken & 400 \euro\\ Aktien & 205 \euro & Kredite & 200 \euro\\ Bankeinlagen & 0 \euro & Nettovermögen & 105 \euro \end{tabular}

 \begin{tabular}{cc} $\swarrow$ & $\searrow$\\ \underline{\textbf{\texttt{Aktivkonten}}} & \underline{\textbf{\texttt{Passivkonten}}}\\ ~&~\\ \begin{tabular}[t]{p{2cm}R{1.1cm}|p{2cm}R{1.1cm}} \multicolumn{4}{c}{\textbf{Soll}\hfill\textbf{Bankeinlagen}\hfill\textbf{Haben}}\\ \hline AB &5 \euro & Abgang & 5 \euro\\ Zugang & 0 \euro& \textbf{EB} &\textbf{0 \euro} \end{tabular} & \begin{tabular}[t]{p{2cm}R{1.1cm}|p{2cm}R{1.1cm}} \multicolumn{4}{c}{\textbf{Soll}\hfill\textbf{Nettoverm\"{o}gen}\hfill\textbf{Haben}}\\ \hline Abgang & 5 \euro& AB & 110 \\ \textbf{EB} & \textbf{105 \euro}& Zugang & 0 \euro \end{tabular} \end{tabular}

In den obigen Beispielen hat lediglich der Eiskauf zu einer Veränderung des Nettovermögens geführt. Weder der Kauf von Aktien aus dem eigenen Einlagenbestand noch der Kauf mit Hilfe eines neuen Kredits hat die Differenz zwischen Forderungen und Verbindlichkeiten verändert. Nur der Erwerb eines Konsumgutes, welches sofort verbraucht wird, ändert das Nettovermögen, weil der Ausgabe kein neuer Vermögenswert gegenübersteht. Die Bilanz ist aber in jedem Fall ausgeglichen, unabhängig davon, ob es sich um einen Aktiv- oder Passivtausch bzw. eine Bilanzverlängerung oder -verkürzung handelt. Aktiv- und Passivseite sind immer gleich groß.

Formen der Vermögensbildung

Die Stromgröße Ersparnis (oder auch Sparen) entspricht dem Teil des Einkommens, der nicht zum Konsum verwendet wird. Sie wird daher von vielen Menschen als Konsumzurückhaltung interpretiert oder gar mit der Bestandsgröße Vermögen verwechselt. Ersparnis ist aber Vermögensbildung, also die Veränderung des Vermögens. Sie kann zudem verschiedene Formen annehmen und muss nicht zwangsläufig mit einer Reduktion der Konsumausgaben einhergehen (möglich wäre z.B. auch eine Erhöhung des Einkommens). Im Folgenden werden verschiedene Formen der Vermögensbildung präzisiert, um Missverständnisse zu eliminieren, die dem Verständnis der späteren Module im Wege stehen würden.

Netto-, Geld- und Sachvermögen

Die bilanzielle Darstellung in Abbildung 8 veranschaulicht verschiedene Vermögensbegriffe, die wir regelmäßig verwenden werden.2 Zum Zahlungsmittelbestand zählt man das Bargeld, welches wir in Form von Scheinen und Münzen in unseren Brieftaschen, unter dem Kopfkissen etc. aufbewahren, sowie das Giralgeld, also der Bestand von Einlagen auf unseren Bankkonten. Nimmt man die sonstigen Geldforderungen hinzu, wie Wertpapiere, Termingelder etc., ergibt sich das Bruttogeldvermögen. Ziehen wir vom Bruttogeldvermögen die Geldschulden ab, verbleibt das Nettogeldvermögen. Häufig wird auch vereinfacht vom Geldvermögen gesprochen, wenn das Nettogeldvermögen gemeint ist.

Das Reinvermögen bzw. Nettovermögen erhält man dann, indem man zum Nettogeldvermögen noch das Sachvermögen hinzuzählt, welches aus allen denkbaren Sachwerten, also langlebigen Gütern besteht. Dies können Kühlschränke, Autos, Immobilien, die heimische Stereoanlage, der Laptop, das Handy usw. sein. Im volkswirtschaftlichen Rechnungswesen entspricht das Sachvermögen dem Anlagevermögen sowie Grund und Boden. Zum Anlagevermögen zählen nur Güter, die längerfristig in der Produktion eingesetzt werden (Bauten, Maschinen, Software etc.).

Abbildung 8: Rein-, Geld- und Sachvermögen
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Grass und Stützel (1983, Kapitel 5.3).

Die bisher genannten Definitionen beziehen sich auf die Bestände in einer Bilanz. Mit ihrer Hilfe lassen sich aber auch Veränderungen präzise benennen. Veränderungen des Zahlungsmittelbestandes bezeichnet man als Einzahlung bzw. Auszahlung, Veränderungen des (Netto-)Geldvermögens als Einnahme bzw. Ausgabe und Veränderungen des Nettovermögens als Ertrag bzw. Aufwand. Die letztgenannten Begriffe werden bei Privatpersonen auch als Einkommen bzw. Konsum bezeichnet.

Einnahmen und Ausgaben vs. Einkommen und Konsum

Einnahmen sollten nicht mit Einkommen verwechselt werden. So kann sich das Geldvermögen eines Unternehmens auch erhöhen, wenn z.B. eine Maschine verkauft wird. Hierdurch würde sich das Sachvermögen reduzieren, aber das Geldvermögen ansteigen (Aktivtausch). Das Nettovermögen hätte sich in diesem Fall aber nicht verändert. Der Vorgang führt zu einer Einzahlung, die auch eine Einnahme darstellt, aber keinen Ertrag. Bekommt man hingegen zum Monatsersten sein Gehalt überwiesen, so erhöht sich der der Zahlungsmittelbestand, das Geldvermögen und auch das Nettovermögen. Die Überweisung stellt in diesem Fall Einkommen, Einnahme und Ertrag dar.

Eine Ausgabe sollte auch nicht mit Konsum verwechselt werden. Konsum beschreibt den Verbrauch von Gütern. So wäre der Konsum einer guten Flasche Rotwein eine Verringerung des Sachvermögens, weil der Bestand des Weinkellers verringert wurde. Gleichzeitig findet eine Reduktion des Nettovermögens statt, nicht aber eine Reduktion des Geldvermögens, sofern sich die Flasche bereits im Besitz des Trinkers befand. Der Verbrauch stellt einen Konsum (= Aufwand) dar, aber keine Ausgabe wie auch keine Auszahlung. In der Vermögensrechnung des statistischen Bundesamtes wäre die Flasche Rotwein allerdings bereits beim Kauf des Endverbrauchers als Konsumgut gewertet worden und bestenfalls dem Gebrauchsvermögen, nicht aber dem Sachvermögen zugeordnet worden.

Ein- und Auszahlungen

Wird der Kauf einer Aktie z.B. mit Bankeinlagen gezahlt, so stellt der Kauf eine Auszahlung, aber keine Ausgabe und keinen Aufwand dar. Der Zahlungsmittelbestand verringert sich, ohne dass sich Geld- oder Nettovermögen ändern. Der Barkauf einer Maschine wäre hingegen eine Ausgabe sowie eine Auszahlung, aber kein Aufwand. Der Zahlungsmittelbestand und das Geldvermögen sinken, ohne dass sich das Nettovermögen ändert.

Der Verkauf eines Anlagegutes gegen Bargeld stellt eine Einzahlung sowie eine Einnahme dar, weil sich der Zahlungsmittelbestand wie auch das Geldvermögen erhöht, aber keinen Ertrag, weil sich das Nettovermögen nicht ändert. Die Bezahlung eines Kinobesuchs mit Bargeld wäre eine Auszahlung, eine Ausgabe und ein Aufwand (Konsum). Führt der Verkauf einer Aktie zu einer Erhöhung der Bankeinlagen, stellt der Vorgang eine Einzahlung, aber keine Einnahme und keinen Ertrag dar, weil die sonstigen Geldforderungen um den gleichen Betrag gesunken, wie die Zahlungsmittel gestiegen sind. Der Zusammenhang zwischen den Strom- und Bestandsgrößen im Rahmen der Vermögensrechnung ist in Tabelle 3 zusammengefasst.

Tabelle 3: Zusammenhang von Bestands- und Stromgrößen
Bestandsgröße Stromgröße
Zahlungsmittel Einzahlung (+) / Auszahlung (-)
Geldvermögen Einnahme (+) / Ausgabe (-)
Reinvermögen Ertrag (+) / Aufwand (-)

Quelle: Paetz (2025, Kap. 1.2.1).

Gesamtwirtschaftliche Vermögensbildung

Häufig werden gesamtwirtschaftliche Zusammenhänge zunächst unter Vernachlässigung von Außenhandelsbeziehungen untersucht (in einer sogenannten geschlossenen Volkswirtschaft). Erst im Nachhinein wird die Analyse dann um die Außenhandelsbeziehungen erweitert. Da innerhalb eines abgeschlossenen Systems die Ausgaben einer Person immer den Einnahmen einer anderen entsprechen, kann eine solche Volkswirtschaft kein Nettogeldvermögen bilden.

Ausgaben sind Einnahmen

Eine Person oder Gruppe kann nur dann mehr einnehmen als ausgeben, also einen Einnahmenüberschuss erzielen, wenn alle anderen in der Summe in exakt gleicher Höhe einen Ausgabenüberschuss verzeichnen, also mehr ausgeben als einnehmen. Betrachten wir eine Beispielökonomie, die aus nur 2 Personen besteht. Person A stellt Nahrungsmittel her und Person B Kleidungsstücke. Nehmen wir an, beide kaufen sich gegenseitig Waren im Wert von 1000 Euro ab. Dann entsprechen die Ausgaben der einen Person gerade den Einnahmen der anderen und beide haben einen ausgeglichenen Budgetsaldo (Einnahmen = Ausgaben). Nehmen wir nun an, Person A möchte Vermögen bilden, indem sie weniger ausgibt als sie einnimmt. Gehen wir davon aus, sie kauft nur noch Waren im Wert von 800 Euro von Person B ab, weil sie 200 Euro sparen möchte. Mit der Ersparnis von Person A sinken nun aber auch die Einnahmen von Person B. Um weiterhin Waren im Wert von 1000 Euro von Person A abzukaufen, müsste sich Person B verschulden. Person A könnte ihr die 200 Euro leihen, die sie nicht ausgegeben hat.

Die Ersparnis (der Vermögensaufbau) von A ist aber nur dann möglich, wenn sich B in der laufenden Periode verschuldet. Angenommen, Person B wäre nicht bereit, sich zu verschulden. Wenn sie ihre Ausgaben reduziert, um sie den gesunkenen Einnahmen anzupassen, kann auch Person A kein Vermögen bilden. Gibt Person B nämlich nur 800 Euro aus, dann sinken wiederum die Einnahmen von Person A und entsprechen wieder ihren Ausgaben. Der Einnahmenüberschuss von A verschwindet, weil B keinen Ausgabenüberschuss zulässt. Unter diesen Umständen ist Person A also gezwungen, ihren Sparplan zu ändern, will sie ihren Ausgabeplan aufrecht erhalten.

Die Nettoweltverschuldung beträgt null

Ein Ausgabenüberschuss kann auch aus einem angesparten Vermögen getätigt werden. In diesem Fall würde das Vermögen der entsprechenden Person in der laufenden Periode sinken. Der Einnahmenüberschuss ist dennoch nur möglich, weil es auch einen Ausgabenüberschuss gibt. Zudem kann das angesparte Vermögen nur aus Einnahmenüberschüssen der Vergangenheit entstanden sein. Einem Geldvermögen muss zwangsläufig eine ebenso hohe Verschuldung gegenüberstehen. Man kann also nur dann Geldvermögen bilden, solange alle anderen Wirtschaftssubjekte in exakt gleicher Höhe Geldvermögen abbauen. Der eigenen Forderung muss eine ebenso hohe Verbindlichkeit gegenüberstehen.

Lege ich meinen Einnahmenüberschuss z.B. in einen Fonds an, steht meiner Vermögensbildung ein Schuldverhältnis des Fonds gegenüber. Beim Kauf einer Unternehmensanleihe steht meiner Forderung eine Verbindlichkeit des entsprechenden Unternehmens gegenüber, usw. In unserem Beispiel steht der potentiellen Vermögensbildung von Person A eine potentielle Verschuldung der Person B gegenüber (sofern B überhaupt bereit ist, sich zu verschulden und A Ersparnisse bilden zu lassen). Da Schulden und Vermögen sich global immer zu null addieren müssen, ist die Nettoverschuldung global natürlich null.3 Die Welt als Ganzes hat ja keinen außerirdischen Sparer, bei dem sie sich verschulden könnte, bzw. keinen außerirdischen Schuldner, der ihr eine Ersparnis ermöglicht.

Gesamtwirtschaftliche Vermögensbildung ist Sachvermögensbildung

Wie das vorangegangene Beispiel gezeigt hat, bleibt nach Verrechnung aller Forderungen und Verbindlichkeiten für die gesamtwirtschaftliche Vermögensbildung lediglich die Sachvermögensbildung übrig, die volkswirtschaftlich auch als Investition bezeichnet wird. Demnach muss die gesamtwirtschaftliche Ersparnis (Vermögensbildung) den Investitionen entsprechen.

Viele schließen aus dieser Identität vorschnell, dass Ersparnisse, im Sinne von vorhandenem Geldvermögen, Investitionen finanzieren würden. Wie wir wissen verleihen Banken aber keine vorhandenen Spareinlagen, sondern neu geschaffene. Da diese Identität jederzeit gilt, kann man gesamtwirtschaftlich auch keine Ersparnisse anhäufen, um sie zu einem späteren Zeitpunkt zu investieren, weil die Ersparnis der Vergangenheit ja bereits der Investition der Vergangenheit entsprach. Einzelwirtschaftlich lässt sich Geld ansparen, um es zu einem späteren Zeitpunkt auszugeben. Gesamtwirtschaftlich ist diese Sichtweise aber irreführend, weil die gesamtwirtschaftliche Ersparnis gar keine Geldvermögensbildung ist.

MERKE
  • Eine Bilanz ist stets ausgeglichen. Auf der Aktivseite werden die Vermögenswerte (Forderungen) erfasst, während auf der Passivseite die Verbindlichkeiten verbucht werden. Die Differenz ergibt bei Privatpersonen das Nettovermögen und bei Unternehmen das Eigenkapital.
  • Die Aktiv- und Passivseite können auch als Verwendung und Herkunft der Positionen betrachtet werden.
  • Ein Aktivtausch betrifft ausschließlich Positionen auf der Aktivseite, während ein Passivtausch nur die Passivseite berührt.
  • Eine Bilanzverlängerung oder -verkürzung beeinflusst sowohl die Aktiv- als auch die Passivseite gleichermaßen, wodurch sich die Bilanzsumme erhöht oder verringert.
  • Vermögenswerte lassen sich in Rein- (bzw. Netto-), Geld- und Sachvermögen unterteilen.
  • Das Reinvermögen setzt sich aus der Summe von Geld- und Sachvermögen zusammen.
  • In einer geschlossenen Volkswirtschaft erfolgt die Vermögensbildung immer in Form von Sachvermögensbildung, da die Geldvermögensbildung im Aggregat nicht möglich ist.

Literatur

GODLEY, W. UND M. LAVOIE (2007). Monetary Economics – An Integrated Approach to Credit, Money, Income, Production and Wealth, Palgrave MacMillan.
GRASS, R. UND W. STÜTZEL (1983). Volkswirtschaftslehre: eine Einführung auch für Fachfremde, Vahlen.
LINDNER, F. (2012). “Saving does not finance Investment: Accounting as an indispensableguide to economic theory,” IMK Working Paper 100-2012, IMK at the Hans Boeckler Foundation, Macroeconomic Policy Institute.
PAETZ. M. (2025). “Geldtheorie und Geldpolitik,” Schäffer-Poeschel.
SCHMIDT, J. (2011). Die Bedeutung der Saldenmechanik für die makroökonomische Theoriebildung, Marburg : Metropolis-Verl., 111–147.
SCHMIDT, J. (2012). Die Bedeutung der Saldenmechanik für die makroökonomische Theoriebildung, Marburg : Metropolis-Verl., 111–147.
STÜTZEL, W. (1978). Volkswirtschaftliche Saldenmechanik: ein Beitrag zur Geldtheorie, Tübingen: Mohr.
STÜTZEL, W. (1979). Sparen – Fluch oder Segen? Anmerkungen zu einem alten Problem aus Sicht der Saldenmechanik, Marburg : Metropolis-Verl., 61–85.

 

Grundlagen des Geld- und Kreditsystems

Für die meisten Menschen besteht Geld aus Münzen, Scheinen und dem, was sich auf ihren Bankkonten befindet. Geldvermögenswerte wie Aktien oder Fondsanteile können relativ zügig in Geld umgewandelt werden und sind daher dem, was wir als Geld bezeichnen, sehr ähnlich. Um einen Überblick über ein modernes Geldsystem zu erlangen, werden wir im Folgenden verschiedene Geldvermögensarten anhand ihrer Liquiditätsnähe hierarchisch ordnen. Hierbei unterscheiden wir zwischen dem privaten Bankengeld und dem staatlichen Zentralbankgeld.

Das zweistufige Geldsystem

Der überwiegende Teil dessen, was wir heute als Geld bezeichnen, wird vom privaten Bankensektor geschaffen. Dessen Aufgaben bestehen darin, Nichtbanken mit Zahlungsmitteln zu versorgen und ein bargeldloses Zahlungssystem zur Verfügung zu stellen. Um zu verstehen, was alles als Geld bezeichnet werden kann, werden wir zunächst die Primärfunktionen von Geld benennen.

Primärfunktionen von Geld

Wir bezeichnen etwas im Wesentlichen aufgrund der folgenden drei Funktionen als Geld:

(i) Es ist Zahlungsmittel, d.h. man kann jede Rechnung mit Geld bezahlen. Jedes private oder staatliche Schuldverhältnis innerhalb eines Währungsraumes kann mit Geld aufgelöst werden. Auf den US-Dollar Noten wird dies sogar explizit aufgeführt: „This note is legal tender for all debts, public and private.“4

(ii) Es ist Recheneinheit, da man alle Güter in Geldeinheiten bewertet und ihre Preise so miteinander vergleichen kann. Der Wert von Gütern wird in Geldeinheiten gemessen, so wie das Gewicht in Kilogramm oder die Entfernung in Metern.

(iii) Es ist Wertaufbewahrungsmittel, weil man es vorrätig halten kann, um seine Zahlungsfähigkeit zu erhalten.

Die ersten beiden Funktionen haben wir bereits im vorangegangenen Modul kennengelernt. Die Metallisten stellen die Zahlungsmittelfunktion in den Vordergrund und gehen davon aus, dass sich die anderen beiden Funktionen aus ihr ableiten. Die Chartalisten sehen Geld hingegen im Wesentlichen als von der Regierung festgelegte Recheneinheit, die daraufhin auch als Zahlungs- und Wertaufbewahrungsmittel verwendet wird.

Es besteht kein Zweifel, dass Sichtguthaben bei Geschäftsbanken die obigen drei Funktionen erfüllen, auch wenn Bargeld in den meisten Ländern das einzige gesetzliche Zahlungsmittel ist. Da man die Sichtguthaben bei Banken jederzeit Eins-zu-Eins gegen dieses Zahlungsmittel tauschen kann, werden die digitalen Einträge bei Banken wie das gesetzliche Zahlungsmittel behandelt. Es können aber auch andere Forderungen Geldfunktionen übernehmen. Guthaben bei digitalen Bezahldiensten wie PayPal werden bspw. vermehrt für Zahlungen verwendet, obwohl sie weder Einlagen noch Bargeld darstellen. Gleiches gilt für Kreditkartenzahlungen, bei denen ein Verkäufer eine kurzfristige Forderung gegen ein Kreditkartenunternehmen als Zahlungsmittel akzeptiert.

Wertbeständigkeit und Inflationsrate

Wie sich leicht erkennen lässt, beeinflussen sich die einzelnen Funktionen des Geldes gegenseitig. Es wäre als Zahlungsmittel sicher nicht akzeptiert, wenn es keine Wertbeständigkeit hätte. Würde man nicht einschätzen können, welche Kaufkraft ein Euro in der Zukunft besitzt, würde man ihn wohl kaum im Tausch gegen Güter akzeptieren. Als Recheneinheit würde Geld nicht funktionieren, wenn es keine Zahlungsmittelfunktion hätte. Lassen sich Waren und Dienstleistungen nicht mit Hilfe von Geld erwerben, ist es offensichtlich auch unmöglich, diese in Geldeinheiten zu bewerten und zu vergleichen.

Die Funktion der Wertaufbewahrung wird von der Inflationsrate, also der Preissteigerungsrate, beeinflusst, da höhere Preise dazu führen, dass man mit der gleichen Geldmenge weniger Güter erwerben kann. Daher ist eine niedrige Inflationsrate ein wichtiges Ziel der Wirtschaftspolitik, um die Akzeptanz von Geld als Wertaufbewahrungsmittel sicher zu stellen. In Zeiten sehr hoher Inflationsraten übernehmen ggf. andere Objekte wie Gold oder Zigaretten die Zahlungsmittelfunktion oder gar ausländische Währungen, die nicht so stark von der inländischen Inflationsrate entwertet werden.

Sachanlagen wie Häuser können zudem als Wertaufbewahrungsmittel verwendet werden. Aber auch diese Vermögenswerte besitzen keinen konstanten Wert, da ihre Preise Schwankungen unterliegen. Während der großen Immobilienblase im Vorfeld der globalen Finanzkrise sind die Immobilienpreise stark angestiegen und haben so das Vermögen vieler Haushalte zunächst erhöht. Der plötzliche Zusammenbruch der Immobilienpreise nach Ausbruch der Finanzkrise hat dieses Vermögen aber wieder „vernichtet“.5 Dies hatte schwerwiegende Folgen, da sich viele Hauseigentümer Hypothekenkredite aufgenommen hatten, bei denen die Immobilie als Sicherheit hinterlegt wurde.

Buchgeld von Banken

Den größten Teil unserer Zahlungsmittel halten wir inzwischen in Form digitaler Einträge auf Geschäftsbankkonten, die man als Sichtguthaben, Buchgeld, Bankengeld, Giralgeld oder auch  Einlagen bezeichnet. Letzterer Ausdruck stammt aus der Zeit, in der Goldschmiede eine Frühform des Bankengeschäfts betrieben. Um eine Gutschrift auf einem Konto zu erhalten, musste man zunächst Gold einzahlen, also eine Einlage tätigen. Die Goldschmiede gaben daraufhin Quittungen heraus, die man als Zahlungsmittel verwendete. Eine Quittung stellte eine Forderung gegen den Goldschmied dar, weil man sie jederzeit bei ihm gegen die Goldeinlage tauschen konnte.

Im heutigen Geldsystem stiftet der Ausdruck Einlage hingegen Verwirrung, weil die Einträge auf den Konten von Banken im Wesentlichen durch die Vergabe von Krediten entstehen (und nicht durch die Einlage von Gold). Bei der Kreditvergabe einer Bank an einen Kunden werden für beide beteiligten Akteure Forderungen und Verbindlichkeiten geschaffen:

 \setlength{\tabcolsep}{1mm} \begin{tabular}{cc} \begin{tabular}[t]{p{3.7 cm}|p{3.7 cm}} \multicolumn{2}{c}{\textbf{Geschäftsbank}}\\ \multicolumn{1}{c}{Forderungen} & \multicolumn{1}{c}{Verbindlichkeiten}\\ \hline Kredit & Einlagen \end{tabular} {~~} \begin{tabular}[t]{p{3.7 cm}|p{3.7 cm}} \multicolumn{2}{c}{\textbf{Kreditnehmer}}\\ \multicolumn{1}{c}{Forderungen} & \multicolumn{1}{c}{Verbindlichkeiten}\\ \hline Einlagen & Kredit \end{tabular} \end{tabular}

 

„Für Banken stellen die so geschaffenen Kunden-Guthaben Verbindlichkeiten dar, denen Forderungen auf spätere Rückzahlungen des Kredits gegenüberstehen. Für Kreditnehmer ist es genau umgekehrt: Der Kredit ist eine Verbindlichkeit und die Einlagen sind jederzeit fällige Forderungen gegenüber der Bank. Kunden können jederzeit Auszahlungen oder Überweisungen ihrer Guthaben verlangen. Rechtlich gesehen stellt das Giralgeld der Banken einen Anspruch auf Bargeld dar, das gesetzliche Zahlungsmittel, welches nur von der Zentralbank geschaffen werden darf. Bei einer Überweisung auf ein anderes Bankkonto wird dieser Anspruch auf jemand anderen übertragen. Nichtbanken führen den Großteil ihres Zahlungsverkehrs durch, indem sie ihre Forderungen gegenüber dem Bankensektor weiterreichen. Banken verleihen ihre eigenen digitalen Schuldscheine und akzeptieren diese zur Rückzahlung ihrer Kredite. Sie verleihen, anders als häufig angenommen, keine vorhandenen Kundengelder und auch kein Zentralbankgeld.“

(Paetz (2025, Kap. 1.1.1))

Die 2 Geldkreisläufe

Zusätzlich zum Geld der Geschäftsbanken gibt es noch das Geld der Zentralbanken. Zentralbanken können greifbare Schuldscheine in Form von Bargeld schaffen (Münzen und Scheine) oder digitale Schuldscheine in Form sogenannter Reserven. Letztere stellen Guthaben der Banken bei ihrer Zentralbank dar, die gegen Bargeld getauscht werden können. Im täglichen Überweisungsverkehr müssen Banken Zahlungen untereinander mit Reserven verrechnen.

Banken bestreiten ihren Zahlungsverkehr mit Guthaben bei der Zentralbank, so wie wir es mit unseren Guthaben bei Banken tun. Hierfür besitzen alle Banken ein Konto bei ihrer Zentralbank. Die Bankleitzahl entspricht der Kontonummer ihres Reservekontos. Aber auch Regierungen besitzen ein Konto bei der Zentralbank, das dort im Namen des Finanzministeriums geführt wird. Die Guthaben der Regierung werden von Zentralbanken häufig als Einlagen der Regierung bezeichnet, sind funktionell gesehen aber nicht von den Guthaben der Banken bei ihrer Zentralbank zu unterscheiden und werden im Folgenden daher auch als Reserven bezeichnet.

Alle anderen Teilnehmer des Geldsystems können keine Zentralbankreserven besitzen, weil sie kein Konto bei der Zentralbank haben. Bargeld stellt die einzige Form von Zentralbankgeld dar, die auch im Privatsektor verwendet wird. Die zwei Geldkreisläufe sind in Abbildung 2 illustriert. Banken haben in diesem System offensichtlich eine Sonderfunktion, da sie die Schnittstelle zwischen beiden Geldkreisläufen darstellen und sowohl Reserven als auch Giralgeld auf unterschiedlichen Seiten in ihren Bilanzen führen: Reserven als Forderungen gegenüber der Zentralbank und Einlagen als Verbindlichkeiten gegenüber ihren Kunden.

Abbildung 2: Geldkreisläufe
Quelle: Eigene Erstellung in Anlehnung an Paetz (2025, Abb. 1.1).

Liquidität und Geldhierarchie

Finanzmärkte stellen eine Vielzahl von Alternativen zur Vermögenshaltung in Form von Bargeld oder Einlagen zur Verfügung. Banken bieten z.B. fest verzinste Spareinlagen an, die ein Kunde für einen gewissen Zeitraum nicht mehr abheben kann. Ebenso kann man sein Vermögen in Form von Aktien halten oder durch den Kauf von Derivaten auf bestimmte Kursentwicklungen spekulieren. Ein für den Finanzsektor besonders wichtiges handelbares Wertpapier ist die Anleihe. Anleihen sind handelbare Schuldverschreibungen des Emittenten (Herausgebers) der Anleihe. Ein Unternehmen kann z.B. eine Schuldverschreibung für 1000 Euro verkaufen und dem Käufer versprechen, über die Laufzeit der Anleihe jedes Jahr einen Zins (auch Kupon genannt) von 5% zu zahlen. Am Ende der Laufzeit erhält der Käufer dann seine 1000 Euro zurück.

Liquidität

Anleihen stellen Schuldscheine des Herausgebers dar, die Guthaben bei digitalen Bezahldiensten Verbindlichkeiten dieser Dienste und Anteile an einem Fonds Verbindlichkeiten eines Fonds. Jede dieser Verbindlichkeiten stellt logischerweise einen Vermögenswert für die Person dar, welche den Schuldschein hält. Es können also nicht nur Banken Verbindlichkeiten schaffen. Theoretisch kann jeder seine eigenen Schuldscheine emittieren. „Jeder kann Geld schaffen; das Problem ist, es akzeptiert zu bekommen.“(Minsky (1986, S.228))

Die Schuldscheine des Finanzsystems werden zwar alle in der gleichen Recheneinheit notiert, haben deswegen aber nicht die gleiche Wertigkeit. Der Schuldschein, den ich ausstelle, indem ich auf ein Stück Papier einen Nennwert notiere und darunter unterschreibe, wird von niemandem als Zahlungsmittel akzeptiert werden, weil niemand diesen Schuldschein haben möchte. Die Bereitschaft, einen Schuldschein als Vermögenswert zu halten, wird im Wesentlichen von zwei Faktoren beeinflusst: Dem versprochenen Zinssatz und der Liquidität.

Ein Vermögenswert gilt als umso liquider, je einfacher und sicherer man ihn zum Nennwert handeln kann. Eine Immobilie lässt sich nicht von heute auf morgen verkaufen. Daher wird ein jederzeit handelbares Wertpapier liquider angesehen als eine Immobilie. Außerdem kann man sich weder bei dem Wertpapier noch der Immobilie sicher sein, zu welchem Preis man den entsprechenden Vermögenswert in Zukunft verkaufen kann. Sollte man kurzfristig Zahlungsmittel benötigen, muss man Vermögenswerte evtl. zu einem niedrigeren Preis verkaufen. Man bezeichnet einen Vermögenswert daher als vollkommen liquide, wenn er jederzeit zum Nennwert gehandelt wird.

Liquidität und Zinsen

Zentralbankgeld hat dementsprechend die höchste Liquidität, weil es jederzeit zum Nennwert gehandelt wird. 100 Euro Bargeld oder Reserven entsprechen jederzeit dem nominalen Wert von 100 Euro. Aber auch das von Banken geschaffene Geld gilt als vollkommen liquide, weil es eine Forderung darstellt, die jederzeit zum Nennwert in Bargeld getauscht werden kann. Hohe Beträge müssen allerdings angekündigt werden, weil Banken i.d.R. nur begrenzte Bargeldreserven halten. Zudem kann im Falle einer Finanzkrise ein Bank-Run dazu führen, dass eine Bank die Herausgabe von Bargeld vollständig einstellt. Dennoch bezeichnet man auch Sichteinlagen als liquide Mittel, da sich die meisten Zahlungen heutzutage problemlos durch Überweisung von Bankguthaben tätigen lassen.

Andere Vermögenswerte weisen eine geringere Liquidität auf, weil ihre Preise schwanken. Eine Anleihe, die dem Besitzer zum Ende ihrer Laufzeit verspricht, den Nennwert von 1000 Euro auszuzahlen, kann zwar verkauft werden bevor sie fällig wird, jedoch ist nicht sicher, welchen Preis die Anleihe zum Verkaufszeitpunkt am Finanzmarkt erzielen wird. Um die Liquidität eines Vermögenswertes zu bewerten, kommt es entscheidend darauf an, ob ein Markt existiert, auf dem man ihn kurzfristig verkaufen kann, und wie sicher man sich sein kann, einen guten Preis zu erzielen. Sachvermögenswerte wie Immobilien haben eine geringe Liquidität, weil man zunächst einen Käufer für sie finden muss. Der Immobilienmarkt ist so gesehen kein besonders liquider Markt. Kurzfristige handelbare Schuldverschreibungen gelten hingegen als sehr liquide, weil sie bei Fälligkeit zum Nennwert getauscht werden und man sie auf den Finanzmärkten jederzeit verkaufen kann. Zudem werden sie aufgrund ihrer kurzen Laufzeit in der Regel nahe am Nennwert gehandelt.

Liquide Vermögenswerte bieten Sicherheit. Sollte eine erwartete Einzahlung ausfallen, weil ein Kunde z.B. eine Rechnung nicht bezahlt, könnten Probleme entstehen, bestehenden Zahlungsverpflichtungen nachzukommen. Liquide Vermögenswerte können dann verkauft werden, um die notwendigen Zahlungsmittel zu erlangen und eine Zahlungsunfähigkeit abzuwenden. Der Zins, den ein Schuldner bei Herausgabe eines Schuldscheins bietet, kann daher als Preis für die Aufgabe von Liquidität angesehen werden, wie bereits Keynes (1936) bemerkte. Wer ein illiquides Wertpapier emittiert, muss seinen Gläubigern einen entsprechenden Zins bieten, damit dieser bereit ist, seine liquiden Mittel herzugeben.6

Geldhierarchie

Mit Hilfe des Konzepts der Liquidität lassen sich die Schuldscheine bzw. Vermögenswerte des Finanzsystems hierarchisch anordnen. Die sogenannte Pyramide der Verbindlichkeiten ist in Abbildung 3 dargestellt. Die liquidesten Vermögenswerte stehen an oberster Stelle. Da Zentralbankgeld (Bargeld und Reserven) immer zu seinem Nennwert getauscht wird, steht es an der Spitze der Pyramide. Das Bankengeld steht direkt darunter, weil es im Normalfall ebenfalls zum Nennwert gegen Bargeld getauscht werden kann. In Krisen kann es jedoch passieren, dass ein solcher Tausch nicht mehr möglich ist. Bei einem Bank Run befürchten die Kunden, dass ihre Bank finanzielle Probleme hat und wollen deswegen die unsicheren digitalen Schuldscheine der Bank lieber gegen die sicheren Schuldscheine der Zentralbank tauschen. Sie wollen die liquidere Geldform.

Abbildung 3: Geldpyramide (Pyramide der Verbindlichkeiten)
Quelle: Eigene Erstellung in Anlehnung an Paetz (2025, Abb. 1.2).

Da Reserven und Bargeld nur von der Zentralbank (und nicht vom Privatsektor) geschaffen werden, wird es gelegentlich auch als „Outside Money“ oder „Außengeld“ bezeichnet. Das Buchgeld der Banken wird hingegen „Inside Money“ oder „Binnengeld“ genannt. Unter den Schuldscheinen der Geschäftsbanken sind die Schuldscheine privater Nichtbanken angesiedelt. Dies können handelbare Schuldverschreibungen von nicht-finanziellen Unternehmen sein, wie die oben beschriebenen Anleihen, aber auch Aktien oder Fondsanteile. Die verschiedenen Geldformen lassen sich nach Belieben weiter untergliedern. Ganz unten in der Pyramide befinden sich nicht-handelbare Schuldscheine, wie z.B. offene Rechnungen.

Währung, Geld und Kredit

Der Übergang von Geld zu Kredit in der Hierarchie der Verbindlichkeiten ist fließend. Bereits Schumpeter (1954, S. 717) bemerkte: „(…) praktisch wie analytisch ist eine Kredittheorie des Geldes möglicherweise einer monetären Theorie des Kredits vorzuziehen.“ Statt Kredit vom Geldbegriff abzuleiten, sollte man vielmehr den Geldbegriff aus dem Kredit ableiten. Je weiter man in der Pyramide nach oben blickt, desto eher sollte man von Geld sprechen. Je weiter man hinunter schreitet, desto eher handelt es sich um eine Form von Kredit. Geld lässt sich daher auch als die höchste bzw. liquideste Form des Kredits interpretieren.

Da das Zentralbankgeld an der Spitze der Geldhierarchie steht und immer zum Nennwert in der staatlich festgelegten Recheneinheit gehandelt wird, bezeichnet man es auch als Währung. Da jedes Land mit eigener Zentralbank eine eigene Währung herausgibt, gibt es in jedem dieser Länder eine Geldhierarchie mit einer anderen Währung an der Spitze. Als Gold noch das einzige international anerkannte Zahlungsmittel war, bestand eine Verbindung zwischen den Geldpyramiden verschiedener Währungsräume vor allem über die Bindung der eigenen Währung an Gold. Heute können die Bürger eines Landes i.d.R. auch Vermögenswerte im Ausland halten, so dass die Pyramiden verschiedener Länder noch enger miteinander verbunden sind. Zudem gibt es eine globale Geldhierarchie, da der Großteil internationaler Zahlungen in wenigen Währungen (vor allem Dollar, Euro oder Yen) abgerechnet wird (siehe Murau, Pape und Pforr (2023)). Wir werden in diesem Kurs im Wesentlichen eine geschlossene Volkswirtschaft analysieren, um die Zusammenhänge der verschiedenen Ebenen der Geldpyramide zu verstehen.

Eigenschaften eines hierarchischen Geldsystems

Jeder Vermögenswert in der Pyramide ist ein Versprechen, zu einem späteren Zeitpunkt eine höherwertige Geldform zu zahlen. Die unteren Ebenen der Pyramide sind zudem ein Vielfaches der höherwertigen Geldformen, weil Unternehmensanleihen z.B. von Investmentfonds gekauft werden, die wiederum Anteile emittieren, die von ihren Kunden gekauft werden. Zudem ist die Geldpyramide nicht statisch zu verstehen: Die Kreditvergabe weitet sich in Aufschwungphasen in der Regel aus und schrumpft in Krisen wieder. Weitet sie sich aus, so erhöht sich zumeist die Substituierbarkeit der unterschiedlichen Geldformen. Firmen kaufen dann z.B. Aktienanteile mit Hilfe von Anleihen oder anderen kurzfristigen Schuldverschreibungen wie Geldmarktanteile. Verengt sich die Pyramide wieder, so sinkt i.d.R. auch die Substituierbarkeit.

Beispielsweise kann ein Einbruch der wirtschaftlichen Entwicklung dazu führen, dass die Einzahlungen für viele Unternehmen geringer ausfallen als die eingegangenen Zahlungsverpflichtungen. Kreditgeber könnten in einer Krise zudem nicht mehr bereit sein, Zahlungsaufschübe zu akzeptieren und auslaufende Kredite zu erneuern. Es entsteht eine Situation, in der alle gleichzeitig liquidere Mittel wollen. Ausweitungen und Verengungen der Geldpyramide lassen sich sowohl in kurz- oder langfristigen Konjunkturzyklen regelmäßig erkennen, wie auch im Laufe eines Tages, wenn Banken ihre Innertageskredite bei der Zentralbank zurückzahlen müssen.

Geldmengenaggregate

Da relativ liquide Verbindlichkeiten von Nichtbanken auch als eine Form von Geld angesehen werden können, definieren auch Zentralbanken verschiedene Geldmengen. Je nachdem, welches ökonomische Problem man analysieren möchte, kann es angemessen sein, einen Teil der weniger liquiden Vermögenswerte zur Geldmenge hinzuzuzählen. In den größer gefassten Geldmengenaggregaten der Zentralbanken werden daher auch längerfristige Termineinlagen, kurzfristige Bankschuldverschreibungen, Geldmarktfonds oder sogenannte Repo-Geschäfte als Geld gezählt (Repos sind mit Wertpapieren besicherte Kredite). Auch die deutsche Bundesbank (2019, S. 73 f.) weist auf die Schwierigkeiten der Geldmengendefinition hin:7

„Da die Übergänge zwischen den unterschiedlichen Einlagearten und kurzfristigen Finanzinstrumenten fließend sind, lässt sich die Geldmenge nicht eindeutig definieren. Letztlich hängt es beispielsweise von der Fragestellung einer Untersuchung ab, welche Einlagearten man zum Geld rechnet und welche nicht bzw. welche Geldmenge man in der Untersuchung verwendet. Vor diesem Hintergrund haben andere Länder ihre Geldmengen nach anderen Kriterien definiert, beispielsweise die Schweiz und die USA.“

Jede Zentralbank definiert ihre Geldmengenaggregate etwas anders, aber in den meisten Fällen ähnlich. Es gilt grundsätzlich das Prinzip: Je höher die Nummer des Aggregats, desto breiter gefasst ist die Geldmenge, also desto längerfristigere Geldanlagen werden berücksichtigt.8 Die Bundesbank verwendet 4 unterschiedliche Gelddefinitionen (M0, M1, M2 und M3), die sich in ihrer Liquidität unterscheiden. Die Zentralbankgeldmenge M0 wird auch als Geldbasis bezeichnet. Tabelle 2 fasst die verschiedenen Geldmengenaggregate nach Definition der Bundesbank zusammen. Hierbei ist zu beachten, dass M1 zwar eine Teilmenge von M2 und M2 eine Teilmenge von M3 ist, M0 jedoch keine Teilmenge der anderen Aggregate darstellt, da diese keine Reserven enthalten.

Tabelle 2: Geldmengenaggregate der Bundesbank
M0 Geldbasis (Bargeldumlauf und Zentralbankguthaben von Banken)
M1 Bargeldumlauf + Sichteinlagen in Banken
M2 M1 + Spareinlagen mit einer Kündigungsfrist von bis zu drei Monaten und Termineinlagen mit einer Laufzeit von bis zu zwei Jahren
M3 M2 + weitere kurzfristige Geldanlagen (kurzfristige Bankschuldverschreibungen (mit einer Ursprungslaufzeit von bis zu zwei Jahren), von Geldmarktfonds ausgegebene Geldmarktfondsanteile sowie die sogenannten Repogeschäfte)
MERKE
  • Geld erfüllt drei primäre Funktionen: Es fungiert als Zahlungsmittel, Recheneinheit und Wertaufbewahrungsmittel.
  • Moderne Geldsysteme sind zweistufig aufgebaut und setzen sich aus staatlichem Zentralbankgeld und privatem Bankengeld zusammen.
  • Bankguthaben sind Schuldscheine des Bankensektors, die einen Anspruch auf Bargeld darstellen und bei Zahlungen übertragen werden.
  • Entgegen der weit verbreiteten Auffassung verleihen Banken keine Ersparnisse ihrer Kunden, sondern schaffen bei jeder Kreditvergabe an Nichtbanken neue Einlagen.
  • Es existieren zwei Geldkreisläufe: einer zwischen der Zentralbank (bzw. der Regierung) und den Geschäftsbanken, und ein weiterer zwischen den Geschäftsbanken und privaten Nichtbanken.
  • Der Grad der Liquidität eines Vermögenswerts beschreibt, wie sicher dieser zum Nennwert verkauft werden kann. Ein Vermögenswert gilt als vollkommen liquide, wenn er stets zum Nennwert gehandelt wird (z.B. Bargeld).
  • Da Wertpapiere möglicherweise unter- oder über dem Nennwert gehandelt werden, sind sie weniger liquide als Bargeld oder Einlagen. Um Anleger davon zu überzeugen, ihre Zahlungsmittel gegen Wertpapiere zu tauschen, erhalten sie daher einen risikoabhängigen Zins, der den Preis für die Aufgabe von Liquidität repräsentiert.
  • Vermögenswerte können hierarchisch nach ihrem Grad der Liquidität geordnet werden.

Literatur

BARNETT, W. A. UND P. A. SPINDT (1979). “The velocity behavior and information content of Divisia monetary aggregates,” Economics Letters, 4, 51–57.
KEYNES, J. M. (1936). “General Theory of Employment, Interest, and Money,” London: Macmillan Cambridge University Press.
MINSKY, H. (1986). “Stabilizing An Unstable Economy,” New Haven: Yale University Press.
MURAU, S., PAPA, F. UND T. PFORR (2023). “International Monetary Hierarchy through Emergency US-Dollar Liquidity: A Key Currency Approach,” Competition & Change, 27, S. 495–515.
PAETZ. M. (2025). “Geldtheorie und Geldpolitik,” Schäffer-Poeschel.
SCHUMPETER, J. (1954). “History of Economic Analysis,” Routledge.