Geld und Vermögen

Im Zusammenhang mit Geld werden Begriffe häufig unpräzise verwendet. Daher mag es vorkommen, dass man zwei völlig unterschiedliche Vorgänge mit dem gleichen Namen versieht. Da dies in Diskussionen offensichtlich zu Missverständnissen führen muss, wird der folgende Abschnitt einige Begrifflichkeiten klären, um dies zu verhindern. Vorweg soll jedoch einmal klar gestellt werden, warum jedem Geldvermögen immer eine exakt gleich hohe Verschuldung gegenüberstehen muss.

Ausgaben sind Einnahmen

Betrachten wir das folgende Aussagenpaar:

„Sparen ist gut. Verschuldung ist schlecht.“

Vermutlich klingt dies für Sie sowohl vertraulich wie auch vernünftig. Aus einzelwirtschaftlicher Haushaltssicht lässt sich auch schwerlich bestreiten, dass eine Verschuldung das Risiko trägt, diese zu einem späteren Zeitpunkt nicht zurückzahlen zu können. Ersparnis im Sinne einer Vermögensbildung bietet hingegen den Schutz vor unvorhergesehenen Ereignissen, die zu unerwarteten Ausgaben führen, wie die Reparatur eines Autos oder einer Waschmaschine. Bei einer gesamtwirtschaftlichen Sichtweise wird jedoch klar, dass beide Ereignisse (Sparen wie Verschuldung) nur gemeinsam auftreten können. Da die Einnahmen des einen immer den Ausgaben des anderen entsprechen, kann es keine Sparer geben, wenn es keine Schuldner gibt.1 Wer Geld spart, gibt weniger aus als er einnimmt. Zwangsläufig müssen nun alle anderen Personen in der Summe mehr ausgeben als sie einnehmen. Selbst dann, wenn man Geld zu Hause unter dem Kopfkissen hortet, gilt, dass der Einnahmeüberschuss nur möglich ist, wenn alle anderen in exakt gleicher Höhe einen Ausgabeüberschuss verzeichnen, in der laufenden Periode also mehr ausgeben als einnehmen. Das Geld, das man unter dem Kopfkissen spart, wurde schließlich dem Kreislauf entzogen und muss irgendwo zu einem Rückgang der Einnahmen führen.

Um Missverständnisse im Keim zu ersticken, verdeutlichen wir uns diesen Zusammenhang anhand eines Beispiels. Betrachten wir eine Beispielökonomie, die aus nur 2 Personen besteht. Person A stellt Nahrungsmittel her und Person B Kleidungsstücke. Nehmen wir an, beide kaufen sich gegenseitig Waren im Wert von 1000 Euro ab. Dann entsprechen die Ausgaben der einen Person gerade den Einnahmen der anderen und beide haben einen ausgeglichenen Budgetsaldo (Einnahmen = Ausgaben). Nehmen wir nun an, Person A möchte Vermögen bilden, indem sie weniger ausgibt als sie einnimmt. Gehen wir davon aus, sie kauft nur noch Waren im Wert von 800 Euro von Person B ab, weil sie 200 Euro sparen möchte. Mit der Ersparnis von Person A sinken nun aber auch die Einnahmen von Person B. Um weiterhin Waren im Wert von 1000 Euro von Person A abzukaufen, müsste sich Person B verschulden. Person A könnte ihr die 200 Euro leihen, die sie nicht ausgegeben hat.

Die Ersparnis (der Vermögensaufbau) von A ist aber nur dann möglich, wenn sich B in der laufenden Periode verschuldet. Angenommen, Person B wäre nicht bereit, sich zu verschulden. Wenn sie ihre Ausgaben reduziert, um sie den gesunkenen Einnahmen anzupassen, kann auch Person A kein Vermögen bilden. Gibt Person B nämlich nur 800 Euro aus, dann sinken wiederum die Einnahmen von Person A und entsprechen wieder ihren Ausgaben. Der Einnahmeüberschuss von A verschwindet, weil B keinen Ausgabeüberschuss zulässt. Unter diesem Umständen ist Person A also gezwungen, ihren Sparplan zu ändern, will sie ihren Ausgabeplan aufrecht erhalten.

Ein Ausgabeüberschuss kann freilich auch aus einem angesparten Vermögen getätigt werden. In diesem Fall würde das Vermögen der entsprechenden Person in der laufenden Periode sinken. Der Einnahmeüberschuss ist dennoch nur möglich, weil es auch einen Ausgabeüberschuss gibt. Zudem kann das angesparte Vermögen nur aus Einnahmeüberschüssen der Vergangenheit entstanden sein. Einem Geldvermögen muss zwangsläufig eine ebenso hohe Verschuldung gegenüberstehen. Man kann also nur dann Ersparnis bilden, im Sinne der Akkumulation von Geldvermögen, solange alle anderen Wirtschaftssubjekte sich in exakt gleicher Höhe verschulden. Der eigenen Forderung muss eine ebenso hohe Verbindlichkeit gegenüberstehen. Lege ich meinen Einnahmeüberschuss z.B. in einen Fonds an, steht meiner Vermögensbildung ein Schuldverhältnis des Fonds gegenüber. Beim Kauf einer Unternehmensanleihe steht meiner Forderung eine Verbindlichkeit des entsprechenden Unternehmens gegenüber, usw. In unserem Beispiel steht der potentiellen Vermögensbildung von Person A eine potentielle Verschuldung der Person B gegenüber (sofern B überhaupt bereit ist, sich zu verschulden und A Ersparnisse bilden zu lassen).

Wenn Sie in ihrem Freundeskreis Eindruck damit schinden möchten, was sie jetzt bereits über Geld gelernt haben, dann bitten Sie diesen doch darum, die Nettoweltverschuldung zu schätzen. Wenn man sich dann mit immer höheren Summen gegenseitig überboten hat, wird man über die korrekte Antwort verblüfft sein. Da Schulden und Vermögen sich global immer zu Null addieren müssen, ist die Nettoverschuldung global natürlich null.2 Die Welt als Ganzes hat ja keinen außerirdischen Sparer, bei dem sie sich verschulden könnte, bzw. keinen außerirdischen Schuldner, der ihr eine Ersparnis ermöglicht.

Reinvermögen, Geldvermögen und Sachvermögen

Das im vorangegangenen Abschnitt behandelte Beispiel eines monetären Kreislaufs hat eines bereits gezeigt: Bei der Schöpfung von Geld wird immer eine Forderung wie auch eine Verbindlichkeit erzeugt. Jedem Geldvermögen steht daher eine Geldverschuldung gleicher Höhe gegenüber. Anders ist es beim Sachvermögen, wie Immobilien, Autos, Fernseher, Möbel etc.. Das gesamte Vermögen setzt sich also aus Geld- und Sachvermögen zusammen und wird häufig als Reinvermögen oder wie im vorangegangenen Abschnitt als Nettovermögen bezeichnet.3

Abbildung 8 zeigt den Zusammenhang zwischen Rein-, Geld- und Sachvermögen. Zum Zahlungsmittelbestand zählt man das Bargeld, welches wir in Form von Scheinen und Münzen in unseren Brieftaschen, unter dem Kopfkissen etc. aufbewahren, sowie das Giralgeld, also der Bestand von Einlagen auf unseren Bankkonten. Nimmt man die sonstigen Geldforderungen hinzu, dies wären die im vorangegangenen Abschnitt erwähnten geldnahen Forderungen und das Quasi-Geld wie eben auch Wertpapiere, usw., ergibt sich das Bruttogeldvermögen. Ziehen wir vom Bruttogeldvermögen die Geldschulden ab, verbleibt das Nettogeldvermögen. Häufig wird auch vereinfacht vom Geldvermögen gesprochen, wenn das Nettogeldvermögen gemeint ist. Das Reinvermögen bzw. Nettovermögen erhält man dann, indem man zum Nettogeldvermögen noch das Sachvermögen hinzuzählt, welches aus allen denkbaren Sachwerten, also langlebigen Gütern besteht. Dies können Kühlschränke, Autos, Immobilien, die heimische Stereoanlage, der Laptop, das Handy usw. sein. Finanzielle Vermögenswerte wie auch das Sachvermögen unterliegen, wie der vorangegangene Abschnitt gezeigt hat, Bewertungsschwankungen, die sich auf das Nettovermögen auswirken.

Abbildung 8: Rein-, Geld- und Sachvermögen
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Grass und Stützel (1983, Kapitel 5.3).

Die bisher genannten Definitionen beziehen sich auf die Bestände in einer Bilanz. Mit ihrer Hilfe lassen sich aber auch Transaktionen präzise benennen. Jede Transaktion, die zu einer Erhöhung des Geldvermögens führt nennt man eine Einnahme, jede Transaktion, die das Geldvermögen verringert eine Ausgabe. Einnahmen sollten nicht mit Einkommen verwechselt werden. So kann man das Geldvermögen auch erhöhen, indem man z.B. seine Stereoanlage verkauft. Hierdurch würde man das Sachvermögen reduzieren und gleichzeitig in exakt gleicher Höhe das Geldvermögen steigern (Aktivtausch). Das Reinvermögen hätte sich in diesem Fall aber nicht verändert. Bekommt man hingegen zum Monatsersten sein Einkommen überwiesen, so erhöht sich der Giralgeldbestand und somit der Zahlungsmittelbestand, das Geldvermögen und auch das Reinvermögen. Sollte man bis zum Monatsende sein Einkommen nicht vollständig ausgeben, so ist das Reinvermögen im Vergleich zum Vormonat gestiegen. Eine Ausgabe sollte man zudem nicht mit Konsum verwechseln. Konsum beschreibt den Verbrauch von Gütern. So wäre der Konsum einer guten Flasche Rotwein eine Verringerung des Sachvermögens, weil der Bestand des Weinkellers verringert wurde. Gleichzeitig findet eine Reduktion des Reinvermögens statt, nicht aber die Reduktion des Geldvermögens, sofern sich die Flasche bereits im Besitz des Trinkers befand.

Einnahmen und Ausgaben muss man zudem von Einzahlungen und Auszahlungen unterscheiden. Eine Einzahlung (Auszahlung) erhöht (vermindert) den Zahlungsmittelbestand. Wird der Kauf einer Aktie z.B. aus dem Bestand von Giralgeld gezahlt, so stellt der Kauf eine Auszahlung, aber keine Ausgabe dar. Es hat sich der Zahlungsmittelbestand verringert, ohne dass sich das Geld- oder das Reinvermögen verändert hat. Während Ein- und Ausgaben also zu einer Veränderung des Geldvermögens führen, bewirken Ein- und Auszahlungen eine Veränderung des Zahlungsmitelbestandes. Des Weiteren sind die genannten Transaktionen zu unterscheiden von den Begriffen Ertrag und Aufwand. Ein Ertrag (Aufwand) erhöht (vermindert) das Nettovermögen, zu dem neben dem Geld- auch das Sachvermögen gehört. Das Reinvermögen eines Unternehmens stellt das Eigenkapital dar. Im Privatsektor würde man statt Ertrag und Aufwand eher von Einkommen und Konsum sprechen. Jede Transaktion, die das Reinvermögen erhöht nennt man privat Einkommen und eine Reduktion des Reinvermögens ist Konsum. Der Zusammenhang zwischen den Strom- und Bestandsgrößen ist in Tabelle 3 aufgeführt.

Tabelle 3: Zusammenhang von Bestands- und Stromgrößen

 \begin{center} \begin{tabular}{C{6cm}C{6cm}} \textbf{Bestandsgröße} & \textbf{Stromgröße}\\ \toprule \midrule Zahlungsmittel & Einzahlung (+) / Auszahlung (-)\\ Geldvermögen & Einnahme (+) / Ausgabe (-)\\ Reinvermögen& Ertrag (+) / Aufwand (-)\\ \bottomrule \end{tabular} \end{center} \end{table} \end{document}

Der Verkauf eines Fernsehers gegen Bargeld würde bspw. eine Einzahlung sowie eine Einnahme darstellen, weil sich der Zahlungsmittelbestand wie auch das Geldvermögen erhöht, aber keinen Ertrag, weil sich das Reinvermögen nicht ändert. Die Überweisung des Monatsgehalts erhöht den Zahlungsmittelbestand wie auch Geld- und Reinvermögen, wäre also eine Einzahlung, eine Einnahme und ein Ertrag. Die Bezahlung eines Kinobesuchs mit Bargeld wäre eine Auszahlung, eine Ausgabe und ein Aufwand. Führt der Verkauf einer Aktie zu einer Erhöhung der Bankeinlagen, stellt der Vorgang eine Einzahlung, aber keine Einnahme und keinen Ertrag dar, weil die sonstigen Geldforderungen um den gleichen Betrag gesunken ist wie die Zahlungsmittel im Wert gestiegen sind. Im allgemeinen Sprachgebrauch werden Einnahme, Einzahlung und Ertrag (Einkommen) häufig gleich gesetzt. Es ist offensichtlich von enormer Bedeutung, die in diesem Abschnitt eingeführten Begriffe präzise zu verwenden, um Missverständnisse zu vermeiden.

Aber wie entsteht überhaupt Sachvermögen? Nehmen wir an, eine Privatperson nimmt einen Kredit in Höhe von 500.000 € auf. Die Bilanzen von Kreditnehmer und Bank (in Tsd. €) sehen wie folgt aus:

 \setlength{\tabcolsep}{1mm} \begin{center} \begin{tabular}{cc} \begin{tabular}[t]{p{2,9 cm}R{0.7cm}|p{2,9cm}R{0.7cm}} \multicolumn{4}{c}{\textbf{A}\hfill\textbf{Bank}\hfill\textbf{P}}\\ \hline Kredit & 500 & Einlagen & 500 \end{tabular} {~~}  \begin{tabular}[t]{p{2,9 cm}R{0.7cm}|p{2,9cm}R{0.7cm}} \multicolumn{4}{c}{\textbf{A}\hfill\textbf{Privatperson}\hfill\textbf{P}}\\ \hline Einlagen & 500 & Kredit & 500 \end{tabular} \end{tabular} \end{center} \end{document}

Nun beauftragt sie ein Bauunternehmen damit, ihr ein Haus im Wert von 500.000 € zu bauen. Hierzu überweist die Person dem Unternehmen das Geld:

 \setlength{\tabcolsep}{1mm} \begin{center} \begin{tabular}{cc} \begin{tabular}[t]{p{2,9 cm}R{0.7cm}|p{2,9cm}R{0.7cm}} \multicolumn{4}{c}{\textbf{A}\hfill\textbf{Bauunternehmen}\hfill\textbf{P}}\\ \hline Einlagen & 500 & Verbindlichkeiten & 500 \end{tabular} {~~}  \begin{tabular}[t]{p{2,9 cm}R{0.7cm}|p{2,9cm}R{0.7cm}} \multicolumn{4}{c}{\textbf{A}\hfill\textbf{Privatperson}\hfill\textbf{P}}\\ \hline Einlagen & \sout{500} & Kredit & 500\\ Forderung & 500 & & \end{tabular} \end{tabular} \end{center} \end{document}

Die Privatperson besitzt nun eine Forderung (in Form eines Vertrages) gegenüber dem Bauunternehmen, welche die Lieferung einer Immobilie im Wert von 500.000 € beinhaltet. Das Unternehmen wird nun Material und Arbeitskraft aus dem Privatsektor abkaufen, um den Auftrag zu erfüllen. Da das Unternehmen einen Gewinn erwirtschaften möchte, gehen wir davon aus, dass die Ausgaben des Unternehmens sich lediglich auf 450.000 € belaufen:4

 \setlength{\tabcolsep}{1mm} \begin{center} \begin{tabular}{cc} \begin{tabular}[t]{p{2,9 cm}R{0.7cm}|p{2,9cm}R{0.7cm}} \multicolumn{4}{c}{\textbf{A}\hfill\textbf{Bauunternehmen}\hfill\textbf{P}}\\ \hline Einlagen & 50 & Verbindlichkeiten & 500\\ Haus&500&Nettovermögen & 50 \end{tabular} {~~}  \begin{tabular}[t]{p{2,9 cm}R{0.7cm}|p{2,9cm}R{0.7cm}} \multicolumn{4}{c}{\textbf{A}\hfill\textbf{Privatsektor}\hfill\textbf{P}}\\ \hline Einlagen & 450 & Nettovermögen & 450 \end{tabular} \end{tabular} \end{center} \end{document}

Zu guter Letzt erfüllt der Bauunternehmer die vertragliche Vereinbarung und überschreibt die Immobilie im Wert von 500.000 € der Privatperson:

 \setlength{\tabcolsep}{1mm} \begin{center} \begin{tabular}{cc} \begin{tabular}[t]{p{2,9 cm}R{0.7cm}|p{2,9cm}R{0.7cm}} \multicolumn{4}{c}{\textbf{A}\hfill\textbf{Privatperson}\hfill\textbf{P}}\\ \hline Haus & 500 & Kredit & 500 \end{tabular} {~~}  \begin{tabular}[t]{p{2,9 cm}R{0.7cm}|p{2,9cm}R{0.7cm}} \multicolumn{4}{c}{\textbf{A}\hfill\textbf{Bauunternehmen}\hfill\textbf{P}}\\ \hline Einlagen & 50 & Nettovermögen & 50 \end{tabular} \end{tabular} \end{center} \end{document}

Bisher ist die Person nicht vermögender geworden, denn dem Wert des Hauses steht eine Verbindlichkeit gleicher Höhe in Form des Kredites gegenüber. Dennoch ist in der gesamten Beispiel-Ökonomie ein Nettovermögen in Wert von 500.000 € entstanden, weil ein Sachwert dieser Höhe geschaffen wurde. Dieses Nettovermögen befindet sich derzeit in den Händen des Unternehmens sowie in den Händen des restlichen Privatsektors, nämlich der Arbeitnehmer und Zulieferer, die an dem Bauprojekt mitverdient haben. Aggregiert man alle Einzelbilanzen zu einer gesamtwirtschaftlichen und konsolidiert dabei Geldforderungen und -verbindlichkeiten, bleibt lediglich das Sachvermögen als Identität des Nettovermögens übrig. Nur durch die Schaffung des Sachwertes war es möglich, das Reinvermögen zu erhöhen. Daher sind Investitionen in Sachvermögen auch so bedeutsam für eine Volkswirtschaft. Sie stellen das tatsächliche vorhandene Vermögen in Form von Straßen, Gebäuden, Autos, Schiffen etc. dar.

Wie kann die Privatperson nun aber den Kredit tilgen? Wie wir gesehen haben ist im Privatsektor Einkommen entstanden, welches zusätzlicher Kaufkraft entspricht. Geben die Haushalte ihr Einkommen aus, wird dies auch dem Hauskäufer zu Gute kommen, da auch seine Arbeitsleistung gefragt sein wird, sofern alles gut verläuft und keine Wirtschaftskrise zur Hortung von Geldvermögen führt. Das Einkommen, welches er mit dem Verkauf seiner Arbeitskraft erzielt, wird wiederum ausgegeben und Einkommen bei anderen Personen erzeugen. So zirkuliert das geschaffene Geld im Wirtschaftskreislauf und der Hauskäufer kann aus seinem zukünftigen Einkommen jeden Monat einen Teil seines Kredites zurückzahlen, bis dieser völlig getilgt ist und das Geld bei Rückzahlung wieder vernichtet wird:

 \setlength{\tabcolsep}{1mm} \begin{center} \begin{tabular}{cc} \begin{tabular}[t]{p{2,9 cm}R{0.7cm}|p{2,9cm}R{0.7cm}} \multicolumn{4}{c}{\textbf{A}\hfill\textbf{Bank}\hfill\textbf{P}}\\ \hline Kredit & \sout{500} & Einlagen & \sout{500} \end{tabular} {~~}  \begin{tabular}[t]{p{2,9 cm}R{0.7cm}|p{2,9cm}R{0.7cm}} \multicolumn{4}{c}{\textbf{A}\hfill\textbf{Privatperson}\hfill\textbf{P}}\\ \hline Einlagen & \sout{500} & Kredit & \sout{500}\\ Haus&500&Nettovermögen&500 \end{tabular} \end{tabular} \end{center} \end{document}

Dieser Zusammenhang zwischen Ersparnis, Geld- und Sachvermögensbildung wird auch den Kern des folgenden Abschnitts bilden.

Gesamtwirtschaftliche Vermögensbildung ist Sachvermögensbildung

Wie das vorangegangene Beispiel gezeigt hat, bleibt nach Konsolidierung aller Einzelbilanzen lediglich die Sachvermögensbildung als gesamtwirtschaftliche Vermögensbildung übrig. Eine Volkswirtschaft ohne Außenhandel kann offensichtlich kein Geldvermögen anhäufen, da jeder Geldvermögensbildung gleichzeitig eine neue Verschuldung gegenübersteht. Sachvermögensbildung bezeichnet man volkswirtschaftlich auch als Investition. Demnach muss auf gesamtwirtschaftlicher Ebene die Ersparnis (Vermögensbildung) gerade den Investitionen entsprechen. Viele schließen hieraus vorschnell, dass Ersparnisse Investitionen finanzieren und deswegen identisch sein müssten. Dies ist aber zu kurz gedacht, wie wir im Folgenden sehen werden.

Die Vorstellung, dass Ersparnisse Investitionen finanzieren, liegt vielfach nämlich daran, dass Ersparnis im volkswirtschaftlichem Sinne nicht dem entspricht, wofür man diesen Ausdruck im allgemeinen Sprachgebrauch verwendet. Vielleicht wäre es sinnvoll, den Begriff der Ersparnis aus dem volkswirtschaftlichen Vokabular zu streichen und statt dessen den präziseren Begriff der Vermögensbildung zu verwenden, den man sogar noch stärker präzisieren kann, indem man zwischen Geld- und Sachvermögensbildung unterscheidet. Dass volkswirtschaftlich Ersparnis und Investition identisch sein müssen, kann man, wie gesehen, relativ einfach mit den im vorangegangenen Abschnitt eingeführten Begriffen nachweisen.

Vergleichbar mit dem Begriff „Konsum“ wird auch der Begriff „Ersparnis“ häufig für sehr unterschiedliche Vorgänge verwendet:

  • Reinvermögensbildung: Die Differenz zwischen Ertrag (Einkommen) und Aufwand (Konsum) der selben Periode.
  • Geldvermögensbildung: Die Differenz zwischen Einnahmen und Ausgaben der selben Periode. Das Geldvermögen des Einzelnen kann im Gegensatz zum Reinvermögen auch durch
    den Verkauf von Sachvermögensgütern gesteigert werden.
  • Konsumeinschränkung: Verringerung der Konsumausgaben im Vergleich zur Vorperiode.

Diese drei Bedeutungen werden oft gleichgesetzt, können sich, wie wir gesehen haben, aber unterscheiden. Bei steigendem Einkommen, wäre es für einen Haushalt zum Beispiel möglich, sein Rein- und sein Geldvermögen zu erhöhen ohne seinen Konsum einschränken zu müssen, etc. Um ein weiteres Mal zu zeigen, wie wichtig ein richtiger Umgang mit diesen Begriffen sein kann, werden wir ein weiteres Mal zur Vereinfachung von einer geschlossenen Volkswirtschaft ohne staatlichen Sektor ausgehen, um die folgende Argumentation zunächst im Grundsatz zu verstehen. Das bedeutet, dass sich Personen und Unternehmen im Privatsektor gegenseitig Geld leihen können, es aber keine Möglichkeit gibt, dem Staat oder dem Ausland Geld zu leihen (bzw. sich zu borgen). Wir werden im folgenden Abschnitt diese Annahmen dann fallen lassen und die Argumente verallgemeinern.

Für eine Einzelperson gilt, dass sie ihr Geldvermögen erhöht, wenn ihre Einnahmen die Ausgaben übersteigen. Dies ist aber nicht möglich, wenn sich kein anderer verschuldet. Da jeder Forderung eine Verbindlichkeit gegenüberstehen muss, gilt, dass eine Geldvermögensbildung einer Person nur in der Höhe möglich ist, wie alle anderen Personen in der Summe ihr Geldvermögen verringern, sich also verschulden. Für die Gesamtheit gilt, dass sie ihr Geldvermögen nicht verändern kann. Dies ist bei Sachvermögensbildung, also Investitionen (Maschinen, Gebäude, etc.) wie wir gesehen haben anders. Gesamtwirtschaftliche Ersparnis muss daher immer eine Sachvermögensbildung, also eine Investition sein. Eine einzelne Person kann sparen, indem sie Geldvermögen oder Sachvermögen bildet. Da für die Gesamtheit aber gilt, dass eine Veränderung des Geldvermögens nicht möglich ist, muss die aggregierte Ersparnis logischerweise der Sachvermögensbildung, also der Investitionen, entsprechen, weil die Nettogeldvermögensbildung im Aggregat immer Null sein muss.

Dies ist aber lediglich eine Identität, die keine Kausalität erklärt. Gleichzeitig zeigt die zwangsläufige Identität, dass man als Volkswirtschaft keine Ersparnis bilden kann, wenn diese nicht zeitgleich eine Investition ist. Da diese Identität zwingend logisch immer gelten muss, kann man gesamtwirtschaftlich auch keine Ersparnisse anhäufen, um sie zu einem späteren Zeitpunkt zu investieren, weil die Ersparnis der Vergangenheit ja bereits in der Vergangenheit investiert wurden. Gesamtwirtschaftlich ist ein Ansparen also nicht möglich. Die einzelwirtschaftliche Sichtweise, dass man für den Erwerb eines Gutes anspart, ist aus gesamtwirtschaftlicher Sichtweise demnach irreführend. Ein Unternehmer kann jederzeit von einer Bank einen Kredit bekommen, wenn er ein sinnvolles Investitionsvorhaben vorlegen kann. Das Geldvermögen hat sich auch hierdurch nicht geändert, weil mit dem Kredit wieder Forderungen und Verbindlichkeiten gleicher Höhe geschaffen wurden. Eine Ersparnis ist dafür nicht notwendig, da die Bank das Geld für den Kredit aus dem Nichts schöpft. Es ist also die Investition, die zur Sachvermögensbildung führt, und so eine Ersparnis erst ermöglicht, nicht umgekehrt.

Ein Anstieg der Investitionen muss zudem noch nicht einmal notwendigerweise mit einem Anstieg der Kredite einhergehen. Angenommen ein Unternehmer entscheidet sich bei zunächst ausgeglichenem Budget dazu, seine Investitionen zu erhöhen. Daraufhin übersteigen seine Ausgaben die Einnahmen und er benötigt einen Kredit (einzelwirtschaftlich). Dies muss aber nicht zwangsläufig zu einer zusätzlichen Kreditaufnahme des gesamten Unternehmenssektors führen (der Gesamtheit der Unternehmer). Wenn der Unternehmer beispielsweise zusätzliche Arbeitskräfte bezahlt, steigen die Einlagen im Haushaltssektor. Sollte dieser aber keine Ausweitung der Vermögensbildung wollen, so wird er das Geld wieder ausgeben. Dies wäre ein ebenso großer monetärer Ablauf aus dem Haushaltssektor wie es ein Zulauf für den Unternehmenssektor wäre. Die Unternehmen, die jetzt einen höheren Gewinn erzielen, können ihre geplanten Investitionen nun mit einem geringeren Kredit tätigen und die Gesamtheit der Kredite bleibt gleich, weil der Unternehmenssektor als Ganzes sich nur in der Höhe verschulden kann wie der Haushaltssektor Vermögen bildet. Dies zeigt noch einmal, dass gesamtwirtschaftliche Phänomene ganz anderen Gesetzmäßigkeiten folgen als die einzelwirtschaftlichen. Die Investition ist Sachvermögensbildung und stellt somit im Aggregat eine volkswirtschaftliche Ersparnis dar. Es hat aber niemand willentlich seinen Konsum reduziert und die Menge der Kredite ist ebenfalls nicht gestiegen.

Anwendung auf aktuelle Probleme

Die Unterscheidung zwischen Geld- und Sachvermögen spielt auch in Debatten über die Lösung aktueller gesellschaftlicher Probleme eine bedeutende Rolle. Viele Länder sind seit einigen Jahren
aufgrund einer veränderten demographischen Zusammensetzung ihrer Bevölkerung willens, die umlagefinanzierten Rentensysteme gegen kapitalgedeckte Systeme zu ersetzen. Der volkswirtschaftliche
Grund für die Überlegenheit der letzteren ist angeblich die Kapitalbildung (die Bildung von Sachvermögen, welches zur Produktion verwendet wird), welche zu einem späteren Zeitpunkt die Menge der produzierten Güter erhöht. Diese Sachvermögensbildung würde in der Tat den späteren Wohlstand der Volkswirtschaft erhöhen. Die zusätzlich produzierten Güter könnte man den Rentnern und Renterinnen zu Gute kommen lassen. Allerdings ist die zusätzliche private Ersparnis zunächst nur eine Geldvermögensbildung, die nicht zwangsläufig eine Investition nach sich ziehen muss. Ersparnis ist zunächst einmal lediglich Nicht-Konsum und könnte Unternehmen auch dazu veranlassen, weniger zu investieren, wodurch der spätere Kapitalstock sogar geringer ausfallen könnte als unter einem umlagefinanzierten System. In Deutschland sind seit Anfang der 2000er die Investitionen tatsächlich auf einem historischen Tief und die Produktivität steigt seit dem kaum. Dies ist eine besorgniserregende Entwicklung, weil Produktivitätssteigerungen volkswirtschaftlich der einzige Weg sind, um bei einer geringeren Anzahl von Arbeitnehmern die Produktion zu steigern oder zumindest konstant zu halten. Wie wir gesehen haben entspricht das Nettovermögen einer Volkswirtschaft gerade seinem Sachvermögen. Wenn das Ziel eine Verbesserung der Lebensbedingungen zukünftiger Generationen ist, sollte man also Investitionen fördern und nicht Ersparnis.

Die hohe Verschuldung einiger Länder seit der Finanzkrise ist im Übrigen kein Generationenkonflikt, in dem Sinne, dass die heute Lebenden, den morgen erst Geborenen eine Last hinterlassen. Die kommenden Generationen erben ja ebenso die Schulden wie die Vermögen der vorangegangenen. Aus Sicht der gesamten Volkswirtschaft handelt es sich bei Staatsverschuldung um eine reine Bilanzverlängerung, ohne dass das Nettovermögen sich ändern würde. Die Ausgabe einer Staatsanleihe steigert die Verschuldung des Staates nämlich in exakt gleicher Höhe wie die Vermögensbildung im Privatsektor. Innerhalb der kommenden Generation gibt es natürlich solche Personen, die von der Vermögensbildung ihrer Eltern profitieren und solche, die dies nicht tun. Dies ist aber bestenfalls ein Verteilungskonflikt innerhalb der kommenden Generation und nicht zwischen den Generationen.5

Staatsschulden werden ohnehin nicht zurückgezahlt, sondern  „überrollt“: Wenn ein Kreditvertrag ausläuft, nimmt der Staat einfach einen neuen auf. Da eine Regierung wegen der Quasi-Nichtinsolvenzfähigkeit ein besonders beliebter Schuldner unendlicher Lebensdauer ist, kann sie dieses Spiel prinzipiell ewig weiter treiben. Sollte sie kein Geld bekommen, kann zudem notfalls auch die Zentralbank einspringen, als sogenannter Kreditgeber der letzten Instanz. Dies gilt auch bei Berücksichtigung der Zinszahlungen, die ja bedient werden müssen. Denn auch diese erzeugen bei genauer Betrachtung keinen Konflikt zwischen den heute Lebenden und den morgen erst Geborenen. Nehmen wir an, dass der Staat mit seinen Steuereinnahmen die Zinsen begleicht. Dann befinden sich die Empfänger der Zinszahlungen ebenfalls in der gleichen Generation wie die Steuerzahler. Das Geld muss zu exakt der Zeit gezahlt werden, in der die Zinsen anfallen. Auch die Zinsen stellen also bestenfalls ein Verteilungs- und kein Generationenproblem dar, weil sich Schuldner und Gläubiger immer unter den derzeit Lebenden befinden. Forderungen und Verbindlichkeiten existieren immer zum gleichen Zeitpunkt. Man müsste mit Hilfe einer Zeitmaschine Geldüberweisungen aus der Zukunft erfinden, damit so etwas wie ein Generationen übergreifender Konflikt aufgrund von Schuldverhältnissen entstehen könnte. Eine Schuldrückzahlung muss immer zwingend logisch innerhalb der derzeit Lebenden stattfinden, da Tote keine Schulden zurückzahlen können.

MERKE
  • Vermögensaufbau in Geldeinheiten (der Aufbau von Geldvermögen) ist nur möglich bei gleichzeitiger Verschuldung anderer Personen oder Unternehmen. Ohne Verbindlichkeiten kann es auch keine Forderungen geben.
  • „Ersparnis“ ist ein Begriff, der für ganz unterschiedliche Vorgänge verwendet wird. Trennschärfer ist es zwischen Rein-, Geld- und Sachvermögensbildung sowie Konsumeinschränkung zu unterscheiden.
  • Für eine geschlossene Volkswirtschaft ohne Staat muss die Vermögensbildung des Privatsektors immer Sachvermögensbildung sein, weil eine Geldvermögensbildung im Aggregat nicht möglich ist.
  • Für eine geschlossene Volkswirtschaft inkl. Staat ist eine Geldvermögensbildung im Privatsektor in exakt der Höhe möglich, in welcher der Staat sein Geldvermögen reduziert (eine Netto-Neuverschuldung zulässt).
  • Verschuldung erzeugt keinen Generationenkonflikt, da Schuldner und Gläubiger immer zur gleichen Zeit leben.
Übungsaufgaben/Quizzes

 

Literatur

GRASS, R. UND W. STÜTZEL (1983). Volkswirtschaftslehre: eine Einführung auch für Fachfremde, Vahlen.
LINDNER, F. (2012). “Saving does not finance Investment: Accounting as an indispensableguide to economic theory,” IMK Working Paper 100-2012, IMK at the Hans Boeckler Foundation, Macroeconomic Policy Institute.
SCHMIDT, J. (2011). Die Bedeutung der Saldenmechanik für die makroökonomische Theoriebildung, Marburg : Metropolis-Verl., 111–147.
SCHMIDT, J. (2012). Die Bedeutung der Saldenmechanik für die makroökonomische Theoriebildung, Marburg : Metropolis-Verl., 111–147.
STÜTZEL, W. (1978). Volkswirtschaftliche Saldenmechanik: ein Beitrag zur Geldtheorie, Tübingen: Mohr.
STÜTZEL, W. (1979). Sparen – Fluch oder Segen? Anmerkungen zu einem alten Problem aus Sicht der Saldenmechanik, Marburg : Metropolis-Verl., 61–85.

 

Grundlagen der doppelten Buchführung

Der italienische Mathematiker Luca Pacioli gilt als Erfinder der doppelten Buchführung und hat bereits 1494 in seinem Buch „Summa de arithmetica, geometria, proportioni et proportionalità“ die Grundlagen für eine bilanzielle Erfassung ökonomischer Größen gelegt. Auch wenn der Umgang mit Bilanzen von den meisten Menschen (zu Recht) als Qual empfunden wird, helfen gewisse Grundkenntnisse über den Umgang mit Bilanzen, eine inkonsistente Argumentation zu vermeiden. Zudem bieten Bilanzierungsansätze eine übersichtliche und schematische Darstellung, die insbesondere das Verständnis der Geldschöpfung im Bankensektor erheblich erleichtert. Daher soll der vorliegende Abschnitt eben solche Grundkenntnisse vermitteln. Wir beschränken uns hierbei auf den Teil, der zum Verständnis makroökonomischer Transaktionen hilfreich ist und werden nicht auf betriebswirtschaftlich bedeutsame Posten von Unternehmensbilanzen eingehen, sofern wir dies nicht für nötig erachten. Das Kapitel beginnt jedoch mit der Unterscheidung zwischen Bestands- und Stromgrößen, die sowohl für die Makroökonomik wie für das Verständnis von Bilanzen wesentlich ist.

Bestands-und Stromgrößen

I have found out what economics is; it is the science of confusing stocks with flows.

– Michal Kalecki, ca. 1936, zitiert nach Godley und Lavoie (2007, S. 1).

In der Volkswirtschaftslehre unterscheidet man zwischen Größen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt gemessen werden, wie z.B. das Vermögen, und solchen die über einen Zeitraum (also pro Zeiteinheit) gemessen werden, wie z.B. die Ersparnis. Erstere nennt man Bestandsgrößen, Letztere Strom- oder Flussgrößen. Der Zusammenhang zwischen beiden Größen lässt sich am Einfachsten an einem Beispiel erklären. Die Bestandsgröße Vermögen am Ende dieses Jahres entspricht der Bestandsgröße Vermögen am Ende des letzten Jahres zuzüglich der Stromgröße Ersparnis während des laufenden Jahres. Anders formuliert: Die Bestandsgröße ist das heutige Vermögen und die Stromgröße ist das, was innerhalb des nächsten Jahres an Ersparnissen zu dem Vermögen hinzu kommt.

Oft wird auch der Zusammenhang zwischen dem Bestand an Maschinen, der sogenannte Kapitalstock, und dem Zuwachs der Maschinen, i.d.R. als Investition bezeichnet, als Beispiel verwendet. Der Kapitalstock ist eine Bestandsgröße, die zu einem Zeitpunkt (z.B. Ende des Jahres) gemessen wird, und die Investitionen sind eine Stromgröße, die über einen Zeitraum gemessen werden, z.B. im Laufe eines Jahres. Der Maschinenbestand am Ende eines Jahres entspricht dann dem Maschinenbestand Ende des letzten Jahres zuzüglich der neu gekauften Maschinen innerhalb dieses Jahres. Typische Bestandsgrößen sind Vermögen oder Schuldenstand; typische Stromgrößen sind Einkommen, Ersparnis oder Neuverschuldung. Tabelle 2 gibt einige Beispiele für Bestands- und Stromgrößen.

Tabelle 2: Bestands- und Stromgrößen

 \begin{tabular}{C{8cm}C{8cm}} \textbf{Bestandsgrößen [Maßeinheit]}& \textbf{Stromgrößen [Maßeinheit]}\\ \toprule \midrule Kapitalstock [GE] & Investitionen [GE/Jahr]\\ Bevölkerung [Personen]&Sterbefälle [Personen/Jahr]\\ Schuldenstand [GE] & Nominales Bruttoinlandsprodukt [GE/Jahr]\\ Vermögen [GE] & Ersparnis [GE/Jahr]\\ Arbeitslose [Personen] & Technische Abschreibungen [GE/Jahr]\\ \bottomrule \end{tabular}

T-Konten und Bilanzen

Den Grundbaustein für die doppelte Buchführung bilden die T-Konten. Mit deren Hilfe lassen sich Bestands- und Stromgrößen detailliert erfassen. Der Ausdruck Bilanz ist aus dem Lateinischen abgeleitet und bedeutet so viel wie Waage oder Gleichgewicht. Eine Bilanz ist dementsprechend ein T-Konto, das immer ausgeglichen sein muss. Die Bilanz umfasst die Bestände aller Guthaben (+) und Schulden (-) bzw. Forderungen (+) und Verbindlichkeiten (-) bzw. Aktiva (+) und Passiva (-) eines Individuums oder einer Institution.

 \setlength{\tabcolsep}{1mm} \begin{center} \begin{tabular}{p{3cm}R{1cm}|p{4cm}R{1cm}} \multicolumn{4}{c}{\textbf{A}\hfill\textbf{Individuum/Institution}\hfill\textbf{P}}\\ \hline Guthaben& (+) & Schulden &(-) \end{tabular} \end{center} \end{document}

In der Regel stellen Privatpersonen keine Bilanz über ihre eigenen Forderungen und Verbindlichkeiten auf. In manchen Fällen, wie z.B. bei einer Kreditaufnahme oder bei einer Schuldenberatung wird es jedoch nötig, sich über das eigene Vermögen im Klaren zu sein. Da niemand genau so viele Forderungen wie Verbindlichkeiten aufweist, wird immer ein Restposten übrig bleiben. Dieser Restposten wird als Nettovermögen bzw. Reinvermögen bezeichnet. Wenn die Forderungen höher sind als die Verbindlichkeiten ist das Nettovermögen positiv, falls es umgekehrt ist, ist das Nettovermögen negativ. In einem Unternehmen wird das Nettovermögen als Eigenkapital bezeichnet. Bei Nicht-Ausschüttung erzielter Gewinne, würde sich dieses vergrößern. Das Unternehmen würde also eine Ersparnis (Stromgröße) bilden und damit das Vermögen (Bestandsgröße) erhöhen. Die Bilanz einer Privatperson könnte z.B. so aussehen:

 \begin{tabular}{p{2.5cm}R{1.5cm}|p{2.5cm}R{1.5cm}} \multicolumn{4}{c}{\textbf{A}\hfill\textbf{Privatperson}\hfill\textbf{P}}\\ \hline Forderungen & 20 \euro & Verbindlichkeiten & 10 \euro \\ & & Nettovermögen & 10 \euro \end{tabular}

Besitzgegenstände wie Immobilien, Aktien, Bankeinlagen und Bargeld werden in einer Bilanz auf der linken Seite, der sogenannten Aktivseite, aufgelistet. Die Verbindlichkeiten, also das, was eine Person an Schulden hat, werden auf der rechten Seite, der Passivseite, eingetragen. Jeder einzelne Posten kann wiederum in einem (Unter-)T-Konto detaillierter erfasst sein. Diese Unterkonten werden i.d.R. in Aktiv- und Passivkonten unterteilt und erfassen den Anfangsbestand einer Größe sowie deren Zu- und Abgänge. Die Bilanz einer Beispielperson ist in der Abbildung unten gegeben.

Abbildung 4: Bilanzierungsbeispiel mit Unterkonten

 \begin{tabular}{p{2.5cm}R{1.5cm}|p{2.5cm}R{1.5cm}} \multicolumn{4}{c}{\textbf{A}\hfill\textbf{Privatperson}\hfill\textbf{P}}\\ \hline Immobilien & 500 \euro& Hypotheken & 500 \euro\\ Aktien & 100 \euro & Nettovermögen & 110 \euro\\ Bankeinlagen & 10 \euro & & \end{tabular}

 \begin{tabular}{cc} $\swarrow$ & $\searrow$\\ \underline{\textbf{\texttt{Aktivkonten}}} & \underline{\textbf{\texttt{Passivkonten}}}\\ ~&~\\ \begin{tabular}[t]{p{2cm}R{1.1cm}|p{1.9cm}R{1.2cm}} \multicolumn{4}{c}{\textbf{Soll}\hfill\textbf{Immobilien}\hfill\textbf{Haben}}\\ \hline AB & 500 \euro&Abgang & 0 \euro\\ Zugang & 0 \euro& \textbf{EB} & \textbf{ 500 \euro} \end{tabular} & %{~~} \begin{tabular}[t]{p{2cm}R{1.1cm}|p{2cm}R{1.1cm}} \multicolumn{4}{c}{\textbf{Soll}\hfill\textbf{Hypotheken}\hfill\textbf{Haben}}\\ \hline Abgang & 0 \euro& AB & 500 \euro\\ \textbf{EB} & 500 \euro& Zugang & 0 \euro \end{tabular}\\ \begin{tabular}[t]{p{2cm}R{1.1cm}|p{2cm}R{1.1cm}} \multicolumn{4}{c}{\textbf{Soll}\hfill\textbf{Aktien}\hfill\textbf{Haben}}\\ \hline AB & 100 \euro& Abgang & 0 \euro \\ Zugang & 0 \euro&\textbf{EB} & \textbf{100 \euro} \end{tabular} & %{~~} \begin{tabular}[t]{p{2cm}R{1.1cm}|p{2cm}R{1.1cm}} \multicolumn{4}{c}{\textbf{Soll}\hfill\textbf{Nettovermögen}\hfill\textbf{Haben}}\\ \hline Abgang & 0 & AB & 110 \euro\\ \textbf{EB} & 110 \euro & Zugang & 0 \euro \end{tabular} \\ \begin{tabular}[t]{p{2cm}R{1.1cm}|p{2cm}R{1.1cm}} \multicolumn{4}{c}{\textbf{Soll}\hfill\textbf{Bankeinlagen}\hfill\textbf{Haben}}\\ \hline AB & 10 \euro& Abgang & 0 \euro \\ Zugang & 0 \euro& \textbf{EB} & \textbf{10 \euro} \end{tabular} & \end{tabular}

In den Aktivkonten werden die Anfangsbestände (AB) der Vermögen auf der Soll-Seite verbucht, in den Passivkonten werden die Anfangsbestände der Verbindlichkeiten auf der Haben-Seite verbucht. Zugänge sind entsprechend im Aktivkonto auf der Soll- und im Passivkonto auf der Habenseite zu finden. Umgekehrt verhält es sich mit den Abgängen in einem Unterkonto. Der Saldo des jeweiligen Unterkontos (die Differenz zwischen Soll- und Habenseite) ergibt dann den Endbestand (EB) des entsprechenden Kontos und somit den Eintrag im Posten der Gesamtbilanz. Für unsere Zwecke wird es häufig ausreichen, die Bilanzen ohne Aktiv- und Passivkonten zu betrachten, wir werden also meist auf Unterkonten verzichten.

Häufig werden Buchungen verkürzt durch Buchungssätze dargestellt. Nehmen wir an, unsere Beispielperson erwirbt mit ihren Bankeinlagen Aktien im Wert von 5 Euro. Der Buchungssatz wäre dann „Aktien an Bankeinlagen 5 €“ Zunächst wird das Unterkonto genannt, in dem auf der linken Seite (der Soll-Seite) gebucht wird, dann das Unterkonto, bei dem auf der rechten (der Haben-Seite) gebucht wird („Soll an Haben“). Da im Deutschen auch von links nach rechts gelesen wird, kann man sich dies relativ einfach merken. Anders ausgedrückt wird zunächst das Konto genannt, für das die finanziellen Mittel aufgewendet werden (Mittelverwendung), und dann das Konto, von dem die Mittel genommen werden (Mittelherkunft).  Die Veränderung der Konten unserer Beispielperson ist im oberen Abschnitt der folgenden Abbildung 5 dargestellt.

Abbildung 5: Aktiv- und Passivtausch

 \underline{\textbf{Aktivtausch: Aktien an Bankeinlagen 5 \euro}}\\ ~\\ \begin{tabular}{p{2.5cm}R{1.5cm}|p{2.5cm}R{1.5cm}} \multicolumn{4}{c}{\textbf{A}\hfill\textbf{Privatperson}\hfill\textbf{P}}\\ \hline Immobilien & 500 \euro& Hypotheken & 500 \euro\\ Aktien & 105 \euro & Nettovermögen & 110 \euro\\ Bankeinlagen & 5 \euro & & \end{tabular}

 \begin{tabular}{cc} $\swarrow$ & $\searrow$\\ \underline{\textbf{\texttt{Aktivkonten}}} & \underline{\textbf{\texttt{Passivkonten}}}\\ ~&~\\ \begin{tabular}[t]{p{2cm}R{1.1cm}|p{2cm}R{1.1cm}} \multicolumn{4}{c}{\textbf{Soll}\hfill\textbf{Aktien}\hfill\textbf{Haben}}\\ \hline AB & 100 \euro& Abgang & 0 \euro \\ Zugang & 5 \euro&\textbf{EB} & \textbf{105 \euro} \end{tabular} &\begin{tabular}[t]{p{2cm}R{1.1cm}|p{2cm}R{1.1cm}} \multicolumn{4}{c}{\textbf{Soll}\hfill\textbf{Haben}}\\ \hline ~ & ~& ~ & ~ \end{tabular}\\ \begin{tabular}[t]{p{2cm}R{1.1cm}|p{2cm}R{1.1cm}} \multicolumn{4}{c}{\textbf{Soll}\hfill\textbf{Bankeinlagen}\hfill\textbf{Haben}}\\ \hline AB & 10 \euro& Abgang & 5 \euro \\ Zugang & 0 \euro& \textbf{EB} & \textbf{5 \euro} \end{tabular} &~ \end{tabular}

 \underline{\textbf{Passivtausch: Hypotheken an Kredite 100 \euro}}\\ ~\\ \begin{tabular}{p{2.5cm}R{1.5cm}|p{2.5cm}R{1.5cm}} \multicolumn{4}{c}{\textbf{A}\hfill\textbf{Privatperson}\hfill\textbf{P}}\\ \hline Immobilien & 500 \euro& Hypotheken & 400 \euro\\ Aktien & 105 \euro & Kredite & 100 \euro\\ Bankeinlagen & 5 \euro & Nettovermögen & 110 \euro \end{tabular}

 \begin{tabular}{cc} $\swarrow$ & $\searrow$\\ \underline{\textbf{\texttt{Aktivkonten}}} & \underline{\textbf{\texttt{Passivkonten}}}\\ ~&~\\ \begin{tabular}[t]{p{2cm}R{1.1cm}|p{2cm}R{1.1cm}} \multicolumn{4}{c}{\textbf{Soll}\hfill\textbf{Haben}}\\ \hline ~ & ~& ~ & ~ \end{tabular} & \begin{tabular}[t]{p{2cm}R{1.1cm}|p{2cm}R{1.1cm}} \multicolumn{4}{c}{\textbf{Soll}\hfill\textbf{Hypotheken}\hfill\textbf{Haben}}\\ \hline Abgang &100 \euro & AB & 500 \euro\\ \textbf{EB} &\textbf{400 \euro}&Zugang &0 \euro\\ \end{tabular}\\ & \begin{tabular}[t]{p{2cm}R{1.1cm}|p{2cm}R{1.1cm}} \multicolumn{4}{c}{\textbf{Soll}\hfill\textbf{Kredite}\hfill\textbf{Haben}}\\ \hline Abgang & 0 \euro& AB & 0 \\ \textbf{EB} & \textbf{100 \euro}& Zugang & 100 \euro\\ \end{tabular} \end{tabular}

In unserem kleinen Beispiel hat der zusätzliche Kauf der Aktien lediglich zu einer Veränderung innerhalb der Aktivseite der Bilanz geführt. Es wurden daher auch nur die Aktivkonten von dem Vorgang berührt. Man spricht daher auch von einem Aktivtausch. Eine Buchung die lediglich die Passivseite betrifft, nennt man dementsprechend einen Passivtausch. Unsere Beispielperson könnte sich zum Beispiel 100 € von ihrem Nachbarn leihen, um einen Teil der Hypothekenschuld zurückzuzahlen. In diesem Fall wäre der Buchungssatz „Hypotheken an Kredite 100€“ und es würde ein neues Unterkonto auf der Passivseite der Bilanz auftauchen wie im unteren Teil in Abbildung 5 dargestellt. Der Saldo auf dem Passivkonto „Hypotheken“ beträgt jetzt nur noch 400 €. Das Nettovermögen der Privatperson hat sich aber nicht verändert, weil nun ein zusätzlicher Kreditvertrag mit dem Nachbarn besteht.

Neben Aktiv- und Passivtausch gibt es noch die sogenannte Bilanzverlängerung bzw. -verkürzung. Diese Buchungstypen erhöhen bzw. vermindern Aktiv- und Passivseite um den selben Betrag. Würde sich unsere Beispielperson dazu entscheiden, einen weiteren Kredit in Höhe von 100 € aufzunehmen, um damit zusätzliche Aktien zu kaufen, so wäre der entsprechende Buchungssatz „Aktien an Kredite 100 €“. Auf der Passivseite würden sich die Verbindlichkeiten (der Kredit) und auf der Aktivseite das Konto „Aktien“ um den gleiche Betrag von 100 € erhöhen. Dieser Vorgang ist in der oberen Hälfte von Abbildung 6 gezeigt. Die Bilanz wäre entsprechend um 100 € verlängert worden. Die untere Hälfte zeigt eine Bilanzverkürzung. Unsere Beispielperson verwendet 5  € ihrer Einlagen, um in einem Eiscafé eine Rechnung zu begleichen. Da es sich bei dem Eis um ein Konsumgut handelt, das sofort verspeist wird, und nicht um ein längerfristiges Gut wie eine Immobilie, ist die Gegenbuchung eine Reduktion des Nettovermögens. Im Ergebnis wurde die Bilanz um 5 € verkürzt.

Abbildung 6: Bilanzverlängerung und Verkürzung

 \underline{\textbf{Bilanzverlängerung: Aktien an Kredite 100 \euro}}\\ ~\\ \begin{tabular}{p{2.5cm}R{1.5cm}|p{2.5cm}R{1.5cm}} \multicolumn{4}{c}{\textbf{A}\hfill\textbf{Privatperson}\hfill\textbf{P}}\\ \hline Immobilien & 500 \euro& Hypotheken & 400 \euro\\ Aktien & 205 \euro & Kredite & 200 \euro\\ Bankeinlagen & 5 \euro & Nettovermögen & 110 \euro \end{tabular}

 \begin{tabular}{cc} $\swarrow$ & $\searrow$\\ \underline{\textbf{\texttt{Aktivkonten}}} & \underline{\textbf{\texttt{Passivkonten}}}\\ ~&~\\ \begin{tabular}[t]{p{2cm}R{1.1cm}|p{2cm}R{1.1cm}} \multicolumn{4}{c}{\textbf{Soll}\hfill\textbf{Aktien}\hfill\textbf{Haben}}\\ \hline AB &105 \euro & Abgang & 0 \euro\\ Zugang & 100 \euro& \textbf{EB} &\textbf{205 \euro} \end{tabular} & \begin{tabular}[t]{p{2cm}R{1.1cm}|p{2cm}R{1.1cm}} \multicolumn{4}{c}{\textbf{Soll}\hfill\textbf{Kredite}\hfill\textbf{Haben}}\\ \hline Abgang & 0 \euro& AB & 100 \\ \textbf{EB} & \textbf{200 \euro}& Zugang & 100 \euro \end{tabular} \end{tabular}

 \underline{\textbf{Bilanzverkürzung: Nettovermögen an Bankeinlagen 5 \euro}}\\ ~\\ \begin{tabular}{p{2.5cm}R{1.5cm}|p{2.5cm}R{1.5cm}} \multicolumn{4}{c}{\textbf{A}\hfill\textbf{Privatperson}\hfill\textbf{P}}\\ \hline Immobilien & 500 \euro& Hypotheken & 400 \euro\\ Aktien & 205 \euro & Kredite & 200 \euro\\ Bankeinlagen & 0 \euro & Nettovermögen & 105 \euro \end{tabular}

 \begin{tabular}{cc} $\swarrow$ & $\searrow$\\ \underline{\textbf{\texttt{Aktivkonten}}} & \underline{\textbf{\texttt{Passivkonten}}}\\ ~&~\\ \begin{tabular}[t]{p{2cm}R{1.1cm}|p{2cm}R{1.1cm}} \multicolumn{4}{c}{\textbf{Soll}\hfill\textbf{Bankeinlagen}\hfill\textbf{Haben}}\\ \hline AB &5 \euro & Abgang & 5 \euro\\ Zugang & 0 \euro& \textbf{EB} &\textbf{0 \euro} \end{tabular} & \begin{tabular}[t]{p{2cm}R{1.1cm}|p{2cm}R{1.1cm}} \multicolumn{4}{c}{\textbf{Soll}\hfill\textbf{Kredite}\hfill\textbf{Haben}}\\ \hline Abgang & 5 \euro& AB & 110 \\ \textbf{EB} & \textbf{105 \euro}& Zugang & 0 \euro \end{tabular} \end{tabular}

Wer sich bisher nicht mit Bilanzen und Vermögen beschäftigt hat, mag an dieser Stelle überrascht sein. Lediglich die Begleichung der Rechnung im Eiscafé hat zu einer Veränderung des Nettovermögens geführt. Weder der Kauf von Aktien aus dem eigenen Einlagenbestand noch der Kauf mit Hilfe eines neuen Kredits hat das Verhältnis von Forderungen zu Verbindlichkeiten verändert. Nur der Erwerb eines Konsumgutes, welches sofort verbraucht, also wieder vernichtet wurde, hat das Nettovermögen verändert, weil den Ausgaben kein neuer Vermögenswert gegenübersteht. Diese Zusammenhänge werden wir im kommenden Abschnitt zu „Geld und Vermögen“ vertiefen. Zunächst sollen mit Hilfe der bilanziellen Darstellung aber ein intuitiver Zugang zu einem monetären Kreislauf vermittelt und schwankende Immobilienpreise analysiert werden.

Beispiel 1: Ein monetärer Kreislauf

Die gerade erworbenen Fähigkeiten geben uns die Möglichkeit, einen Wirtschaftskreislauf in Form einer Bilanzdarstellung zu betrachten. Im Folgenden wird ein monetärer Kreislauf anhand eines vereinfachten Beispiels dargestellt, welches ohne Zentralbank, Regierung und Zinsen auskommt. Dies vermittelt einen ersten Einblick in die Geldschöpfung der Geschäftsbanken.1 Ein ähnliches Beispiel findet sich z.B. in dem Buch von Dirk Ehnts (2016).

Die Akteure des folgenden Beispiels sind ein Unternehmen, das Arbeitskräfte nachfragt, ein Haushaltssektor, der Arbeitskräfte anbietet, und eine Bank, die finanzielle Mittel zur Verfügung stellt. Gehen wir zunächst davon aus, dass ein Unternehmer einen Kredit in Höhe von 100 € aufnimmt. Der Vorgang der Kreditschöpfung verläuft derart, dass die Geschäftsbank dem Unternehmer Einlagen in Höhe von 100 € auf seinem Konto gutschreibt. Die Einlagen sind aus Sicht des Unternehmers ein Aktivposten (Guthaben), der Kredit ein Passivposten (Verbindlichkeit). Für die Geschäftsbank verhält es sich umgekehrt. Der Kredit ist eine Forderung gegenüber dem Unternehmer und die Einlagen sind Verbindlichkeiten (das Unternehmen kann die Bank jederzeit dazu auffordern, die Einlagen in Bargeld zu tauschen). Der gesamte Vorgang der Kreditvergabe ist im obersten Teil der Abbildung 7 dargestellt.

Abbildung 7: Ein monetärer Kreislauf

1. Schritt

Die Bank schöpft einen Kredit und schreibt diesen auf dem Konto des Unternehmens gut.

 \begin{tabular}[t]{p{5cm}R{1.2cm}|p{5cm}R{1.2cm}} \multicolumn{4}{c}{\textbf{A}\hfill\textbf{Bank}\hfill\textbf{P}}\\ \hline Kredite & 100 \euro& Einlagen Unternehmen& 100 \euro \end{tabular}

 \begin{tabular}[t]{p{5cm}R{1.2cm}|p{5cm}R{1.2cm}} \multicolumn{4}{c}{\textbf{A}\hfill\textbf{Unternehmen}\hfill\textbf{P}}\\ \hline Einlagen & 100 \euro & Kredite & 100 \euro \end{tabular}

 \begin{tabular}[t]{p{5cm}R{1.2cm}|p{5cm}R{1.2cm}} \multicolumn{4}{c}{\textbf{A}\hfill\textbf{Haushalte}\hfill\textbf{P}}\\ \hline Einlagen & 0 \euro & Nettovermögen & 0 \euro \end{tabular}

2. Schritt

Das Unternehmen fragt Arbeit aus dem Haushaltssektor nach und bezahlt diese mit dem Kredit.

 \begin{tabular}[t]{p{5cm}R{1.2cm}|p{5cm}R{1.2cm}} \multicolumn{4}{c}{\textbf{A}\hfill\textbf{Bank}\hfill\textbf{P}}\\ \hline Kredite & 100 \euro& Einlagen Haushalte& 100 \euro \end{tabular}

\begin{tabular}[t]{p{5cm}R{1.2cm}|p{5cm}R{1.2cm}} \multicolumn{4}{c}{\textbf{A}\hfill\textbf{Unternehmen}\hfill\textbf{P}}\\ \hline Produktion & 100 \euro & Kredite& 100 \euro \end{tabular}

\begin{tabular}[t]{p{5cm}R{1.2cm}|p{5cm}R{1.2cm}} \multicolumn{4}{c}{\textbf{A}\hfill\textbf{Haushalte}\hfill\textbf{P}}\\ \hline Einlagen & 100 \euro & Nettovermögen & 100 \euro \end{tabular}

3. Schritt

Der Haushaltssektor kauft den Unternehmen ihre Produktion ab und konsumiert diese.

 \begin{tabular}[t]{p{5cm}R{1.2cm}|p{5cm}R{1.2cm}} \multicolumn{4}{c}{\textbf{A}\hfill\textbf{Bank}\hfill\textbf{P}}\\ \hline Kredite & 100 \euro& Einlagen Unternehmen& 100 \euro \end{tabular}

\begin{tabular}[t]{p{5cm}R{1.2cm}|p{5cm}R{1.2cm}} \multicolumn{4}{c}{\textbf{A}\hfill\textbf{Unternehmen}\hfill\textbf{P}}\\ \hline Einlagen & 100 \euro & Kredite& 100 \euro \end{tabular}

\begin{tabular}[t]{p{5cm}R{1.2cm}|p{5cm}R{1.2cm}} \multicolumn{4}{c}{\textbf{A}\hfill\textbf{Haushalte}\hfill\textbf{P}}\\ \hline Einlagen & 0 \euro & Nettovermögen & 0 \euro \end{tabular}

4. Schritt

Das Unternehmen zahlt den Kredit zurück. Der geschaffene Kredit verschwindet wieder.

 \begin{tabular}[t]{p{5cm}R{1.2cm}|p{5cm}R{1.2cm}} \multicolumn{4}{c}{\textbf{A}\hfill\textbf{Bank}\hfill\textbf{P}}\\ \hline Kredite & 0 \euro& Einlagen & 0 \euro \end{tabular}

\begin{tabular}[t]{p{5cm}R{1.2cm}|p{5cm}R{1.2cm}} \multicolumn{4}{c}{\textbf{A}\hfill\textbf{Unternehmen}\hfill\textbf{P}}\\ \hline Einlagen & 0 \euro & Kredite& 0 \euro \end{tabular}

\begin{tabular}[t]{p{5cm}R{1.2cm}|p{5cm}R{1.2cm}} \multicolumn{4}{c}{\textbf{A}\hfill\textbf{Haushalte}\hfill\textbf{P}}\\ \hline Einlagen & 0 \euro & Nettovermögen & 0 \euro \end{tabular}

Im nächsten Schritt fragt das Unternehmen nun Arbeit aus dem Haushaltssektor nach, die es mit dem aufgenommenen Geld bezahlt. Die Einlagen wandern dann vom Unternehmens- in den Haushaltssektor, was zu einem positiven Nettovermögen von 100 € führt. Die Haushalte produzieren im Gegenzug für den Unternehmer. Durch die Bezahlung haben die Haushalte Einlagen in ausreichender Höhe erhalten, um dem Unternehmenssektor die Produktion abzukaufen, was sie im dritten Schritt unseres Beispiels auch tun. Hierdurch gelangen die Einlagen wieder auf das Unternehmenskonto und können im letzten Schritt zur Rückzahlung des Kredites verwendet werden. Durch die Rückzahlung ist das Geld genau so wieder vernichtet worden wie es vorher geschaffen wurde. Allerdings ist während des gesamten Prozesses eine Produktion im Wert von 100 € entstanden, die von den Haushalten konsumiert wurde.

In diesem Beispiel haben wir zur Vereinfachung auf einen Unternehmergewinn verzichtet. Man könnte den Unternehmer als Privatperson auch dem Haushaltssektor zuschreiben, so dass in den 100 € Verdienst sowohl der Lohn der Arbeitnehmer als auch der Unternehmerlohn enthalten ist. Trotz der Einfachheit lassen sich aus dem Beispiel einige Erkenntnisse ableiten: Zunächst einmal ist es offenkundig völlig normal, dass man sich verschuldet. Der Kredit stellt einen Vorschuss auf zukünftige Gewinne dar und wird bei Bedarf von der Privatbank geschaffen.2 Hierzu ist, wie wir später sehen werden, eine Mindestreserve von Zentralbankgeld notwendig, die sich die Geschäftsbank bei Bedarf von der Zentralbank leihen muss. Der Kreditschöpfung geht selbstverständlich eine Bonitätsprüfung voraus. Es wird also nur dann ein Kredit geschöpft, wenn ein kreditwürdiger Kreditnehmer vorhanden ist. Zudem lässt sich aus dem Beispiel erkennen, dass Geld nicht nur regelmäßig geschaffen, sondern auch regelmäßig vernichtet wird (immer dann, wenn ein Kredit zurückgezahlt wird). Zu guter Letzt zeigt dieses Beispiel, dass die Haushalte nur dadurch in der Lage sind, dem Unternehmen seine Produktion abzukaufen, weil sie über ihren Verdienst an der Wertschöpfung beteiligt werden.

Beispiel 2: Vermögenspreisblasen

Mit Hilfe des Bilanzierungsansatzes lassen sich auch die Auswirkungen von Vermögenspreisblasen darstellen. Nehmen wir an, dass der Wert der Immobilien unserer Beispielperson um 300 € steigt, weil Spekulationen den Preis in die Höhe treiben. Dies würde zur Folge haben, dass sich ihr Nettovermögen um 300 € auf 410 € erhöht:

 \begin{tabular}{p{2.5cm}R{1.5cm}|p{2.5cm}R{1.5cm}} \multicolumn{4}{c}{\textbf{A}\hfill\textbf{Privatperson}\hfill\textbf{P}}\\ \hline Immobilien & 800 \euro& Hypotheken & 500 \euro\\ Aktien & 100 \euro & Nettovermögen & 410 \euro\\ Bankeinlagen & 10 \euro & & \end{tabular}

Die Person könnte nun vermutlich einen zusätzlichen Hypothekenkredit aufnehmen, weil die Sicherheit in Form des Hauses im Wert gestiegen ist. Nehmen wir an, der Hypothekenkredit wird ebenfalls um 300 € erhöht:

 \begin{tabular}{p{2.5cm}R{1.5cm}|p{2.5cm}R{1.5cm}} \multicolumn{4}{c}{\textbf{A}\hfill\textbf{Privatperson}\hfill\textbf{P}}\\ \hline Immobilien & 800 \euro& Hypotheken & 800 \euro\\ Aktien & 100 \euro & Nettovermögen & 410 \euro\\ Bankeinlagen & 310 \euro & & \end{tabular}

Die zusätzlichen Einlagen könnte unsere Beispielperson nun abheben und dazu verwenden, Konsumgüter zu kaufen. Da sich das Nettovermögen aufgrund der Immobilienwertsteigerung fast vervierfacht hat, sieht sie positiv in die Zukunft und rechnet eventuell sogar mit weiteren Wertsteigerungen. Aufgrund dessen gibt sie die dazugewonnenen Einlagen für Konsumgüter aus, also für Güter, die verbraucht werden. Zum Beispiel für gutes Essen, teure Opernbesuche oder einen Wochenendtrip nach Disneyland. Nehmen wir an, auf die eine oder andere Weise entstehen so Ausgaben in Höhe von 200 €. Hierdurch reduziert sich der Bestand an Einlagen, so dass die Bilanz folgendermaßen aussieht:

 \begin{tabular}{p{2.5cm}R{1.5cm}|p{2.5cm}R{1.5cm}} \multicolumn{4}{c}{\textbf{A}\hfill\textbf{Privatperson}\hfill\textbf{P}}\\ \hline Immobilien & 800 \euro& Hypotheken & 800 \euro\\ Aktien & 100 \euro & Nettovermögen & 210 \euro\\ Bankeinlagen & 110 \euro & & \end{tabular}

Das Nettovermögen der Person ist immer noch größer als vor der Immobilienpreissteigerung. Die höhere Kreditsumme muss langfristig aus dem laufenden Einkommen gezahlt werden, welches den Einlagenbestand erhöht. Im Notfall könnte man aber auch das Haus verkaufen und sich etwas günstigeres suchen oder Aktien veräußern, um an Bargeld zu kommen.

Problematisch wird die Situation aber, wenn die Immobilien wieder auf ihren Ursprungswert von 500 € fallen, z.B. nach Platzen einer Immobilienblase. Nun hat der Haushalt ein Nettovermögen von -90 € und es droht die Privatinsolvenz:

 \begin{tabular}{p{2.5cm}R{1.5cm}|p{2.5cm}R{1.5cm}} \multicolumn{4}{c}{\textbf{A}\hfill\textbf{Privatperson}\hfill\textbf{P}}\\ \hline Immobilien & 500 \euro& Hypotheken & 800 \euro\\ Aktien & 100 \euro & Nettovermögen & -90 \euro\\ Bankeinlagen & 110 \euro & & \end{tabular}

Reichen die laufenden Einnahmen (i.d.R. Lohneinkommen) nicht aus, um die Raten der Hypothek zu bezahlen, muss die Person Immobilien oder Aktien veräußern, um liquide Mittel für die Tilgung zu erhalten. Da in einer Krise i.d.R. die Arbeitslosigkeit ansteigt, ist es kein unwahrscheinliches Szenario, dass einige verschuldete Haushalte nur noch ein geringeres Einkommen erzielen können. In einer Finanzkrise verkaufen zudem sehr viele Personen, Banken, Investoren und Unternehmen ihre Vermögenswerte, um ihre Liquidität zu erhöhen. Wenn nun aber sehr viele gleichzeitig ihre Vermögenswerte veräußern wollen und nur wenige bereit sind, diese zu kaufen, dann führen diese Notverkäufe zu einem immer schnelleren Fall der Vermögenspreise und verstärken so das Ausgangsproblem, da sich nun die Bilanzen einer immer größer werdenden Menge von Wirtschaftssubjekten verschlechtern.

Was aber hätte man anders machen können? Unsere Beispielperson hätte nach Anstieg des Hauspreises die Hypothekensumme nicht erhöhen sollen. Solange aber eine Mehrheit der Wirtschaftssubjekte positiv gestimmt ist und durch immer umfangreichere kreditfinanzierte Häuserkäufe die Preise weiter in die Höhe treibt, wird niemand einen Grund dazu haben, sich Sorgen über den Fall von Häuserpreisen zu machen. Erst wenn schlechte Neuigkeiten (z.B. über die Bonität von Schuldnern) immer mehr Menschen zum Verkauf treiben, fallen die Preise plötzlich und immer schneller. Dieses Herdenverhalten ist charakteristisch für Finanzmärkte und lag der Finanzkrise in den 1930er Jahren ebenso zugrunde wie der aktuellen.

MERKE
  • Eine Bilanz ist immer ausgeglichen. Auf der Aktivseite werden die Vermögenswerte (Forderungen) verbucht und auf der Passivseite die Verbindlichkeiten. Die Restgröße stellt bei Privatpersonen das Nettovermögen dar (bei Unternehmen das Eigenkapital).
  • Man kann Aktiv- und Passivseite auch als Verwendung und Herkunft von Positionen bezeichnen.
  • Ein Aktivtausch betrifft nur Positionen auf der Aktivseite, ein Passivtausch nur solche, die sich auf der Passivseite befinden.
  • Eine Bilanzverlängerung (-verkürzung) betrifft Aktiv- und Passivseite gleichermaßen. Die Bilanzsumme erhöht (verringert) sich.
Übungsaufgaben/Quizzes

Literatur

GODLEY, W. UND M. LAVOIE (2007). Monetary Economics – An Integrated Approach to Credit, Money, Income, Production and Wealth, Palgrave MacMillan.
EHNTS, D. (2016). Geld und Kredit – eine €-päische Perspektive, Metropolis, 2nd ed.