Grundlagen moderner Geldpolitik

Schon Joseph Schumpeter erkannte die herausragende Rolle der Banken in einem Wirtschaftssystem, das auf Geld und Kredit basiert. Er maß den Bankiers eine Schlüsselrolle im Innovationsprozess bei, da erst ihre Kreditvergabe es dem Pionierunternehmer ermöglicht, seine Innovationsvorhaben zu realisieren:

„Damit ist unsre Frage beantwortet und der Kreis unsrer Erklärung geschlossen. Dabei stießen wir auf einen vierten Typus von Wirtschaftssubjekten – nämlich auf den Geldgeber -: die andern drei sind Grundherren, Arbeiter und Unternehmer, wobei wir die Monopolisten und die Leute, die Quasirenten beziehen, nicht besonders hervorheben. Er steht zwischen den Unternehmern und den Lieferanten von Produktionsmitteln. Er ist eine Erscheinung der Entwicklung, und zwar tritt er nur dort auf, wo der Unternehmer keine Befehlsgewalt über die Besitzer von Arbeits- und Bodenleistungen hat. Er ermöglicht es dem Unternehmer, Unternehmer zu werden, eröffnet ihm gleichsam den Zutritt zu den Produktionsmitteln der Volkswirtschaft – er gibt ihm gleichsam die Vollmacht, seine Pläne auszuführen. Diese Funktionen sind von besonderer Art. Wir nennen den, der sie ausübt, „Bankier“, da tatsächlich die Kaufkraftschaffung und der Handel mit ihr wesentlich in den Händen der Banken liegt. Der Geldgeber andrer Art, derjenige, der eignes Geld „anlegt“, ist erst eine Folgeerscheinung der Entwicklung, wie immer die Sache historisch stehen mag. – Wie der Unternehmer der König, so ist der Bankier der Ephor des Marktes.“1

Schumpeter (1913, S. 198).

Schumpeter betrachtete Banken als Institutionen, die der Entwicklung und Implementierung von Unternehmensinnovationen vorgelagert sind. Sie sind es, die den Unternehmen die erforderlichen finanziellen Mittel bereitstellen, um Investitionen zu tätigen.

In einem zweistufigen Geldsystem steht das Buchgeld der Zentralbank über dem der Geschäftsbanken. Zentralbanken fungieren als Banken für die Geschäftsbanken, indem sie diese mit Zentralbankreserven versorgen, die vor allem für den Zahlungsausgleich zwischen den Banken benötigt werden. Im Folgenden werden wir die Rolle der Zentralbanken für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung und die Stabilität des Finanzsektors näher beleuchten. Dazu beginnen wir mit einem kurzen historischen Überblick über die Entwicklung der Zentralbankpolitik.

Über die Entwicklung moderner Zentralbankpolitik

Die Theorie moderner Zentralbankpolitik geht im Wesentlichen auf die Werke von Thornton (1802), Bagehot (1898) und Wicksell (1898) zurück. Entgegen der weit verbreiteten Meinung, eine Zentralbank würde die Geldmenge regulieren, haben Zentralbanken bereits im 19. Jahrhundert den Zins und nicht die Geldmenge gesteuert. In einem modernen Geldsystem wird die Zahlungsmittelmenge im Wesentlichen von privaten Banken bestimmt. Da eine Zentralbank jederzeit bereit ist, Reserven gegen die Vorlage von Sicherheiten zu verleihen, hat sie keine Kontrolle über die Zahlungsmittelmenge, die von Geschäftsbanken geschaffen wird. Die Zentralbank nimmt mit ihren Zinsen aber Einfluss auf die Geldmengenentwicklung.

Realitätsferne Theorien

Dennoch wird die Geldmengensteuerung sogar heute noch in vielen vermeintlich modernen Einführungslehrbüchern dargestellt. Dies mag auch daran liegen, dass die Ziele und das Vorgehen der Zentralbanken lange Zeit nicht klar kommuniziert wurden. Zentralbanker waren sogar Meister darin, sich unklar auszudrücken, um für geldpolitische Fehler nicht in Haftung genommen zu werden. Ulrich Bindseil, Generaldirektor für Marktinfrastrukturen und Zahlungsverkehr der Europäischen Zentralbank (EZB), beschreibt in einem Arbeitspapier der EZB, eine gefährliche Allianz, die zu Beginn des letzten Jahrhunderts (ab ca. 1914) zwischen Akademikern bestand, die unrealistische Modelle entwickelten, und Zentralbankern, die sich diese zu eigen machten, um sich der Verantwortung für ihr Handeln zu entziehen:

„Akademiker entwickelten von der Realität losgelöste Theorien, ohne diese Realitätsferne zu bedauern oder gar zuzugeben. (…) Zentralbanker widersetzten sich den realitätsfernen Theorien der Akademiker nicht oder förderten sie sogar, weil man sie überzeugt hatte oder weil die Theorien ihrem Ziel dienten, ihre Verantwortung für die kurzfristigen Zinssätze und damit für die wirtschaftliche Entwicklung zu verschleiern.“

(Bindseil (2004a, S. 34))

Aufgrund einer zu starken Verflechtung mit dem privaten Bankensektor und auf Druck der Regierungen, den Ersten Weltkrieg zu geringen Zinsen zu finanzieren, haben Zentralbanken ihren Diskontsatz trotz hoher und steigender Inflationsraten in den Jahren nach 1914 nicht angehoben. Sie schauten einem enormen Preisanstieg tatenlos zu (in den USA stiegen die Großhandelspreise teilweise um 150 %), der erst nach 1919 mit einer besonders starken Zinserhöhung abrupt gestoppt wurde. Die folgende Deflation ging mit einem enormen Einbruch des realen Bruttoinlandsprodukts und der Beschäftigung einher. Die FED (und andere Zentralbanken) wiesen die Verantwortung für diese Entwicklung aber von sich, weil sie angeblich die Geldmenge steuerten und die Zinsen von ihrer Politik nicht beeinflusst wurden.

Die „Reserve Position“ Doktrin und der Geldschöpfungsmultiplikator

Unterstützung bekamen die Zentralbanker von akademischen Publikationen. In Phillips (1921) wurde der Geldschöpfungsmultiplikator entwickelt und fortan war die „Reserve Position“-Doktrin (kurz RPD) die vorherrschende akademische Auffassung, nach der die Zentralbank die Reservenmenge steuern sollte, um so die Kreditvergabe der Geschäftsbanken zu kontrollieren.

In den 1950er und 60er Jahren entbrannte eine kontroverse Debatte zwischen Akademikern neoklassischer und monetaristischer Ausprägung auf der einen Seite und Zentralbankern sowie Postkeynesianern auf der anderen. Während Neoklassiker und Monetaristen die RPD vertraten, war die andere Gruppe der Überzeugung, dass Zentralbanken die Geldmenge nicht steuern könnten, da diese endogen entsteht. Der Versuch, die Geldmenge durch knappe Reserven einzuschränken würde lediglich dazu führen, dass wieder vermehrt auf Schecks, Wechsel oder andere Instrumente des Zahlungsverkehrs zurückgegriffen würde. Die Zentralbank könne lediglich den Zins beeinflussen, zu dem die Banken Geld verleihen.2

Die Radcliffe Kommission (unter der Leitung von Lord Radcliffe) veröffentlichte im Auftrag der britischen Regierung 1959 einen Bericht zur Wirkungsweise des Geldsystems, welcher die endogene Sichtweise der Postkeynesianer stützte. Dem Bericht zufolge hätte die Geldpolitik zudem nur einen geringen Einfluss auf die Investitionen, die eher von langfristigen Zinsen und Erwartungen über die Zukunft abhingen würden. Der Bericht wurde jedoch selbst von traditionellen Keynesianern wie Paul Samuelson kritisiert, die wie die Monetaristen davon ausgingen, dass die Zentralbank nur über eine Steuerung der Geldmenge den Zins beeinflussen würde. Paradoxerweise wurde durch die Veröffentlichung des Berichts daher die Sichtweise der Monetaristen unter den Akademikern gestärkt. Bis in die 1980er Jahre blieb die RPD in der akademischen Welt die Mehrheitsposition.

Die Volcker Ära

In der Zeit des Zentralbankchefs Paul Volcker (von 1979-82) trat das Phänomen von 1919 in umgekehrter Form auf: Die Zentralbanker hatten sich in dieser kurzen Periode offensichtlich von den Akademikern überzeugen lassen und versuchten, die Geldmenge zu steuern, indem sie die Reserven verknappten. Dies hatte eine sehr volatile Zinsentwicklung zur Folge. An einigen Tagen stiegen die Tagesgeldzinsen auf über 20 %.

Bindseil (2004b) argumentiert, dass der Zeitraum um 1919 sowie die Jahre der Volcker Ära eine absolute Ausnahme darstellen. Während des gesamten letzten Jahrhunderts habe die FED als operationales Ziel vornehmlich eine Steuerung des Interbankenzinses verfolgt. Da in der akademischen Welt die Geldmengensteuerung bis in die 1980er die dominierende Theorie war, versuchte man dies jedoch zu verschleiern. Daher war die offizielle Politik der FED in der Zeit von 1920 – 1974 nicht klar definiert und bis 1994 blieb eine Steuerung der Reserven Teil der offiziell kommunizierten geldpolitischen Strategie. Andere Zentralbanken agierten ähnlich.

Die Geldpolitik der EZB basiert offiziell ebenso auf zwei Säulen, von denen die erste eine Zinssteuerung darstellt, während die zweite einen Referenzwert für das Geldmengenwachstum in der Eurozone zumindest als mittelfristiges Ziel formuliert. Jedoch gab es aufgrund der institutionellen Ausgestaltung der EZB nie einen Zweifel daran, dass ihr operationales Ziel der Interbankenzins ist. Die zweite Säule wurde daher von Beginn an kaum beachtet und heute lediglich als ein Indikator unter vielen gesehen.

Kritik an Lehrbüchern

Obwohl keine Zentralbank der Welt im letzten Jahrhundert jemals eine strenge Reservensteuerung verfolgte (nicht einmal die FED in der Volcker-Ära), sind Teile der RPD bis heute Bestandteil der allermeisten Einführungslehrbücher zur Makroökonomik oder Geldpolitik. In den letzten Jahrzehnten ist die Transparenz und Öffentlichkeitsarbeit der Zentralbanken jedoch angestiegen, womit auch eine stärkere Verantwortung für ihr Handeln einhergeht. Ziele und Instrumente ihrer Politik werden der Öffentlichkeit ausführlich erklärt.

Die sogenannten unkonventionellen Maßnahmen seit Ausbruch der Finanzkrise in 2008 haben diesen Trend verstärkt. Zentralbanken kritisieren seitdem die Darstellung des Geldschöpfungsmultiplikator in Einführungslehrbüchern mit zum Teil ungewöhnlich scharfen Worten. Bindseil (2004a) befürchtet z.B., dass Zentralbanken in der Zukunft ein weiteres Mal von der Idee der Geldmengensteuerung überzeugt werden könnten, wenn jungen Studierenden weiterhin ein falsches Bild über die Geldpolitik vermittelt wird.

Die Theorie des Geldschöpfungsmultiplikators basiert auf der Annahme, dass Banken zunächst Einlagen oder Reserven benötigen, um einen Kredit zu vergeben. So entstand auch der Mythos, dass Banken Ersparnisse weiterverleihen würden. Sie könnten lediglich Kredite vergeben, wenn sie zuvor Geld von Kunden oder Zentralbanken erhalten hätten.

Warum die Theorie des Geldschöpfungsmultiplikators irreführend ist

Tatsächlich ist die Kausalität zwischen Buchgeld und Kreditvergabe aber  umgekehrt:

„(…) anstatt die von den Banken hinterlegten Einlagen auszuleihen, werden durch die Kreditvergabe Einlagen geschaffen – das Gegenteil von dem, was normalerweise in Lehrbüchern beschrieben wird.“

McLeay et al. (2014, S.2).

Das Angebot von Zentralbankgeld richtet sich nach dem Bedarf des Bankensektors und ist nicht knapp. Geschäftsbanken können gegen Hinterlegung von Sicherheiten immer Reserven von der Zentrabank leihen. Durch den Zinssatz den die Zentralbank für ihre Kredite verlangt, beeinflusst sie aber den Kreditzins den Geschäftsbanken an ihre Kunden geben.

Aufgrund der nach wie vor irreführenden Darstellung des Geldschöpfungsprozesses in nahezu allen makroökonomischen Einführungslehrbüchern begannen die Zentralbanken selbst mit verstärkter Transparenz und Kommunikation, den Geldschöpfungsprozess korrekt darzustellen. So wundert es auch nicht, dass sowohl die englische Zentralbank als auch die Bundesbank in Berichten zum monetären Transmissionsprozess einen mechanischen Zusammenhang zwischen Giralgeldmenge und Zentralbankgeld abstreiten und die Rolle der Geschäftsbanken bei der Schaffung von Giralgeld betonen.3

Geldpolitische Theorien

Bzgl. der Aufgaben einer Zentralbank sowie der Auswirkungen ihrer Zinspolitik gibt es weiterhin sehr unterschiedliche Auffassungen. Wir werden im Folgenden die bedeutendste Theorie darstellen, die seit den 1980er Jahren die Geldpolitik der Zentralbanken weltweit  beeinflusst: Die Theorie der natürlichen Arbeitslosenquote. Im Anschluss werden wir diese Theorie kritisch analysieren und alternative Sichtweisen diskutieren, die in den letzten Jahrzehnten an Bedeutung gewonnen haben. Eine ausführlichere Darstellung findet der geneigte Leser in Paetz (2025, Kap. 6-8).

Die Phillipskurve

Die Theorie der natürlichen Arbeitslosenquote stützt sich auf die Phillipskurve. Diese, nach dem britischen Ökonomen A.W. Phillips benannte Kurve, illustriert einen negativen Zusammenhang zwischen den Veränderungen von Löhnen bzw. Preisen und der Arbeitslosenquote. In Phillips (1958) wurden die Nominallohnsteigerung in Großbritannien zwischen 1861 und 1913 den Arbeitslosenquoten gegenübergestellt. Abbildung  13 reproduziert eine Grafik aus der Originalstudie.
Abbildung 13: Die Phillipskurve

 

Der negative Zusammenhang wird typischerweise so erklärt: Ist die Arbeitslosigkeit gering, suchen Arbeitgeber nach Arbeitskräften und sind bereit einen höheren Lohn als ihre Konkurrenten zu bieten. Zudem wissen die Arbeitnehmer, dass sie schneller eine neue Beschäftigung finden, falls sie ihren Arbeitsplatz verlieren sollten. Sie gehen daher gestärkt in die Lohnverhandlungen und können die gute Arbeitsmarktsituation als Druckmittel einsetzen. Ist die Arbeitslosigkeit hoch, ist es umgekehrt und die Arbeitgeber können mit Entlassungen drohen, da sie problemlos andere Arbeitskräfte finden werden.

Die Theorie der natürlichen Arbeitslosenquote

Wenn die Löhne bei geringerer Arbeitslosigkeit schneller steigen, wird sich vermutlich auch die Preisentwicklung beschleunigen. Um ihre Profitmarge zu halten werden die Arbeitgeber nämlich die Preise erhöhen, wenn die Lohnkosten zunehmen. Die Arbeitnehmer werden dann feststellen müssen, dass sie durch die von ihnen erkämpfte Lohnerhöhung keine Steigerung ihrer Kaufkraft erzielen konnten, weil die Preise mit den Löhnen gestiegen sind. Sie werden daher noch höhere Lohnsteigerungen fordern.

Hierdurch droht eine Lohn-Preis-Spirale, in der Löhne und Preise immer schneller steigen, die Inflationsrate also stetig zunimmt. Verhindern lässt sich diese Dynamik, indem die Arbeitslosigkeit wieder zunimmt, damit die Lohnsteigerungen wieder moderater ausfallen. Als natürliche Arbeitslosenquote bezeichnet man die Quote, bei der die Inflationsrate konstant ist. Sie wird daher auch Non-Accelerating-Inflation-Rate-of-Unemployment, kurz NAIRU, genannt.

Strukturelle Reformen vs. Konjunkturpolitik

Eine Zentralbank versucht mit Hilfe ihrer Zinssetzung die Nachfrage so zu steuern, dass diese mit der NAIRU vereinbar ist. Fällt die Arbeitslosigkeit unter ihr natürliches Niveau sollte die Zentralbank die Zinsen anheben, um die drohende Inflationssteigerung zu bekämpfen. Die höheren Zinsen machen Kredite teurer und dämpfen daher die private Investitionstätigkeit. Da aufgrund der geringeren Ausgaben die Arbeitslosigkeit wieder steigt, sinken die Lohnsteigerungen und die Inflationsrate stabilisiert sich. Bei einer fallenden Inflationsrate aufgrund einer zu hohen Arbeitslosigkeit, kann die Zentralbank die Zinsen senken, um so die Nachfrage zu erhöhen, die Arbeitslosigkeit zu senken und die Inflationsrate zu stabilisieren.

Die Geldpolitik kann so die kurzfristigen Schwankungen der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung glätten, die man als Konjunktur bezeichnet. Soll die Arbeitslosigkeit jedoch dauerhaft gesenkt werden, helfen nur strukturelle Reformen, wie eine Schwächung der Verhandlungsposition der Arbeitnehmer. Sinken beispielsweise die Sozialleistungen würden Arbeitnehmer auch bei geringerer Arbeitslosenquote moderate Lohnforderungen stellen, weil die Angst vor Arbeitslosigkeit nun größer ist. Auf der Arbeitgeberseite kann eine Intensivierung des Wettbewerbs zwischen Unternehmen die NAIRU senken. Der höhere Wettbewerb drückt die Preise und erhöht die Kaufkraft der Arbeitnehmer, die daher weniger Notwendigkeit verspüren, höhere Löhne zu fordern.

Crowding Out

Da jede staatliche Ausgabe die Nachfrage und somit die private Produktion erhöht, führt sie auch zu einer Senkung der Arbeitslosigkeit. Der Versuch, über staatliche Konjunkturmaßnahmen die Arbeitslosigkeit zu reduzieren, muss gemäß der NAIRU-Theorie aber zu dem oben beschriebenen, sich selbst verstärkenden Kreislauf aus steigenden Löhnen und Preisen führen. Der Zentralbank bleibt dann nichts anderes übrig als die Zinsen anzuheben, um die Arbeitslosigkeit wieder auf ihr natürliches Niveau zu erhöhen und so die Inflationsrate zu stabilisieren.

Die Zinsen müssten genau so stark steigen, dass die privaten Investitionen um die Höhe der zusätzlichen staatlichen Ausgaben gesenkt werden. Die gesamtwirtschaftliche Nachfrage wäre dann wieder auf das mit der natürlichen Arbeitslosenquote zu vereinbarende Niveau gefallen. Die staatlichen Ausgaben hätten dann lediglich private Ausgaben verdrängt, ohne die Arbeitslosigkeit dauerhaft zu verringern (sogenanntes „Crowding Out“).

Folgerungen der NAIRU-Theorie

Zusammenfassend lässt sich aus der NAIRU-Theorie folgern, dass eine Zentralbank immer dann die Zinsen anheben sollte, wenn die Inflationsrate steigt und die Zinsen senken sollte, wenn sie fällt. Die Arbeitslosigkeit bei konstanter Inflationsrate entspricht der NAIRU und müsste über strukturelle Reformen bekämpft werden. Zudem sollten weder Regierung noch Zentralbank versuchen, die Arbeitslosigkeit unter das natürliche Niveau zu senken, weil dies lediglich die Preisentwicklung beschleunigen würde.

Aus diesem Grund befürwortet die Mehrheit der Ökonomen eine politisch unabhängige Zentralbank, die nicht der Versuchung unterliegt, die Arbeitslosigkeit kurzfristig zu reduzieren, um ihre Gunst bei den Wählern zu erhöhen. Des Weiteren sollten die Regierungsausgaben begrenzt werden, um die Verdrängung privater Investitionen gering zu halten.

Kritik an der NAIRU-Theorie

Viele Ökonomen haben in den letzten Jahrzehnten die Annahmen der NAIRU-Theorie kritisiert. Eine strikte Trennung zwischen den kurzfristigen Schwankungen und dem langfristigen Wachstumspfad sei unzuässig, weil Pfadabhängigkeiten dazu führen, dass sich konjunkturelle Effekte verfestigen und auch die langfristige Entwicklung beeinflussen. Arbeitslose verlieren z.B. den Anschluss, weil sie nicht mehr an Fortbildungen teilnehmen. Zudem sinken die Investitionen im Abschwung, was für die Produktivitätsentwicklung nachteilig ist. Demnach sollte man Phasen mit zu geringer Nachfrage konsequenter bekämpfen als jene mit zu geringer Arbeitslosigkeit. Außerdem hat der Zusammenhang zwischen Arbeitslosigkeit und Inflation in den letzten Jahrzehnten abgenommen. Lediglich bei sehr geringen Arbeitslosenquoten scheinen Löhne und Preise schneller zu steigen (wie auch in der Original-Phillipskurve aus Abbildung 13).

Postkeynesianer sind zudem der Überzeugung, dass die Geldpolitik allein verhältnismäßig wenig Einfluss auf die privaten Investitionen hat. Insbesondere im Abschwung seien die Gewinnerwartungen so gering, dass auch ein geringerer Kreditzins keine nennenswerte Investitionssteigerung hervorbringen wird. Um einen sich selbst tragenden Aufschwung zu erzeugen, benötigt eine Volkswirtschaft immer auch eine Steigerung der staatlichen Ausgaben, um die Gewinnerwartungen des Unternehmenssektors zu erhöhen.

Eine finanzielle Investitionstheorie

Hyman Minsky kritisierte in seiner alternativen Interpretation der „General Theory“ von John Maynard Keynes (siehe Minsky (1990)) zudem, dass die Standardtheorien nicht erklären würden, wie Krisen entstehen, obwohl diese anscheinend unweigerliche Begleiterscheinungen unseres Wirtschaftssystems sind. Er entwickelte eine finanzielle Theorie der Investitionen, bei der Auf- und Abschwung aus einer gesamtwirtschaftlichen Dynamik heraus folgen. Nach dem Zusammenbruch des Finanzsystems 2007/8 bekam diese Theorie starke Aufmerksamkeit und gilt seitdem als eine der wichtigsten Finanzkrisentheorien.

Unternehmen tätigen kreditfinanzierte Investitionen, solange sie sich aus der Investition einen entsprechenden Gewinn erhoffen. Solange der gesamte Unternehmenssektor positive Gewinnerwartungen hat, sorgen die eigenen Investitionen für die nötige gesamtwirtschaftliche Nachfrage und der Aufschwung wird zu einer selbsterfüllenden Prophezeiung.  Die positive Entwicklung motiviert den Privatsektor, immer riskantere Verbindlichkeitsstrukturen einzugehen und macht die Volkswirtschaft anfällig für Zinserhöhungen. Die höhere Verschuldung sowie die immer kürzeren Kreditlaufzeiten führen irgendwann jedoch zu steigenden Zinsen, wodurch viele Verbindlichkeitsstrukturen nicht mehr aufrecht erhalten werden können.

Nach dem Aufschwung folgt der Abschwung

Weil einige Unternehmen ihre Zahlungsverpflichtungen nicht mehr aus den laufenden Gewinnen bedienen können, reduzieren sie ihre Investitionsausgaben. Der Rückgang der Ausgaben, reißt jedoch immer mehr Unternehmen in die Krise, weil die gesamtwirtschaftliche Nachfrage sinkt. Die einzelwirtschftlich verständliche Reaktion erschwert auf der gesamtwirtschaftlichen Ebene daher den Entschuldungsprozess.

Da große Konzerne zudem Wertpapiere verkaufen, um aus den Verkaufserlösen, ihren Zahlungsverpflichtungen nachzukommen, fallen die Wertpapierpreise sehr plötzlich. Ähnliche Entwicklungen sind auch bei anderen Vermögenswerten wie Immobilien zu beobachten. Aufgrund fehlender Sicherheiten können viele Kredite nun nicht mehr verlängert werden. Zudem verkaufen immer mehr Anleger ihre Vermögenswerte, um sich vor möglichen Kursverlusten zu schützen. Die Verkäufe verstärken jedoch den Preisverfall. Ein Teufelskreis aus fallenden Ausgaben und sinkenden Profiten sowie fallenden Wertpapierpreisen und weiteren Panikverkäufen führt in eine  sich selbst verstärkende Abwärtsspirale.

Die Rolle von Zentralbank und Regierung

Nach Auffassung Minsky’s waren Zinserhöhungen der Zentralbank häufig der Auslöser einer solchen Abwärtsspirale, da sie die Verbindlichkeitsstrukturen des Privatsektors untragbar machten. Obwohl die Geldpolitik eine Krise auslösen kann, gelingt es ihr jedoch nicht, diese zu beenden. Geringere Zinsen würden lediglich zur Umschuldung verwendet, nicht jedoch für zusätzliche Investitionen. Dennoch sollte die Zentralbank eingreifen und durch vermehrte Ankäufe von Wertpapieren die Vermögenspreise stabilisieren sowie Liquidität bereitstellen, um den oben beschriebenen Teufelskreis zu durchbrechen.

Um den Anstieg der Arbeitslosigkeit zu stoppen, sind jedoch steigende staatliche Ausgaben erforderlich, da Unternehmen erst wieder bereit sind zu investieren, wenn sie sich hinreichend entschuldet haben. Nach Minsky war die große Depression der 1930er Jahre das Ergebnis einer zu zögerlichen Reaktion von Zentralbank und Regierung. Im Gegensatz dazu waren die steigenden Inflationsraten in den 1960er Jahren das Resultat entschlossener Maßnahmen zur Krisenbewältigung, die jedoch dazu führten, dass Unternehmen ihre Preise erhöhten, um aus den gestiegenen Einnahmen ihre Kredite zurückzuzahlen.

Die Modern Monetary Theory

Die Modern Monetary Theory (MMT), die wir bereits im ersten Modul im Zusammenhang mit dem Neochartalismus kennengelernt haben, misst dem Staat eine vergleichbar bedeutende Rolle zu. Da eine Regierung in ihrer eigenen Währung niemals zahlungsunfähig werden kann, sollte sie ihre Finanzpolitik an der Wirkungsweise staatlicher Ausgaben ausrichten, anstatt sich an den traditionellen Vorstellungen einer soliden Haushaltsführung zu orientieren. Wenn die Arbeitslosigkeit zu hoch ist, sollte sie ihre Ausgaben ausweiten, solange die Inflationsrate nicht signifikant ansteigt. Eine höhere Verschuldung kann in Kauf genommen werden, wenn dies notwendig ist, um die Arbeitslosigkeit zu reduzieren. Die Rückzahlung von Schulden kann gegebenenfalls mit neuem Zentralbankgeld erfolgen.

Die MMT betrachtet zudem die Unabhängigkeit der Zentralbank sowie die gegenwärtig üblichen Begrenzungen von Staatsschulden als undemokratisch. Die erforderliche Höhe der Ausgaben sollte von einem demokratisch legitimierten Parlament festgelegt werden, das sich regelmäßig vor seinen Wählern verantworten muss, und nicht einem technokratischen Expertengremium überlassen werden. Die Zentralbank sollte die Regierung bestmöglich bei der Erfüllung ihrer Aufgaben unterstützen.

MERKE
  • Die Geldmenge wird von privaten Banken bedarfsorientiert geschaffen und steht nicht unter Kontrolle der Zentralbank. Letztere beeinflusst jedoch durch ihre Zinsen die Kreditnachfrage und die private Geldschöpfung.
  • Die Theorie des Geldschöpfungsmultiplikators ist irreführend, da Banken für die Kreditvergabe weder auf Kundeneinlagen noch auf Zentralbankgeld angewiesen sind.
  • Die Phillipskurve verdeutlicht den negativen Zusammenhang zwischen den Veränderungen von Löhnen oder Preisen und der Höhe der Arbeitslosenquote.
  • Die natürliche Arbeitslosenquote bezeichnet die Quote, zu der die Inflationsrate stabil ist. Sie wird daher auch als Non-Accelerating Inflation Rate of Unemployment (NAIRU) genannt und kann nur durch strukturelle Reformen verändert werden.
  • Laut der NAIRU-Theorie sollte eine Zentralbank ihre Zinspolitik so steuern, dass die Arbeitslosigkeit auf ihrem natürlichen Niveau bleibt.
  • Wenn sich kurzfristige Schwankungen der Produktion auch auf die langfristige Entwicklung auswirken, sind die Grundannahmen der NAIRU-Theorie nicht erfüllt. Abschwünge sollten dann konsequenter bekämpft werden als Aufschwünge.
  • Hyman Minsky entwickelte eine finanzielle Theorie der Investitionen, die sowohl konjunkturelle Entwicklungen als auch Finanzkrisen erklärt.
  • Minskys Theorie besagt, dass eine Zinserhöhung eine Krise auslösen, jedoch nicht beenden kann. Für eine erfolgreiche Krisenbewältigung ist zusätzlich eine Steigerung staatlicher Ausgaben erforderlich.

Literatur

BAGEHOT, W. (1898). Lombard Street: A Description of the Money Market, London: Henry S. King & Co.
BINDSEIL, U. (2004a). The Operational Target of Monetary Policy and the Rise and Fall of Reserve Position Doctrine, ECB Working Paper Series 372.
EHNTS, D. (2016). Geld und Kredit – eine €-päische Perspektive, Metropolis, 2nd ed.
KALDOR, N. (1970). “The new monetarism,” Lloyds Bank Review, 1–17.
KALDOR, N. (1982). The Scourge of Monetarism, Oxford: Oxford University Press.
LAVOIE, M. (2014). Post-Keynesian Economics – New Foundations, Edward Elgar Publishing.
MCLEAY, M., A. RADIA, UND R. THOMAS (2014). “Money creation in the modern economy,” Bank of England Quarterly Bulletin, 54, 14–27.
MINSKY, H. (1990). John Maynard Keynes. Finanzierungsprozesse, Investition und Instabilität des Kapitalismus, Metropolis.
MOORE, B. (1988). Horizontalists and Verticalists: The Macroeconomics of Credit Money, Cambridge University Press.
PAETZ. M. (2025). “Geldtheorie und Geldpolitik,” Schäffer-Poeschel.
PHILLIPS, A. W. (1958). “The Relationship Between Unemployment and the Rate of Price Change of Money Wage Rates in the United Kingdom, 1862-1957,” Economica, 25, 283–299.
PHILLIPS, C. A. (1921). „Bank credit : a study of the principles and factors underlying advances made by banks to borrowers“,Macmillan New York.
SCHUMPETER, J. (1913). „Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung. Eine Untersuchung über Unternehmergewinn“,
Kapital, Kredit, Zins und den Konjunkturzyklus, Duncker & Humblot 1997, 9. Auflage.
THORNTON, H. (1802). An Enquiry Into the Nature and Effects of the Paper Credit of Great Britain, J. Hatchard.
WICKSELL, K. (1898). Geldzins und Güterpreise: Eine Studie über die den Tauschwert des Geldes bestimmenden Ursachen, Jena: Fischer.
WERNER, R. A. (2014). “Can banks individually create money out of nothing? – The theories and the empirical evidence,” International Review of Financial Analysis, 36, 1–19.

 

Grundlagen des Geld- und Kreditsystems

Für die meisten Menschen besteht Geld aus Münzen, Scheinen und dem, was sich auf ihren Bankkonten befindet. Geldvermögenswerte wie Aktien oder Fondsanteile können relativ zügig in Geld umgewandelt werden und sind daher dem, was wir als Geld bezeichnen, sehr ähnlich. Um einen Überblick über ein modernes Geldsystem zu erlangen, werden wir im Folgenden verschiedene Geldvermögensarten anhand ihrer Liquiditätsnähe hierarchisch ordnen. Hierbei unterscheiden wir zwischen dem privaten Bankengeld und dem staatlichen Zentralbankgeld.

Das zweistufige Geldsystem

Der überwiegende Teil dessen, was wir heute als Geld bezeichnen, wird vom privaten Bankensektor geschaffen. Dessen Aufgaben bestehen darin, Nichtbanken mit Zahlungsmitteln zu versorgen und ein bargeldloses Zahlungssystem zur Verfügung zu stellen. Um zu verstehen, was alles als Geld bezeichnet werden kann, werden wir zunächst die Primärfunktionen von Geld benennen.

Primärfunktionen von Geld

Wir bezeichnen etwas im Wesentlichen aufgrund der folgenden drei Funktionen als Geld:

(i) Es ist Zahlungsmittel, d.h. man kann jede Rechnung mit Geld bezahlen. Jedes private oder staatliche Schuldverhältnis innerhalb eines Währungsraumes kann mit Geld aufgelöst werden. Auf den US-Dollar Noten wird dies sogar explizit aufgeführt: „This note is legal tender for all debts, public and private.“4

(ii) Es ist Recheneinheit, da man alle Güter in Geldeinheiten bewertet und ihre Preise so miteinander vergleichen kann. Der Wert von Gütern wird in Geldeinheiten gemessen, so wie das Gewicht in Kilogramm oder die Entfernung in Metern.

(iii) Es ist Wertaufbewahrungsmittel, weil man es vorrätig halten kann, um seine Zahlungsfähigkeit zu erhalten.

Die ersten beiden Funktionen haben wir bereits im vorangegangenen Modul kennengelernt. Die Metallisten stellen die Zahlungsmittelfunktion in den Vordergrund und gehen davon aus, dass sich die anderen beiden Funktionen aus ihr ableiten. Die Chartalisten sehen Geld hingegen im Wesentlichen als von der Regierung festgelegte Recheneinheit, die daraufhin auch als Zahlungs- und Wertaufbewahrungsmittel verwendet wird.

Es besteht kein Zweifel, dass Sichtguthaben bei Geschäftsbanken die obigen drei Funktionen erfüllen, auch wenn Bargeld in den meisten Ländern das einzige gesetzliche Zahlungsmittel ist. Da man die Sichtguthaben bei Banken jederzeit Eins-zu-Eins gegen dieses Zahlungsmittel tauschen kann, werden die digitalen Einträge bei Banken wie das gesetzliche Zahlungsmittel behandelt. Es können aber auch andere Forderungen Geldfunktionen übernehmen. Guthaben bei digitalen Bezahldiensten wie PayPal werden bspw. vermehrt für Zahlungen verwendet, obwohl sie weder Einlagen noch Bargeld darstellen. Gleiches gilt für Kreditkartenzahlungen, bei denen ein Verkäufer eine kurzfristige Forderung gegen ein Kreditkartenunternehmen als Zahlungsmittel akzeptiert.

Wertbeständigkeit und Inflationsrate

Wie sich leicht erkennen lässt, beeinflussen sich die einzelnen Funktionen des Geldes gegenseitig. Es wäre als Zahlungsmittel sicher nicht akzeptiert, wenn es keine Wertbeständigkeit hätte. Würde man nicht einschätzen können, welche Kaufkraft ein Euro in der Zukunft besitzt, würde man ihn wohl kaum im Tausch gegen Güter akzeptieren. Als Recheneinheit würde Geld nicht funktionieren, wenn es keine Zahlungsmittelfunktion hätte. Lassen sich Waren und Dienstleistungen nicht mit Hilfe von Geld erwerben, ist es offensichtlich auch unmöglich, diese in Geldeinheiten zu bewerten und zu vergleichen.

Die Funktion der Wertaufbewahrung wird von der Inflationsrate, also der Preissteigerungsrate, beeinflusst, da höhere Preise dazu führen, dass man mit der gleichen Geldmenge weniger Güter erwerben kann. Daher ist eine niedrige Inflationsrate ein wichtiges Ziel der Wirtschaftspolitik, um die Akzeptanz von Geld als Wertaufbewahrungsmittel sicher zu stellen. In Zeiten sehr hoher Inflationsraten übernehmen ggf. andere Objekte wie Gold oder Zigaretten die Zahlungsmittelfunktion oder gar ausländische Währungen, die nicht so stark von der inländischen Inflationsrate entwertet werden.

Sachanlagen wie Häuser können zudem als Wertaufbewahrungsmittel verwendet werden. Aber auch diese Vermögenswerte besitzen keinen konstanten Wert, da ihre Preise Schwankungen unterliegen. Während der großen Immobilienblase im Vorfeld der globalen Finanzkrise sind die Immobilienpreise stark angestiegen und haben so das Vermögen vieler Haushalte zunächst erhöht. Der plötzliche Zusammenbruch der Immobilienpreise nach Ausbruch der Finanzkrise hat dieses Vermögen aber wieder „vernichtet“.5 Dies hatte schwerwiegende Folgen, da sich viele Hauseigentümer Hypothekenkredite aufgenommen hatten, bei denen die Immobilie als Sicherheit hinterlegt wurde.

Buchgeld von Banken

Den größten Teil unserer Zahlungsmittel halten wir inzwischen in Form digitaler Einträge auf Geschäftsbankkonten, die man als Sichtguthaben, Buchgeld, Bankengeld, Giralgeld oder auch  Einlagen bezeichnet. Letzterer Ausdruck stammt aus der Zeit, in der Goldschmiede eine Frühform des Bankengeschäfts betrieben. Um eine Gutschrift auf einem Konto zu erhalten, musste man zunächst Gold einzahlen, also eine Einlage tätigen. Die Goldschmiede gaben daraufhin Quittungen heraus, die man als Zahlungsmittel verwendete. Eine Quittung stellte eine Forderung gegen den Goldschmied dar, weil man sie jederzeit bei ihm gegen die Goldeinlage tauschen konnte.

Im heutigen Geldsystem stiftet der Ausdruck Einlage hingegen Verwirrung, weil die Einträge auf den Konten von Banken im Wesentlichen durch die Vergabe von Krediten entstehen (und nicht durch die Einlage von Gold). Bei der Kreditvergabe einer Bank an einen Kunden werden für beide beteiligten Akteure Forderungen und Verbindlichkeiten geschaffen:

 \setlength{\tabcolsep}{1mm} \begin{tabular}{cc} \begin{tabular}[t]{p{3.7 cm}|p{3.7 cm}} \multicolumn{2}{c}{\textbf{Geschäftsbank}}\\ \multicolumn{1}{c}{Forderungen} & \multicolumn{1}{c}{Verbindlichkeiten}\\ \hline Kredit & Einlagen \end{tabular} {~~} \begin{tabular}[t]{p{3.7 cm}|p{3.7 cm}} \multicolumn{2}{c}{\textbf{Kreditnehmer}}\\ \multicolumn{1}{c}{Forderungen} & \multicolumn{1}{c}{Verbindlichkeiten}\\ \hline Einlagen & Kredit \end{tabular} \end{tabular}

 

„Für Banken stellen die so geschaffenen Kunden-Guthaben Verbindlichkeiten dar, denen Forderungen auf spätere Rückzahlungen des Kredits gegenüberstehen. Für Kreditnehmer ist es genau umgekehrt: Der Kredit ist eine Verbindlichkeit und die Einlagen sind jederzeit fällige Forderungen gegenüber der Bank. Kunden können jederzeit Auszahlungen oder Überweisungen ihrer Guthaben verlangen. Rechtlich gesehen stellt das Giralgeld der Banken einen Anspruch auf Bargeld dar, das gesetzliche Zahlungsmittel, welches nur von der Zentralbank geschaffen werden darf. Bei einer Überweisung auf ein anderes Bankkonto wird dieser Anspruch auf jemand anderen übertragen. Nichtbanken führen den Großteil ihres Zahlungsverkehrs durch, indem sie ihre Forderungen gegenüber dem Bankensektor weiterreichen. Banken verleihen ihre eigenen digitalen Schuldscheine und akzeptieren diese zur Rückzahlung ihrer Kredite. Sie verleihen, anders als häufig angenommen, keine vorhandenen Kundengelder und auch kein Zentralbankgeld.“

(Paetz (2025, Kap. 1.1.1))

Die 2 Geldkreisläufe

Zusätzlich zum Geld der Geschäftsbanken gibt es noch das Geld der Zentralbanken. Zentralbanken können greifbare Schuldscheine in Form von Bargeld schaffen (Münzen und Scheine) oder digitale Schuldscheine in Form sogenannter Reserven. Letztere stellen Guthaben der Banken bei ihrer Zentralbank dar, die gegen Bargeld getauscht werden können. Im täglichen Überweisungsverkehr müssen Banken Zahlungen untereinander mit Reserven verrechnen.

Banken bestreiten ihren Zahlungsverkehr mit Guthaben bei der Zentralbank, so wie wir es mit unseren Guthaben bei Banken tun. Hierfür besitzen alle Banken ein Konto bei ihrer Zentralbank. Die Bankleitzahl entspricht der Kontonummer ihres Reservekontos. Aber auch Regierungen besitzen ein Konto bei der Zentralbank, das dort im Namen des Finanzministeriums geführt wird. Die Guthaben der Regierung werden von Zentralbanken häufig als Einlagen der Regierung bezeichnet, sind funktionell gesehen aber nicht von den Guthaben der Banken bei ihrer Zentralbank zu unterscheiden und werden im Folgenden daher auch als Reserven bezeichnet.

Alle anderen Teilnehmer des Geldsystems können keine Zentralbankreserven besitzen, weil sie kein Konto bei der Zentralbank haben. Bargeld stellt die einzige Form von Zentralbankgeld dar, die auch im Privatsektor verwendet wird. Die zwei Geldkreisläufe sind in Abbildung 2 illustriert. Banken haben in diesem System offensichtlich eine Sonderfunktion, da sie die Schnittstelle zwischen beiden Geldkreisläufen darstellen und sowohl Reserven als auch Giralgeld auf unterschiedlichen Seiten in ihren Bilanzen führen: Reserven als Forderungen gegenüber der Zentralbank und Einlagen als Verbindlichkeiten gegenüber ihren Kunden.

Abbildung 2: Geldkreisläufe
Quelle: Eigene Erstellung in Anlehnung an Paetz (2025, Abb. 1.1).

Liquidität und Geldhierarchie

Finanzmärkte stellen eine Vielzahl von Alternativen zur Vermögenshaltung in Form von Bargeld oder Einlagen zur Verfügung. Banken bieten z.B. fest verzinste Spareinlagen an, die ein Kunde für einen gewissen Zeitraum nicht mehr abheben kann. Ebenso kann man sein Vermögen in Form von Aktien halten oder durch den Kauf von Derivaten auf bestimmte Kursentwicklungen spekulieren. Ein für den Finanzsektor besonders wichtiges handelbares Wertpapier ist die Anleihe. Anleihen sind handelbare Schuldverschreibungen des Emittenten (Herausgebers) der Anleihe. Ein Unternehmen kann z.B. eine Schuldverschreibung für 1000 Euro verkaufen und dem Käufer versprechen, über die Laufzeit der Anleihe jedes Jahr einen Zins (auch Kupon genannt) von 5% zu zahlen. Am Ende der Laufzeit erhält der Käufer dann seine 1000 Euro zurück.

Liquidität

Anleihen stellen Schuldscheine des Herausgebers dar, die Guthaben bei digitalen Bezahldiensten Verbindlichkeiten dieser Dienste und Anteile an einem Fonds Verbindlichkeiten eines Fonds. Jede dieser Verbindlichkeiten stellt logischerweise einen Vermögenswert für die Person dar, welche den Schuldschein hält. Es können also nicht nur Banken Verbindlichkeiten schaffen. Theoretisch kann jeder seine eigenen Schuldscheine emittieren. „Jeder kann Geld schaffen; das Problem ist, es akzeptiert zu bekommen.“(Minsky (1986, S.228))

Die Schuldscheine des Finanzsystems werden zwar alle in der gleichen Recheneinheit notiert, haben deswegen aber nicht die gleiche Wertigkeit. Der Schuldschein, den ich ausstelle, indem ich auf ein Stück Papier einen Nennwert notiere und darunter unterschreibe, wird von niemandem als Zahlungsmittel akzeptiert werden, weil niemand diesen Schuldschein haben möchte. Die Bereitschaft, einen Schuldschein als Vermögenswert zu halten, wird im Wesentlichen von zwei Faktoren beeinflusst: Dem versprochenen Zinssatz und der Liquidität.

Ein Vermögenswert gilt als umso liquider, je einfacher und sicherer man ihn zum Nennwert handeln kann. Eine Immobilie lässt sich nicht von heute auf morgen verkaufen. Daher wird ein jederzeit handelbares Wertpapier liquider angesehen als eine Immobilie. Außerdem kann man sich weder bei dem Wertpapier noch der Immobilie sicher sein, zu welchem Preis man den entsprechenden Vermögenswert in Zukunft verkaufen kann. Sollte man kurzfristig Zahlungsmittel benötigen, muss man Vermögenswerte evtl. zu einem niedrigeren Preis verkaufen. Man bezeichnet einen Vermögenswert daher als vollkommen liquide, wenn er jederzeit zum Nennwert gehandelt wird.

Liquidität und Zinsen

Zentralbankgeld hat dementsprechend die höchste Liquidität, weil es jederzeit zum Nennwert gehandelt wird. 100 Euro Bargeld oder Reserven entsprechen jederzeit dem nominalen Wert von 100 Euro. Aber auch das von Banken geschaffene Geld gilt als vollkommen liquide, weil es eine Forderung darstellt, die jederzeit zum Nennwert in Bargeld getauscht werden kann. Hohe Beträge müssen allerdings angekündigt werden, weil Banken i.d.R. nur begrenzte Bargeldreserven halten. Zudem kann im Falle einer Finanzkrise ein Bank-Run dazu führen, dass eine Bank die Herausgabe von Bargeld vollständig einstellt. Dennoch bezeichnet man auch Sichteinlagen als liquide Mittel, da sich die meisten Zahlungen heutzutage problemlos durch Überweisung von Bankguthaben tätigen lassen.

Andere Vermögenswerte weisen eine geringere Liquidität auf, weil ihre Preise schwanken. Eine Anleihe, die dem Besitzer zum Ende ihrer Laufzeit verspricht, den Nennwert von 1000 Euro auszuzahlen, kann zwar verkauft werden bevor sie fällig wird, jedoch ist nicht sicher, welchen Preis die Anleihe zum Verkaufszeitpunkt am Finanzmarkt erzielen wird. Um die Liquidität eines Vermögenswertes zu bewerten, kommt es entscheidend darauf an, ob ein Markt existiert, auf dem man ihn kurzfristig verkaufen kann, und wie sicher man sich sein kann, einen guten Preis zu erzielen. Sachvermögenswerte wie Immobilien haben eine geringe Liquidität, weil man zunächst einen Käufer für sie finden muss. Der Immobilienmarkt ist so gesehen kein besonders liquider Markt. Kurzfristige handelbare Schuldverschreibungen gelten hingegen als sehr liquide, weil sie bei Fälligkeit zum Nennwert getauscht werden und man sie auf den Finanzmärkten jederzeit verkaufen kann. Zudem werden sie aufgrund ihrer kurzen Laufzeit in der Regel nahe am Nennwert gehandelt.

Liquide Vermögenswerte bieten Sicherheit. Sollte eine erwartete Einzahlung ausfallen, weil ein Kunde z.B. eine Rechnung nicht bezahlt, könnten Probleme entstehen, bestehenden Zahlungsverpflichtungen nachzukommen. Liquide Vermögenswerte können dann verkauft werden, um die notwendigen Zahlungsmittel zu erlangen und eine Zahlungsunfähigkeit abzuwenden. Der Zins, den ein Schuldner bei Herausgabe eines Schuldscheins bietet, kann daher als Preis für die Aufgabe von Liquidität angesehen werden, wie bereits Keynes (1936) bemerkte. Wer ein illiquides Wertpapier emittiert, muss seinen Gläubigern einen entsprechenden Zins bieten, damit dieser bereit ist, seine liquiden Mittel herzugeben.6

Geldhierarchie

Mit Hilfe des Konzepts der Liquidität lassen sich die Schuldscheine bzw. Vermögenswerte des Finanzsystems hierarchisch anordnen. Die sogenannte Pyramide der Verbindlichkeiten ist in Abbildung 3 dargestellt. Die liquidesten Vermögenswerte stehen an oberster Stelle. Da Zentralbankgeld (Bargeld und Reserven) immer zu seinem Nennwert getauscht wird, steht es an der Spitze der Pyramide. Das Bankengeld steht direkt darunter, weil es im Normalfall ebenfalls zum Nennwert gegen Bargeld getauscht werden kann. In Krisen kann es jedoch passieren, dass ein solcher Tausch nicht mehr möglich ist. Bei einem Bank Run befürchten die Kunden, dass ihre Bank finanzielle Probleme hat und wollen deswegen die unsicheren digitalen Schuldscheine der Bank lieber gegen die sicheren Schuldscheine der Zentralbank tauschen. Sie wollen die liquidere Geldform.

Abbildung 3: Geldpyramide (Pyramide der Verbindlichkeiten)
Quelle: Eigene Erstellung in Anlehnung an Paetz (2025, Abb. 1.2).

Da Reserven und Bargeld nur von der Zentralbank (und nicht vom Privatsektor) geschaffen werden, wird es gelegentlich auch als „Outside Money“ oder „Außengeld“ bezeichnet. Das Buchgeld der Banken wird hingegen „Inside Money“ oder „Binnengeld“ genannt. Unter den Schuldscheinen der Geschäftsbanken sind die Schuldscheine privater Nichtbanken angesiedelt. Dies können handelbare Schuldverschreibungen von nicht-finanziellen Unternehmen sein, wie die oben beschriebenen Anleihen, aber auch Aktien oder Fondsanteile. Die verschiedenen Geldformen lassen sich nach Belieben weiter untergliedern. Ganz unten in der Pyramide befinden sich nicht-handelbare Schuldscheine, wie z.B. offene Rechnungen.

Währung, Geld und Kredit

Der Übergang von Geld zu Kredit in der Hierarchie der Verbindlichkeiten ist fließend. Bereits Schumpeter (1954, S. 717) bemerkte: „(…) praktisch wie analytisch ist eine Kredittheorie des Geldes möglicherweise einer monetären Theorie des Kredits vorzuziehen.“ Statt Kredit vom Geldbegriff abzuleiten, sollte man vielmehr den Geldbegriff aus dem Kredit ableiten. Je weiter man in der Pyramide nach oben blickt, desto eher sollte man von Geld sprechen. Je weiter man hinunter schreitet, desto eher handelt es sich um eine Form von Kredit. Geld lässt sich daher auch als die höchste bzw. liquideste Form des Kredits interpretieren.

Da das Zentralbankgeld an der Spitze der Geldhierarchie steht und immer zum Nennwert in der staatlich festgelegten Recheneinheit gehandelt wird, bezeichnet man es auch als Währung. Da jedes Land mit eigener Zentralbank eine eigene Währung herausgibt, gibt es in jedem dieser Länder eine Geldhierarchie mit einer anderen Währung an der Spitze. Als Gold noch das einzige international anerkannte Zahlungsmittel war, bestand eine Verbindung zwischen den Geldpyramiden verschiedener Währungsräume vor allem über die Bindung der eigenen Währung an Gold. Heute können die Bürger eines Landes i.d.R. auch Vermögenswerte im Ausland halten, so dass die Pyramiden verschiedener Länder noch enger miteinander verbunden sind. Zudem gibt es eine globale Geldhierarchie, da der Großteil internationaler Zahlungen in wenigen Währungen (vor allem Dollar, Euro oder Yen) abgerechnet wird (siehe Murau, Pape und Pforr (2023)). Wir werden in diesem Kurs im Wesentlichen eine geschlossene Volkswirtschaft analysieren, um die Zusammenhänge der verschiedenen Ebenen der Geldpyramide zu verstehen.

Eigenschaften eines hierarchischen Geldsystems

Jeder Vermögenswert in der Pyramide ist ein Versprechen, zu einem späteren Zeitpunkt eine höherwertige Geldform zu zahlen. Die unteren Ebenen der Pyramide sind zudem ein Vielfaches der höherwertigen Geldformen, weil Unternehmensanleihen z.B. von Investmentfonds gekauft werden, die wiederum Anteile emittieren, die von ihren Kunden gekauft werden. Zudem ist die Geldpyramide nicht statisch zu verstehen: Die Kreditvergabe weitet sich in Aufschwungphasen in der Regel aus und schrumpft in Krisen wieder. Weitet sie sich aus, so erhöht sich zumeist die Substituierbarkeit der unterschiedlichen Geldformen. Firmen kaufen dann z.B. Aktienanteile mit Hilfe von Anleihen oder anderen kurzfristigen Schuldverschreibungen wie Geldmarktanteile. Verengt sich die Pyramide wieder, so sinkt i.d.R. auch die Substituierbarkeit.

Beispielsweise kann ein Einbruch der wirtschaftlichen Entwicklung dazu führen, dass die Einzahlungen für viele Unternehmen geringer ausfallen als die eingegangenen Zahlungsverpflichtungen. Kreditgeber könnten in einer Krise zudem nicht mehr bereit sein, Zahlungsaufschübe zu akzeptieren und auslaufende Kredite zu erneuern. Es entsteht eine Situation, in der alle gleichzeitig liquidere Mittel wollen. Ausweitungen und Verengungen der Geldpyramide lassen sich sowohl in kurz- oder langfristigen Konjunkturzyklen regelmäßig erkennen, wie auch im Laufe eines Tages, wenn Banken ihre Innertageskredite bei der Zentralbank zurückzahlen müssen.

Geldmengenaggregate

Da relativ liquide Verbindlichkeiten von Nichtbanken auch als eine Form von Geld angesehen werden können, definieren auch Zentralbanken verschiedene Geldmengen. Je nachdem, welches ökonomische Problem man analysieren möchte, kann es angemessen sein, einen Teil der weniger liquiden Vermögenswerte zur Geldmenge hinzuzuzählen. In den größer gefassten Geldmengenaggregaten der Zentralbanken werden daher auch längerfristige Termineinlagen, kurzfristige Bankschuldverschreibungen, Geldmarktfonds oder sogenannte Repo-Geschäfte als Geld gezählt (Repos sind mit Wertpapieren besicherte Kredite). Auch die deutsche Bundesbank (2019, S. 73 f.) weist auf die Schwierigkeiten der Geldmengendefinition hin:7

„Da die Übergänge zwischen den unterschiedlichen Einlagearten und kurzfristigen Finanzinstrumenten fließend sind, lässt sich die Geldmenge nicht eindeutig definieren. Letztlich hängt es beispielsweise von der Fragestellung einer Untersuchung ab, welche Einlagearten man zum Geld rechnet und welche nicht bzw. welche Geldmenge man in der Untersuchung verwendet. Vor diesem Hintergrund haben andere Länder ihre Geldmengen nach anderen Kriterien definiert, beispielsweise die Schweiz und die USA.“

Jede Zentralbank definiert ihre Geldmengenaggregate etwas anders, aber in den meisten Fällen ähnlich. Es gilt grundsätzlich das Prinzip: Je höher die Nummer des Aggregats, desto breiter gefasst ist die Geldmenge, also desto längerfristigere Geldanlagen werden berücksichtigt.8 Die Bundesbank verwendet 4 unterschiedliche Gelddefinitionen (M0, M1, M2 und M3), die sich in ihrer Liquidität unterscheiden. Die Zentralbankgeldmenge M0 wird auch als Geldbasis bezeichnet. Tabelle 2 fasst die verschiedenen Geldmengenaggregate nach Definition der Bundesbank zusammen. Hierbei ist zu beachten, dass M1 zwar eine Teilmenge von M2 und M2 eine Teilmenge von M3 ist, M0 jedoch keine Teilmenge der anderen Aggregate darstellt, da diese keine Reserven enthalten.

Tabelle 2: Geldmengenaggregate der Bundesbank
M0 Geldbasis (Bargeldumlauf und Zentralbankguthaben von Banken)
M1 Bargeldumlauf + Sichteinlagen in Banken
M2 M1 + Spareinlagen mit einer Kündigungsfrist von bis zu drei Monaten und Termineinlagen mit einer Laufzeit von bis zu zwei Jahren
M3 M2 + weitere kurzfristige Geldanlagen (kurzfristige Bankschuldverschreibungen (mit einer Ursprungslaufzeit von bis zu zwei Jahren), von Geldmarktfonds ausgegebene Geldmarktfondsanteile sowie die sogenannten Repogeschäfte)
MERKE
  • Geld erfüllt drei primäre Funktionen: Es fungiert als Zahlungsmittel, Recheneinheit und Wertaufbewahrungsmittel.
  • Moderne Geldsysteme sind zweistufig aufgebaut und setzen sich aus staatlichem Zentralbankgeld und privatem Bankengeld zusammen.
  • Bankguthaben sind Schuldscheine des Bankensektors, die einen Anspruch auf Bargeld darstellen und bei Zahlungen übertragen werden.
  • Entgegen der weit verbreiteten Auffassung verleihen Banken keine Ersparnisse ihrer Kunden, sondern schaffen bei jeder Kreditvergabe an Nichtbanken neue Einlagen.
  • Es existieren zwei Geldkreisläufe: einer zwischen der Zentralbank (bzw. der Regierung) und den Geschäftsbanken, und ein weiterer zwischen den Geschäftsbanken und privaten Nichtbanken.
  • Der Grad der Liquidität eines Vermögenswerts beschreibt, wie sicher dieser zum Nennwert verkauft werden kann. Ein Vermögenswert gilt als vollkommen liquide, wenn er stets zum Nennwert gehandelt wird (z.B. Bargeld).
  • Da Wertpapiere möglicherweise unter- oder über dem Nennwert gehandelt werden, sind sie weniger liquide als Bargeld oder Einlagen. Um Anleger davon zu überzeugen, ihre Zahlungsmittel gegen Wertpapiere zu tauschen, erhalten sie daher einen risikoabhängigen Zins, der den Preis für die Aufgabe von Liquidität repräsentiert.
  • Vermögenswerte können hierarchisch nach ihrem Grad der Liquidität geordnet werden.

Literatur

BARNETT, W. A. UND P. A. SPINDT (1979). “The velocity behavior and information content of Divisia monetary aggregates,” Economics Letters, 4, 51–57.
KEYNES, J. M. (1936). “General Theory of Employment, Interest, and Money,” London: Macmillan Cambridge University Press.
MINSKY, H. (1986). “Stabilizing An Unstable Economy,” New Haven: Yale University Press.
MURAU, S., PAPA, F. UND T. PFORR (2023). “International Monetary Hierarchy through Emergency US-Dollar Liquidity: A Key Currency Approach,” Competition & Change, 27, S. 495–515.
PAETZ. M. (2025). “Geldtheorie und Geldpolitik,” Schäffer-Poeschel.
SCHUMPETER, J. (1954). “History of Economic Analysis,” Routledge.