Grundlagen moderner Geldpolitik I

Ein modernes zwei-stufiges Geldsystem besteht aus Geschäftsbanken, die Buchgeld schöpfen können, und einer Zentralbank, die Reserven schöpfen kann. Nicht-Ökonomen unterliegen häufig der falschen Vorstellung, ein solches System hätte man zunächst gedanklich entwickelt und dann umgesetzt. In Wirklichkeit ist es aber so, dass sich dieses System zunächst entwickelt hat, bevor man begonnen hat, selbiges zu analysieren und zu verstehen. Nach den schlechten Erfahrungen mit einem rein privaten Geldsystem, in dem jede Geschäftsbank ihre eigenen Banknoten ausgibt, von denen niemand im Vorfeld sagen kann, in welchem Tauschverhältnis man die Noten einer Bank mit denen einer anderen tauschen sollte, entstanden im 18. Jahrhundert die ersten Zentralbanken. Zentralbanken sind so was wie die Banken der Geschäftsbanken, da sie diese mit Zentralbankreserven versorgen. Diese Reserven werden von Geschäftsbanken vor allem deswegen benötigt, um den Zahlungsausgleich zwischen unterschiedlichen Geschäftsbanken zu bewerkstelligen. Wie der Zusammenhang zwischen Zentral- und Geschäftsbanken im Detail aussieht, wird Bestandteil dieses Abschnitts sein. Eine ausführlichere Abhandlung, die sich für Einsteiger eignet, findet sich zudem in dem Buch von Dirk Ehnts (2016).

Über die Entwicklung moderner Zentralbankpolitik

Die Theorie moderner Zentralbankpolitik geht auf die Werke von Thornton (1802), Bagehot (1898) und Wicksell (1898) zurück. Ulrich Bindseil, Generaldirektor für Marktgeschäfte der Europäischen Zentralbank (EZB), beschreibt in Bindseil (2014) die Entwicklung der Geldpolitik seit dem 19. Jahrhundert. Entgegen der weit verbreiteten Meinung, eine Zentralbank würde die Geldmenge bestimmen, haben bereits vor 1914 Zentralbanken den Zins und nicht die Geldmenge gesteuert. Da Geschäftsbanken Giralgeld bei einer Kreditvergabe aus dem Nichts schöpfen und die Menge an Einlagen durch die Nachfrage nach Krediten bestimmt wird, kann die Zentralbank eine vollständige Kontrolle der Geldmenge in einem modernen Geldsystem auch gar nicht durchsetzen.

In der Zeit nach 1914 wurde die Geldpolitik der meisten Zentralbanken dennoch offiziell als Geldmengensteuerung bezeichnet und von der sogenannten „Reserve Position Doctrine“ geprägt. Diese ging im Sinne der Monetaristen, einer ökonomischen Denkschule, davon aus, dass Inflation immer als ein monetäres Phänomen zu begreifen sei. Um die Inflation zu kontrollieren, bedürfe es daher einer Steuerung des Zentralbankgeldes (der sogenannte Reserven). Würde man aber tatsächlich die Geldmenge steuern, würde dies zu stark schwankenden Zinssätzen führen, wie wir im Abschnitt zum Interbankenmarkt noch lernen werden. Dies wäre für das Investitionsklima einer Volkswirtschaft fatal, weil Unternehmen unter diesen Umständen nicht einmal in der Lage wären, einzuschätzen, wie hoch die Kosten für eine Kreditaufnahme in der nahen Zukunft seien werden. Aus diesen Gründen haben Zentralbanken ihre Vorgaben für die Entwicklung der Geldmenge i.d.R. auch verfehlt. Heutzutage hat sich die Zinssteuerung auch offiziell durchgesetzt: Eine Zentralbank glättet den Zins im sogenannten Interbankenmarkt und stellt jederzeit genügend Reserven zur Verfügung, um diesen Zinssatz durchzusetzen.1

Auch der sogenannte Geldschöpfungsmultiplikator, der einen konstanten Zusammenhang zwischen Reserven der Zentralbank und Giralgeld der Geschäftsbanken unterstellt und viele Jahrzehnte lang die Standarddarstellung der Geldschöpfung in nahezu jedem makroökonomischen Lehrbuch repräsentierte, entspricht keiner realistischen Darstellung. Der Geldschöpfungsmultiplikator geht letztlich davon aus, dass Banken zunächst Einlagen oder Reserven benötigen, um einen Kredit zu vergeben. So entstand der Mythos, dass Banken Ersparnisse verleihen würden, ein Ding der Unmöglichkeit, weil die Einlagen ihrer Kunden für eine Bank ja eine Verbindlichkeit darstellen. Banken würden eine Mindestreserve der Einlagen ihrer Kunden halten und den Rest weiter verleihen und so die Giralgeldmenge vervielfachen. Merkwürdigerweise gibt es in vielen Ländern inzwischen gar keine Mindestreserve mehr, so dass nach dieser Theorie die Giralgeldmenge unendlich steigen müsste.

Moderne Zentralbanken steuern den Interbankenzins. Das Angebot der Reserven wird so angepasst, dass der Zinssatz auf dem Interbankenmarkt der Zielvorstellung entspricht. Aufgrund der nach wie vor irreführenden Darstellung des Geldschöpfungsprozesses in nahezu allen makroökonomischen Einführungslehrbüchern, begannen die Zentralbanken selbst mit verstärkter Transparenz und Kommunikation, den Geldschöpfungsprozess korrekt darzustellen. So wundert es auch nicht, dass sowohl die englische Zentralbank, die Bank of England (BoE), als auch die Bundesbank in Berichten zum monetären Transmissionsprozess einen mechanischen Zusammenhang zwischen Giralgeldmenge und Zentralbankgeld abstreiten und die Rolle der Geschäftsbanken bei der Schaffung von Giralgeld betonen: Den Monatsbericht der Bundesbank von April 2017 zu diesem Thema findet man hier, das BoE-Papier hier.2

„(…)rather than banks lending out deposits that are placed with them, the act of lending creates deposits – the reverse of the sequence typically described in textbooks.“
„Anstatt die von den Banken hinterlegten Einlagen auszuleihen, werden durch die Kreditvergabe Einlagen geschaffen – das Gegenteil von dem, was normalerweise in Lehrbüchern beschrieben wird.“ McLeay et al. (2014, S.2).

Kredite, Einlagen, Reserven und Bargeld: Ein einführendes Beispiel

Woran es liegt, dass der Geldschöpfungsmultiplikator nicht konstant ist und die Zentralbank die Geldbasis nicht kontrollieren kann, soll im Folgenden erklärt werden. Beginnen werden wir mit der Bedeutung von Reserven. Banken benötigen Reserven aus drei Gründen:

  • Kunden könnten ihr Geld abheben wollen, um Bargeld zu halten. Daher haben Banken i.d.R. eine gewisse Summe Bargeld in ihrer Filiale. Da Reserven jederzeit bei der Zentralbank in Bargeld umgetauscht werden können, lohnt es sich, zusätzlich einen gewissen Bestand Reserven zu halten, um plötzliche unerwartet hohe Bargeldwünsche der Kunden bedienen zu können.
  • Banken sind verpflichtet, eine Mindestreserve in Abhängigkeit ihrer Einlagen in Form von Zentralbankgeld zu halten. Dies soll verhindern, dass bei hohen Bargeldabflüssen ein Geldinstitut sofort in Liquiditätsengpässe gerät.
  • Banken benötigen Reserven für den Zahlungsausgleich mit anderen Geschäftsbanken. Bei der Überweisung von einer Bank zu einer anderen müssen im Prinzip auch Reserven in Höhe der Überweisung „mitgeliefert“ werden. Durch die Vielzahl von Überweisungen zwischen Banken wird zu Geschäftsschluss aber immer nur ein kleiner Teil der gesamten Überweisungssumme wirklich benötigt. Das System zwischen Zentralbanken und Geschäftsbanken gleicht einem „Clearing-House“, welches den Zahlungsverkehr zwischen den vielen verschiedenen Geschäftsbanken vereinfacht (mehr hierzu im nächsten Abschnitt).

Von diesen drei Gründen ist der erste quantitativ so unbedeutend, dass wir im Folgenden nur beiläufig auf ihn eingehen werden. In der Fundierung des Bankenmultiplikators spielt die Mindestreserve eine derart wichtige Rolle, dass man geneigt ist, zu glauben, dies sei das wichtigste Instrument der Zentralbank, um die Geschäftsbanken von einer übermäßigen Kreditvergabe abzuhalten. Schließlich kann eine Bank nur Kredite vergeben, sofern die Zentralbank ihr Reserven in ausreichender Höhe zur Verfügung stellt. Wie erklärt man sich dann aber, dass in einigen Ländern (Schweden, UK, Neuseeland) die Mindestreserve derzeit Null Prozent beträgt? Müssten Banken gemäß der Theorie des Geldmultiplikators dann nicht eine unendliche Kreditmenge schöpfen? Tatsächlich stellt die gesetzlich vorgeschriebene Eigenkapitalquote eine wirksamere Begrenzung der Kreditvergabe dar, auch wenn sie ebenfalls nicht als Allheilmittel angesehen werden kann. Die Mindestreserve hingegen ist von untergeordneter Bedeutung, da Banken sich jederzeit über Nacht Reserven von der Zentralbank leihen können, sofern sie über genügende Sicherheiten in Form von z.B. Wertpapieren verfügen. Der bedeutendste Grund dafür, dass Banken Reserven brauchen, ist der Zahlungsausgleich zwischen Banken im Interbankenmarkt.

Bevor wir auf die Details der geldpolitischen Operationen der Zentralbank zu sprechen kommen, soll zunächst veranschaulicht werden, wie Kredit, Einlagen, Reserven und Bargeld entstehen. Wir verzichten aus didaktischen Gründen auf die Berücksichtigung von Mindestreserven, Zinsen und allem anderen, was einem leichten Einstieg im Wege steht. Zudem verzichten wir auf eine Währungseinheit wie € oder $ in den Bilanzdarstellungen, um diese kompakt zu halten. Nehmen wir an, eine Bank will einen Kredit an ein Unternehmen vergeben. Hierzu schreibt die Bank dem Unternehmer die Kreditsumme von 100 € als Einlagen auf seinem Unternehmerkonto gut. Die Einlagen werden durch die Eingabe der Kreditsumme in die Bilanzen der Geschäftsbank aus dem Nichts geschaffen. Die Bilanzen von Bank und Unternehmen sehen dann wie folgt aus:

 \begin{tabular}{cc} \begin{tabular}[t]{p{2.9 cm}R{0.8cm}|p{2.9cm}R{0.8cm}} \multicolumn{4}{c}{\textbf{A}\hfill\textbf{Bank}\hfill\textbf{P}}\\ \hline Kredite (Unt.) & 100 &Einlagen &100 \end{tabular} {~~} \begin{tabular}[t]{p{2.9 cm}R{0.8cm}|p{2.9cm}R{0.8cm}} \multicolumn{4}{c}{\textbf{A}\hfill\textbf{Unternehmen}\hfill\textbf{P}}\\ \hline Einlagen &100 &Kredite (Bank) &100 \end{tabular} \end{tabular}

Eine seriös geführte Bank wird im Vorfeld natürlich die Kreditwürdigkeit des Unternehmens geprüft haben. Banken sind profitorientierte Unternehmen und erleiden Verluste, wenn Kredite nicht zurückgezahlt werden. Sie haben daher kein Interesse, Kredite im Überfluss zu schöpfen. Sollte das Unternehmen den Kredit verwenden, um eine Rechnung bei einer anderen Bank zu begleichen oder das Geld in Bar abheben, benötigt die Geschäftsbank Reserven, um diese Transaktionen durchzuführen. Nehmen wir an, das Unternehmen möchte die Hälfte der Sichteinlagen in Bar abheben. Sollte die Geschäftsbank nicht genügend Bargeld vorrätig haben, muss sie nun Reserven bei der Zentralbank in Bargeld umtauschen. In unserem Beispiel hat die Geschäftsbank aber zunächst gar keine Reserven, die sie in Bargeld umtauschen könnte. Sie muss also zunächst einen Kredit bei der Zentralbank aufnehmen. Nehmen wir an, die Bank leiht sich Reserven im Wert von 100  €, um einen Vorrat anzulegen:

\begin{tabular}{cc} \begin{tabular}[t]{p{2.9 cm}R{0.8cm}|p{2.9cm}R{0.8cm}} \multicolumn{4}{c}{\textbf{A}\hfill\textbf{Zentralbank}\hfill\textbf{P}}\\ \hline Kredite (Bank) & 100 & Reserven & 100 \end{tabular} {~~} \begin{tabular}[t]{p{2.9 cm}R{0.8cm}|p{2.9cm}R{0.8cm}} \multicolumn{4}{c}{\textbf{A}\hfill\textbf{Bank}\hfill\textbf{P}}\\ \hline Kredite (Unt.) & 100 &Einlagen &100\\ Reserven & 100 &Kredite (ZB) &100 \end{tabular} \end{tabular}

Um einen Kredit zu bekommen, muss die Geschäftsbank eine Sicherheit hinterlegen. Dies könnte in unserem Beispiel der Kredit an das Unternehmen sein, ein Wertpapier oder eine vergleichbare Forderung. Vergleichbar mit der Giralgeldschöpfung im Geschäftsbanksektor schafft die Zentralbank durch eine doppelte Buchung in ihren Bilanzen die notwendigen Reserven aus dem Nichts. Reserven sind daher eine rein virtuelle Größe. Die Banken halten zur Erfassung ihrer Reservenguthaben ein virtuelles Konto bei der Zentralbank. Die Reserven stellen quasi die Einlagen der Banken auf diesem Konto dar. Die Zentralbank ist somit die Bank der Geschäftbanken. Die Zentralbank vergibt einen Kredit, der aus ihrer Sicht eine Forderung gegen die Bank darstellt. Die Reserven, die sie der Bank dafür gutschreibt, stellen aus Sicht der Zentralbank Verbindlichkeiten dar. Die Bank kann die Reserven nämlich zur Begleichung ihres Kredites verwenden (oder in Bargeld ausbezahlen lassen). Aus Sicht der Bank ist es genau umgekehrt: Der Kredit ist eine Verbindlichkeit gegenüber der Zentralbank und die Reserven sind Guthaben in Form einer Forderung gegenüber der Zentralbank. Die Forderung besteht wiederum darin, dass die Bank die Reserven bei der Zentralbank zur Begleichung ihres Kredites verwenden (oder jederzeit in Bargeld umtauschen) kann.

Nehmen wir nun an, die Bank möchte einen Teil der Reserven in Bargeld tauschen. Hierzu wird ein spezialisiertes Transportunternehmen beauftragt, Bargeld von einer Zentralbankfiliale in die Geschäftsbank zu liefern. Gleichzeitig werden die Reservegutschriften auf dem Zentralbankkonto der Geschäftsbank um diesen Betrag vermindert.3 Da das Bargeld jederzeit auch wieder in Reserven umgetauscht werden kann, stellt es weiterhin aus Sicht der Bank eine Forderung und aus Sicht der Zentralbank eine Verbindlichkeit dar. Die Gesamtsumme auf der Passivseite der Zentralbank, die das gesamte Zentralbankgeld repräsentiert, setzt sich nun also aus den Reserven der Bank und dem vorhandenen Bargeld zusammen:

 \begin{tabular}{cc} \begin{tabular}[t]{p{2.9 cm}R{0.8cm}|p{2.9cm}R{0.8cm}} \multicolumn{4}{c}{\textbf{A}\hfill\textbf{Zentralbank}\hfill\textbf{P}}\\ \hline Kredite (Bank) & 100 & Reserven & 50\\ & & Bargeld & 50\\ \end{tabular} {~~} \begin{tabular}[t]{p{2.9 cm}R{0.8cm}|p{2.9cm}R{0.8cm}} \multicolumn{4}{c}{\textbf{A}\hfill\textbf{Bank}\hfill\textbf{P}}\\ \hline Kredite (Unt.) & 100 &Einlagen &100\\ Reserven & 50 &Kredite (ZB) &100\\ Bargeld & 50 && \end{tabular} \end{tabular}

Wenn in unserem Beispiel das Unternehmen seine Einlagen abhebt, werden die Einlagen in Bargeld umgetauscht. Aus Sicht des Unternehmens ist dies ein reiner Aktivtausch, weil sich lediglich die Zusammensetzung der Aktiva ändert. In der Bilanz der Bank kommt es durch die Abhebung zu einer Bilanzverkürzung, da sich sowohl die Forderungen als auch die Verbindlichkeiten verringern. Dies ist in den folgenden Bilanzen dargestellt:

\begin{tabular}{cc} \begin{tabular}[t]{p{2.9 cm}R{0.8cm}|p{2.9cm}R{0.8cm}} \multicolumn{4}{c}{\textbf{A}\hfill\textbf{Bank}\hfill\textbf{P}}\\ \hline Kredite (Unt.) & 100 &Einlagen &50\\ Reserven & 50 &Kredite (ZB) &100\\ \sout{Bargeld} & \sout{50} & & \end{tabular} {~~} \begin{tabular}[t]{p{2.9 cm}R{0.8cm}|p{2.9cm}R{0.8cm}} \multicolumn{4}{c}{\textbf{A}\hfill\textbf{Unternehmen}\hfill\textbf{P}}\\ \hline Einlagen &50 &Kredite &100\\ Bargeld & 50 & & \end{tabular} \end{tabular}

Nun hält das Unternehmen eine Forderung gegenüber der Zentralbank in Form von Bargeld. In Zeiten des Goldstandards bedeutete dies, dass man das Geld jederzeit zu einem festgelegten Kurs in Goldmünzen tauschen konnte. Da Geld inzwischen aber durch nichts mehr gedeckt ist, besteht die Forderung nur noch aus dem Versprechen, einen Geldschein im Wert von 100 € gegen einen Geldschein im Wert von 100 € zu tauschen. Da es sich beim Bargeld aber um das gesetzlich akzeptierte Zahlungsmittel handelt, kann man mit ihm Rechnungen für Waren und Dienstleistungen im entsprechendem Wert begleichen. Es handelt sich um einen Schuldschein der Zentralbank, den man im täglichen Zahlungsverkehr im Austausch gegen Waren und Dienstleistungen herumreichen kann.4

Sollte das Unternehmen das Bargeld wieder einzahlen, um einen Teil seines Kredites zu tilgen, werden zunächst seine Einlagen bei der Bank um 50 € steigen und bei der Rückzahlung vernichtet werden:

 \begin{tabular}{cc} \begin{tabular}[t]{p{2.9 cm}R{0.8cm}|p{2.9cm}R{0.8cm}} \multicolumn{4}{c}{\textbf{A}\hfill\textbf{Bank}\hfill\textbf{P}}\\ \hline Kredite (Unt.) & 50 &Einlagen &50\\ Reserven & 50 &Kredite (ZB) &100\\ Bargeld & 50 & & \\ \end{tabular} {~~} \begin{tabular}[t]{p{2.9 cm}R{0.8cm}|p{2.9cm}R{0.8cm}} \multicolumn{4}{c}{\textbf{A}\hfill\textbf{Unternehmen}\hfill\textbf{P}}\\ \hline Einlagen &50 &Kredite &50\\ \sout{Bargeld} & \sout{50} & & \end{tabular} \end{tabular}

So wie im Geschäftsbanksektor bei Rückzahlung des Kredites das Giralgeld (die Einlagen) wieder verschwindet, so verschwinden auch die Reserven bei Rückzahlung des Zentralbankkredites:

 \begin{tabular}{cc} \begin{tabular}[t]{p{2.9 cm}R{0.8cm}|p{2.9cm}R{0.8cm}} \multicolumn{4}{c}{\textbf{A}\hfill\textbf{Zentralbank}\hfill\textbf{P}}\\ \hline \sout{Kredite (Bank)} & \sout{100} & \sout{Reserven} & \sout{100} \end{tabular} {~~} \begin{tabular}[t]{p{2.9 cm}R{0.8cm}|p{2.9cm}R{0.8cm}} \multicolumn{4}{c}{\textbf{A}\hfill\textbf{Bank}\hfill\textbf{P}}\\ \hline Kredite (Unt.) & 50 &Einlagen &50\\ \sout{Reserven} & \sout{100} &\sout{Kredite (ZB)} &\sout{100} \end{tabular} \end{tabular}

Auch wenn es sich um ein sehr einfaches Beispiel handelt, so kann man bereits einige Eigenschaften kreditbasierter Geldsysteme klar erkennen: Kredite schaffen Einlagen und Kreditrückzahlung vernichtet Einlagen. Zudem ist eine Ersparnis für die Vergabe eines Kredites nicht notwendig. Die Einlagen werden bei der Kreditvergabe durch die doppelte Buchführung automatisch erzeugt. Auch bei Einführung einer Mindestreserve bräuchte die Bank im Vorfeld keine Ersparnisse privater Haushalte, sondern müsste sich ggf. im Nachhinein fehlende Reserven bei der Zentralbank borgen. Bei Vorlage ausreichender Sicherheiten wird eine Zentralbank diese immer zur Verfügung stellen, da andernfalls ein reibungsloser Zahlungsverkehr zwischen Banken nicht mehr gewährleistet wäre. Ob eine Sicherheit gut genug ist, hängt vom Rating der Ratingagenturen ab. Die Mindestanforderungen an das Rating sind während der Finanzkrise deutlich gesenkt worden, da andernfalls der gesamte Bankensektor nicht genügend Sicherheiten ausgewiesen hätte, um sich mit Liquidität zu versorgen.5 Da Banken Reserven für den Zahlungsausgleich mit anderen Banken benötigen, musste die EZB handeln, wenn sie nicht einen Zusammenbruch des gesamten Zahlungsverkehrs riskieren wollte. Diese Entscheidung ist dennoch bis heute umstritten, da einige Ökonomen befürchten, die EZB könnte hohe Verluste erleiden, wenn Banken ihre Kredite nicht zurückzahlen können und die Sicherheiten im Wert verlieren. Andere wiederum sind der Auffassung, dass dies in dieser besonderen Situation unvermeidbar gewesen wäre. Zudem könne eine Zentralbank auch mit einem negativen Saldo in der Bilanz fortbestehen. Schließlich sind Reserven rein virtuell und die Zentralbank ist nicht verpflichtet, den Saldo jemals auszugleichen.

Um keinen falschen Eindruck zu erwecken, soll an dieser Stelle deutlich darauf hingewiesen werden, dass Banken, die keine ausreichenden Sicherheiten mit genügend hoher Bonität vorweisen können, in Liquiditätsengpässe kommen können, da sie keine Reserven mehr bei der Zentralbank bekommen. Eine Zentralbank muss letztlich abwägen, ob eine Senkung der Mindestanforderungen notwendig erscheint, weil der gesamte Bankensektor ansonsten in Gefahr gerät. Sie wird dies aber nicht in Erwägung ziehen bei Liquiditätsproblemen einzelner Banken oder regionaler Bankenkrisen, die nicht das Finanzsystem als Ganzes gefährden. Daher sollte man nicht davon ausgehen, dass eine Bank in einem modernen Geldsystem niemals Pleite gehen könnte, weil ihr immer mit Reserven ausgeholfen wird. Sinkt die Eigenkapitalquote unter die gesetzlich vorgegebene Prozentzahl, weil ein großer Teil der Kredite nicht zurückbezahlt wird und deswegen die Aktivseite der Bankbilanz schrumpft, so muss die Finanzaufsicht die Zahlungsunfähigkeit feststellen. Dies war zum Beispiel am 31. Oktober 2009 bei der isländischen Kaupthing Bank der Fall.

Einführung in den Interbankenmarkt: Das „Clearing System“

Wenn ein Kunde einer Bank einem Kunden einer anderen Bank Geld überweist, dann verliert die eine Bank Einlagen, welche die andere bekommt. Zum Ausgleich der Bilanzen müssen entweder Reserven überwiesen werden oder die Banken gewähren sich gegenseitig einen Kredit. Für Überweisungen von Reserven im Interbankenmarkt besitzt jede Geschäftsbank ein Reservenkonto bei der Zentralbank (die Bankleitzahl ist die Kontonummer der Geschäftsbank bei der Zentralbank). So gesehen sind Reserven Guthaben der Geschäftsbanken auf ihren Konten bei der Zentralbank. Sie sind nichts weiter als Buchungssätze im System zwischen Zentralbank und Geschäftsbankensektor. Die überweisende Bank verzeichnet einen „Abfluss von Reserven“, was nichts weiter bedeutet, als dass die Gutschriften auf ihrem Zentralbankkonto vermindert werden. Die andere Bank verzeichnet einen „Zufluss von Reserven“, was wiederum nichts weiter bedeutet, als dass ihre Gutschriften bei der Zentralbank um den entsprechenden Betrag erhöht werden. Abfluss und Zufluss können den falschen Eindruck erwecken, dass ein physischer Austausch stattfinden würde. In Wirklichkeit werden in den Bilanzen lediglich ein paar Nummern geändert. Wir wollen uns dies an folgendem Beispiel verdeutlichen.

Gehen wir vereinfachend davon aus, dass 2 Kunden ihre Konten bei unterschiedlichen Banken führen, und dort Einlagen in Höhe von 100 bzw. 50 aufweisen. Des Weiteren haben die Banken in exakt gleicher Höhe Reserven auf ihrem Zentralbankkonto, die sie sich zuvor bei der Zentralbank geliehen haben. In der Ausgangssituation könnten die Konten von Kunde 1 und Kunde 2 bei ihren entsprechenden Banken sowie das Zentralbankkonto wie folgt aussehen:6

\begin{tabular}{p{6cm}R{1.5cm}|p{6cm}R{1.5cm}} \multicolumn{4}{c}{\textbf{A}\hfill\textbf{Zentralbank}\hfill\textbf{P}}\\ \hline Kredite an Bankensektor & 150 \euro& Reserven: &\\ && ~~- Reservenkonto Bank 1 & 100 \\ & & ~~- Reservenkonto Bank 2 & 50 \end{tabular} \\ {~} \\ {~} \\ \begin{tabular}{cc} \begin{tabular}[t]{p{2.9 cm}R{0.8cm}|p{2.9cm}R{0.8cm}} \multicolumn{4}{c}{\textbf{A}\hfill\textbf{Bank 1}\hfill\textbf{P}}\\ \hline Reserven & 100 & Einlagen K1& 100\\ Kredite (Unt.) & 100 & Kredite (ZB)& 100 \end{tabular} {~~} \begin{tabular}[t]{p{2.9 cm}R{0.8cm}|p{2.9cm}R{0.8cm}} \multicolumn{4}{c}{\textbf{A}\hfill\textbf{Kunde 1}\hfill\textbf{P}}\\ \hline Einlagen B1 & 100 & Nettovermögen & 100 \end{tabular} \\ {~} \\ {~} \\ \begin{tabular}[t]{p{2.9 cm}R{0.8cm}|p{2.9cm}R{0.8cm}} \multicolumn{4}{c}{\textbf{A}\hfill\textbf{Bank 2}\hfill\textbf{P}}\\ \hline Reserven & 50 & Einlagen K2 & 50\\ Kredite (Unt.) & 50 & Kredite (ZB)& 50 \end{tabular} {~~} \begin{tabular}[t]{p{2.9 cm}R{0.8cm}|p{2.9cm}R{0.8cm}} \multicolumn{4}{c}{\textbf{A}\hfill\textbf{Kunde 2}\hfill\textbf{P}}\\ \hline Einlagen B2 & 50 & Nettovermögen & 50 \end{tabular} \end{tabular}

Nun weist Kunde 1 seine Bank an, eine Überweisung von 50 auf das Konto von Kunde 2 bei Bank 2 zu tätigen. Es werden die Einlagen von Kunde 1 bei Bank 1 reduziert und die von Kunde 2 bei Bank 2 entsprechend erhöht. Damit die Bilanzen wieder ausgeglichen sind, werden auch die Reservenguthaben auf den Zentralbankkonten der Geschäftsbanken entsprechend geändert:

\begin{tabular}{p{6cm}R{1.5cm}|p{6cm}R{1.5cm}} \multicolumn{4}{c}{\textbf{A}\hfill\textbf{Zentralbank}\hfill\textbf{P}}\\ \hline Kredite an Bankensektor & 150 \euro& Reserven: &\\ && ~~- Reservenkonto Bank 1 & 50 \\ & & ~~- Reservenkonto Bank 2 & 100 \end{tabular} \\ {~} \\ {~} \\ \begin{tabular}{cc} \begin{tabular}[t]{p{2.9 cm}R{0.8cm}|p{2.9cm}R{0.8cm}} \multicolumn{4}{c}{\textbf{A}\hfill\textbf{Bank 1}\hfill\textbf{P}}\\ \hline Reserven & 50 & Einlagen K1& 50\\ Kredite (Unt.) & 100 & Kredite (ZB)& 100 \end{tabular} {~~} \begin{tabular}[t]{p{2.9 cm}R{0.8cm}|p{2.9cm}R{0.8cm}} \multicolumn{4}{c}{\textbf{A}\hfill\textbf{Kunde 1}\hfill\textbf{P}}\\ \hline Einlagen B1 & 50 & Nettovermögen & 50 \end{tabular} \\ {~} \\ {~} \\ \begin{tabular}[t]{p{2.9 cm}R{0.8cm}|p{2.9cm}R{0.8cm}} \multicolumn{4}{c}{\textbf{A}\hfill\textbf{Bank 2}\hfill\textbf{P}}\\ \hline Reserven & 100 & Einlagen K2 & 100\\ Kredite (Unt.) & 50 & Kredite (ZB)& 50 \end{tabular} {~~} \begin{tabular}[t]{p{2.9 cm}R{0.8cm}|p{2.9cm}R{0.8cm}} \multicolumn{4}{c}{\textbf{A}\hfill\textbf{Kunde 2}\hfill\textbf{P}}\\ \hline Einlagen B2 & 100 & Nettovermögen & 100 \end{tabular} \end{tabular}

Bank 1 hat in den Bilanzen immer noch einen Kredit der Zentralbank von 100 € stehen, hat aber nur noch 50 € auf ihrem Reservenkonto. Bei Bank 2 ist es umgekehrt. Während eines Geschäftstages werden zwischen unterschiedlichen Banken eine Vielzahl von Überweisungen in beide Richtungen getätigt. Würde man dies bilateral ausgleichen wollen, müsste man eine ebenso große Vielzahl von Umbuchungen auf den Reservekonten der Geschäftsbanken vornehmen. Um dies zu vereinfachen, werden in den Zentralbankkonten lediglich die Salden der Überweisungen umgebucht.

In Tabelle 4 ist dies anhand von 4 Banken dargestellt. Der Eintrag in der i-ten Zeile und j ten Spalte der Tabelle zeigt die Höhe der Überweisung von der Bank aus Zeile i an die Bank aus Spalte j. Bank 2 tätigt zum Beispiel Überweisungen in Höhe von 40 an Bank 3 und erhält Überweisungen in Höhe von 50 von Bank 3. Im Saldo verliert Bank 2 an diesem Geschäftstag Einlagen in Höhe von 15 (letzte Spalte). Die Gutschriften auf dem Reservekonto der Zentralbank werden dementsprechend um 15 vermindert. Für jede Bank ergibt sich so ein Saldo, der dann über das Reservenkonto bei der Zentralbank abgerechnet wird. Bei einem positiven Saldo erhält die Bank den Betrag in Form von zusätzlichen Reserven gutgeschrieben, bei einem negativen Saldo wird der entsprechende Betrag abgezogen. Ohne ein solches Abwicklungskonto müssten alle Banken ihre bilateralen Salden untereinander durch Überweisung von Reserven ausgleichen. Insgesamt wurden in dem Beispiel Überweisungen im Wert von 320 € getätigt, aber nur Reserven im Wert von 30 € umgebucht.

Tabelle 4: Berechnung des Clearing Saldos zwischen 4 Geschäftsbanken

 \begin{tabular}{C{1.8cm}|C{1.8cm}C{1.8cm}C{1.8cm}C{1.8cm}|C{1.8cm}|C{1.8cm}} \addlinespace \toprule ~ & \textbf{Bank 1} & \textbf{Bank 2} & \textbf{Bank 3} & \textbf{Bank 4} & $\sum$ & \textbf{Saldo} \\ \midrule \textbf{Bank 1} & & 15 & 20 & 20 & 55 & 5 \\ \textbf{Bank 2} & 30 & & 40 & 35 & 105 & -15 \\ \textbf{Bank 3} & 20 & 50 & & 30 & 100 & -15 \\ \textbf{Bank 4} & 10 & 25 & 25 & & 60 & 25 \\ \midrule $\sum$ \unboldmath{} & 60 & 90 & 85 & 85 & 320 & 0 \\ \bottomrule \multicolumn{7}{L{16cm}}{\footnotesize{\textbf{Erklärung:} Der Eintrag in der $i-$ten Zeile und $j-$ ten Spalte der Tabelle zeigt die Höhe der Überweisung von der Bank aus Zeile $i$ an die Bank aus Spalte $j$. Bank 2 tätigt zum Beispiel Überweisungen in Höhe von 30 an Bank 1 und erhält Überweisungen in Höhe von 15 von Bank 1.}} \end{tabular}

Quelle: Lavoie (2014).

Wir können der Tabelle entnehmen, dass sich die Summe der Salden immer zu Null addieren muss: Der Nettoabfluss einer Bank entspricht in der Summe immer dem Nettozufluss aller anderen Banken. Dies bedeutet nicht, dass diese Überweisungen immer problemlos durchgeführt werden können. Hat Bank 2 beispielsweise keine Reserven in Höhe von 15 auf ihrem Reservenkonto bei der Zentralbank, so muss sie sich die notwendigen Reserven borgen.

Sollte eine Bank nicht genügend Reserven besitzen, um bei Geschäftsschluss einen negativen Saldo auszugleichen, kann sie sich neue Reserven über Nacht von der Zentralbank oder auf dem Interbankenmarkt von einer der Banken mit positiven Saldo leihen. Solche Kredite werden mit einer Laufzeit von wenigen Tagen bis wenigen Monaten vergeben. Aber könnte eine Geschäftsbank nicht einfach einen Kredit schöpfen, um ihre Schuld gegenüber der Zentralbank zu tilgen? Nein. Hier kommt die Trennung zwischen Inside und Outside Money, also Reserven und Giralgeld, zum Tragen. Die Zentralbank akzeptiert zur Bezahlung der Reserveschuld nur das von ihr selbst geschaffene Zentralbankgeld. Geschäftsbanken können aber nur Buchgeld schöpfen und keine Reserven.

Nehmen wir zum Beispiel an, Bank 2 hat gar keine Reserveguthaben mehr. Es gibt nun 2 Möglichkeiten, dieses Problem zu lösen:

    • Die Bank leiht sich zusätzliche Reserven von der Zentralbank. Hierzu wird von der Zentralbank ein Kredit vergeben und ein Zins verlangt.
    • Bank 2 könnte von einer Bank mit positiven Saldo (z.B. Bank 4) einen Kredit in Höhe von 15 aufnehmen. Die Zahlung der Reserven im Zusammenhang mit den Überweisungen von Bank 2 an Bank 4 würde dann in Höhe von 15 aufgeschoben werden. Statt zusätzlicher Reserven über einen Kredit bei der ZB entsteht ein Kredit gegenüber Bank 4. Der Saldo von Bank 2 wäre dann ausgeglichen. Sie leiht sich in diesem Fall die fehlenden Reserven von Bank 4 statt von der Zentralbank.

Bei der zweiten Möglichkeit würde Bank 4 natürlich ebenfalls einen Zins verlangen. Dies ist der sogenannte Interbankenzins, zu dem sich Banken untereinander Kredite geben. Im Normalfall wird dies ganz automatisch gemacht. Bevor es zu Umbuchungen auf den Zentralbankkonten kommt, wird zunächst ein Kredit gewährt, damit die Überweisung durchgeführt werden kann. Da zwischen den Geschäftsbanken tagtäglich sehr viele Überweisungen getätigt werden, wird i.d.R. ein Kreditrahmen festgelegt, innerhalb dessen ausstehende Kredite mit dem Interbankenzins verzinst werden.

In dem hier gewählten Beispiel führt die Kreditgewährung zwischen den Banken dazu, dass eine Umbuchung der Reserven nicht mehr stattfindet. Die Reserveguthaben von Bank 2 werden also nicht verändert. Die Kreditvergabe führt implizit dazu, dass eine Bank der anderen Reserven gegen einen Zins leiht. Langfristig werden die Banken sich auf dem Interbankenmarkt Liquidität von anderen Banken oder Fonds etc. besorgen und ggf. längerfristige Kreditbeziehungen eingehen.

Durch Festlegung des Zinses, zu dem man bei der Zentralbank Reserven leihen kann, nimmt die Zentralbank Einfluss auf den Interbankenzins. Keine Bank würde zum Beispiel einen Kredit von einer anderen Bank aufnehmen, wenn sie sich zu einem günstigeren Zins bei der Zentralbank verschulden kann. Umgekehrt würde sich niemand Reserven bei der Zentralbank leihen, wenn der Zins hierfür über dem Zins für Kredite im Interbankenmarkt liegt. Wie die Zentralbank dies im Detail bewerkstelligt und welche Instrumente sie benutzt, um den Zins im Interbankenmarkt zu steuern, wird der nun folgende Abschnitt tiefer behandeln.

MERKE
  • Wenn sich der Privatsektor bei einer Bank verschuldet, entsteht Giralgeld. Es wird vernichtet, wenn der Privatsektor einen Bankkredit zurückzahlt.
  • Auf dem Interbankenmarkt können sich Geschäftsbanken (und institutionelle Anleger) kurzfristig gegenseitig Reserven leihen.
  • Durch das „Clearing“ auf dem Interbankenmarkt müssen lediglich die mulitlateralen Salden ausgeglichen werden und nicht jeder bilaterale Saldo.
  • Banken können sich auch gegenseitig Kredit gewähren, um die Überweisung von Reserven zu umgehen.
Übungsaufgaben/Quizzes

Literatur

BAGEHOT, W. (1898). Lombard Street: A Description of the Money Market, London: Henry S. King & Co.
BINDSEIL, U. (2014). Monetary Policy Operations and the Financial System, Oxford University Press.
EHNTS, D. (2016). Geld und Kredit – eine €-päische Perspektive, Metropolis, 2nd ed.
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Geld und Vermögen

Im Zusammenhang mit Geld werden Begriffe häufig unpräzise verwendet. Daher mag es vorkommen, dass man zwei völlig unterschiedliche Vorgänge mit dem gleichen Namen versieht. Da dies in Diskussionen offensichtlich zu Missverständnissen führen muss, wird der folgende Abschnitt einige Begrifflichkeiten klären, um dies zu verhindern. Vorweg soll jedoch einmal klar gestellt werden, warum jedem Geldvermögen immer eine exakt gleich hohe Verschuldung gegenüberstehen muss.

Ausgaben sind Einnahmen

Betrachten wir das folgende Aussagenpaar:

„Sparen ist gut. Verschuldung ist schlecht.“

Vermutlich klingt dies für Sie sowohl vertraulich wie auch vernünftig. Aus einzelwirtschaftlicher Haushaltssicht lässt sich auch schwerlich bestreiten, dass eine Verschuldung das Risiko trägt, diese zu einem späteren Zeitpunkt nicht zurückzahlen zu können. Ersparnis im Sinne einer Vermögensbildung bietet hingegen den Schutz vor unvorhergesehenen Ereignissen, die zu unerwarteten Ausgaben führen, wie die Reparatur eines Autos oder einer Waschmaschine. Bei einer gesamtwirtschaftlichen Sichtweise wird jedoch klar, dass beide Ereignisse (Sparen wie Verschuldung) nur gemeinsam auftreten können. Da die Einnahmen des einen immer den Ausgaben des anderen entsprechen, kann es keine Sparer geben, wenn es keine Schuldner gibt.1 Wer Geld spart, gibt weniger aus als er einnimmt. Zwangsläufig müssen nun alle anderen Personen in der Summe mehr ausgeben als sie einnehmen. Selbst dann, wenn man Geld zu Hause unter dem Kopfkissen hortet, gilt, dass der Einnahmeüberschuss nur möglich ist, wenn alle anderen in exakt gleicher Höhe einen Ausgabeüberschuss verzeichnen, in der laufenden Periode also mehr ausgeben als einnehmen. Das Geld, das man unter dem Kopfkissen spart, wurde schließlich dem Kreislauf entzogen und muss irgendwo zu einem Rückgang der Einnahmen führen.

Um Missverständnisse im Keim zu ersticken, verdeutlichen wir uns diesen Zusammenhang anhand eines Beispiels. Betrachten wir eine Beispielökonomie, die aus nur 2 Personen besteht. Person A stellt Nahrungsmittel her und Person B Kleidungsstücke. Nehmen wir an, beide kaufen sich gegenseitig Waren im Wert von 1000 Euro ab. Dann entsprechen die Ausgaben der einen Person gerade den Einnahmen der anderen und beide haben einen ausgeglichenen Budgetsaldo (Einnahmen = Ausgaben). Nehmen wir nun an, Person A möchte Vermögen bilden, indem sie weniger ausgibt als sie einnimmt. Gehen wir davon aus, sie kauft nur noch Waren im Wert von 800 Euro von Person B ab, weil sie 200 Euro sparen möchte. Mit der Ersparnis von Person A sinken nun aber auch die Einnahmen von Person B. Um weiterhin Waren im Wert von 1000 Euro von Person A abzukaufen, müsste sich Person B verschulden. Person A könnte ihr die 200 Euro leihen, die sie nicht ausgegeben hat.

Die Ersparnis (der Vermögensaufbau) von A ist aber nur dann möglich, wenn sich B in der laufenden Periode verschuldet. Angenommen, Person B wäre nicht bereit, sich zu verschulden. Wenn sie ihre Ausgaben reduziert, um sie den gesunkenen Einnahmen anzupassen, kann auch Person A kein Vermögen bilden. Gibt Person B nämlich nur 800 Euro aus, dann sinken wiederum die Einnahmen von Person A und entsprechen wieder ihren Ausgaben. Der Einnahmeüberschuss von A verschwindet, weil B keinen Ausgabeüberschuss zulässt. Unter diesem Umständen ist Person A also gezwungen, ihren Sparplan zu ändern, will sie ihren Ausgabeplan aufrecht erhalten.

Ein Ausgabeüberschuss kann freilich auch aus einem angesparten Vermögen getätigt werden. In diesem Fall würde das Vermögen der entsprechenden Person in der laufenden Periode sinken. Der Einnahmeüberschuss ist dennoch nur möglich, weil es auch einen Ausgabeüberschuss gibt. Zudem kann das angesparte Vermögen nur aus Einnahmeüberschüssen der Vergangenheit entstanden sein. Einem Geldvermögen muss zwangsläufig eine ebenso hohe Verschuldung gegenüberstehen. Man kann also nur dann Ersparnis bilden, im Sinne der Akkumulation von Geldvermögen, solange alle anderen Wirtschaftssubjekte sich in exakt gleicher Höhe verschulden. Der eigenen Forderung muss eine ebenso hohe Verbindlichkeit gegenüberstehen. Lege ich meinen Einnahmeüberschuss z.B. in einen Fonds an, steht meiner Vermögensbildung ein Schuldverhältnis des Fonds gegenüber. Beim Kauf einer Unternehmensanleihe steht meiner Forderung eine Verbindlichkeit des entsprechenden Unternehmens gegenüber, usw. In unserem Beispiel steht der potentiellen Vermögensbildung von Person A eine potentielle Verschuldung der Person B gegenüber (sofern B überhaupt bereit ist, sich zu verschulden und A Ersparnisse bilden zu lassen).

Wenn Sie in ihrem Freundeskreis Eindruck damit schinden möchten, was sie jetzt bereits über Geld gelernt haben, dann bitten Sie diesen doch darum, die Nettoweltverschuldung zu schätzen. Wenn man sich dann mit immer höheren Summen gegenseitig überboten hat, wird man über die korrekte Antwort verblüfft sein. Da Schulden und Vermögen sich global immer zu Null addieren müssen, ist die Nettoverschuldung global natürlich null.2 Die Welt als Ganzes hat ja keinen außerirdischen Sparer, bei dem sie sich verschulden könnte, bzw. keinen außerirdischen Schuldner, der ihr eine Ersparnis ermöglicht.

Reinvermögen, Geldvermögen und Sachvermögen

Das im vorangegangenen Abschnitt behandelte Beispiel eines monetären Kreislaufs hat eines bereits gezeigt: Bei der Schöpfung von Geld wird immer eine Forderung wie auch eine Verbindlichkeit erzeugt. Jedem Geldvermögen steht daher eine Geldverschuldung gleicher Höhe gegenüber. Anders ist es beim Sachvermögen, wie Immobilien, Autos, Fernseher, Möbel etc.. Das gesamte Vermögen setzt sich also aus Geld- und Sachvermögen zusammen und wird häufig als Reinvermögen oder wie im vorangegangenen Abschnitt als Nettovermögen bezeichnet.3

Abbildung 8 zeigt den Zusammenhang zwischen Rein-, Geld- und Sachvermögen. Zum Zahlungsmittelbestand zählt man das Bargeld, welches wir in Form von Scheinen und Münzen in unseren Brieftaschen, unter dem Kopfkissen etc. aufbewahren, sowie das Giralgeld, also der Bestand von Einlagen auf unseren Bankkonten. Nimmt man die sonstigen Geldforderungen hinzu, dies wären die im vorangegangenen Abschnitt erwähnten geldnahen Forderungen und das Quasi-Geld wie eben auch Wertpapiere, usw., ergibt sich das Bruttogeldvermögen. Ziehen wir vom Bruttogeldvermögen die Geldschulden ab, verbleibt das Nettogeldvermögen. Häufig wird auch vereinfacht vom Geldvermögen gesprochen, wenn das Nettogeldvermögen gemeint ist. Das Reinvermögen bzw. Nettovermögen erhält man dann, indem man zum Nettogeldvermögen noch das Sachvermögen hinzuzählt, welches aus allen denkbaren Sachwerten, also langlebigen Gütern besteht. Dies können Kühlschränke, Autos, Immobilien, die heimische Stereoanlage, der Laptop, das Handy usw. sein. Finanzielle Vermögenswerte wie auch das Sachvermögen unterliegen, wie der vorangegangene Abschnitt gezeigt hat, Bewertungsschwankungen, die sich auf das Nettovermögen auswirken.

Abbildung 8: Rein-, Geld- und Sachvermögen
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Grass und Stützel (1983, Kapitel 5.3).

Die bisher genannten Definitionen beziehen sich auf die Bestände in einer Bilanz. Mit ihrer Hilfe lassen sich aber auch Transaktionen präzise benennen. Jede Transaktion, die zu einer Erhöhung des Geldvermögens führt nennt man eine Einnahme, jede Transaktion, die das Geldvermögen verringert eine Ausgabe. Einnahmen sollten nicht mit Einkommen verwechselt werden. So kann man das Geldvermögen auch erhöhen, indem man z.B. seine Stereoanlage verkauft. Hierdurch würde man das Sachvermögen reduzieren und gleichzeitig in exakt gleicher Höhe das Geldvermögen steigern (Aktivtausch). Das Reinvermögen hätte sich in diesem Fall aber nicht verändert. Bekommt man hingegen zum Monatsersten sein Einkommen überwiesen, so erhöht sich der Giralgeldbestand und somit der Zahlungsmittelbestand, das Geldvermögen und auch das Reinvermögen. Sollte man bis zum Monatsende sein Einkommen nicht vollständig ausgeben, so ist das Reinvermögen im Vergleich zum Vormonat gestiegen. Eine Ausgabe sollte man zudem nicht mit Konsum verwechseln. Konsum beschreibt den Verbrauch von Gütern. So wäre der Konsum einer guten Flasche Rotwein eine Verringerung des Sachvermögens, weil der Bestand des Weinkellers verringert wurde. Gleichzeitig findet eine Reduktion des Reinvermögens statt, nicht aber die Reduktion des Geldvermögens, sofern sich die Flasche bereits im Besitz des Trinkers befand.

Einnahmen und Ausgaben muss man zudem von Einzahlungen und Auszahlungen unterscheiden. Eine Einzahlung (Auszahlung) erhöht (vermindert) den Zahlungsmittelbestand. Wird der Kauf einer Aktie z.B. aus dem Bestand von Giralgeld gezahlt, so stellt der Kauf eine Auszahlung, aber keine Ausgabe dar. Es hat sich der Zahlungsmittelbestand verringert, ohne dass sich das Geld- oder das Reinvermögen verändert hat. Während Ein- und Ausgaben also zu einer Veränderung des Geldvermögens führen, bewirken Ein- und Auszahlungen eine Veränderung des Zahlungsmitelbestandes. Des Weiteren sind die genannten Transaktionen zu unterscheiden von den Begriffen Ertrag und Aufwand. Ein Ertrag (Aufwand) erhöht (vermindert) das Nettovermögen, zu dem neben dem Geld- auch das Sachvermögen gehört. Das Reinvermögen eines Unternehmens stellt das Eigenkapital dar. Im Privatsektor würde man statt Ertrag und Aufwand eher von Einkommen und Konsum sprechen. Jede Transaktion, die das Reinvermögen erhöht nennt man privat Einkommen und eine Reduktion des Reinvermögens ist Konsum. Der Zusammenhang zwischen den Strom- und Bestandsgrößen ist in Tabelle 3 aufgeführt.

Tabelle 3: Zusammenhang von Bestands- und Stromgrößen

 \begin{center} \begin{tabular}{C{6cm}C{6cm}} \textbf{Bestandsgröße} & \textbf{Stromgröße}\\ \toprule \midrule Zahlungsmittel & Einzahlung (+) / Auszahlung (-)\\ Geldvermögen & Einnahme (+) / Ausgabe (-)\\ Reinvermögen& Ertrag (+) / Aufwand (-)\\ \bottomrule \end{tabular} \end{center} \end{table} \end{document}

Der Verkauf eines Fernsehers gegen Bargeld würde bspw. eine Einzahlung sowie eine Einnahme darstellen, weil sich der Zahlungsmittelbestand wie auch das Geldvermögen erhöht, aber keinen Ertrag, weil sich das Reinvermögen nicht ändert. Die Überweisung des Monatsgehalts erhöht den Zahlungsmittelbestand wie auch Geld- und Reinvermögen, wäre also eine Einzahlung, eine Einnahme und ein Ertrag. Die Bezahlung eines Kinobesuchs mit Bargeld wäre eine Auszahlung, eine Ausgabe und ein Aufwand. Führt der Verkauf einer Aktie zu einer Erhöhung der Bankeinlagen, stellt der Vorgang eine Einzahlung, aber keine Einnahme und keinen Ertrag dar, weil die sonstigen Geldforderungen um den gleichen Betrag gesunken ist wie die Zahlungsmittel im Wert gestiegen sind. Im allgemeinen Sprachgebrauch werden Einnahme, Einzahlung und Ertrag (Einkommen) häufig gleich gesetzt. Es ist offensichtlich von enormer Bedeutung, die in diesem Abschnitt eingeführten Begriffe präzise zu verwenden, um Missverständnisse zu vermeiden.

Aber wie entsteht überhaupt Sachvermögen? Nehmen wir an, eine Privatperson nimmt einen Kredit in Höhe von 500.000 € auf. Die Bilanzen von Kreditnehmer und Bank (in Tsd. €) sehen wie folgt aus:

 \setlength{\tabcolsep}{1mm} \begin{center} \begin{tabular}{cc} \begin{tabular}[t]{p{2,9 cm}R{0.7cm}|p{2,9cm}R{0.7cm}} \multicolumn{4}{c}{\textbf{A}\hfill\textbf{Bank}\hfill\textbf{P}}\\ \hline Kredit & 500 & Einlagen & 500 \end{tabular} {~~}  \begin{tabular}[t]{p{2,9 cm}R{0.7cm}|p{2,9cm}R{0.7cm}} \multicolumn{4}{c}{\textbf{A}\hfill\textbf{Privatperson}\hfill\textbf{P}}\\ \hline Einlagen & 500 & Kredit & 500 \end{tabular} \end{tabular} \end{center} \end{document}

Nun beauftragt sie ein Bauunternehmen damit, ihr ein Haus im Wert von 500.000 € zu bauen. Hierzu überweist die Person dem Unternehmen das Geld:

 \setlength{\tabcolsep}{1mm} \begin{center} \begin{tabular}{cc} \begin{tabular}[t]{p{2,9 cm}R{0.7cm}|p{2,9cm}R{0.7cm}} \multicolumn{4}{c}{\textbf{A}\hfill\textbf{Bauunternehmen}\hfill\textbf{P}}\\ \hline Einlagen & 500 & Verbindlichkeiten & 500 \end{tabular} {~~}  \begin{tabular}[t]{p{2,9 cm}R{0.7cm}|p{2,9cm}R{0.7cm}} \multicolumn{4}{c}{\textbf{A}\hfill\textbf{Privatperson}\hfill\textbf{P}}\\ \hline Einlagen & \sout{500} & Kredit & 500\\ Forderung & 500 & & \end{tabular} \end{tabular} \end{center} \end{document}

Die Privatperson besitzt nun eine Forderung (in Form eines Vertrages) gegenüber dem Bauunternehmen, welche die Lieferung einer Immobilie im Wert von 500.000 € beinhaltet. Das Unternehmen wird nun Material und Arbeitskraft aus dem Privatsektor abkaufen, um den Auftrag zu erfüllen. Da das Unternehmen einen Gewinn erwirtschaften möchte, gehen wir davon aus, dass die Ausgaben des Unternehmens sich lediglich auf 450.000 € belaufen:4

 \setlength{\tabcolsep}{1mm} \begin{center} \begin{tabular}{cc} \begin{tabular}[t]{p{2,9 cm}R{0.7cm}|p{2,9cm}R{0.7cm}} \multicolumn{4}{c}{\textbf{A}\hfill\textbf{Bauunternehmen}\hfill\textbf{P}}\\ \hline Einlagen & 50 & Verbindlichkeiten & 500\\ Haus&500&Nettovermögen & 50 \end{tabular} {~~}  \begin{tabular}[t]{p{2,9 cm}R{0.7cm}|p{2,9cm}R{0.7cm}} \multicolumn{4}{c}{\textbf{A}\hfill\textbf{Privatsektor}\hfill\textbf{P}}\\ \hline Einlagen & 450 & Nettovermögen & 450 \end{tabular} \end{tabular} \end{center} \end{document}

Zu guter Letzt erfüllt der Bauunternehmer die vertragliche Vereinbarung und überschreibt die Immobilie im Wert von 500.000 € der Privatperson:

 \setlength{\tabcolsep}{1mm} \begin{center} \begin{tabular}{cc} \begin{tabular}[t]{p{2,9 cm}R{0.7cm}|p{2,9cm}R{0.7cm}} \multicolumn{4}{c}{\textbf{A}\hfill\textbf{Privatperson}\hfill\textbf{P}}\\ \hline Haus & 500 & Kredit & 500 \end{tabular} {~~}  \begin{tabular}[t]{p{2,9 cm}R{0.7cm}|p{2,9cm}R{0.7cm}} \multicolumn{4}{c}{\textbf{A}\hfill\textbf{Bauunternehmen}\hfill\textbf{P}}\\ \hline Einlagen & 50 & Nettovermögen & 50 \end{tabular} \end{tabular} \end{center} \end{document}

Bisher ist die Person nicht vermögender geworden, denn dem Wert des Hauses steht eine Verbindlichkeit gleicher Höhe in Form des Kredites gegenüber. Dennoch ist in der gesamten Beispiel-Ökonomie ein Nettovermögen in Wert von 500.000 € entstanden, weil ein Sachwert dieser Höhe geschaffen wurde. Dieses Nettovermögen befindet sich derzeit in den Händen des Unternehmens sowie in den Händen des restlichen Privatsektors, nämlich der Arbeitnehmer und Zulieferer, die an dem Bauprojekt mitverdient haben. Aggregiert man alle Einzelbilanzen zu einer gesamtwirtschaftlichen und konsolidiert dabei Geldforderungen und -verbindlichkeiten, bleibt lediglich das Sachvermögen als Identität des Nettovermögens übrig. Nur durch die Schaffung des Sachwertes war es möglich, das Reinvermögen zu erhöhen. Daher sind Investitionen in Sachvermögen auch so bedeutsam für eine Volkswirtschaft. Sie stellen das tatsächliche vorhandene Vermögen in Form von Straßen, Gebäuden, Autos, Schiffen etc. dar.

Wie kann die Privatperson nun aber den Kredit tilgen? Wie wir gesehen haben ist im Privatsektor Einkommen entstanden, welches zusätzlicher Kaufkraft entspricht. Geben die Haushalte ihr Einkommen aus, wird dies auch dem Hauskäufer zu Gute kommen, da auch seine Arbeitsleistung gefragt sein wird, sofern alles gut verläuft und keine Wirtschaftskrise zur Hortung von Geldvermögen führt. Das Einkommen, welches er mit dem Verkauf seiner Arbeitskraft erzielt, wird wiederum ausgegeben und Einkommen bei anderen Personen erzeugen. So zirkuliert das geschaffene Geld im Wirtschaftskreislauf und der Hauskäufer kann aus seinem zukünftigen Einkommen jeden Monat einen Teil seines Kredites zurückzahlen, bis dieser völlig getilgt ist und das Geld bei Rückzahlung wieder vernichtet wird:

 \setlength{\tabcolsep}{1mm} \begin{center} \begin{tabular}{cc} \begin{tabular}[t]{p{2,9 cm}R{0.7cm}|p{2,9cm}R{0.7cm}} \multicolumn{4}{c}{\textbf{A}\hfill\textbf{Bank}\hfill\textbf{P}}\\ \hline Kredit & \sout{500} & Einlagen & \sout{500} \end{tabular} {~~}  \begin{tabular}[t]{p{2,9 cm}R{0.7cm}|p{2,9cm}R{0.7cm}} \multicolumn{4}{c}{\textbf{A}\hfill\textbf{Privatperson}\hfill\textbf{P}}\\ \hline Einlagen & \sout{500} & Kredit & \sout{500}\\ Haus&500&Nettovermögen&500 \end{tabular} \end{tabular} \end{center} \end{document}

Dieser Zusammenhang zwischen Ersparnis, Geld- und Sachvermögensbildung wird auch den Kern des folgenden Abschnitts bilden.

Gesamtwirtschaftliche Vermögensbildung ist Sachvermögensbildung

Wie das vorangegangene Beispiel gezeigt hat, bleibt nach Konsolidierung aller Einzelbilanzen lediglich die Sachvermögensbildung als gesamtwirtschaftliche Vermögensbildung übrig. Eine Volkswirtschaft ohne Außenhandel kann offensichtlich kein Geldvermögen anhäufen, da jeder Geldvermögensbildung gleichzeitig eine neue Verschuldung gegenübersteht. Sachvermögensbildung bezeichnet man volkswirtschaftlich auch als Investition. Demnach muss auf gesamtwirtschaftlicher Ebene die Ersparnis (Vermögensbildung) gerade den Investitionen entsprechen. Viele schließen hieraus vorschnell, dass Ersparnisse Investitionen finanzieren und deswegen identisch sein müssten. Dies ist aber zu kurz gedacht, wie wir im Folgenden sehen werden.

Die Vorstellung, dass Ersparnisse Investitionen finanzieren, liegt vielfach nämlich daran, dass Ersparnis im volkswirtschaftlichem Sinne nicht dem entspricht, wofür man diesen Ausdruck im allgemeinen Sprachgebrauch verwendet. Vielleicht wäre es sinnvoll, den Begriff der Ersparnis aus dem volkswirtschaftlichen Vokabular zu streichen und statt dessen den präziseren Begriff der Vermögensbildung zu verwenden, den man sogar noch stärker präzisieren kann, indem man zwischen Geld- und Sachvermögensbildung unterscheidet. Dass volkswirtschaftlich Ersparnis und Investition identisch sein müssen, kann man, wie gesehen, relativ einfach mit den im vorangegangenen Abschnitt eingeführten Begriffen nachweisen.

Vergleichbar mit dem Begriff „Konsum“ wird auch der Begriff „Ersparnis“ häufig für sehr unterschiedliche Vorgänge verwendet:

  • Reinvermögensbildung: Die Differenz zwischen Ertrag (Einkommen) und Aufwand (Konsum) der selben Periode.
  • Geldvermögensbildung: Die Differenz zwischen Einnahmen und Ausgaben der selben Periode. Das Geldvermögen des Einzelnen kann im Gegensatz zum Reinvermögen auch durch
    den Verkauf von Sachvermögensgütern gesteigert werden.
  • Konsumeinschränkung: Verringerung der Konsumausgaben im Vergleich zur Vorperiode.

Diese drei Bedeutungen werden oft gleichgesetzt, können sich, wie wir gesehen haben, aber unterscheiden. Bei steigendem Einkommen, wäre es für einen Haushalt zum Beispiel möglich, sein Rein- und sein Geldvermögen zu erhöhen ohne seinen Konsum einschränken zu müssen, etc. Um ein weiteres Mal zu zeigen, wie wichtig ein richtiger Umgang mit diesen Begriffen sein kann, werden wir ein weiteres Mal zur Vereinfachung von einer geschlossenen Volkswirtschaft ohne staatlichen Sektor ausgehen, um die folgende Argumentation zunächst im Grundsatz zu verstehen. Das bedeutet, dass sich Personen und Unternehmen im Privatsektor gegenseitig Geld leihen können, es aber keine Möglichkeit gibt, dem Staat oder dem Ausland Geld zu leihen (bzw. sich zu borgen). Wir werden im folgenden Abschnitt diese Annahmen dann fallen lassen und die Argumente verallgemeinern.

Für eine Einzelperson gilt, dass sie ihr Geldvermögen erhöht, wenn ihre Einnahmen die Ausgaben übersteigen. Dies ist aber nicht möglich, wenn sich kein anderer verschuldet. Da jeder Forderung eine Verbindlichkeit gegenüberstehen muss, gilt, dass eine Geldvermögensbildung einer Person nur in der Höhe möglich ist, wie alle anderen Personen in der Summe ihr Geldvermögen verringern, sich also verschulden. Für die Gesamtheit gilt, dass sie ihr Geldvermögen nicht verändern kann. Dies ist bei Sachvermögensbildung, also Investitionen (Maschinen, Gebäude, etc.) wie wir gesehen haben anders. Gesamtwirtschaftliche Ersparnis muss daher immer eine Sachvermögensbildung, also eine Investition sein. Eine einzelne Person kann sparen, indem sie Geldvermögen oder Sachvermögen bildet. Da für die Gesamtheit aber gilt, dass eine Veränderung des Geldvermögens nicht möglich ist, muss die aggregierte Ersparnis logischerweise der Sachvermögensbildung, also der Investitionen, entsprechen, weil die Nettogeldvermögensbildung im Aggregat immer Null sein muss.

Dies ist aber lediglich eine Identität, die keine Kausalität erklärt. Gleichzeitig zeigt die zwangsläufige Identität, dass man als Volkswirtschaft keine Ersparnis bilden kann, wenn diese nicht zeitgleich eine Investition ist. Da diese Identität zwingend logisch immer gelten muss, kann man gesamtwirtschaftlich auch keine Ersparnisse anhäufen, um sie zu einem späteren Zeitpunkt zu investieren, weil die Ersparnis der Vergangenheit ja bereits in der Vergangenheit investiert wurden. Gesamtwirtschaftlich ist ein Ansparen also nicht möglich. Die einzelwirtschaftliche Sichtweise, dass man für den Erwerb eines Gutes anspart, ist aus gesamtwirtschaftlicher Sichtweise demnach irreführend. Ein Unternehmer kann jederzeit von einer Bank einen Kredit bekommen, wenn er ein sinnvolles Investitionsvorhaben vorlegen kann. Das Geldvermögen hat sich auch hierdurch nicht geändert, weil mit dem Kredit wieder Forderungen und Verbindlichkeiten gleicher Höhe geschaffen wurden. Eine Ersparnis ist dafür nicht notwendig, da die Bank das Geld für den Kredit aus dem Nichts schöpft. Es ist also die Investition, die zur Sachvermögensbildung führt, und so eine Ersparnis erst ermöglicht, nicht umgekehrt.

Ein Anstieg der Investitionen muss zudem noch nicht einmal notwendigerweise mit einem Anstieg der Kredite einhergehen. Angenommen ein Unternehmer entscheidet sich bei zunächst ausgeglichenem Budget dazu, seine Investitionen zu erhöhen. Daraufhin übersteigen seine Ausgaben die Einnahmen und er benötigt einen Kredit (einzelwirtschaftlich). Dies muss aber nicht zwangsläufig zu einer zusätzlichen Kreditaufnahme des gesamten Unternehmenssektors führen (der Gesamtheit der Unternehmer). Wenn der Unternehmer beispielsweise zusätzliche Arbeitskräfte bezahlt, steigen die Einlagen im Haushaltssektor. Sollte dieser aber keine Ausweitung der Vermögensbildung wollen, so wird er das Geld wieder ausgeben. Dies wäre ein ebenso großer monetärer Ablauf aus dem Haushaltssektor wie es ein Zulauf für den Unternehmenssektor wäre. Die Unternehmen, die jetzt einen höheren Gewinn erzielen, können ihre geplanten Investitionen nun mit einem geringeren Kredit tätigen und die Gesamtheit der Kredite bleibt gleich, weil der Unternehmenssektor als Ganzes sich nur in der Höhe verschulden kann wie der Haushaltssektor Vermögen bildet. Dies zeigt noch einmal, dass gesamtwirtschaftliche Phänomene ganz anderen Gesetzmäßigkeiten folgen als die einzelwirtschaftlichen. Die Investition ist Sachvermögensbildung und stellt somit im Aggregat eine volkswirtschaftliche Ersparnis dar. Es hat aber niemand willentlich seinen Konsum reduziert und die Menge der Kredite ist ebenfalls nicht gestiegen.

Anwendung auf aktuelle Probleme

Die Unterscheidung zwischen Geld- und Sachvermögen spielt auch in Debatten über die Lösung aktueller gesellschaftlicher Probleme eine bedeutende Rolle. Viele Länder sind seit einigen Jahren
aufgrund einer veränderten demographischen Zusammensetzung ihrer Bevölkerung willens, die umlagefinanzierten Rentensysteme gegen kapitalgedeckte Systeme zu ersetzen. Der volkswirtschaftliche
Grund für die Überlegenheit der letzteren ist angeblich die Kapitalbildung (die Bildung von Sachvermögen, welches zur Produktion verwendet wird), welche zu einem späteren Zeitpunkt die Menge der produzierten Güter erhöht. Diese Sachvermögensbildung würde in der Tat den späteren Wohlstand der Volkswirtschaft erhöhen. Die zusätzlich produzierten Güter könnte man den Rentnern und Renterinnen zu Gute kommen lassen. Allerdings ist die zusätzliche private Ersparnis zunächst nur eine Geldvermögensbildung, die nicht zwangsläufig eine Investition nach sich ziehen muss. Ersparnis ist zunächst einmal lediglich Nicht-Konsum und könnte Unternehmen auch dazu veranlassen, weniger zu investieren, wodurch der spätere Kapitalstock sogar geringer ausfallen könnte als unter einem umlagefinanzierten System. In Deutschland sind seit Anfang der 2000er die Investitionen tatsächlich auf einem historischen Tief und die Produktivität steigt seit dem kaum. Dies ist eine besorgniserregende Entwicklung, weil Produktivitätssteigerungen volkswirtschaftlich der einzige Weg sind, um bei einer geringeren Anzahl von Arbeitnehmern die Produktion zu steigern oder zumindest konstant zu halten. Wie wir gesehen haben entspricht das Nettovermögen einer Volkswirtschaft gerade seinem Sachvermögen. Wenn das Ziel eine Verbesserung der Lebensbedingungen zukünftiger Generationen ist, sollte man also Investitionen fördern und nicht Ersparnis.

Die hohe Verschuldung einiger Länder seit der Finanzkrise ist im Übrigen kein Generationenkonflikt, in dem Sinne, dass die heute Lebenden, den morgen erst Geborenen eine Last hinterlassen. Die kommenden Generationen erben ja ebenso die Schulden wie die Vermögen der vorangegangenen. Aus Sicht der gesamten Volkswirtschaft handelt es sich bei Staatsverschuldung um eine reine Bilanzverlängerung, ohne dass das Nettovermögen sich ändern würde. Die Ausgabe einer Staatsanleihe steigert die Verschuldung des Staates nämlich in exakt gleicher Höhe wie die Vermögensbildung im Privatsektor. Innerhalb der kommenden Generation gibt es natürlich solche Personen, die von der Vermögensbildung ihrer Eltern profitieren und solche, die dies nicht tun. Dies ist aber bestenfalls ein Verteilungskonflikt innerhalb der kommenden Generation und nicht zwischen den Generationen.5

Staatsschulden werden ohnehin nicht zurückgezahlt, sondern  „überrollt“: Wenn ein Kreditvertrag ausläuft, nimmt der Staat einfach einen neuen auf. Da eine Regierung wegen der Quasi-Nichtinsolvenzfähigkeit ein besonders beliebter Schuldner unendlicher Lebensdauer ist, kann sie dieses Spiel prinzipiell ewig weiter treiben. Sollte sie kein Geld bekommen, kann zudem notfalls auch die Zentralbank einspringen, als sogenannter Kreditgeber der letzten Instanz. Dies gilt auch bei Berücksichtigung der Zinszahlungen, die ja bedient werden müssen. Denn auch diese erzeugen bei genauer Betrachtung keinen Konflikt zwischen den heute Lebenden und den morgen erst Geborenen. Nehmen wir an, dass der Staat mit seinen Steuereinnahmen die Zinsen begleicht. Dann befinden sich die Empfänger der Zinszahlungen ebenfalls in der gleichen Generation wie die Steuerzahler. Das Geld muss zu exakt der Zeit gezahlt werden, in der die Zinsen anfallen. Auch die Zinsen stellen also bestenfalls ein Verteilungs- und kein Generationenproblem dar, weil sich Schuldner und Gläubiger immer unter den derzeit Lebenden befinden. Forderungen und Verbindlichkeiten existieren immer zum gleichen Zeitpunkt. Man müsste mit Hilfe einer Zeitmaschine Geldüberweisungen aus der Zukunft erfinden, damit so etwas wie ein Generationen übergreifender Konflikt aufgrund von Schuldverhältnissen entstehen könnte. Eine Schuldrückzahlung muss immer zwingend logisch innerhalb der derzeit Lebenden stattfinden, da Tote keine Schulden zurückzahlen können.

MERKE
  • Vermögensaufbau in Geldeinheiten (der Aufbau von Geldvermögen) ist nur möglich bei gleichzeitiger Verschuldung anderer Personen oder Unternehmen. Ohne Verbindlichkeiten kann es auch keine Forderungen geben.
  • „Ersparnis“ ist ein Begriff, der für ganz unterschiedliche Vorgänge verwendet wird. Trennschärfer ist es zwischen Rein-, Geld- und Sachvermögensbildung sowie Konsumeinschränkung zu unterscheiden.
  • Für eine geschlossene Volkswirtschaft ohne Staat muss die Vermögensbildung des Privatsektors immer Sachvermögensbildung sein, weil eine Geldvermögensbildung im Aggregat nicht möglich ist.
  • Für eine geschlossene Volkswirtschaft inkl. Staat ist eine Geldvermögensbildung im Privatsektor in exakt der Höhe möglich, in welcher der Staat sein Geldvermögen reduziert (eine Netto-Neuverschuldung zulässt).
  • Verschuldung erzeugt keinen Generationenkonflikt, da Schuldner und Gläubiger immer zur gleichen Zeit leben.
Übungsaufgaben/Quizzes

 

Literatur

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